TPF 2012 85, p.85

16. Auszug aus dem Beschluss der Strafkammer in Sachen A. gegen Bundesanwaltschaft vom 20. Juni 2012 (SN.2012.13)

Vorzeitiger Strafvollzug; bedingte Entlassung.
Art. 236
SR 312.0 Schweizerische Strafprozessordnung vom 5. Oktober 2007 (Strafprozessordnung, StPO) - Strafprozessordnung
StPO Art. 236 Vorzeitiger Straf- und Massnahmenvollzug - 1 Die Verfahrensleitung kann der beschuldigten Person bewilligen, Freiheitsstrafen oder freiheitsentziehende Massnahmen vorzeitig anzutreten, sofern der Stand des Verfahrens es erlaubt und sofern der Zweck der Untersuchungs- oder der Sicherheitshaft dem nicht entgegensteht.118
1    Die Verfahrensleitung kann der beschuldigten Person bewilligen, Freiheitsstrafen oder freiheitsentziehende Massnahmen vorzeitig anzutreten, sofern der Stand des Verfahrens es erlaubt und sofern der Zweck der Untersuchungs- oder der Sicherheitshaft dem nicht entgegensteht.118
2    Ist bereits Anklage erhoben worden, so gibt die Verfahrensleitung der Staatsanwaltschaft Gelegenheit zur Stellungnahme.
3    Bund und Kantone können vorsehen, dass der vorzeitige Massnahmenvollzug der Zustimmung der Vollzugsbehörden bedarf.
4    Mit dem Eintritt in die Vollzugsanstalt tritt die beschuldigte Person ihre Strafe oder Massnahme an; sie untersteht von diesem Zeitpunkt an dem Vollzugsregime.119
StPO und Art. 86
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 86 - 1 Hat der Gefangene zwei Drittel seiner Strafe, mindestens aber drei Monate verbüsst, so ist er durch die zuständige Behörde bedingt zu entlassen, wenn es sein Verhalten im Strafvollzug rechtfertigt und nicht anzunehmen ist, er werde weitere Verbrechen oder Vergehen begehen.
1    Hat der Gefangene zwei Drittel seiner Strafe, mindestens aber drei Monate verbüsst, so ist er durch die zuständige Behörde bedingt zu entlassen, wenn es sein Verhalten im Strafvollzug rechtfertigt und nicht anzunehmen ist, er werde weitere Verbrechen oder Vergehen begehen.
2    Die zuständige Behörde prüft von Amtes wegen, ob der Gefangene bedingt entlassen werden kann. Sie holt einen Bericht der Anstaltsleitung ein. Der Gefangene ist anzuhören.
3    Wird die bedingte Entlassung verweigert, so hat die zuständige Behörde mindestens einmal jährlich neu zu prüfen, ob sie gewährt werden kann.
4    Hat der Gefangene die Hälfte seiner Strafe, mindestens aber drei Monate verbüsst, so kann er ausnahmsweise bedingt entlassen werden, wenn ausserordentliche, in der Person des Gefangenen liegende Umstände dies rechtfertigen.
5    Bei einer lebenslangen Freiheitsstrafe ist die bedingte Entlassung nach Absatz 1 frühestens nach 15, nach Absatz 4 frühestens nach zehn Jahren möglich.
StGB

Für Haftentscheide während einer beim Bundesgericht hängigen Beschwerde gegen ein Urteil des Bundesstrafgerichts ist die Strafkammer als die Verfahrensherrschaft innehabendes Sachgericht zuständig (E. 1.2).
Voraussetzungen der bedingten Entlassung aus dem vorzeitigen Strafvollzug (E. 2.2 und 3).

Exécution anticipé de la peine; libération conditionnelle.
Art. 236 CPP et art. 86 CP

La Cour des affaires pénales du Tribunal pénal fédéral en tant que tribunal du fond, continue d'être titulaire de la direction de la procédure au cours d'une procédure de recours pendante par devant le Tribunal fédéral; elle est donc compétente pour toutes décisions relatives à la détention (consid. 1.2).
Conditions posées à la libération conditionnelle en cas d'exécution anticipée de la peine (consid. 2.2 et 3).

Esecuzione anticipata della pena; liberazione condizionale.
Art. 236 CPP e art. 86 CP

La Corte penale del Tribunale penale federale, durante la litispendenza ricorsuale davanti al Tribunale federale, costituisce il Tribunale di merito titolare della direzione della procedura ed è per tanto competente a decidere sui provvedimenti in ambito di carcerazione (consid. 1.2).
Presupposti per una liberazione condizionale dall'esecuzione anticipata della pena (consid. 2.2 e 3).

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Zusammenfassung des Sachverhalts:

Mit Urteil vom 22. Juli 2011 verurteilte die Strafkammer A. zu einer Freiheitsstrafe von 3 Jahren und 4 Monaten, unter Anrechnung der Untersuchungsund Sicherheitshaft von 464 Tagen. Gleichzeitig ordnete sie die Aufrechterhaltung der Haft zur Sicherung des Strafvollzugs an (Verfahren SK.2011.6). Der Präsident der Strafkammer bewilligte A. mit Verfügung vom 4. August 2011 den Antritt des vorzeitigen Strafvollzugs (Verfahren SN.2011.15). A. erhob gegen das Urteil der Strafkammer am 31. Oktober 2011 Beschwerde in Strafsachen beim Bundesgericht. Die Direktion der Strafanstalt übermittelte vor dessen Entscheid der Strafkammer am 9. Mai 2012 einen Führungsbericht über A., zusammen mit deren Antrag auf (bedingte) Haftentlassung nach Verbüssung von zwei Dritteln der verhängten Freiheitsstrafe. Die Strafkammer entliess A. per 3. Juli 2012 aus dem vorzeitigen Strafvollzug.

Aus den Erwägungen:

1.2 Die Gesuchstellerin befindet sich seit dem 10. August 2011 im vorzeitigen Strafvollzug. Das Gericht prüft seine Zuständigkeit im Zusammenhang mit dem vorliegenden Gesuch von Amts wegen. Gemäss Art. 233
SR 312.0 Schweizerische Strafprozessordnung vom 5. Oktober 2007 (Strafprozessordnung, StPO) - Strafprozessordnung
StPO Art. 233 - Die Verfahrensleitung des Berufungsgerichts entscheidet über Haftentlassungsgesuche innert 5 Tagen; dieser Entscheid ist nicht anfechtbar.
StPO hat die Verfahrensleitung des Berufungsgerichts innert 5 Tagen über ein Haftentlassungsgesuch zu entscheiden. Die Vorschriften der StPO finden auch auf Verfahren vor dem Bundesstrafgericht Anwendung, jedoch ist gegen Urteile der Strafkammer kein ordentliches Rechtsmittel im Sinne der StPO gegeben. Sie können weder mit der Beschwerde (Art. 393 ff
SR 312.0 Schweizerische Strafprozessordnung vom 5. Oktober 2007 (Strafprozessordnung, StPO) - Strafprozessordnung
StPO Art. 393 Zulässigkeit und Beschwerdegründe - 1 Die Beschwerde ist zulässig gegen:
1    Die Beschwerde ist zulässig gegen:
a  die Verfügungen und die Verfahrenshandlungen von Polizei, Staatsanwaltschaft und Übertretungsstrafbehörden;
b  die Verfügungen und Beschlüsse sowie die Verfahrenshandlungen der erstinstanzlichen Gerichte; ausgenommen sind verfahrensleitende Entscheide;
c  die Entscheide des Zwangsmassnahmengerichts, sofern dieses Gesetz sie nicht als endgültig bezeichnet.
2    Mit der Beschwerde können gerügt werden:
a  Rechtsverletzungen, einschliesslich Überschreitung und Missbrauch des Ermessens, Rechtsverweigerung und Rechtsverzögerung;
b  die unvollständige oder unrichtige Feststellung des Sachverhalts;
c  Unangemessenheit.
. StPO) noch mit der Berufung (Art. 398 ff
SR 312.0 Schweizerische Strafprozessordnung vom 5. Oktober 2007 (Strafprozessordnung, StPO) - Strafprozessordnung
StPO Art. 398 Zulässigkeit und Berufungsgründe - 1 Die Berufung ist zulässig gegen Urteile erstinstanzlicher Gerichte, mit denen das Verfahren ganz oder teilweise abgeschlossen worden ist, sowie gegen selbstständige nachträgliche Entscheide des Gerichts und gegen selbstständige Einziehungsentscheide.268
1    Die Berufung ist zulässig gegen Urteile erstinstanzlicher Gerichte, mit denen das Verfahren ganz oder teilweise abgeschlossen worden ist, sowie gegen selbstständige nachträgliche Entscheide des Gerichts und gegen selbstständige Einziehungsentscheide.268
2    Das Berufungsgericht kann das Urteil in allen angefochtenen Punkten umfassend überprüfen.
3    Mit der Berufung können gerügt werden:
a  Rechtsverletzungen, einschliesslich Überschreitung und Missbrauch des Ermessens, Rechtsverweigerung und Rechtsverzögerung;
b  die unvollständige oder unrichtige Feststellung des Sachverhalts;
c  Unangemessenheit.
4    Bildeten ausschliesslich Übertretungen Gegenstand des erstinstanzlichen Hauptverfahrens, so kann mit der Berufung nur geltend gemacht werden, das Urteil sei rechtsfehlerhaft oder die Feststellung des Sachverhalts sei offensichtlich unrichtig oder beruhe auf einer Rechtsverletzung. Neue Behauptungen und Beweise können nicht vorgebracht werden.
5    Beschränkt sich die Berufung auf den Zivilpunkt, so wird das erstinstanzliche Urteil nur so weit überprüft, als es das am Gerichtsstand anwendbare Zivilprozessrecht vorsehen würde.
. StPO) angefochten, sondern als abschliessende Entscheide mit Beschwerde an das Bundesgericht weitergezogen werden (THOMMEN, Basler Kommentar, Bundesgerichtsgesetz, 2. Aufl., Basel 2011, Art. 80 N. 17; SCHMID, Die Strafrechtsbeschwerde nach dem Bundesgesetz über das Bundesgericht eine erste Auslegeordnung, ZStR 124 [2006], S. 160, 171; vgl. auch Art. 380
SR 312.0 Schweizerische Strafprozessordnung vom 5. Oktober 2007 (Strafprozessordnung, StPO) - Strafprozessordnung
StPO Art. 380 Endgültige oder nicht anfechtbare Entscheide - Bezeichnet dieses Gesetz einen Entscheid als endgültig oder nicht anfechtbar, so ist dagegen kein Rechtsmittel nach diesem Gesetz zulässig.
StPO). Das Bundesgericht ist jedoch kein Berufungsgericht im Sinne von Art. 233
SR 312.0 Schweizerische Strafprozessordnung vom 5. Oktober 2007 (Strafprozessordnung, StPO) - Strafprozessordnung
StPO Art. 233 - Die Verfahrensleitung des Berufungsgerichts entscheidet über Haftentlassungsgesuche innert 5 Tagen; dieser Entscheid ist nicht anfechtbar.
, 398
SR 312.0 Schweizerische Strafprozessordnung vom 5. Oktober 2007 (Strafprozessordnung, StPO) - Strafprozessordnung
StPO Art. 398 Zulässigkeit und Berufungsgründe - 1 Die Berufung ist zulässig gegen Urteile erstinstanzlicher Gerichte, mit denen das Verfahren ganz oder teilweise abgeschlossen worden ist, sowie gegen selbstständige nachträgliche Entscheide des Gerichts und gegen selbstständige Einziehungsentscheide.268
1    Die Berufung ist zulässig gegen Urteile erstinstanzlicher Gerichte, mit denen das Verfahren ganz oder teilweise abgeschlossen worden ist, sowie gegen selbstständige nachträgliche Entscheide des Gerichts und gegen selbstständige Einziehungsentscheide.268
2    Das Berufungsgericht kann das Urteil in allen angefochtenen Punkten umfassend überprüfen.
3    Mit der Berufung können gerügt werden:
a  Rechtsverletzungen, einschliesslich Überschreitung und Missbrauch des Ermessens, Rechtsverweigerung und Rechtsverzögerung;
b  die unvollständige oder unrichtige Feststellung des Sachverhalts;
c  Unangemessenheit.
4    Bildeten ausschliesslich Übertretungen Gegenstand des erstinstanzlichen Hauptverfahrens, so kann mit der Berufung nur geltend gemacht werden, das Urteil sei rechtsfehlerhaft oder die Feststellung des Sachverhalts sei offensichtlich unrichtig oder beruhe auf einer Rechtsverletzung. Neue Behauptungen und Beweise können nicht vorgebracht werden.
5    Beschränkt sich die Berufung auf den Zivilpunkt, so wird das erstinstanzliche Urteil nur so weit überprüft, als es das am Gerichtsstand anwendbare Zivilprozessrecht vorsehen würde.
ff. StPO: Zum einen stellt die Beschwerde in Strafsachen ans Bundesgericht kein ordentliches Rechtsmittel im Sinne der StPO dar, sondern es handelt sich um ein ausserordentliches Rechtsmittel, auf welches ausschliesslich die Vorschriften des Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG; SR 173.110) Anwendung finden. Zum anderen enthält das BGG keine Vorschriften zur Aufhebung von (bereits bestehenden) Zwangsmassnahmen. Es ermöglicht zwar dem Instruktionsrichter, die aufschiebende Wirkung eines Urteils von

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Amtes wegen oder auf Antrag einer Partei anzuordnen sowie andere vorsorgliche Massnahmen zu treffen, um den bestehenden Zustand zu erhalten (Art. 103 Abs. 3
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz
BGG Art. 103 Aufschiebende Wirkung - 1 Die Beschwerde hat in der Regel keine aufschiebende Wirkung.
1    Die Beschwerde hat in der Regel keine aufschiebende Wirkung.
2    Die Beschwerde hat im Umfang der Begehren aufschiebende Wirkung:
a  in Zivilsachen, wenn sie sich gegen ein Gestaltungsurteil richtet;
b  in Strafsachen, wenn sie sich gegen einen Entscheid richtet, der eine unbedingte Freiheitsstrafe oder eine freiheitsentziehende Massnahme ausspricht; die aufschiebende Wirkung erstreckt sich nicht auf den Entscheid über Zivilansprüche;
c  in Verfahren auf dem Gebiet der internationalen Rechtshilfe in Strafsachen, wenn sie sich gegen eine Schlussverfügung oder gegen jede andere Verfügung richtet, welche die Übermittlung von Auskünften aus dem Geheimbereich oder die Herausgabe von Gegenständen oder Vermögenswerten bewilligt;
d  in Verfahren auf dem Gebiet der internationalen Amtshilfe in Steuersachen.
3    Der Instruktionsrichter oder die Instruktionsrichterin kann über die aufschiebende Wirkung von Amtes wegen oder auf Antrag einer Partei eine andere Anordnung treffen.
BGG) oder bedrohte Interessen einstweilen sicherzustellen (Art. 104
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz
BGG Art. 104 Andere vorsorgliche Massnahmen - Der Instruktionsrichter oder die Instruktionsrichterin kann von Amtes wegen oder auf Antrag einer Partei vorsorgliche Massnahmen treffen, um den bestehenden Zustand zu erhalten oder bedrohte Interessen einstweilen sicherzustellen.
BGG). Ein Gesuch um bedingte Entlassung bezweckt aber gerade nicht den Erhalt, sondern eine Änderung des status quo (so auch THOMMEN, a.a.O., Art. 103 N. 20). Die Zuständigkeit für Entscheide betreffend Aufhebung der Sicherheitshaft während eines beim Bundesgericht hängigen Beschwerdeverfahrens (in Bundeskompetenz) ist gesetzlich nicht geregelt.

Das Bundesgericht hat diese Frage für bundesgerichtliche Verfahren soweit ersichtlich noch nicht entschieden und auch in der einschlägigen Literatur findet sich diesbezüglich lediglich bei FORSTER ein Hinweis in einer Fussnote. Er vertritt die Ansicht, dass bei der Bundesgerichtsbarkeit unterstehenden Strafverfahren die Beschwerde in Strafsachen nach Art. 78
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz
BGG Art. 78 Grundsatz - 1 Das Bundesgericht beurteilt Beschwerden gegen Entscheide in Strafsachen.
1    Das Bundesgericht beurteilt Beschwerden gegen Entscheide in Strafsachen.
2    Der Beschwerde in Strafsachen unterliegen auch Entscheide über:
a  Zivilansprüche, wenn diese zusammen mit der Strafsache zu behandeln sind;
b  den Vollzug von Strafen und Massnahmen.
BGG an die Stelle der Berufung nach StPO trete und die verfahrensleitende Strafrechtliche Abteilung des Bundesgerichts abschliessend über Haftentlassungsgesuche entscheide (FORSTER, Basler Kommentar, Schweizerische Strafprozessordnung, Art. 233
SR 312.0 Schweizerische Strafprozessordnung vom 5. Oktober 2007 (Strafprozessordnung, StPO) - Strafprozessordnung
StPO Art. 233 - Die Verfahrensleitung des Berufungsgerichts entscheidet über Haftentlassungsgesuche innert 5 Tagen; dieser Entscheid ist nicht anfechtbar.
StPO, S. 1534 Fn. 4). Gegen diese Ansicht spricht zunächst, dass sie im Gesetz keinerlei Stütze findet. Zudem vertritt das Bundesgericht in ständiger Praxis die Ansicht, dass mit der Einreichung einer Beschwerde die Verfahrensherrschaft nicht auf das Bundesgericht übergehe, sondern beim Sachgericht verbleibe, dessen Entscheid angefochten wird. So hat es sich ausdrücklich für unzuständig erklärt, Haftentlassungsgesuche zu beurteilen, die während Beschwerdeverfahren gegen letztinstanzliche kantonale Urteile erhoben wurden und die Sache zur Entscheidung an die kantonalen Gerichte zurückverwiesen (Urteil des Bundesgerichts 1B_100/2010 vom 26. April 2010, Sachverhalt lit. A; Präsidialverfügung der II. Strafkammer des Obergerichts des Kantons Zürich SB100320-O/Z2 vom 25. Juli 2011, S. 3). Die vorliegende Sachverhaltskonstellation entspricht derjenigen auf kantonaler Ebene. Für die Zuständigkeit des Sachgerichts zum Entscheid über Haftentlassungsgesuche spricht des Weiteren, dass nur so der Anspruch auf doppelte gerichtliche Überprüfung gewährleistet ist und dass das Beschwerdeverfahren vor Bundesgericht auf die Überprüfung der richtigen Rechtsanwendung durch die unteren Gerichte ausgerichtet ist. Aufgrund der vorstehenden Ausführungen ist es angezeigt, dass die Strafkammer des Bundesstrafgerichts als das die Verfahrensherrschaft innehabende letztinstanzliche Sachgericht für Haftentscheide während eines hängigen Beschwerdeverfahrens vor Bundesgericht zuständig ist.

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2.2 Für alle strafprozessualen Häftlinge (inklusive Gefangene im vorzeitigen Strafund Massnahmenvollzug) gilt die Unschuldsvermutung, und sie können sich auf die einschlägigen Verfahrensgarantien von Art. 31
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 31 Freiheitsentzug - 1 Die Freiheit darf einer Person nur in den vom Gesetz selbst vorgesehenen Fällen und nur auf die im Gesetz vorgeschriebene Weise entzogen werden.
1    Die Freiheit darf einer Person nur in den vom Gesetz selbst vorgesehenen Fällen und nur auf die im Gesetz vorgeschriebene Weise entzogen werden.
2    Jede Person, der die Freiheit entzogen wird, hat Anspruch darauf, unverzüglich und in einer ihr verständlichen Sprache über die Gründe des Freiheitsentzugs und über ihre Rechte unterrichtet zu werden. Sie muss die Möglichkeit haben, ihre Rechte geltend zu machen. Sie hat insbesondere das Recht, ihre nächsten Angehörigen benachrichtigen zu lassen.
3    Jede Person, die in Untersuchungshaft genommen wird, hat Anspruch darauf, unverzüglich einer Richterin oder einem Richter vorgeführt zu werden; die Richterin oder der Richter entscheidet, ob die Person weiterhin in Haft gehalten oder freigelassen wird. Jede Person in Untersuchungshaft hat Anspruch auf ein Urteil innert angemessener Frist.
4    Jede Person, der die Freiheit nicht von einem Gericht entzogen wird, hat das Recht, jederzeit ein Gericht anzurufen. Dieses entscheidet so rasch wie möglich über die Rechtmässigkeit des Freiheitsentzugs.
BV berufen. Gemäss Art. 31 Abs. 3
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 31 Freiheitsentzug - 1 Die Freiheit darf einer Person nur in den vom Gesetz selbst vorgesehenen Fällen und nur auf die im Gesetz vorgeschriebene Weise entzogen werden.
1    Die Freiheit darf einer Person nur in den vom Gesetz selbst vorgesehenen Fällen und nur auf die im Gesetz vorgeschriebene Weise entzogen werden.
2    Jede Person, der die Freiheit entzogen wird, hat Anspruch darauf, unverzüglich und in einer ihr verständlichen Sprache über die Gründe des Freiheitsentzugs und über ihre Rechte unterrichtet zu werden. Sie muss die Möglichkeit haben, ihre Rechte geltend zu machen. Sie hat insbesondere das Recht, ihre nächsten Angehörigen benachrichtigen zu lassen.
3    Jede Person, die in Untersuchungshaft genommen wird, hat Anspruch darauf, unverzüglich einer Richterin oder einem Richter vorgeführt zu werden; die Richterin oder der Richter entscheidet, ob die Person weiterhin in Haft gehalten oder freigelassen wird. Jede Person in Untersuchungshaft hat Anspruch auf ein Urteil innert angemessener Frist.
4    Jede Person, der die Freiheit nicht von einem Gericht entzogen wird, hat das Recht, jederzeit ein Gericht anzurufen. Dieses entscheidet so rasch wie möglich über die Rechtmässigkeit des Freiheitsentzugs.
BV und Art. 5 Ziff. 3
IR 0.101 Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK)
EMRK Art. 5 Recht auf Freiheit und Sicherheit - (1) Jede Person hat das Recht auf Freiheit und Sicherheit. Die Freiheit darf nur in den folgenden Fällen und nur auf die gesetzlich vorgeschriebene Weise entzogen werden:
a  rechtmässiger Freiheitsentzug nach Verurteilung durch ein zuständiges Gericht;
b  rechtmässige Festnahme oder rechtmässiger Freiheitsentzug wegen Nichtbefolgung einer rechtmässigen gerichtlichen Anordnung oder zur Erzwingung der Erfüllung einer gesetzlichen Verpflichtung;
c  rechtmässige Festnahme oder rechtmässiger Freiheitsentzug zur Vorführung vor die zuständige Gerichtsbehörde, wenn hinreichender Verdacht besteht, dass die betreffende Person eine Straftat begangen hat, oder wenn begründeter Anlass zu der Annahme besteht, dass es notwendig ist, sie an der Begehung einer Straftat oder an der Flucht nach Begehung einer solchen zu hindern;
d  rechtmässiger Freiheitsentzug bei Minderjährigen zum Zweck überwachter Erziehung oder zur Vorführung vor die zuständige Behörde;
e  rechtmässiger Freiheitsentzug mit dem Ziel, eine Verbreitung ansteckender Krankheiten zu verhindern, sowie bei psychisch Kranken, Alkohol- oder Rauschgiftsüchtigen und Landstreichern;
f  rechtmässige Festnahme oder rechtmässiger Freiheitsentzug zur Verhinderung der unerlaubten Einreise sowie bei Personen, gegen die ein Ausweisungs- oder Auslieferungsverfahren im Gange ist.
EMRK hat eine in strafprozessualer Haft gehaltene Person Anspruch darauf, innerhalb einer angemessenen Frist richterlich beurteilt oder während des Strafverfahrens aus der Haft entlassen zu werden. Eine übermässige Haftdauer stellt eine unverhältnismässige Beschränkung dieses Grundrechts dar. Sie liegt vor, wenn die Haftfrist die mutmassliche Dauer der zu erwartenden freiheitsentziehenden Sanktion übersteigt. Der Richter darf die Haft nur so lange erstrecken, als sie nicht in grosse zeitliche Nähe der (im Falle einer rechtskräftigen Verurteilung) konkret zu erwartenden Dauer der freiheitsentziehenden Sanktion rückt. Die Möglichkeit einer bedingten Entlassung (Art. 86
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 86 - 1 Hat der Gefangene zwei Drittel seiner Strafe, mindestens aber drei Monate verbüsst, so ist er durch die zuständige Behörde bedingt zu entlassen, wenn es sein Verhalten im Strafvollzug rechtfertigt und nicht anzunehmen ist, er werde weitere Verbrechen oder Vergehen begehen.
1    Hat der Gefangene zwei Drittel seiner Strafe, mindestens aber drei Monate verbüsst, so ist er durch die zuständige Behörde bedingt zu entlassen, wenn es sein Verhalten im Strafvollzug rechtfertigt und nicht anzunehmen ist, er werde weitere Verbrechen oder Vergehen begehen.
2    Die zuständige Behörde prüft von Amtes wegen, ob der Gefangene bedingt entlassen werden kann. Sie holt einen Bericht der Anstaltsleitung ein. Der Gefangene ist anzuhören.
3    Wird die bedingte Entlassung verweigert, so hat die zuständige Behörde mindestens einmal jährlich neu zu prüfen, ob sie gewährt werden kann.
4    Hat der Gefangene die Hälfte seiner Strafe, mindestens aber drei Monate verbüsst, so kann er ausnahmsweise bedingt entlassen werden, wenn ausserordentliche, in der Person des Gefangenen liegende Umstände dies rechtfertigen.
5    Bei einer lebenslangen Freiheitsstrafe ist die bedingte Entlassung nach Absatz 1 frühestens nach 15, nach Absatz 4 frühestens nach zehn Jahren möglich.
StGB) ist bei der Berechnung der mutmasslichen Dauer der Freiheitsstrafe grundsätzlich ausser Acht zu lassen, es sei denn, die konkreten Umstände des Falles würden eine Berücksichtigung gebieten (Urteile des Bundesgerichts 1P.18/2005 vom 31. Januar 2005, E. 1; 1P.216/2000 vom 27. April 2000, E. 5c/bb und 1P.279/1992 vom 19. Mai 1992, E. 4c). Dies wird bejaht, wenn die beschuldigte Person bereits zwei Drittel der erstinstanzlich verhängten Freiheitsstrafe in Untersuchungsoder Sicherheitshaft bzw. im vorzeitigen Strafvollzug verbracht hat und die Strafe im Rechtsmittelverfahren noch verkürzt, nicht aber erhöht werden kann (Urteil des Bundesgerichts 1B_338/2010 vom 12. November 2010, E. 3.3). In diesen Fällen verlangt das Bundesgericht eine Prognose über die Anwendbarkeit von Art. 86 Abs. 1
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 86 - 1 Hat der Gefangene zwei Drittel seiner Strafe, mindestens aber drei Monate verbüsst, so ist er durch die zuständige Behörde bedingt zu entlassen, wenn es sein Verhalten im Strafvollzug rechtfertigt und nicht anzunehmen ist, er werde weitere Verbrechen oder Vergehen begehen.
1    Hat der Gefangene zwei Drittel seiner Strafe, mindestens aber drei Monate verbüsst, so ist er durch die zuständige Behörde bedingt zu entlassen, wenn es sein Verhalten im Strafvollzug rechtfertigt und nicht anzunehmen ist, er werde weitere Verbrechen oder Vergehen begehen.
2    Die zuständige Behörde prüft von Amtes wegen, ob der Gefangene bedingt entlassen werden kann. Sie holt einen Bericht der Anstaltsleitung ein. Der Gefangene ist anzuhören.
3    Wird die bedingte Entlassung verweigert, so hat die zuständige Behörde mindestens einmal jährlich neu zu prüfen, ob sie gewährt werden kann.
4    Hat der Gefangene die Hälfte seiner Strafe, mindestens aber drei Monate verbüsst, so kann er ausnahmsweise bedingt entlassen werden, wenn ausserordentliche, in der Person des Gefangenen liegende Umstände dies rechtfertigen.
5    Bei einer lebenslangen Freiheitsstrafe ist die bedingte Entlassung nach Absatz 1 frühestens nach 15, nach Absatz 4 frühestens nach zehn Jahren möglich.
StGB (Art. 38 Ziff. 1 aStGB). Fällt diese positiv aus, muss dem Haftentlassungsgesuch stattgegeben werden (Urteile des Bundesgerichts 1B_100/2007 vom 15. Juni 2007, E. 4.1; 1P.18/2005 vom 31. Januar 2005, E. 2; 1P.611/1998 vom 17. Dezember 1998, E. 4). Im Lichte des Verhältnismässigkeitsgrundsatzes (Art. 36 Abs. 3 i
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 36 Einschränkungen von Grundrechten - 1 Einschränkungen von Grundrechten bedürfen einer gesetzlichen Grundlage. Schwerwiegende Einschränkungen müssen im Gesetz selbst vorgesehen sein. Ausgenommen sind Fälle ernster, unmittelbarer und nicht anders abwendbarer Gefahr.
1    Einschränkungen von Grundrechten bedürfen einer gesetzlichen Grundlage. Schwerwiegende Einschränkungen müssen im Gesetz selbst vorgesehen sein. Ausgenommen sind Fälle ernster, unmittelbarer und nicht anders abwendbarer Gefahr.
2    Einschränkungen von Grundrechten müssen durch ein öffentliches Interesse oder durch den Schutz von Grundrechten Dritter gerechtfertigt sein.
3    Einschränkungen von Grundrechten müssen verhältnismässig sein.
4    Der Kerngehalt der Grundrechte ist unantastbar.
. V. m. Art. 10 Abs. 2
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 10 Recht auf Leben und auf persönliche Freiheit - 1 Jeder Mensch hat das Recht auf Leben. Die Todesstrafe ist verboten.
1    Jeder Mensch hat das Recht auf Leben. Die Todesstrafe ist verboten.
2    Jeder Mensch hat das Recht auf persönliche Freiheit, insbesondere auf körperliche und geistige Unversehrtheit und auf Bewegungsfreiheit.
3    Folter und jede andere Art grausamer, unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Bestrafung sind verboten.
BV) erscheint es nicht verfassungskonform, wenn strafprozessuale Haft zur Durchsetzung einer allfälligen Strafe oder Massnahme einschneidender ausfiele als die in Frage kommende strafrechtliche Sanktion (Urteil des Bundesgerichts 1B_44/2008 vom 13. März 2008, E. 4.2). Diese Grundsätze gelten auch für den vorläufigen Strafvollzug (BGE 133 IV 187 E. 6.4; 117 Ia 72 E. 1d). Die Verhältnismässigkeit der Haftdauer beurteilt sich aufgrund der konkreten Verhältnisse des Einzelfalles (BGE 133 I 168 E. 4.1; 133 I 270 E. 3.4.2).

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TPF 2012 85
3.
3.1 Die Gesuchstellerin hat das Urteil der Strafkammer mit Beschwerde vom 21. Oktober 2011 vollumfänglich angefochten, die Bundesanwaltschaft hat kein Rechtsmittel ergriffen. Die von der Strafkammer ausgesprochene Freiheitsstrafe kann im Beschwerdeverfahren vor Bundesgericht und/oder in einem allfälligen Rückweisungsverfahren unter Berücksichtigung des Grundsatzes der reformatio in peius allenfalls verkürzt, nicht aber erhöht werden, so dass zu prüfen ist, ob die Voraussetzungen von Art. 86
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 86 - 1 Hat der Gefangene zwei Drittel seiner Strafe, mindestens aber drei Monate verbüsst, so ist er durch die zuständige Behörde bedingt zu entlassen, wenn es sein Verhalten im Strafvollzug rechtfertigt und nicht anzunehmen ist, er werde weitere Verbrechen oder Vergehen begehen.
1    Hat der Gefangene zwei Drittel seiner Strafe, mindestens aber drei Monate verbüsst, so ist er durch die zuständige Behörde bedingt zu entlassen, wenn es sein Verhalten im Strafvollzug rechtfertigt und nicht anzunehmen ist, er werde weitere Verbrechen oder Vergehen begehen.
2    Die zuständige Behörde prüft von Amtes wegen, ob der Gefangene bedingt entlassen werden kann. Sie holt einen Bericht der Anstaltsleitung ein. Der Gefangene ist anzuhören.
3    Wird die bedingte Entlassung verweigert, so hat die zuständige Behörde mindestens einmal jährlich neu zu prüfen, ob sie gewährt werden kann.
4    Hat der Gefangene die Hälfte seiner Strafe, mindestens aber drei Monate verbüsst, so kann er ausnahmsweise bedingt entlassen werden, wenn ausserordentliche, in der Person des Gefangenen liegende Umstände dies rechtfertigen.
5    Bei einer lebenslangen Freiheitsstrafe ist die bedingte Entlassung nach Absatz 1 frühestens nach 15, nach Absatz 4 frühestens nach zehn Jahren möglich.
StGB bei der Gesuchstellerin erfüllt sind.

3.2 Hat der Gefangene zwei Drittel seiner Strafe verbüsst, so ist er gemäss Art. 86 Abs. 1
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 86 - 1 Hat der Gefangene zwei Drittel seiner Strafe, mindestens aber drei Monate verbüsst, so ist er durch die zuständige Behörde bedingt zu entlassen, wenn es sein Verhalten im Strafvollzug rechtfertigt und nicht anzunehmen ist, er werde weitere Verbrechen oder Vergehen begehen.
1    Hat der Gefangene zwei Drittel seiner Strafe, mindestens aber drei Monate verbüsst, so ist er durch die zuständige Behörde bedingt zu entlassen, wenn es sein Verhalten im Strafvollzug rechtfertigt und nicht anzunehmen ist, er werde weitere Verbrechen oder Vergehen begehen.
2    Die zuständige Behörde prüft von Amtes wegen, ob der Gefangene bedingt entlassen werden kann. Sie holt einen Bericht der Anstaltsleitung ein. Der Gefangene ist anzuhören.
3    Wird die bedingte Entlassung verweigert, so hat die zuständige Behörde mindestens einmal jährlich neu zu prüfen, ob sie gewährt werden kann.
4    Hat der Gefangene die Hälfte seiner Strafe, mindestens aber drei Monate verbüsst, so kann er ausnahmsweise bedingt entlassen werden, wenn ausserordentliche, in der Person des Gefangenen liegende Umstände dies rechtfertigen.
5    Bei einer lebenslangen Freiheitsstrafe ist die bedingte Entlassung nach Absatz 1 frühestens nach 15, nach Absatz 4 frühestens nach zehn Jahren möglich.
StGB durch die zuständige Behörde bedingt zu entlassen, wenn es sein Verhalten im Strafvollzug rechtfertigt und nicht anzunehmen ist, er werde weitere Verbrechen oder Vergehen begehen. Die bedingte Entlassung als vierte und letzte Stufe des Strafvollzugs stellt die Regel und die Verweigerung die Ausnahme dar. Von dieser Regel darf nur aus guten Gründen abgewichen werden (BGE 133 IV 201 E. 2.3; 119 IV 5 E. 2). In dieser Stufe soll der Entlassene den Umgang mit der Freiheit erlernen, was nur in Freiheit möglich ist. Diesem spezialpräventiven Zweck stehen die Schutzbedürfnisse der Allgemeinheit gegenüber, welchen umso höheres Gewicht beizumessen ist, je hochwertiger die gefährdeten Rechtsgüter sind. Die Prognose über das künftige Wohlverhalten ist in einer Gesamtwürdigung zu erstellen, welche nebst dem Vorleben, der Persönlichkeit und dem Verhalten des Täters während des Strafvollzugs vor allem dessen neuere Einstellung zu seinen Taten, seine allfällige Besserung und die nach der Entlassung zu erwartenden Lebensverhältnisse berücksichtigt (BGE 133 IV 201 E. 2.2 f.; 124 IV 193 E. 4a und 5b/bb). Es ist zu prüfen, ob die Gefahr der Begehung weiterer Straftaten (Rückfallrisiko) bei einer bedingten Entlassung höher einzuschätzen ist als bei einer Vollverbüssung der Strafe (BGE 124 IV 193 E. 5b/bb; Urteil des Bundesgerichts 6A.86/2002 vom 20. Januar 2003, E. 2.9). Welche Art von Delikt zur Freiheitsstrafe geführt hat, ist für die Prognose nicht entscheidend, denn die Entlassung darf nicht für gewisse Tatkategorien erschwert werden. Dagegen sind die Umstände der Straftat insoweit beachtlich, als sie Rückschlüsse auf die Täterpersönlichkeit und damit auf das künftige Verhalten erlauben. Ob die mit einer bedingten Entlassung in gewissem Masse stets verbundene Gefahr neuer Delikte zu verantworten ist, hängt nicht nur von der Wahrscheinlichkeit der Begehung neuer Straftaten, sondern auch von der Bedeutung des eventuell bedrohten Rechtsgutes ab (BGE 124 IV 193 E. 3).

TPF 2012 85, p.90

3.2.1 Die Gesuchstellerin wird am 3. Juli 2012 zwei Drittel der mit Urteil vom 22. Juli 2011 gegen sie ausgesprochenen Freiheitsstrafe in Untersuchungsund Sicherheitshaft bzw. im vorzeitigen Strafvollzug verbüsst haben, womit auf dieses Datum das zeitliche Erfordernis für eine bedingte Entlassung im Sinne von Art. 86 Abs. 1
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 86 - 1 Hat der Gefangene zwei Drittel seiner Strafe, mindestens aber drei Monate verbüsst, so ist er durch die zuständige Behörde bedingt zu entlassen, wenn es sein Verhalten im Strafvollzug rechtfertigt und nicht anzunehmen ist, er werde weitere Verbrechen oder Vergehen begehen.
1    Hat der Gefangene zwei Drittel seiner Strafe, mindestens aber drei Monate verbüsst, so ist er durch die zuständige Behörde bedingt zu entlassen, wenn es sein Verhalten im Strafvollzug rechtfertigt und nicht anzunehmen ist, er werde weitere Verbrechen oder Vergehen begehen.
2    Die zuständige Behörde prüft von Amtes wegen, ob der Gefangene bedingt entlassen werden kann. Sie holt einen Bericht der Anstaltsleitung ein. Der Gefangene ist anzuhören.
3    Wird die bedingte Entlassung verweigert, so hat die zuständige Behörde mindestens einmal jährlich neu zu prüfen, ob sie gewährt werden kann.
4    Hat der Gefangene die Hälfte seiner Strafe, mindestens aber drei Monate verbüsst, so kann er ausnahmsweise bedingt entlassen werden, wenn ausserordentliche, in der Person des Gefangenen liegende Umstände dies rechtfertigen.
5    Bei einer lebenslangen Freiheitsstrafe ist die bedingte Entlassung nach Absatz 1 frühestens nach 15, nach Absatz 4 frühestens nach zehn Jahren möglich.
StGB erfüllt wäre. Der Führungsbericht der Direktorin der Anstalten Hindelbank vom 9. Mai 2012 bescheinigt der Gesuchstellerin, sich im Strafvollzug wohl verhalten zu haben. Demzufolge hängt der Entscheid über die Entlassung der Gesuchstellerin einzig davon ab, ob ihr eine günstige Legalprognose im Sinne von Art. 86 Abs. 1
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 86 - 1 Hat der Gefangene zwei Drittel seiner Strafe, mindestens aber drei Monate verbüsst, so ist er durch die zuständige Behörde bedingt zu entlassen, wenn es sein Verhalten im Strafvollzug rechtfertigt und nicht anzunehmen ist, er werde weitere Verbrechen oder Vergehen begehen.
1    Hat der Gefangene zwei Drittel seiner Strafe, mindestens aber drei Monate verbüsst, so ist er durch die zuständige Behörde bedingt zu entlassen, wenn es sein Verhalten im Strafvollzug rechtfertigt und nicht anzunehmen ist, er werde weitere Verbrechen oder Vergehen begehen.
2    Die zuständige Behörde prüft von Amtes wegen, ob der Gefangene bedingt entlassen werden kann. Sie holt einen Bericht der Anstaltsleitung ein. Der Gefangene ist anzuhören.
3    Wird die bedingte Entlassung verweigert, so hat die zuständige Behörde mindestens einmal jährlich neu zu prüfen, ob sie gewährt werden kann.
4    Hat der Gefangene die Hälfte seiner Strafe, mindestens aber drei Monate verbüsst, so kann er ausnahmsweise bedingt entlassen werden, wenn ausserordentliche, in der Person des Gefangenen liegende Umstände dies rechtfertigen.
5    Bei einer lebenslangen Freiheitsstrafe ist die bedingte Entlassung nach Absatz 1 frühestens nach 15, nach Absatz 4 frühestens nach zehn Jahren möglich.
StGB gestellt werden kann. Ist dies der Fall, sind die Voraussetzungen für die Aufrechterhaltung der Haft zur Sicherung des (weiteren) Strafvollzugs nicht mehr gegeben, und die Fortführung des vorzeitigen Strafvollzugs ist unverhältnismässig.
3.2.2 Über das Vorleben der heute 30-jährigen Gesuchstellerin ist bekannt, dass sie in Italien geboren und aufgewachsen ist. Sie absolvierte die Matura und begann ein Studium, das sie jedoch nicht abschloss. Vor ihrer Verhaftung war sie beruflich als Erzieherin in einer sozialen Genossenschaft in Turin tätig und arbeitete zuletzt gelegenheitsmässig als Flachmalerin mit einem monatlichen Verdienst von ca. EUR 500.. Sie ist in der Provinz Turin (Italien) wohnhaft und mit dem in gleicher Sache ebenfalls nicht rechtskräftig verurteilten B. verheiratet; das Ehepaar ist kinderlos. Nach eigenen Angaben hat sie kein Vermögen und ist schuldenfrei. Gemäss schweizerischem und italienischem Strafregisterauszug weist sie keine Vorstrafen auf. Dem Führungsbericht der Anstalten Hindelbank kann entnommen werden, dass die Gesuchstellerin sich besonnen, korrekt und sozialkompetent verhalte. Sie respektiere die anstaltsinternen Regeln, halte sich an den Vollzugsplan und habe zu keinerlei Beanstandungen Anlass gegeben. Zur Tat habe sie sich nur zurückhaltend geäussert und angegeben, sich damit gedanklich stark auseinanderzusetzen. In Zukunft wolle sie sich mit legalen Mitteln für Natur und Umwelt einsetzen. Inwiefern sie sich in Bezug auf ihre politische Haltung in Zukunft entwickeln werde, könne seitens des Anstaltspersonals nicht beurteilt werden. Die Gesuchstellerin selbst führt in ihrem Entlassungsgesuch aus, dass sie nach der Haftentlassung zu ihrer Familie nach Italien zurückkehren wolle, um ein gemeinsames Leben mit ihrem (zur Zeit ebenfalls inhaftierten) Ehemann aufzubauen und eine Familie zu gründen. Sie wolle ihr Studium als Erzieherin für behinderte Kinder wieder aufnehmen und beenden. Finanzielle Probleme nach der Haftentlassung ergäben sich nicht, da sie keine Schulden habe.

TPF 2012 85, p.91

TPF 2012 85
Die Gesuchstellerin hat sich während des gesamten Verfahrens zu den ihr zur Last gelegten strafbaren Vorbereitungshandlungen zur Brandstiftung (Art. 260bis Abs. 1
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 260bis - 1 Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe wird bestraft, wer planmässig konkrete technische oder organisatorische Vorkehrungen trifft, deren Art und Umfang zeigen, dass er sich anschickt, eine der folgenden strafbaren Handlungen auszuführen:
1    Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe wird bestraft, wer planmässig konkrete technische oder organisatorische Vorkehrungen trifft, deren Art und Umfang zeigen, dass er sich anschickt, eine der folgenden strafbaren Handlungen auszuführen:
a  Vorsätzliche Tötung (Art. 111);
b  Mord (Art. 112);
c  Schwere Körperverletzung (Art. 122);
cbis  Verstümmelung weiblicher Genitalien (Art. 124);
d  Raub (Art. 140);
e  Freiheitsberaubung und Entführung (Art. 183);
f  Geiselnahme (Art. 185);
fbis  Verschwindenlassen (Art. 185bis);
g  Brandstiftung (Art. 221);
h  Völkermord (Art. 264);
i  Verbrechen gegen die Menschlichkeit (Art. 264a);
j  Kriegsverbrechen (Art. 264c-264h).340
2    Führt der Täter aus eigenem Antrieb die Vorbereitungshandlung nicht zu Ende, so bleibt er straflos.
3    Strafbar ist auch, wer die Vorbereitungshandlung im Ausland begeht, wenn die beabsichtigten strafbaren Handlungen in der Schweiz verübt werden sollen. Artikel 3 Absatz 2 ist anwendbar.341
StGB) und des Verbergens und Weiterschaffens von Sprengstoffen (Art. 226 Abs. 2
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 226 - 1 Wer Sprengstoffe oder giftige Gase herstellt, die, wie er weiss oder annehmen muss, zu verbrecherischem Gebrauche bestimmt sind, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren bestraft.302
1    Wer Sprengstoffe oder giftige Gase herstellt, die, wie er weiss oder annehmen muss, zu verbrecherischem Gebrauche bestimmt sind, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren bestraft.302
2    Wer Sprengstoffe, giftige Gase oder Stoffe, die zu deren Herstellung geeignet sind, sich verschafft, einem andern übergibt, von einem andern übernimmt, aufbewahrt, verbirgt oder weiterschafft, wird, wenn er weiss oder annehmen muss, dass sie zu verbrecherischem Gebrauche bestimmt sind, mit Freiheitsstrafe von einem Monat bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe nicht unter 30 Tagessätzen bestraft.303
3    Wer jemandem, der, wie er weiss oder annehmen muss, einen verbrecherischen Gebrauch von Sprengstoffen oder giftigen Gasen plant, zu deren Herstellung Anleitung gibt, wird mit Freiheitsstrafe von einem Monat bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe nicht unter 30 Tagessätzen bestraft.304
StGB) nicht geäussert. Die Strafkammer hat in ihrem Urteil vom 22. Juli 2011 festgehalten, dass aufgrund der Tatmodalitäten, insbesondere der Art des Verbergens und des Transports der Tatmittel, der Schwere der möglichen und beabsichtigten Verletzung von Rechtsgütern sowie der zu diesem Zweck angewandten kriminellen Energie das Verschulden der Gesuchstellerin mindestens mittelschwer zu werten sei. Die Gesuchstellerin habe sich nicht gescheut, zur Durchsetzung ihrer politischen bzw. ideologischen Ziele die Einsetzung von erhebliche Gewalt auslösenden Mitteln gegen Sachen zu planen (Urteil des Bundesstrafgerichts SK.2011.6 vom 22. Juli 2011, E. 6.7.1 und 6.7.3).
3.2.3 Die Gesuchstellerin war bis zu ihrer Verhaftung im gegenständlichen Verfahren sozial integriert und kam (zusammen mit ihrem Ehemann) eigenständig für ihren Lebensunterhalt auf. Strafrechtlich ist sie zuvor nicht in Erscheinung getreten und hat sich bis jetzt an den Vollzugsplan gehalten. Hervorzuheben sind hierbei insbesondere ihre vorbildliche Integration innerhalb der Strafvollzugsanstalt in allen Bereichen, obwohl sie kein Deutsch spricht. Namentlich ihr Verhalten bei der Arbeit und ihr Umgang mit Mitgefangenen werden im Führungsbericht gelobt, Situationen, die denen des Lebens in Freiheit ähnlich sind. Die zukünftige Wohnsituation der Gesuchstellerin ist gesichert und die Wiederaufnahme des Studiums bei finanzieller Unterstützung durch die Familie erscheint nicht unrealistisch. Der Wunsch der Gesuchstellerin, nach ihrer und der Entlassung ihres Ehemanns eine Familie zu gründen, ist angesichts ihres Alters nachvollziehbar und zeugt von einer gewissen Reife und Bereitschaft, Verantwortung zu übernehmen.

Die der Gesuchstellerin vorgeworfenen strafbaren Handlungen sind nicht zu verharmlosen, handelt es sich doch um gemeingefährliche Delikte des siebten Titels des StGB, denen ein hohes Gefährdungspotential immanent ist. Zu beachten ist jedoch, dass das Urteil gegen die Gesuchstellerin noch nicht rechtskräftig ist und somit zu ihren Gunsten weiterhin die Unschuldsvermutung gilt. Umstände einer allfälligen Tatbegehung lassen demnach nur in sehr beschränktem Mass Rückschlüsse auf die Täterpersönlichkeit der Gesuchstellerin und deren künftiges Verhalten zu. Die Beurteilung einer allfälligen, heute von der Gesuchstellerin ausgehenden Gefährlichkeit, basierend auf einem noch nicht rechtskräftig festgestellten strafbaren Verhalten, erscheint äusserst problematisch, wenn nicht sogar praktisch unmöglich. Aber selbst wenn man davon ausgehen

TPF 2012 85, p.92

würde, dass die Gesuchstellerin die ihr vorgeworfenen strafbaren Handlungen begangen hat, fällt auf, dass diese sich bei aller aufgewendeten kriminellen Energie und der Gefährlichkeit der zur Tatbegehung vorgesehenen Tatmittel, ausschliesslich gegen Sachen und nicht gegen Menschen richten sollten und dass letztlich kein Schaden eingetreten ist.
Die Bundesanwaltschaft führt in ihrer Vernehmlassung aus, bei der Gesuchstellerin dürfte es sich um eine indoktrinierte Überzeugungstäterin handeln. Sie habe in ihrem Entlassungsgesuch zudem keine glaubhafte Reue oder Einsicht in ihre Taten gezeigt, weshalb erhebliche, konkrete Zweifel daran bestünden, dass sie sich in Zukunft straffrei verhalten werde. Dem kann so nicht gefolgt werden. Über die Motive der Tatbegehung kann weitestgehend nur spekuliert werden, da die Gesuchstellerin während des gesamten Strafverfahrens von ihrem Aussageverweigerungsrecht Gebrauch gemacht hat. Auch wenn aufgrund der sichergestellten Bekennerschreiben gewichtige Indizien dafür bestehen, dass sie die ihr zur Last gelegten, aber noch nicht rechtskräftig festgestellten Straftaten aus politischer Überzeugung begangen hat, führt dies nicht zwingend dazu, dass ihr eine ungünstige Prognose im Sinne von Art. 86 Abs. 1
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 86 - 1 Hat der Gefangene zwei Drittel seiner Strafe, mindestens aber drei Monate verbüsst, so ist er durch die zuständige Behörde bedingt zu entlassen, wenn es sein Verhalten im Strafvollzug rechtfertigt und nicht anzunehmen ist, er werde weitere Verbrechen oder Vergehen begehen.
1    Hat der Gefangene zwei Drittel seiner Strafe, mindestens aber drei Monate verbüsst, so ist er durch die zuständige Behörde bedingt zu entlassen, wenn es sein Verhalten im Strafvollzug rechtfertigt und nicht anzunehmen ist, er werde weitere Verbrechen oder Vergehen begehen.
2    Die zuständige Behörde prüft von Amtes wegen, ob der Gefangene bedingt entlassen werden kann. Sie holt einen Bericht der Anstaltsleitung ein. Der Gefangene ist anzuhören.
3    Wird die bedingte Entlassung verweigert, so hat die zuständige Behörde mindestens einmal jährlich neu zu prüfen, ob sie gewährt werden kann.
4    Hat der Gefangene die Hälfte seiner Strafe, mindestens aber drei Monate verbüsst, so kann er ausnahmsweise bedingt entlassen werden, wenn ausserordentliche, in der Person des Gefangenen liegende Umstände dies rechtfertigen.
5    Bei einer lebenslangen Freiheitsstrafe ist die bedingte Entlassung nach Absatz 1 frühestens nach 15, nach Absatz 4 frühestens nach zehn Jahren möglich.
StGB gestellt werden muss. Aufgrund ihres Verhaltens im Strafvollzug und ihrer Ausführungen im Entlassungsgesuch erscheint es eben nicht ausgeschlossen, dass sie sich in Zukunft ausschliesslich mit legalen Mitteln für Natur und Umwelt einsetzen wird. Auch kann aus dem Umstand, dass die Gesuchstellerin sich nicht (offen) zur Tat bekennt und ernsthaft mit dieser auseinandergesetzt hat, nicht geschlossen werden, die Gesuchstellerin werde auch in Zukunft weitere, gleichartige Straftaten begehen. Zwar kann die Einsichtigkeit gegenüber der Verurteilung und Strafzumessung als Indiz für eine Änderung der inneren Lebenseinstellung betrachtet und deren Fehlen als mangelnde innere Änderung gedeutet werden, jedoch steht die unzureichende Auseinandersetzung mit dem Delikt einer positiven Prognose nicht ohne weiteres entgegen (in diesem Sinne wohl auch BGE 124 IV 193 E. 5 b/ee; BVerfG NJW 1998 2202, 2204). Die Gründe für ein derartiges Verhalten können vielfältig sein. Würde vorliegend das von der Bundesanwaltschaft bemängelte fehlende Auseinandersetzen mit den der Gesuchstellerin zur Last gelegten Vorwürfen und das mangelnde Bekunden von Reue negativ gewertet, würde dies die gesetzlich verankerte Unschuldsvermutung verletzen. Ein derartiges Verhalten käme einem Geständnis gleich, was im jetzigen Verfahrensstand von der Gesuchstellerin nicht verlangt werden kann, da das Urteil der Strafkammer noch nicht rechtskräftig und die Beschwerde der Gesuchstellerin beim Bundesgericht hängig ist. Zudem gibt es keine Pflicht, sich zur begangenen Tat zu bekennen oder diese zu bereuen, selbst im Falle einer rechtskräftigen

TPF 2012 85, p.93

TPF 2012 85
Verurteilung (BGE, a.a.O., mit Hinweisen). Letztlich ist zu berücksichtigen, dass die Gesuchstellerin eine zeitlich befristete Strafe verbüsst. Falls ihr die bedingte Entlassung verweigert wird, ist sie in gut einem Jahr bedingungslos in Freiheit zu entlassen. Es gibt keinerlei Anzeichen dafür, dass sich die momentane Einstellung der Gesuchstellerin bzw. diejenige nach Verbüssung von zwei Dritteln der ausgesprochenen Freiheitsstrafe während des restlichen Drittels im Vollzug noch ändern wird, insbesondere wenn man die Meinung der Bundesanwaltschaft teilen würde, dass es sich bei der Gesuchstellerin um eine Überzeugungstäterin handelt. Der vagen Hoffnung eines Wegfalls einer allfälligen Gefährlichkeit in dieser Zeit aus Gründen, die nicht erkennbar sind, steht mindestens gleichrangig die Verschärfung der Gefahr durch die Situation des Vollzugs und die Fernhaltung der Gesuchstellerin vom Leben in Freiheit gegenüber. So gewährleistet der weitere Strafvollzug letztlich auch nicht die Vermeidung etwaiger Straftaten, sondern vermeidet allenfalls Straftaten während der (restlichen) Zeit der Verbüssung und verschiebt im Übrigen das Problem möglicher Straftatenbegehung bloss auf einen zeitlich späteren Zeitpunkt (BGE 124 IV 193 E. 4 d/aa).

3.2.4 Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass keinerlei Anzeichen vorliegen, die zur Annahme führen, die Gesuchstellerin werde im Falle einer Entlassung aus dem vorzeitigen Strafvollzug nach Verbüssung von zwei Dritteln der ausgesprochenen Freiheitsstrafe weitere Straftaten begehen. Vielmehr lassen der Verlauf des Strafvollzugs, der Führungsbericht der Anstaltsleitung und die Angaben der Gesuchstellerin hoffen, dass sie sich nach ihrer Entlassung ohne Probleme wieder in die Gesellschaft integrieren wird. Auch wenn nicht sämtliche möglichen Beurteilungsmerkmale klarerweise für eine günstige Prognose der Gesuchstellerin sprechen, sind die negativ ins Gewicht fallenden Aspekte nicht so gewichtig, dass der Gesuchstellerin eine negative Legalprognose im Sinne von Art. 86 Abs. 1
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 86 - 1 Hat der Gefangene zwei Drittel seiner Strafe, mindestens aber drei Monate verbüsst, so ist er durch die zuständige Behörde bedingt zu entlassen, wenn es sein Verhalten im Strafvollzug rechtfertigt und nicht anzunehmen ist, er werde weitere Verbrechen oder Vergehen begehen.
1    Hat der Gefangene zwei Drittel seiner Strafe, mindestens aber drei Monate verbüsst, so ist er durch die zuständige Behörde bedingt zu entlassen, wenn es sein Verhalten im Strafvollzug rechtfertigt und nicht anzunehmen ist, er werde weitere Verbrechen oder Vergehen begehen.
2    Die zuständige Behörde prüft von Amtes wegen, ob der Gefangene bedingt entlassen werden kann. Sie holt einen Bericht der Anstaltsleitung ein. Der Gefangene ist anzuhören.
3    Wird die bedingte Entlassung verweigert, so hat die zuständige Behörde mindestens einmal jährlich neu zu prüfen, ob sie gewährt werden kann.
4    Hat der Gefangene die Hälfte seiner Strafe, mindestens aber drei Monate verbüsst, so kann er ausnahmsweise bedingt entlassen werden, wenn ausserordentliche, in der Person des Gefangenen liegende Umstände dies rechtfertigen.
5    Bei einer lebenslangen Freiheitsstrafe ist die bedingte Entlassung nach Absatz 1 frühestens nach 15, nach Absatz 4 frühestens nach zehn Jahren möglich.
StGB zu stellen ist. Das Vorliegen einer günstigen Legalprognose ist nicht erforderlich. Demnach ist es unverhältnismässig, den vorläufigen Strafvollzug nach Verbüssung von zwei Dritteln der ausgesprochenen Freiheitsstrafe zur Sicherung eines allfälligen Strafvollzugs aufrechtzuerhalten. Die Gesuchstellerin ist zum 3. Juli 2012 aus der Haft zu entlassen.

3.3 Eine inhaftierte Person muss vor dem Entscheid über die (bedingte) Entlassung angehört werden. Nach bundesgerichtlicher Rechtsprechung ist eine

TPF 2012 85, p.94

Anhörung jedoch nur erforderlich, wenn die in Haft befindliche Person kein Gesuch gestellt hat oder wenn dem Gesuch nicht ohne weiteres stattgegeben werden kann. Ihr Anspruch auf rechtliches Gehör ist hingegen gewährleistet, wenn sie selbst ein Entlassungsgesuch stellt (Urteil 6B_587/2010 vom 13. Januar 2011, E. 1.2, 1.3.1; BAECHTHOLD, Basler Kommentar, Strafrecht I, 2. Aufl., Basel 2007, Art. 86
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 86 - 1 Hat der Gefangene zwei Drittel seiner Strafe, mindestens aber drei Monate verbüsst, so ist er durch die zuständige Behörde bedingt zu entlassen, wenn es sein Verhalten im Strafvollzug rechtfertigt und nicht anzunehmen ist, er werde weitere Verbrechen oder Vergehen begehen.
1    Hat der Gefangene zwei Drittel seiner Strafe, mindestens aber drei Monate verbüsst, so ist er durch die zuständige Behörde bedingt zu entlassen, wenn es sein Verhalten im Strafvollzug rechtfertigt und nicht anzunehmen ist, er werde weitere Verbrechen oder Vergehen begehen.
2    Die zuständige Behörde prüft von Amtes wegen, ob der Gefangene bedingt entlassen werden kann. Sie holt einen Bericht der Anstaltsleitung ein. Der Gefangene ist anzuhören.
3    Wird die bedingte Entlassung verweigert, so hat die zuständige Behörde mindestens einmal jährlich neu zu prüfen, ob sie gewährt werden kann.
4    Hat der Gefangene die Hälfte seiner Strafe, mindestens aber drei Monate verbüsst, so kann er ausnahmsweise bedingt entlassen werden, wenn ausserordentliche, in der Person des Gefangenen liegende Umstände dies rechtfertigen.
5    Bei einer lebenslangen Freiheitsstrafe ist die bedingte Entlassung nach Absatz 1 frühestens nach 15, nach Absatz 4 frühestens nach zehn Jahren möglich.
StGB N. 26). Ob Art. 86 Abs. 2
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 86 - 1 Hat der Gefangene zwei Drittel seiner Strafe, mindestens aber drei Monate verbüsst, so ist er durch die zuständige Behörde bedingt zu entlassen, wenn es sein Verhalten im Strafvollzug rechtfertigt und nicht anzunehmen ist, er werde weitere Verbrechen oder Vergehen begehen.
1    Hat der Gefangene zwei Drittel seiner Strafe, mindestens aber drei Monate verbüsst, so ist er durch die zuständige Behörde bedingt zu entlassen, wenn es sein Verhalten im Strafvollzug rechtfertigt und nicht anzunehmen ist, er werde weitere Verbrechen oder Vergehen begehen.
2    Die zuständige Behörde prüft von Amtes wegen, ob der Gefangene bedingt entlassen werden kann. Sie holt einen Bericht der Anstaltsleitung ein. Der Gefangene ist anzuhören.
3    Wird die bedingte Entlassung verweigert, so hat die zuständige Behörde mindestens einmal jährlich neu zu prüfen, ob sie gewährt werden kann.
4    Hat der Gefangene die Hälfte seiner Strafe, mindestens aber drei Monate verbüsst, so kann er ausnahmsweise bedingt entlassen werden, wenn ausserordentliche, in der Person des Gefangenen liegende Umstände dies rechtfertigen.
5    Bei einer lebenslangen Freiheitsstrafe ist die bedingte Entlassung nach Absatz 1 frühestens nach 15, nach Absatz 4 frühestens nach zehn Jahren möglich.
StGB auch in Verfahren betreffend Haftentlassungsgesuche von Personen im vorzeitigen Strafvollzug Anwendung findet, erscheint zweifelhaft, da die Regeln der Sicherheitshaft Anwendung finden, die gerade keine persönliche Anhörung vorschreiben. Die Frage kann aber letztlich offen bleiben, da die Gesuchstellerin ein eigenes, begründetes Entlassungsgesuch gestellt und ausdrücklich auf eine persönliche Anhörung für den Fall von dessen Gutheissung verzichtet hat. Sie nahm am 11. Juni 2012 telefonisch Kontakt mit dem Gericht auf und verlangte eine persönliche Anhörung nur für den Fall, dass das Gericht die Abweisung ihres Haftentlassungsgesuchs in Erwägung ziehe. Da dem Entlassungsgesuch stattzugeben ist, konnte auf eine persönliche Anhörung der Gesuchstellerin verzichtet werden.

TPF 2012 85, p.95
Decision information   •   DEFRITEN
Document : TPF 2012 85
Date : 20. Juni 2012
Published : 19. April 2013
Source : Bundesstrafgericht
Status : TPF 2012 85
Subject area : Art. 236 StPO und Art. 86 StGB Für Haftentscheide während einer beim Bundesgericht hängigen Beschwerde gegen ein Urteil...
Subject : Vorzeitiger Strafvollzug; bedingte Entlassung.


Legislation register
BGG: 78  103  104
BV: 10  31  36
EMRK: 5
StGB: 86  226  260bis
StPO: 233  236  380  393  398
BGE-register
117-IA-72 • 119-IV-5 • 124-IV-193 • 133-I-168 • 133-I-270 • 133-IV-187 • 133-IV-201
Weitere Urteile ab 2000
1B_100/2007 • 1B_100/2010 • 1B_338/2010 • 1B_44/2008 • 1P.18/2005 • 1P.216/2000 • 1P.279/1992 • 1P.611/1998 • 6A.86/2002 • 6B_587/2010
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BstGer Leitentscheide
TPF 2012 85
Decisions of the TPF
SK.2011.6 • SN.2012.13 • SN.2011.15