Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

9C 260/2021

Urteil vom 6. Dezember 2021

II. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Parrino, Präsident,
Bundesrichter Stadelmann,
Bundesrichterin Moser-Szeless,
Gerichtsschreiberin Keel Baumann.

Verfahrensbeteiligte
A.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Stefan Pfister,
Beschwerdeführer,

gegen

Ausgleichskasse des Kantons Aargau, Kyburgerstrasse 15, 5000 Aarau,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Alters- und Hinterlassenenversicherung,

Beschwerde gegen das Urteil des Versicherungsgerichts des Kantons Aargau vom 4. März 2021 (VBE.2020.441).

Sachverhalt:

A.
A.________ war vom 3. Juni 2011 bis zur Löschung der Gesellschaft im Handelsregister am 24. August 2018 Präsident bzw. Mitglied des Verwaltungsrats der B.________ AG, welche seit 1. Juli 2011 der Ausgleichskasse des Kantons Aargau angeschlossen war. Am 10. August 2017 wurde über die B.________ AG der Konkurs eröffnet; am 27. September 2017 wurde das Verfahren mangels Aktiven eingestellt. Die Kasse erhielt einen Verlustschein über die ungedeckt gebliebene Forderung von Fr. 283'568.25. Mit Verfügung vom 4. Oktober 2019 verpflichtete sie A.________ zur Leistung von Schadenersatz für entgangene Beiträge in der Höhe von Fr. 272'079.45. Daran hielt sie mit Einspracheentscheid vom 30. Juli 2020 fest.

B.
Die von A.________ dagegen erhobene Beschwerde wies das Versicherungsgericht des Kantons Aargau mit Urteil vom 4. März 2021 ab.

C.
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten lässt A.________ die Aufhebung des Urteils vom 4. März 2021 beantragen. Der Einspracheentscheid vom 30. Juli 2020 sei zufolge Nichtigkeit aufzuheben. Eventualiter sei die Sache zur neuen Beurteilung im Rahmen einer öffentlichen Verhandlung mit Befragung der Zeugen C.________, D.________ und E.________ (alle von der Ausgleichskasse) und zur Ergänzung des Sachverhalts mit den folgenden Auflagen an das kantonale Gericht zurückzuweisen: Die Kasse sei anzuweisen, ihm sämtliche Akten inkl. Meta-Daten, insbesondere sämtliche Korrespondenz wie etwa E-Mails, Briefe, Fax etc. sowie sämtliche internen Notizen (etwa Telefon-Notizen, Gesprächsprotokolle) zwischen der Kasse und allen Mitarbeitenden der B.________ AG in Bezug auf Stundung, Abzahlung, Mahnung etc. der Beiträge seit 2012 offenzulegen; ebenso seien sämtliche Akten, insbesondere die Korrespondenz zwischen der Kasse und dem Konkursamt, interne Aktennotizen etc. betreffend die Eingabe der Konkursforderung der Kasse gegenüber der B.________ AG offenzulegen. Dabei habe die Offenlegung der Akten jeweils in rechtsgenüglicher Form zu geschehen. Bis zur vollständigen Edition gemäss vorstehendem Antrag sei das Beschwerdeverfahren zu
sistieren und es sei ihm nach erfolgter Edition eine angemessene Frist zur Ergänzung der materiellen Stellungnahme im Rahmen des Beschwerdeverfahrens anzusetzen. Es seien unter seiner Mitwirkung die für den Entscheid erheblichen Tatsachen festzustellen und die in der Beschwerde beantragten Zeugen zur Befragung im Rahmen einer öffentlichen Verhandlung vorzuladen (Ziffer 1). Weiter beantragt A.________ für den Fall, dass wider Erwarten keine Rückweisung an die Vorinstanz erfolgen sollte, das Urteil vom 4. März 2021 sei aufzuheben, der Sachverhalt durch die Beschwerdeinstanz zu ergänzen und es sei gemäss den bisherigen Begehren vor Vorinstanz dahingehend zu entscheiden, dass der Einspracheentscheid vom 30. Juli 2020 aufgehoben werde zufolge Ablaufs der zweijährigen Verjährungsfrist, eventualiter mangels Verschuldens; subeventualiter sei eine allfällige Haftung zufolge Mitverschuldens der Kasse auf den Betrag von Fr. 0.- zu reduzieren, weshalb der Einspracheentscheid entsprechend abzuändern sei (Ziffer 2).
Die Ausgleichskasse schliesst auf Abweisung der Beschwerde. Das Bundesamt für Sozialversicherungen verzichtet auf eine Vernehmlassung.

D.
Am 26. Oktober 2021 forderte das Bundesgericht die Ausgleichskasse auf, die Postaufgabe der Verfügung vom 4. Oktober 2019 aktenmässig zu belegen. Die Kasse reagierte nicht darauf.

Erwägungen:

1.
Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann wegen Rechtsverletzungen gemäss Art. 95 f
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz
BGG Art. 95 Schweizerisches Recht - Mit der Beschwerde kann die Verletzung gerügt werden von:
a  Bundesrecht;
b  Völkerrecht;
c  kantonalen verfassungsmässigen Rechten;
d  kantonalen Bestimmungen über die politische Stimmberechtigung der Bürger und Bürgerinnen und über Volkswahlen und -abstimmungen;
e  interkantonalem Recht.
. BGG erhoben werden. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz
BGG Art. 106 Rechtsanwendung - 1 Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an.
1    Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an.
2    Es prüft die Verletzung von Grundrechten und von kantonalem und interkantonalem Recht nur insofern, als eine solche Rüge in der Beschwerde vorgebracht und begründet worden ist.
BGG). Es legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz
BGG Art. 105 Massgebender Sachverhalt - 1 Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat.
1    Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat.
2    Es kann die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz von Amtes wegen berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Artikel 95 beruht.
3    Richtet sich die Beschwerde gegen einen Entscheid über die Zusprechung oder Verweigerung von Geldleistungen der Militär- oder Unfallversicherung, so ist das Bundesgericht nicht an die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz gebunden.95
BGG). Es kann die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz auf Rüge hin oder von Amtes wegen berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz
BGG Art. 95 Schweizerisches Recht - Mit der Beschwerde kann die Verletzung gerügt werden von:
a  Bundesrecht;
b  Völkerrecht;
c  kantonalen verfassungsmässigen Rechten;
d  kantonalen Bestimmungen über die politische Stimmberechtigung der Bürger und Bürgerinnen und über Volkswahlen und -abstimmungen;
e  interkantonalem Recht.
BGG beruht und wenn die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann (Art. 105 Abs. 2
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz
BGG Art. 105 Massgebender Sachverhalt - 1 Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat.
1    Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat.
2    Es kann die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz von Amtes wegen berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Artikel 95 beruht.
3    Richtet sich die Beschwerde gegen einen Entscheid über die Zusprechung oder Verweigerung von Geldleistungen der Militär- oder Unfallversicherung, so ist das Bundesgericht nicht an die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz gebunden.95
und Art. 97 Abs. 1
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz
BGG Art. 97 Unrichtige Feststellung des Sachverhalts - 1 Die Feststellung des Sachverhalts kann nur gerügt werden, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Artikel 95 beruht und wenn die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann.
1    Die Feststellung des Sachverhalts kann nur gerügt werden, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Artikel 95 beruht und wenn die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann.
2    Richtet sich die Beschwerde gegen einen Entscheid über die Zusprechung oder Verweigerung von Geldleistungen der Militär- oder Unfallversicherung, so kann jede unrichtige oder unvollständige Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts gerügt werden.86
BGG).

2.

2.1. Streitig und zu prüfen ist, ob die Vorinstanz Bundesrecht verletzte, indem sie eine Pflicht des Beschwerdeführers zur Leistung von Schadenersatz in der Höhe von Fr. 272'079.45 (Verfügung vom 4. Oktober 2019, bestätigt mit Einspracheentscheid vom 30. Juli 2020) bejahte.

2.2. Im angefochtenen Urteil werden die Grundlagen der Arbeitgeberhaftung (Art. 52
SR 831.10 Bundesgesetz vom 20. Dezember 1946 über die Alters- und Hinterlassenenversicherung (AHVG)
AHVG Art. 52 Haftung - 1 Fügt ein Arbeitgeber durch absichtliche oder grobfahrlässige Missachtung von Vorschriften der Versicherung einen Schaden zu, so hat er diesen zu ersetzen.
1    Fügt ein Arbeitgeber durch absichtliche oder grobfahrlässige Missachtung von Vorschriften der Versicherung einen Schaden zu, so hat er diesen zu ersetzen.
2    Handelt es sich beim Arbeitgeber um eine juristische Person, so haften subsidiär die Mitglieder der Verwaltung und alle mit der Geschäftsführung oder Liquidation befassten Personen. Sind mehrere Personen für den gleichen Schaden verantwortlich, so haften sie für den ganzen Schaden solidarisch.292
3    Der Schadenersatzanspruch verjährt nach den Bestimmungen des Obligationenrechts293 über die unerlaubten Handlungen.294
4    Die zuständige Ausgleichskasse macht den Schadenersatz durch Erlass einer Verfügung geltend.295
5    In Abweichung von Artikel 58 Absatz 1 ATSG296 ist für die Beschwerde das Versicherungsgericht des Kantons zuständig, in welchem der Arbeitgeber seinen Wohnsitz hat.
6    Die Haftung nach Artikel 78 ATSG ist ausgeschlossen.
AHVG; Art. 14 Abs. 1
SR 831.10 Bundesgesetz vom 20. Dezember 1946 über die Alters- und Hinterlassenenversicherung (AHVG)
AHVG Art. 14 Bezugstermine und -verfahren - 1 Die Beiträge vom Einkommen aus unselbständiger Erwerbstätigkeit sind bei jeder Lohnzahlung in Abzug zu bringen und vom Arbeitgeber zusammen mit dem Arbeitgeberbeitrag periodisch zu entrichten.
1    Die Beiträge vom Einkommen aus unselbständiger Erwerbstätigkeit sind bei jeder Lohnzahlung in Abzug zu bringen und vom Arbeitgeber zusammen mit dem Arbeitgeberbeitrag periodisch zu entrichten.
2    Die Beiträge vom Einkommen aus selbständiger Erwerbstätigkeit, die Beiträge der Nichterwerbstätigen sowie die Beiträge der Arbeitnehmer ohne beitragspflichtige Arbeitgeber sind periodisch festzusetzen und zu entrichten. Der Bundesrat bestimmt die Bemessungs- und Beitragsperioden.69
2bis    Die Beiträge von Asylsuchenden, vorläufig Aufgenommenen und Schutzbedürftigen ohne Aufenthaltsbewilligung, die keine Erwerbstätigkeit ausüben, sind erst dann festzusetzen und unter Vorbehalt von Artikel 16 Absatz 1 zu entrichten, wenn:
a  diese Personen als Flüchtlinge anerkannt wurden;
b  diesen Personen eine Aufenthaltsbewilligung erteilt wird; oder
c  auf Grund des Alters, des Todes oder der Invalidität dieser Personen ein Leistungsanspruch im Sinne dieses Gesetzes oder des IVG70 entsteht.71
3    In der Regel werden die von den Arbeitgebern zu entrichtenden Beiträge im formlosen Verfahren nach Artikel 51 ATSG72 eingefordert. Dies gilt in Abweichung von Artikel 49 Absatz 1 ATSG auch für erhebliche Beiträge.73
4    Der Bundesrat erlässt Vorschriften über:
a  die Zahlungstermine für die Beiträge;
b  das Mahn- und Veranlagungsverfahren;
c  die Nachzahlung zu wenig bezahlter Beiträge;
d  den Erlass der Nachzahlung, auch in Abweichung von Artikel 24 ATSG;
e  ...76.77
5    Der Bundesrat kann bestimmen, dass auf einem jährlichen massgebenden Lohn bis zum Betrag der maximalen monatlichen Altersrente keine Beiträge entrichtet werden müssen; er kann diese Möglichkeit für bestimmte Tätigkeiten ausschliessen. Der Arbeitnehmer kann jedoch in jedem Fall verlangen, dass der Arbeitgeber die Beiträge entrichtet.78
6    Der Bundesrat kann zudem bestimmen, dass auf einem jährlichen Einkommen aus einer nebenberuflich ausgeübten selbstständigen Erwerbstätigkeit bis zum Betrag der maximalen monatlichen Altersrente nur auf Verlangen des Versicherten Beiträge erhoben werden.79
und Art. 51 Abs. 1
SR 831.10 Bundesgesetz vom 20. Dezember 1946 über die Alters- und Hinterlassenenversicherung (AHVG)
AHVG Art. 51 Aufgaben - 1 Die Arbeitgeber haben von jedem Lohn im Sinne von Artikel 5 Absatz 2 den Beitrag des Arbeitnehmers abzuziehen.287
1    Die Arbeitgeber haben von jedem Lohn im Sinne von Artikel 5 Absatz 2 den Beitrag des Arbeitnehmers abzuziehen.287
2    ...288 289
3    Die Arbeitgeber haben die von den Arbeitnehmern in der Anmeldung zum Bezug eines Versicherungsausweises gemachten Angaben auf Grund amtlicher Ausweispapiere zu überprüfen. Sie rechnen mit der Ausgleichskasse über die abgezogenen und die selbst geschuldeten Beiträge sowie über die ausbezahlten Renten und Hilflosenentschädigungen periodisch ab und machen die erforderlichen Angaben für die Führung der individuellen Konten der Arbeitnehmer.290
4    Der Bundesrat kann den Arbeitgebern weitere Aufgaben, die mit dem Beitragsbezug oder der Rentenauszahlung in Zusammenhang stehen, übertragen.
AHVG in Verbindung mit Art. 34 ff
SR 831.101 Verordnung vom 31. Oktober 1947 über die Alters- und Hinterlassenenversicherung (AHVV)
AHVV Art. 34 Zahlungsperioden - 1 Es haben der Ausgleichskasse die Beiträge zu zahlen:
1    Es haben der Ausgleichskasse die Beiträge zu zahlen:
a  Arbeitgeber monatlich oder, wenn die jährliche Lohnsumme 200 000 Franken nicht übersteigt, vierteljährlich;
b  Selbstständigerwerbende und Nichterwerbstätige sowie Arbeitnehmer nicht beitragspflichtiger Arbeitgeber, vierteljährlich;
c  Arbeitgeber im vereinfachten Verfahren nach den Artikeln 2 und 3 des Bundesgesetzes vom 17. Juni 2005147 über Massnahmen zur Bekämpfung der Schwarzarbeit (BGSA), jährlich.
2    Die Ausgleichskasse kann in begründeten Fällen für Beitragspflichtige nach Absatz 1 Buchstaben a und b, deren Jahresbeitrag an die Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenversicherung sowie an die Erwerbsersatzordnung 3000 Franken nicht übersteigt, längere, höchstens aber jährliche Zahlungsperioden festsetzen.148
3    Die für eine Zahlungsperiode geschuldeten Beiträge sind innert zehn Tagen nach deren Ablauf zu bezahlen. Im vereinfachten Verfahren nach den Artikeln 2 und 3 BGSA haben die Arbeitgeber die Beiträge innert 30 Tagen ab Rechnungsstellung zu bezahlen.149
. AHVV) und die dazu ergangene Rechtsprechung zutreffend dargelegt. Es betrifft dies insbesondere die Voraussetzungen der subsidiären Haftung der Organe eines Arbeitgebers (Schaden, Widerrechtlichkeit, Verschulden und adäquater Kausalzusammenhang zwischen vorwerfbarem Verhalten und eingetretenem Schaden). Richtig wiedergegeben wird auch die Verjährungsbestimmung des Art. 52 Abs. 3
SR 831.10 Bundesgesetz vom 20. Dezember 1946 über die Alters- und Hinterlassenenversicherung (AHVG)
AHVG Art. 52 Haftung - 1 Fügt ein Arbeitgeber durch absichtliche oder grobfahrlässige Missachtung von Vorschriften der Versicherung einen Schaden zu, so hat er diesen zu ersetzen.
1    Fügt ein Arbeitgeber durch absichtliche oder grobfahrlässige Missachtung von Vorschriften der Versicherung einen Schaden zu, so hat er diesen zu ersetzen.
2    Handelt es sich beim Arbeitgeber um eine juristische Person, so haften subsidiär die Mitglieder der Verwaltung und alle mit der Geschäftsführung oder Liquidation befassten Personen. Sind mehrere Personen für den gleichen Schaden verantwortlich, so haften sie für den ganzen Schaden solidarisch.292
3    Der Schadenersatzanspruch verjährt nach den Bestimmungen des Obligationenrechts293 über die unerlaubten Handlungen.294
4    Die zuständige Ausgleichskasse macht den Schadenersatz durch Erlass einer Verfügung geltend.295
5    In Abweichung von Artikel 58 Absatz 1 ATSG296 ist für die Beschwerde das Versicherungsgericht des Kantons zuständig, in welchem der Arbeitgeber seinen Wohnsitz hat.
6    Die Haftung nach Artikel 78 ATSG ist ausgeschlossen.
Satz 1 AHVG in der hier anwendbaren, bis Ende 2019 gültig gewesenen Fassung, wonach der Schadenersatzanspruch zwei Jahre, nachdem die zuständige Ausgleichskasse vom Schaden Kenntnis erhalten hat, spätestens aber fünf Jahre nach Eintritt des Schadens verjährt (vgl. auch die auf 1. Januar 2020 in Kraft getretene Neuregelung). Darauf wird verwiesen.

3.
Der Beschwerdeführer macht eine Verletzung des rechtlichen Gehörs durch die Vorinstanz geltend. Er wirft ihr vor, dass sie den Einspracheentscheid vom 30. Juli 2020 nicht als nichtig qualifizierte, obwohl die Verwaltung die Pflicht zur Aktenführung krass verletzt bzw. ihm das Akteneinsichtsrecht verweigert habe. Weiter beanstandet er, dass die Vorinstanz keine öffentliche Verhandlung durchführte.

3.1. Das kantonale Gericht gelangte zutreffend zum Ergebnis, dass keine schwere, nicht heilbare Verletzung des rechtlichen Gehörs vorliegt, welche zur Aufhebung des Einspracheentscheides geführt hätte, und erst recht kein Nichtigkeitsgrund (vgl. auch Urteil 9C 333/2007 vom 24. Juli 2008 E. 2, in: SVR 2009 AHV Nr. 1 S. 1, zu den gravierenden Mängeln, die für eine Nichtigkeit erforderlich wären). Es ist ihm vollumfänglich beizupflichten, dass die von der Kasse vorgenommene, unübersichtliche Dossierführung das Akteneinsichtsrecht des Beschwerdeführers zwar erschwerte, aber nicht verunmöglichte. Sodann trifft es auch zu, dass die Kasse dem Beschwerdeführer interne Gesprächsprotokolle und dergleichen, die für die interne Meinungsbildung bestimmt sind und keinen Beweischarakter haben, nicht unterbreiten musste (BGE 129 V 472 E. 4.2.2; 125 II 473 E. 4a; 115 V 297 E. 2g/aa). Was weitere Akten des Konkursamtes anbelangt, wird in der Beschwerde nicht aufgezeigt, inwiefern diese verfahrensrelevant und damit vorzulegen gewesen wären. Entscheidend ist, dass der Beschwerdeführer Einsicht hatte in sämtliche beweiserheblichen Akten, d.h. in solche, die geeignet waren, Grundlage des späteren Entscheides zu bilden (BGE 132 II 485 E. 3; 129 V 472 E.
4.2.2), und damit in der Lage war, sich wirksam zur Sache zu äussern.

3.2. Nicht zu beanstanden ist auch, dass das kantonale Gericht keine öffentliche Verhandlung gemäss Art. 6 Ziff. 1
IR 0.101 Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK)
EMRK Art. 6 Recht auf ein faires Verfahren - (1) Jede Person hat ein Recht darauf, dass über Streitigkeiten in Bezug auf ihre zivilrechtlichen Ansprüche und Verpflichtungen oder über eine gegen sie erhobene strafrechtliche Anklage von einem unabhängigen und unparteiischen, auf Gesetz beruhenden Gericht in einem fairen Verfahren, öffentlich und innerhalb angemessener Frist verhandelt wird. Das Urteil muss öffentlich verkündet werden; Presse und Öffentlichkeit können jedoch während des ganzen oder eines Teiles des Verfahrens ausgeschlossen werden, wenn dies im Interesse der Moral, der öffentlichen Ordnung oder der nationalen Sicherheit in einer demokratischen Gesellschaft liegt, wenn die Interessen von Jugendlichen oder der Schutz des Privatlebens der Prozessparteien es verlangen oder - soweit das Gericht es für unbedingt erforderlich hält - wenn unter besonderen Umständen eine öffentliche Verhandlung die Interessen der Rechtspflege beeinträchtigen würde.
a  innerhalb möglichst kurzer Frist in einer ihr verständlichen Sprache in allen Einzelheiten über Art und Grund der gegen sie erhobenen Beschuldigung unterrichtet zu werden;
b  ausreichende Zeit und Gelegenheit zur Vorbereitung ihrer Verteidigung zu haben;
c  sich selbst zu verteidigen, sich durch einen Verteidiger ihrer Wahl verteidigen zu lassen oder, falls ihr die Mittel zur Bezahlung fehlen, unentgeltlich den Beistand eines Verteidigers zu erhalten, wenn dies im Interesse der Rechtspflege erforderlich ist;
d  Fragen an Belastungszeugen zu stellen oder stellen zu lassen und die Ladung und Vernehmung von Entlastungszeugen unter denselben Bedingungen zu erwirken, wie sie für Belastungszeugen gelten;
e  unentgeltliche Unterstützung durch einen Dolmetscher zu erhalten, wenn sie die Verhandlungssprache des Gerichts nicht versteht oder spricht.
EMRK anordnete. Eine solche setzt im Sozialversicherungsprozess einen - im erstinstanzlichen Verfahren zu stellenden - Parteiantrag voraus, aus dem klar und unmissverständlich hervorgehen muss, dass eine konventionskonforme Verhandlung mit Publikums- und Presseanwesenheit durchgeführt werden soll. Wird lediglich eine persönliche Anhörung oder Befragung, ein Parteiverhör, eine Zeugeneinvernahme oder die Durchführung eines Augenscheins verlangt, darf das Gericht daraus schliessen, dass es der antragstellenden Person um die Abnahme bestimmter Beweismittel und nicht um die Durchführung einer öffentlichen Verhandlung geht (BGE 134 I 331 E. 2.3.2; 122 V 47 E. 3a; Urteil 9C 79/2020 vom 20. August 2020 E. 3.2.1). Den Eingaben des Beschwerdeführers war kein klarer und unmissverständlicher Antrag auf Durchführung einer öffentlichen Verhandlung gemäss Art. 6 Ziff. 1
IR 0.101 Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK)
EMRK Art. 6 Recht auf ein faires Verfahren - (1) Jede Person hat ein Recht darauf, dass über Streitigkeiten in Bezug auf ihre zivilrechtlichen Ansprüche und Verpflichtungen oder über eine gegen sie erhobene strafrechtliche Anklage von einem unabhängigen und unparteiischen, auf Gesetz beruhenden Gericht in einem fairen Verfahren, öffentlich und innerhalb angemessener Frist verhandelt wird. Das Urteil muss öffentlich verkündet werden; Presse und Öffentlichkeit können jedoch während des ganzen oder eines Teiles des Verfahrens ausgeschlossen werden, wenn dies im Interesse der Moral, der öffentlichen Ordnung oder der nationalen Sicherheit in einer demokratischen Gesellschaft liegt, wenn die Interessen von Jugendlichen oder der Schutz des Privatlebens der Prozessparteien es verlangen oder - soweit das Gericht es für unbedingt erforderlich hält - wenn unter besonderen Umständen eine öffentliche Verhandlung die Interessen der Rechtspflege beeinträchtigen würde.
a  innerhalb möglichst kurzer Frist in einer ihr verständlichen Sprache in allen Einzelheiten über Art und Grund der gegen sie erhobenen Beschuldigung unterrichtet zu werden;
b  ausreichende Zeit und Gelegenheit zur Vorbereitung ihrer Verteidigung zu haben;
c  sich selbst zu verteidigen, sich durch einen Verteidiger ihrer Wahl verteidigen zu lassen oder, falls ihr die Mittel zur Bezahlung fehlen, unentgeltlich den Beistand eines Verteidigers zu erhalten, wenn dies im Interesse der Rechtspflege erforderlich ist;
d  Fragen an Belastungszeugen zu stellen oder stellen zu lassen und die Ladung und Vernehmung von Entlastungszeugen unter denselben Bedingungen zu erwirken, wie sie für Belastungszeugen gelten;
e  unentgeltliche Unterstützung durch einen Dolmetscher zu erhalten, wenn sie die Verhandlungssprache des Gerichts nicht versteht oder spricht.
EMRK zu entnehmen; vielmehr enthielten die Beschwerdeschrift und die Replik reine Beweisanträge, indem darin unter den Beweisofferten Parteibefragungen und Beweisaussagen aufgeführt wurden.

4.
Es stellt sich vorab die Frage, ob die Ausgleichskasse die Schadenersatzforderung rechtzeitig innert der Verjährungsfrist von zwei Jahren nach Kenntnis des Schadens (Art. 52 Abs. 3
SR 831.10 Bundesgesetz vom 20. Dezember 1946 über die Alters- und Hinterlassenenversicherung (AHVG)
AHVG Art. 52 Haftung - 1 Fügt ein Arbeitgeber durch absichtliche oder grobfahrlässige Missachtung von Vorschriften der Versicherung einen Schaden zu, so hat er diesen zu ersetzen.
1    Fügt ein Arbeitgeber durch absichtliche oder grobfahrlässige Missachtung von Vorschriften der Versicherung einen Schaden zu, so hat er diesen zu ersetzen.
2    Handelt es sich beim Arbeitgeber um eine juristische Person, so haften subsidiär die Mitglieder der Verwaltung und alle mit der Geschäftsführung oder Liquidation befassten Personen. Sind mehrere Personen für den gleichen Schaden verantwortlich, so haften sie für den ganzen Schaden solidarisch.292
3    Der Schadenersatzanspruch verjährt nach den Bestimmungen des Obligationenrechts293 über die unerlaubten Handlungen.294
4    Die zuständige Ausgleichskasse macht den Schadenersatz durch Erlass einer Verfügung geltend.295
5    In Abweichung von Artikel 58 Absatz 1 ATSG296 ist für die Beschwerde das Versicherungsgericht des Kantons zuständig, in welchem der Arbeitgeber seinen Wohnsitz hat.
6    Die Haftung nach Artikel 78 ATSG ist ausgeschlossen.
Satz 1 AHVG in der hier anwendbaren, bis 31. Dezember 2019 in Kraft gewesenen Fassung) geltend gemacht hat.

4.1. Die Schadenskenntnis, welche die relative Zweijahresfrist auslöst, ist in der Regel von dem Zeitpunkt an gegeben, in welchem die Ausgleichskasse bei der ihr zumutbaren Aufmerksamkeit erkennen muss, dass die tatsächlichen Gegebenheiten es nicht mehr erlauben, die Beiträge einzufordern, wohl aber eine Schadenersatzpflicht begründen können (BGE 134 V 353 E. 1.2; 131 V 425 E. 3.1; 128 V 15 E. 2a).

4.1.1. Voraussetzung für die ausreichende Schadenskenntnis ist, dass die Ausgleichskasse alle tatsächlichen Umstände über die Existenz, die Beschaffenheit und die wesentlichen Merkmale des Schadens kennt bzw. kennen muss (Urteil 9C 166/2017 vom 8. August 2017 E. 4.2 [mit Hinweis auf BGE 116 V 72 E. 3b], in: SVR 2017 AHV Nr. 21 S. 71). In diesem Sinne zumutbare Kenntnis eines Teilschadens genügt (Urteil 9C 325/2010 vom 10. Dezember 2010 E. 2.1.1, in: SVR 2011 AHV Nr. 13 S. 42). Da die ausstehende Beitragsforderung Grundlage für die Höhe des Schadens bildet, kann die Schadenskenntnis erst angenommen werden, sobald die Ausgleichskasse in der Lage ist, die voraussichtliche Höhe des infolge der unbezahlt gebliebenen Beiträge zu erwartenden Verlusts abzuschätzen (Urteile 9C 166/2017 vom 8. August 2017 E. 4.2 mit Hinweisen, in: SVR 2017 AHV Nr. 21 S. 71; 9C 325/2010 vom 10. Dezember 2010 E. 2.1.1, in: SVR 2011 AHV Nr. 13 S. 42; Marco Reichmuth, Die Haftung des Arbeitgebers und seiner Organe nach Art. 52
SR 831.10 Bundesgesetz vom 20. Dezember 1946 über die Alters- und Hinterlassenenversicherung (AHVG)
AHVG Art. 52 Haftung - 1 Fügt ein Arbeitgeber durch absichtliche oder grobfahrlässige Missachtung von Vorschriften der Versicherung einen Schaden zu, so hat er diesen zu ersetzen.
1    Fügt ein Arbeitgeber durch absichtliche oder grobfahrlässige Missachtung von Vorschriften der Versicherung einen Schaden zu, so hat er diesen zu ersetzen.
2    Handelt es sich beim Arbeitgeber um eine juristische Person, so haften subsidiär die Mitglieder der Verwaltung und alle mit der Geschäftsführung oder Liquidation befassten Personen. Sind mehrere Personen für den gleichen Schaden verantwortlich, so haften sie für den ganzen Schaden solidarisch.292
3    Der Schadenersatzanspruch verjährt nach den Bestimmungen des Obligationenrechts293 über die unerlaubten Handlungen.294
4    Die zuständige Ausgleichskasse macht den Schadenersatz durch Erlass einer Verfügung geltend.295
5    In Abweichung von Artikel 58 Absatz 1 ATSG296 ist für die Beschwerde das Versicherungsgericht des Kantons zuständig, in welchem der Arbeitgeber seinen Wohnsitz hat.
6    Die Haftung nach Artikel 78 ATSG ist ausgeschlossen.
AHVG, 2008, Rz. 818).

4.1.2. Für die einzelnen Konstellationen, in denen der Ausgleichskasse ein Schaden entsteht, haben sich in der Praxis Regelzeitpunkte entwickelt, in welchen die Schadenskenntnis üblicherweise angenommen wird. Es sind dies namentlich die Zustellung des definitiven Pfändungsverlustscheins, die Auflage des Kollokationsplans sowie die Einstellung des Konkursverfahrens mangels Aktiven (Urteile 9C 166/2017 vom 8. August 2017 E. 4.2.1, in: SVR 2017 AHV Nr. 21 S. 71; 9C 599/2017 vom 26. Juni 2018 E. 4.5.2; BGE 126 V 443 E. 3; Reichmuth, a.a.O., Rz. 822).

4.1.2.1. Die fristauslösende Schadenskenntnis kann ausnahmsweise schon vor dem jeweiligen Regelzeitpunkt gegeben sein. Rechtsprechungsgemäss wird diesbezüglich ein strenger Massstab angelegt und nicht nur eine Vermutung, sondern die gesicherte Kenntnis des entstandenen Schadens verlangt (Urteile 9C 166/2017 vom 8. August 2017 E. 4.2.1, in: SVR 2017 AHV Nr. 21 S. 71; 9C 599/2017 vom 26. Juni 2018 E. 4.5.2; BGE 118 V 193 E. 3b; 116 V 72 E. 3c; Reichmuth, a.a.O., Rz. 823 mit weiteren Hinweisen). Eine Vorverlegung auf die Zeit vor Auflegung des Kollokationsplanes rechtfertigt sich etwa, wenn eine Ausgleichskasse anlässlich der Gläubigerversammlung vernimmt, dass ihre Forderung auf jeden Fall ungedeckt bleiben wird (BGE 118 V 193 E. 3b).

4.1.2.2. Unter besonderen Umständen ist ebenso möglich, dass die Ausgleichskasse erst nach dem Regelzeitpunkt Kenntnis vom Schaden erlangt. Dies ist beispielsweise zu bejahen, wenn der Kollokationsplan und das Inventar eine vollständige Deckung der Beitragsforderung erwarten lassen (ZAK 1992 S. 252 E. 5c; Urteile [des Eidg. Versicherungsgerichts] H 242/00 vom 10. August 2001 E. 3a; H 143/90 vom 14. November 1991 E. 4c) oder wenn die Aktiven bei der Auflage des Kollokationsplanes völlig unklar sind und auch die Konkursverwaltung keine Angaben über eine mögliche Dividende machen kann (BGE 118 V 193 E. 3b mit Hinweis auf ZAK 1992 S. 266 E. 5c). Auf eine spätere Schadenskenntnis wurde auch geschlossen, als es einer Ausgleichskasse vor der Publikation der Einstellung des Konkursverfahrens mangels Aktiven ausnahmsweise nicht möglich war, die geschuldeten Beiträge und den Schaden zu ermitteln (Urteil [des Eidg. Versicherungsgerichts] H 224/98 vom 7. Januar 2000 E. 3c; zum Ganzen: REICHMUTH, a.a.O., Rz. 840).

4.2. Das Konkursverfahren der B.________ AG wurde am 27. September 2017 mangels Aktiven eingestellt, wobei der entsprechende Beschluss am 4. Oktober 2017 im Schweizerischen Handelsamtsblatt (SHAB) publiziert wurde. Als Regelzeitpunkt für die Kenntnis des Schadens gilt gemäss der in E. 4.1.2 dargelegten Rechtsprechung der 4. Oktober 2017.

4.3. Die Vorinstanz erwog, die Ausgleichskasse habe am 4. Oktober 2017 (als Regelzeitpunkt) noch keine Kenntnis der bis zur Eröffnung des Konkursverfahrens am 10. August 2017 geschuldeten Beiträge gehabt. Der Einladung des Konkursamtes vom 18. Oktober 2017, ihre Forderung einzugeben, sei sie erst am 8. Januar 2018 nachgekommen, nach Durchführung der Schlusskontrolle. Da die Kasse am 4. Oktober 2017 mithin noch nicht in der Lage gewesen sei, die Beitragsforderung zu beziffern, könne eine Schadenskenntnis erst nach diesem Zeitpunkt angenommen werden. Folglich erübrige sich eine Auseinandersetzung mit dem beschwerdeführerischen Vorbringen, wonach die Schadenersatzverfügung vom 4. Oktober 2019 der Post nicht rechtzeitig übergeben worden sei. Die zweijährige Verjährungsfrist sei auf jeden Fall gewahrt.

4.4. Während die Vorinstanz mithin die Schadenskenntnis als Auslöser der relativen zweijährigen Verjährungsfrist erst nach dem Regelzeitpunkt für gegeben hält (E. 4.3), vertritt der Beschwerdeführer unter Berufung auf BGE 141 V 487 E. 3 den Standpunkt, der Fristenlauf beginne bereits mit der am 10. August 2017 erfolgten Konkurseröffnung, weil in diesem Zeitpunkt die Zahlungsunfähigkeit und damit die Uneinbringlichkeit der Forderung erwiesen gewesen sei. Er stützt seine Auffassung allerdings auf ein Urteil, welches sich nicht zur relativen, mit Kenntnis des Schadens beginnenden zweijährigen, sondern zur hier ohne weiteres gewahrten absoluten, mit Eintritt des Schadens beginnenden fünfjährigen Verjährungsfrist äussert. Im Übrigen wirft er der Vorinstanz zu Unrecht vor zu verkennen, dass die Schadenskenntnis auch vor dem Regelzeitpunkt liegen könne. Sie legte diese Möglichkeit in ihren Erwägungen ausdrücklich dar und erachtete eine entsprechende, nur mit Zurückhaltung anzunehmende (vgl. E. 4.1.2.1) Konstellation im vorliegenden Fall, wo die Ausgleichskasse bei Konkurseröffnung noch keine gesicherte Kenntnis hatte, zu Recht als nicht gegeben.

4.5. Soweit die Vorinstanz indessen davon ausging, die Ausgleichskasse habe selbst am 4. Oktober 2017 als Regelzeitpunkt noch keine Kenntnis des Schadens gehabt, ist dies offensichtlich unrichtig. Ihre Feststellung steht im Widerspruch zum Einspracheentscheid vom 21. Juli 2020, in welchem die Kasse selber ausdrücklich anerkannte, dass sie bereits am 4. Oktober 2017 davon Kenntnis erlangt hatte. Der im angefochtenen Urteil für die gegenteilige Auffassung sinngemäss angeführten Begründung, wonach die Ausgleichskasse zu diesem Zeitpunkt noch nicht in der Lage gewesen sei, die Beitragsforderung zu beziffern, und erst die später durchgeführte Schlusskontrolle die Grundlage dafür geschaffen habe, kann nicht gefolgt werden: Sie lässt ausser Acht, dass die Ausgleichskasse sich aktiv um die Schadenskenntnis zu bemühen und nach der Konkurseröffnung umgehend eine Arbeitgeberkontrolle anzuordnen hat, um die Höhe der Beitragsforderung zu ermitteln (vgl. Art. 68 Abs. 2
SR 831.10 Bundesgesetz vom 20. Dezember 1946 über die Alters- und Hinterlassenenversicherung (AHVG)
AHVG Art. 68 Anforderungen an die Revisionsstelle und den leitenden Revisor - 1 Jede Ausgleichskasse, einschliesslich der Zweigstellen, muss von einem nach dem Revisionsaufsichtsgesetz vom 16. Dezember 2005357 (RAG) als Revisionsexperte zugelassenen Revisionsunternehmen revidiert werden.
1    Jede Ausgleichskasse, einschliesslich der Zweigstellen, muss von einem nach dem Revisionsaufsichtsgesetz vom 16. Dezember 2005357 (RAG) als Revisionsexperte zugelassenen Revisionsunternehmen revidiert werden.
2    Als leitender Revisor tätig sein dürfen natürliche Personen, die als Revisionsexperten nach dem RAG zugelassen sind.
3    Für die Unabhängigkeit der Revisionsstelle gilt sinngemäss Artikel 728 des Obligationenrechts358 mit Ausnahme der Absätze 2 Ziffer 2 und 6 bezüglich der zu prüfenden Gesellschaft (erster Halbsatz). Der Bundesrat kann weitere Kriterien für die Unvereinbarkeit mit dem Prüfmandat der Revisionsstelle festlegen.
4    Der Bundesrat erlässt nähere Vorschriften über die Anforderungen an die Revisionsstelle und den leitenden Revisor, die über die Zulassungsvoraussetzungen nach den Absätzen 1 und 2 hinausgehen.
5    Ist eine Ausgleichskasse einer kantonalen Sozialversicherungsanstalt angeschlossen, so muss die Revisionsstelle dieser Sozialversicherungsanstalt die Voraussetzungen der Absätze 1-4 erfüllen und auch die Ausgleichskasse revidieren.
AHVG sowie Art. 162 Abs. 1
SR 831.101 Verordnung vom 31. Oktober 1947 über die Alters- und Hinterlassenenversicherung (AHVV)
AHVV Art. 162 Grundsatz - 1 Die periodische Arbeitgeberkontrolle nach Artikel 68b AHVG ist grundsätzlich an Ort und Stelle durchzuführen. Die mit der Durchführung der Arbeitgeberkontrolle betraute Stelle kann auf die Kontrolle an Ort und Stelle verzichten, wenn sie auf elektronischem Weg Zugang hat zu den für die Kontrolle erforderlichen Daten und Unterlagen.497
1    Die periodische Arbeitgeberkontrolle nach Artikel 68b AHVG ist grundsätzlich an Ort und Stelle durchzuführen. Die mit der Durchführung der Arbeitgeberkontrolle betraute Stelle kann auf die Kontrolle an Ort und Stelle verzichten, wenn sie auf elektronischem Weg Zugang hat zu den für die Kontrolle erforderlichen Daten und Unterlagen.497
2    Wechselt ein Arbeitgeber die Ausgleichskasse, so hat die bisherige Ausgleichskasse dafür zu sorgen, dass der Arbeitgeber für die Zeit bis zum Kassenwechsel kontrolliert wird.
3    Der Kassenleiter ist verantwortlich für die Anordnung der Kontrollen und für die Festlegung der Kontrollperioden.498 Er beachtet dabei insbesondere das Ergebnis der letzten Kontrolle sowie die permanente Risikobeurteilung des jeweiligen Arbeitgebers. Dem Arbeitgeber ist die Kontrolle rechtzeitig anzukündigen.499
4    Das BSV erteilt den Ausgleichskassen Weisungen über die Anordnung von Kontrollen.500
AHVV; Rz. 6038 der Wegleitung über den Bezug der Beiträge in der AHV, IV und EO [WBB]; Urteil [des Eidg. Versicherungsgerichts] H 211/04 vom 17. März 2005 E. 4.2.1 in fine und E. 4.2.2). Es sind keine Gründe ersichtlich, weshalb es der
Beschwerdegegnerin nicht möglich gewesen sein sollte, die erforderliche Arbeitgeberkontrolle vorschriftsgemäss unmittelbar nach der Konkurseröffnung vorzunehmen und die geschuldeten Beiträge gestützt darauf zu beziffern. In diesem Sinne hätte die Kasse es jedenfalls ihrer eigenen Nachlässigkeit zuzuschreiben, wenn sie am 4. Oktober 2017 noch nicht in der Lage gewesen wäre, die Höhe der Beitragsforderung zu bestimmen (was sie selber allerdings ohnehin nicht geltend macht). Der hier zu beurteilende Sachverhalt unterscheidet sich denn auch wesentlich von den Verhältnissen, die dem Urteil (des Eidg. Versicherungsgerichts) H 224/98 vom 7. Januar 2000 (E. 3c) zugrunde lagen, indem es der Ausgleichskasse damals in den wenigen Wochen zwischen der Konkurseröffnung und der Einstellung des Konkursverfahrens mangels Aktiven aufgrund des unkooperativen Verhaltens des ehemaligen Geschäftsführers der konkursiten Firma (es wurden keine Lohndeklarationen eingereicht; Aufforderungen, die Lohnbezüge zu beziffern, blieben unbeantwortet etc.) nicht möglich war, die erforderlichen Unterlagen erhältlich zu machen, um die geschuldeten Beiträge und gestützt darauf den Schaden zu ermitteln.

4.6. Erlangte die Beschwerdegegnerin am 4. Oktober 2017 Kenntnis des Schadens, wurde die relative zweijährige Verjährungsfrist an diesem Tag ausgelöst und fällt ihr Ende auf den 4. Oktober 2019. Damit ist die im angefochtenen Urteil offen gelassene Frage zu beantworten, ob die mit diesem Datum versehene Schadenersatzverfügung der Post (spätestens) an diesem Tag übergeben wurde.

4.6.1. Die objektive Beweislast für die Tatsache und das Datum der Zustellung eines Verwaltungsaktes trägt nach der Rechtsprechung die Behörde, die daraus Rechte ableiten will. Die Verwaltung hat die Folgen der Beweislosigkeit in dem Sinne zu tragen, als im Falle, dass die rechtzeitige Postaufgabe der Verfügung bestritten wird und Zweifel diesbezüglich bestehen, auf die Darstellung des Empfängers abzustellen ist (BGE 136 V 295 E. 5.9; Urteil 9C 202/2014 vom 11. Juli 2014 E. 4.2; vgl. auch BGE 142 IV 125 E. 4.3).

4.6.2. Die Verfügung vom 4. Oktober 2019 trägt zwar den Vermerk "Einschreiben", doch findet sich in den recht unübersichtlichen Akten (vgl. E. 3.1 hiervor) kein Beleg dafür, dass sie tatsächlich an diesem Tag versandt wurde. Wie bereits in seiner im kantonalen Verfahren eingereichten Replik bezweifelt der Beschwerdeführer auch vor Bundesgericht, dass die Postaufgabe am 4. Oktober 2019 erfolgte. Die Ausgleichskasse, welche sich sowohl im kantonalen als auch im letztinstanzlichen Prozess lediglich mit dem Antrag auf Beschwerdeabweisung vernehmen liess und auf eine materielle Stellungnahme verzichtete, äusserte sich dazu nicht. Selbst als sie vom Bundesgericht zu einer Stellungnahme aufgefordert wurde, reagierte sie nicht. Bei dieser Sachlage ist der Beweis, dass die Schadenersatzverfügung der Post am 4. Oktober 2019 übergeben wurde, nicht erbracht. Die Folgen dieser Beweislosigkeit hat gemäss den in E. 4.6.1 dargelegten Grundsätzen die Ausgleichskasse zu tragen.

4.6.3. Ist nach dem Gesagten nicht erstellt, dass die Schadenersatzverfügung innerhalb der (relativen) zweijährigen Verjährungsfrist ab Kenntnis des Schadens, d.h. spätestens am 4. Oktober 2019, der Post übergeben wurde, hat die Ausgleichskasse ihre Forderung gegenüber dem Beschwerdeführer nicht rechtzeitig geltend gemacht.

4.6.4. Das kantonale Urteil, welches die Verpflichtung des Beschwerdeführers zur Leistung von Schadenersatz in der Höhe von Fr. 272'079.45 gemäss Einspracheentscheid vom 30. Juli 2020 bestätigte, verletzt Bundesrecht. Dass die Ausgleichskasse ihre Schadenersatzforderung nicht innerhalb der zweijährigen Verjährungsfrist geltend gemacht hat, führt zur Gutheissung der Beschwerde und zur Aufhebung des angefochtenen Urteils sowie des Einspracheentscheides.

5.

5.1. Die unterliegende Ausgleichskasse hat die Gerichtskosten zu tragen (Art. 66 Abs. 1
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz
BGG Art. 66 Erhebung und Verteilung der Gerichtskosten - 1 Die Gerichtskosten werden in der Regel der unterliegenden Partei auferlegt. Wenn die Umstände es rechtfertigen, kann das Bundesgericht die Kosten anders verteilen oder darauf verzichten, Kosten zu erheben.
1    Die Gerichtskosten werden in der Regel der unterliegenden Partei auferlegt. Wenn die Umstände es rechtfertigen, kann das Bundesgericht die Kosten anders verteilen oder darauf verzichten, Kosten zu erheben.
2    Wird ein Fall durch Abstandserklärung oder Vergleich erledigt, so kann auf die Erhebung von Gerichtskosten ganz oder teilweise verzichtet werden.
3    Unnötige Kosten hat zu bezahlen, wer sie verursacht.
4    Dem Bund, den Kantonen und den Gemeinden sowie mit öffentlich-rechtlichen Aufgaben betrauten Organisationen dürfen in der Regel keine Gerichtskosten auferlegt werden, wenn sie in ihrem amtlichen Wirkungskreis, ohne dass es sich um ihr Vermögensinteresse handelt, das Bundesgericht in Anspruch nehmen oder wenn gegen ihre Entscheide in solchen Angelegenheiten Beschwerde geführt worden ist.
5    Mehrere Personen haben die ihnen gemeinsam auferlegten Gerichtskosten, wenn nichts anderes bestimmt ist, zu gleichen Teilen und unter solidarischer Haftung zu tragen.
BGG) und dem Beschwerdeführer eine Parteientschädigung in der Höhe des Normalansatzes von Fr. 2800.- zu entrichten (Art. 68 Abs. 2
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz
BGG Art. 68 Parteientschädigung - 1 Das Bundesgericht bestimmt im Urteil, ob und in welchem Mass die Kosten der obsiegenden Partei von der unterliegenden zu ersetzen sind.
1    Das Bundesgericht bestimmt im Urteil, ob und in welchem Mass die Kosten der obsiegenden Partei von der unterliegenden zu ersetzen sind.
2    Die unterliegende Partei wird in der Regel verpflichtet, der obsiegenden Partei nach Massgabe des Tarifs des Bundesgerichts alle durch den Rechtsstreit verursachten notwendigen Kosten zu ersetzen.
3    Bund, Kantonen und Gemeinden sowie mit öffentlich-rechtlichen Aufgaben betrauten Organisationen wird in der Regel keine Parteientschädigung zugesprochen, wenn sie in ihrem amtlichen Wirkungskreis obsiegen.
4    Artikel 66 Absätze 3 und 5 ist sinngemäss anwendbar.
5    Der Entscheid der Vorinstanz über die Parteientschädigung wird vom Bundesgericht je nach Ausgang des Verfahrens bestätigt, aufgehoben oder geändert. Dabei kann das Gericht die Entschädigung nach Massgabe des anwendbaren eidgenössischen oder kantonalen Tarifs selbst festsetzen oder die Festsetzung der Vorinstanz übertragen.
BGG).

5.2. Entsprechend dem Prozessausgang ist die Sache zur Neuverlegung der Parteientschädigung des vorangegangenen Verfahrens an die Vorinstanz zurückzuweisen (Art. 68 Abs. 5
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz
BGG Art. 68 Parteientschädigung - 1 Das Bundesgericht bestimmt im Urteil, ob und in welchem Mass die Kosten der obsiegenden Partei von der unterliegenden zu ersetzen sind.
1    Das Bundesgericht bestimmt im Urteil, ob und in welchem Mass die Kosten der obsiegenden Partei von der unterliegenden zu ersetzen sind.
2    Die unterliegende Partei wird in der Regel verpflichtet, der obsiegenden Partei nach Massgabe des Tarifs des Bundesgerichts alle durch den Rechtsstreit verursachten notwendigen Kosten zu ersetzen.
3    Bund, Kantonen und Gemeinden sowie mit öffentlich-rechtlichen Aufgaben betrauten Organisationen wird in der Regel keine Parteientschädigung zugesprochen, wenn sie in ihrem amtlichen Wirkungskreis obsiegen.
4    Artikel 66 Absätze 3 und 5 ist sinngemäss anwendbar.
5    Der Entscheid der Vorinstanz über die Parteientschädigung wird vom Bundesgericht je nach Ausgang des Verfahrens bestätigt, aufgehoben oder geändert. Dabei kann das Gericht die Entschädigung nach Massgabe des anwendbaren eidgenössischen oder kantonalen Tarifs selbst festsetzen oder die Festsetzung der Vorinstanz übertragen.
BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird gutgeheissen. Das Urteil des Versicherungsgerichts des Kantons Aargau vom 4. März 2021 und der Einspracheentscheid der Ausgleichskasse des Kantons Aargau vom 30. Juli 2020 werden aufgehoben.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 8000.- werden der Beschwerdegegnerin auferlegt.

3.
Die Beschwerdegegnerin hat den Beschwerdeführer für das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 2800.- zu entschädigen.

4.
Die Sache wird zur Neuverlegung der Parteientschädigung des vorangegangenen Verfahrens an das Versicherungsgericht des Kantons Aargau zurückgewiesen.

5.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungsgericht des Kantons Aargau, F.________, G.________, und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 6. Dezember 2021

Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Parrino

Die Gerichtsschreiberin: Keel Baumann