TPF 2014 24, p.24

5. Auszug aus dem Beschluss der Beschwerdekammer in Sachen Kanton Basel-Stadt gegen Kanton Basel-Landschaft und Kanton Wallis vom 25. Februar 2014 (BG.2013.25)

Gerichtsstandskonflikt; Anklageerhebung.

Art. 40 Abs. 2
SR 312.0 Schweizerische Strafprozessordnung vom 5. Oktober 2007 (Strafprozessordnung, StPO) - Strafprozessordnung
StPO Art. 40 Gerichtsstandskonflikte - 1 Ist der Gerichtsstand unter Strafbehörden des gleichen Kantons streitig, so entscheidet die Ober- oder Generalstaatsanwaltschaft oder, wenn keine solche vorgesehen ist, die Beschwerdeinstanz dieses Kantons.17
1    Ist der Gerichtsstand unter Strafbehörden des gleichen Kantons streitig, so entscheidet die Ober- oder Generalstaatsanwaltschaft oder, wenn keine solche vorgesehen ist, die Beschwerdeinstanz dieses Kantons.17
2    Können sich die Strafverfolgungsbehörden verschiedener Kantone über den Gerichtsstand nicht einigen, so unterbreitet die Staatsanwaltschaft des Kantons, der zuerst mit der Sache befasst war, die Frage unverzüglich, in jedem Fall vor der Anklageerhebung, dem Bundesstrafgericht zum Entscheid.
3    Die zum Entscheid über den Gerichtsstand zuständige Behörde kann einen andern als den in den Artikeln 31-37 vorgesehenen Gerichtsstand festlegen, wenn der Schwerpunkt der deliktischen Tätigkeit oder die persönlichen Verhältnisse der beschuldigten Person es erfordern oder andere triftige Gründe vorliegen.
StPO

Unter der in Art. 40 Abs. 2
SR 312.0 Schweizerische Strafprozessordnung vom 5. Oktober 2007 (Strafprozessordnung, StPO) - Strafprozessordnung
StPO Art. 40 Gerichtsstandskonflikte - 1 Ist der Gerichtsstand unter Strafbehörden des gleichen Kantons streitig, so entscheidet die Ober- oder Generalstaatsanwaltschaft oder, wenn keine solche vorgesehen ist, die Beschwerdeinstanz dieses Kantons.17
1    Ist der Gerichtsstand unter Strafbehörden des gleichen Kantons streitig, so entscheidet die Ober- oder Generalstaatsanwaltschaft oder, wenn keine solche vorgesehen ist, die Beschwerdeinstanz dieses Kantons.17
2    Können sich die Strafverfolgungsbehörden verschiedener Kantone über den Gerichtsstand nicht einigen, so unterbreitet die Staatsanwaltschaft des Kantons, der zuerst mit der Sache befasst war, die Frage unverzüglich, in jedem Fall vor der Anklageerhebung, dem Bundesstrafgericht zum Entscheid.
3    Die zum Entscheid über den Gerichtsstand zuständige Behörde kann einen andern als den in den Artikeln 31-37 vorgesehenen Gerichtsstand festlegen, wenn der Schwerpunkt der deliktischen Tätigkeit oder die persönlichen Verhältnisse der beschuldigten Person es erfordern oder andere triftige Gründe vorliegen.
StPO enthaltenen Formulierung «vor der Anklageerhebung» kann nur die erstmalige Anklageerhebung verstanden werden (E. 1.3 und 1.4).

Conflit de fors; mise en accusation.

Art. 40 al. 2 CPP

Par la formulation «avant la mise en accusation» figurant à l'art. 40 al. 2 CPP, il ne peut être compris que la mise en accusation initiale (consid. 1.3 et 1.4).
Conflitto in materia di foro; promozione dell'accusa.
Art. 40 cpv. 2 CPP

La nozione di «promozione dell'accusa» contenuta nell'art. 40 cpv. 2 CPP può riferirsi soltanto ad una sua eventuale prima promozione (consid. 1.3 e 1.4).

Zusammenfassung des Sachverhalts:

Die Staatsanwaltschaft des Kantons Basel-Stadt (StA BS) führte eine Strafuntersuchung gegen A. Nach deren Abschluss erliess die StA BS einen Strafbefehl wegen unrechtmässiger Aneignung, wogegen A. Einsprache erhob. Die StA BS hielt an ihrem Strafbefehl fest und überwies diesen samt Verfahrensakten gemäss Art. 356 Abs. 1
SR 312.0 Schweizerische Strafprozessordnung vom 5. Oktober 2007 (Strafprozessordnung, StPO) - Strafprozessordnung
StPO Art. 356 Verfahren vor dem erstinstanzlichen Gericht - 1 Entschliesst sich die Staatsanwaltschaft, am Strafbefehl festzuhalten, so überweist sie die Akten unverzüglich dem erstinstanzlichen Gericht zur Durchführung des Hauptverfahrens. Der Strafbefehl gilt als Anklageschrift.
1    Entschliesst sich die Staatsanwaltschaft, am Strafbefehl festzuhalten, so überweist sie die Akten unverzüglich dem erstinstanzlichen Gericht zur Durchführung des Hauptverfahrens. Der Strafbefehl gilt als Anklageschrift.
2    Das erstinstanzliche Gericht entscheidet über die Gültigkeit des Strafbefehls und der Einsprache.
3    Die Einsprache kann bis zum Abschluss der Parteivorträge zurückgezogen werden.
4    Bleibt die Einsprache erhebende Person der Hauptverhandlung unentschuldigt fern und lässt sie sich auch nicht vertreten, so gilt ihre Einsprache als zurückgezogen.
5    Ist der Strafbefehl ungültig, so hebt das Gericht ihn auf und weist den Fall zur Durchführung eines neuen Vorverfahrens an die Staatsanwaltschaft zurück.
6    Bezieht sich die Einsprache nur auf die Kosten und Entschädigungen oder weitere Nebenfolgen, so entscheidet das Gericht in einem schriftlichen Verfahren, es sei denn, die Einsprache erhebende Person verlange ausdrücklich eine Verhandlung.
7    Sind gegen mehrere Personen Strafbefehle erlassen worden, die sich auf den gleichen Sachverhalt beziehen, so ist Artikel 392 sinngemäss anwendbar.
StPO an das Strafgericht BaselStadt. Mit Verfügung vom 5. September 2013 wies das Strafgericht BaselStadt das Verfahren zwecks Klärung des Gerichtsstandes an die StA BS zurück. Es folgte ein Meinungsaustausch gemäss Art. 39 Abs. 2
SR 312.0 Schweizerische Strafprozessordnung vom 5. Oktober 2007 (Strafprozessordnung, StPO) - Strafprozessordnung
StPO Art. 39 Prüfung der Zuständigkeit und Einigung - 1 Die Strafbehörden prüfen ihre Zuständigkeit von Amtes wegen und leiten einen Fall wenn nötig der zuständigen Stelle weiter.
1    Die Strafbehörden prüfen ihre Zuständigkeit von Amtes wegen und leiten einen Fall wenn nötig der zuständigen Stelle weiter.
2    Erscheinen mehrere Strafbehörden als örtlich zuständig, so informieren sich die beteiligten Staatsanwaltschaften unverzüglich über die wesentlichen Elemente des Falles und bemühen sich um eine möglichst rasche Einigung.
StPO mit den Kantonen Basel-Landschaft und Wallis. Hierauf beantragte die StA BS mittels Gesuch, die Strafverfolgungsbehörden des Kantons Basel-
TPF 2014 24, p.25

Landschaft, eventualiter diejenigen des Kantons Wallis seien für die Strafverfolgung als zuständig zu erklären.

Die Beschwerdekammer trat auf das Gesuch nicht ein.

Aus den Erwägungen:

1.3 Vor Inkrafttreten der StPO war das Vorgehen bei einem zwischen den Kantonen streitigen Gerichtsstand nur sehr summarisch in Artikel 345
SR 312.0 Schweizerische Strafprozessordnung vom 5. Oktober 2007 (Strafprozessordnung, StPO) - Strafprozessordnung
StPO Art. 39 Prüfung der Zuständigkeit und Einigung - 1 Die Strafbehörden prüfen ihre Zuständigkeit von Amtes wegen und leiten einen Fall wenn nötig der zuständigen Stelle weiter.
1    Die Strafbehörden prüfen ihre Zuständigkeit von Amtes wegen und leiten einen Fall wenn nötig der zuständigen Stelle weiter.
2    Erscheinen mehrere Strafbehörden als örtlich zuständig, so informieren sich die beteiligten Staatsanwaltschaften unverzüglich über die wesentlichen Elemente des Falles und bemühen sich um eine möglichst rasche Einigung.
StGB und Artikel 264
SR 312.0 Schweizerische Strafprozessordnung vom 5. Oktober 2007 (Strafprozessordnung, StPO) - Strafprozessordnung
StPO Art. 39 Prüfung der Zuständigkeit und Einigung - 1 Die Strafbehörden prüfen ihre Zuständigkeit von Amtes wegen und leiten einen Fall wenn nötig der zuständigen Stelle weiter.
1    Die Strafbehörden prüfen ihre Zuständigkeit von Amtes wegen und leiten einen Fall wenn nötig der zuständigen Stelle weiter.
2    Erscheinen mehrere Strafbehörden als örtlich zuständig, so informieren sich die beteiligten Staatsanwaltschaften unverzüglich über die wesentlichen Elemente des Falles und bemühen sich um eine möglichst rasche Einigung.
BStP geregelt. Gemäss der Botschaft vom 21. Dezember 2005 zur Vereinheitlichung des Strafprozessrechts sollten diese Regeln im Abschnitt «Gerichtsstandsverfahren» (Art. 3942 StPO) zusammengeführt und mit Blick auf die Erfordernisse der Praxis im Lichte der bisherigen Rechtsprechung präzisiert werden (Botschaft vom 21. Dezember 2005 zur Vereinheitlichung des Strafprozessrechts, BBl 2006 S. 1143). In diesem Sinne kann die Formulierung «vor der Anklageerhebung» nichts anderes sein als die Präzisierung der Rechtsprechung, wonach eine Änderung des Gerichtsstandes kurz vor Abschluss der Strafuntersuchung aus Effizienzgründen und gestützt auf das Beschleunigungsgebot grundsätzlich nicht mehr möglich ist (BGE 94 IV 44 S. 47; 133 IV 235 E. 7.1 [betreffend sachliche Zuständigkeit]) bzw. ein Kanton den Gerichtsstand konkludent anerkennt, falls er verhältnismässig lange Ermittlungen vornimmt, obschon längst Anlass bestanden hätte, die eigene Zuständigkeit abzuklären (BGE 119 IV 102 E. 4b; 88 IV 42 S. 44; Entscheide des Bundesstrafgerichts BG.2006.13, BG.2006.14 und BG.2006.15, alle vom 21. August 2006, E. 4.1).
1.4 Unter der Formulierung «vor der Anklageerhebung» kann nur die erstmalige Anklageerhebung verstanden werden, eine Folgerung, die sich gestützt auf den Sinn und Zweck des Vorbehalts Verfahrenseffizienz und Beschleunigung offensichtlich aufdrängt. Die alternative Auslegung, wonach wegen dem Vorbehalt «vor der Anklageerhebung» die Anrufung der Beschwerdekammer nur bei Rechtshängigkeit beim Gericht nicht möglich sein soll, würde der Bestimmung ihren Sinn rauben.

TPF 2014 24, p.26
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : TPF 2014 24
Datum : 25. Februar 2014
Publiziert : 10. März 2014
Quelle : Bundesstrafgericht
Status : TPF 2014 24
Sachgebiet : Art. 40 Abs. 2 StPO Unter der in Art. 40 Abs. 2 StPO enthaltenen Formulierung «vor der Anklageerhebung» kann nur...
Gegenstand : Gerichtsstandskonflikt; Anklageerhebung.
Einordnung : Präzisierung der Rechtsprechung


Gesetzesregister
BStP: 264
StGB: 345
StPO: 39 
SR 312.0 Schweizerische Strafprozessordnung vom 5. Oktober 2007 (Strafprozessordnung, StPO) - Strafprozessordnung
StPO Art. 39 Prüfung der Zuständigkeit und Einigung - 1 Die Strafbehörden prüfen ihre Zuständigkeit von Amtes wegen und leiten einen Fall wenn nötig der zuständigen Stelle weiter.
1    Die Strafbehörden prüfen ihre Zuständigkeit von Amtes wegen und leiten einen Fall wenn nötig der zuständigen Stelle weiter.
2    Erscheinen mehrere Strafbehörden als örtlich zuständig, so informieren sich die beteiligten Staatsanwaltschaften unverzüglich über die wesentlichen Elemente des Falles und bemühen sich um eine möglichst rasche Einigung.
40 
SR 312.0 Schweizerische Strafprozessordnung vom 5. Oktober 2007 (Strafprozessordnung, StPO) - Strafprozessordnung
StPO Art. 40 Gerichtsstandskonflikte - 1 Ist der Gerichtsstand unter Strafbehörden des gleichen Kantons streitig, so entscheidet die Ober- oder Generalstaatsanwaltschaft oder, wenn keine solche vorgesehen ist, die Beschwerdeinstanz dieses Kantons.17
1    Ist der Gerichtsstand unter Strafbehörden des gleichen Kantons streitig, so entscheidet die Ober- oder Generalstaatsanwaltschaft oder, wenn keine solche vorgesehen ist, die Beschwerdeinstanz dieses Kantons.17
2    Können sich die Strafverfolgungsbehörden verschiedener Kantone über den Gerichtsstand nicht einigen, so unterbreitet die Staatsanwaltschaft des Kantons, der zuerst mit der Sache befasst war, die Frage unverzüglich, in jedem Fall vor der Anklageerhebung, dem Bundesstrafgericht zum Entscheid.
3    Die zum Entscheid über den Gerichtsstand zuständige Behörde kann einen andern als den in den Artikeln 31-37 vorgesehenen Gerichtsstand festlegen, wenn der Schwerpunkt der deliktischen Tätigkeit oder die persönlichen Verhältnisse der beschuldigten Person es erfordern oder andere triftige Gründe vorliegen.
356
SR 312.0 Schweizerische Strafprozessordnung vom 5. Oktober 2007 (Strafprozessordnung, StPO) - Strafprozessordnung
StPO Art. 356 Verfahren vor dem erstinstanzlichen Gericht - 1 Entschliesst sich die Staatsanwaltschaft, am Strafbefehl festzuhalten, so überweist sie die Akten unverzüglich dem erstinstanzlichen Gericht zur Durchführung des Hauptverfahrens. Der Strafbefehl gilt als Anklageschrift.
1    Entschliesst sich die Staatsanwaltschaft, am Strafbefehl festzuhalten, so überweist sie die Akten unverzüglich dem erstinstanzlichen Gericht zur Durchführung des Hauptverfahrens. Der Strafbefehl gilt als Anklageschrift.
2    Das erstinstanzliche Gericht entscheidet über die Gültigkeit des Strafbefehls und der Einsprache.
3    Die Einsprache kann bis zum Abschluss der Parteivorträge zurückgezogen werden.
4    Bleibt die Einsprache erhebende Person der Hauptverhandlung unentschuldigt fern und lässt sie sich auch nicht vertreten, so gilt ihre Einsprache als zurückgezogen.
5    Ist der Strafbefehl ungültig, so hebt das Gericht ihn auf und weist den Fall zur Durchführung eines neuen Vorverfahrens an die Staatsanwaltschaft zurück.
6    Bezieht sich die Einsprache nur auf die Kosten und Entschädigungen oder weitere Nebenfolgen, so entscheidet das Gericht in einem schriftlichen Verfahren, es sei denn, die Einsprache erhebende Person verlange ausdrücklich eine Verhandlung.
7    Sind gegen mehrere Personen Strafbefehle erlassen worden, die sich auf den gleichen Sachverhalt beziehen, so ist Artikel 392 sinngemäss anwendbar.
BGE Register
119-IV-102 • 133-IV-235 • 88-IV-42 • 94-IV-44
Stichwortregister
Sortiert nach Häufigkeit oder Alphabet
basel-stadt • beschwerdekammer • wallis • strafuntersuchung • basel-landschaft • strafgericht • strafbefehl • entscheid • gerichts- und verwaltungspraxis • sachliche zuständigkeit • strafverfolgung • sachverhalt • meinungsaustausch • unrechtmässige aneignung • beschleunigungsgebot • wiese • bundesstrafgericht • landschaft • raub • inkrafttreten
BstGer Leitentscheide
TPF 2014 24
Entscheide BstGer
BG.2006.15 • BG.2013.25 • BG.2006.14 • BG.2006.13
BBl
2006/1143