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C.

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Schlussfolgerungen

Gestützt auf den bekannten Sachverhalt und die vorangehenden Erwägungen stellt das Sekretariat der Wettbewerbskommission das Verfahren ohne Kostenfolgen ein.

B 1.1

2.

Wettbewerbsreglement des Schweizerischen Baumeisterverbandes

Unzulässige Wettbewerbsabrede; Art. 5 KG Accord illicite; art. 5 LCart Accordo illecito; art. 5 LCart Schlussbericht vom 15. September 2003 in Sachen Vorabklärung gemäss Artikel 26 KG betreffend Wettbewerbsreglement des Schweizerischen Baumeisterverbandes wegen unzulässiger Wettbewerbsabr ede gemäss Artikel 5 KG A.

Sachverhalt

1. Das Sekretariat der Wettbewerbskommission (Sekretariat) erhielt von einem kantonalen Baudepartement sowie weiteren Stellen den Hinweis, das Reglement des Schweizerischen Baumeisterverbandes (SBV) über das Angebotswesen vom 23. Oktober 1996 (Wettbewerbsreglement) verstosse womöglich gegen Artikel 5 KG (Kartellgesetz; SR 251), weil es Preisabspr achen bei der Vergabe von Aufträgen ermögliche.

2. Am 1. März 2000 eröffnete das Sekretariat eine Vorabkl ärung gemäss Artikel 26 KG (Kartellgesetz; SR 251) und ersuchte den SBV um eine Stellungnahme zum Vorwurf einer unzulässigen Wettbewerbsbeschränkung. Nach Eingang der Stellungnahme des SBV befragte das Sekretariat auch noch die Sektionen des SBV.

3. Am 4. Juli 2001 teilte das Sekretariat dem SBV im Sinne einer vorläufigen kartellrechtlichen Würdigung mit, das Wettbewerbsreglement bewirke Wettbewerbsbeschränkungen, die prima vista nicht durch Gründe der wirtschaftlichen Effizienz gerechtfertigt seien. Es geht im Einzelnen um folgende Bestimmungen: a)

Pflicht der SBV-Mitglieder, die eingereichten Angebote zu melden, sowie Sanktionen bei Pflichtverletzung (Art. 6; Art. 12 Reglement);

b)

Pflicht der SBV-Meldestellen, allen angemeldeten Bewerbern die angemeldeten Firmen mitzuteilen (Art. 7 Reglement);

c)

Möglichkeit der Durchführung von Vorversammlungen (Art. 8 Abs. 3 Bst. a Reglement).

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B.

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Erwägungen

4. Geltungsbereich: Das Kartellgesetz gilt namentlich für Unternehmen des privaten Rechts, die Kartell- oder andere Wettbewerbsabreden treffen (Art. 2 Abs. 1 KG). Als Unternehmen gelten alle selbstständigen Einheiten, die sich als Produzenten von Gütern und Dienstleistungen am Wirtschaftsprozess beteiligen und im konkreten Fall als Anbieter oder Nachfrager auftreten (vgl. RPW 2003/2, S. 259, Ziff. 23).

Die Mitglieder des SBV sind als solche Unternehmen zu qualifizieren.

Dem SBV, der als Schweizerischer Verband das Wettbewerbsreglement herausgibt, kommt im Kartellverwaltungsverfahren Parteistellung zu.

5. Vorbehaltene Vorschriften: Dem Kartellgesetz gehen Vorschriften vor, die auf einem Markt für bestimmte Waren oder Leistungen Wettbewerb nicht zulassen, insbesondere solche, die eine staatliche Marktoder Preisordnung begründen oder einzelne Unternehmen zur Erfüllung öffentlicher Aufgaben mit besonderen Rechten ausstatten (Art. 3 Abs. 1 KG). Im vorliegenden Fall bestehen keine solchen Vorschriften.

Es sind von den Parteien auch keine geltend gemacht worden.

6. Wettbewerbsabreden: Als Wettbewerbsabreden gelten rechtlich erzwingbare oder nicht erzwingbare Vereinbarungen sowie aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen von Unternehmen gleicher oder verschiedener Marktstufen, die eine Wettbewerbsbeschränkung bezwecken oder bewirken (Art. 4 Abs. 1 KG). Das beanstandete Wettbewerbsreglement umfasst ein Meldesystem, mit dem die Bildung von konkreten Preisabsprachen (z.B. Submissionskartelle) ermöglicht wird.

Damit verbunden enthält es Sanktionen zur Durchsetzung einer Meldepflicht bei den SBV-Mitgliedern. Ferner sieht es Rückmeldungen an die SBV-Mitglieder vor. Damit bestehen Anhaltspunkte, dass es den Tatbestand von Artikel 4 Absatz 1 KG erfüllt.

7. Unzulässige Wettbewerbsabreden: Laut Artikel 5 Absatz 1 KG sind Abreden unzulässig, die den Wettbewerb auf einem Markt für bestimmte Leistungen erheblich beeinträchtigen und sich nicht durch Gründe der wirtschaftlichen Effizienz rechtfertigen lassen, sowie Abreden, die zur Beseitigung wirksamen Wettbewerbs führen.

a)

Marktabgrenzung: Um festzustellen, ob die Abrede eine erhebliche beziehungsweise beseitigende Wettbewerbsbeeinträchtigung bewirkt, ist in der Regel vorab der relevante Markt abzugrenzen.

In geografischer Hinsicht gilt das Wettbewerbsreglement für die ganze Schweiz (Art. 2 Wettbewerbsreglement). Führt das Wettbewerbsreglement zu einem Submissionskartell, so ist der genaue geografische Markt alsdann für jede einzelne Angebotsrunde gesondert zu bestimmen (RPW 2002/1, S. 141 f.). Sachlich umfasst das Wettbewerbsreglement grundsätzlich sämtliche Märkte des engeren Bauhauptgewerbes, insbesondere Erd-, Maurer-, Beton-, Strassenbau-, Untertagbau-, Spezialtiefbau-, Steinhauer- und Zimmerarbeiten (Art. 4 Wettbewerbsreglement). Auch hier entsteht für

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jeden Einzelfall (Submissionskartell) ein gesonderter sachlicher Markt aufgrund einer konkreten Angebotsrunde (RPW 2002/1, S.

142 , Rz. 28).

b)

Wettbewerbsbeseitigende Abrede: Das Wettbewerbsreglement enthält nach der vorläufigen Beurteilung keine für den Vermutungstatbestand von Artikel 5 Absatz 3 KG konstituierenden Elemente der Preis-, Mengen- oder Gebietsabrede. Ein Eingriff (Verbot) hinsichtlich der oben erwähnten Bestimmungen des Wettbewerbsreglements kommt nach Massgabe von Artikel 5 Absatz 3 KG somit kaum in Betracht.

c)

Wettbewerbsbeeinträchtigende Klauseln: Das Wettbewerbsreglement enthält Instrumente (vgl. oben, Rz. 3), welche die Bildung von Preis- und anderen Absprachen gemäss Artikel 5 Absatz 3 KG erleichtern können (vgl. RPW 2001/3, S. 521, Rz. 37). Aufgrund der summarischen Ermittlungen kann nicht schlüssig beurteilt werden, inwieweit das Wettbewerbsreglement SBV-Mitglieder anlässlich eines ei nzelnen Submissionsverfahrens dazu veranlasst, Offerten aufeinander abz ustimmen. Es ist allerdings nicht von der Hand zu weisen, dass i) die (mit Sanktionen durchsetzbare) Pflicht der SBVMitglieder, ihre Teilnahme den Meldestellen mitzuteilen, ii) die Pflicht der Meldestellen, die teilnehmenden Wettbewerber den meldenden Firmen mitzuteilen und iii) die Möglichkeit von Vorversammlungen Anreize für das Eingehen von Abreden (Submissionskartelle) im Sinne von Artikel 5 Absatz 3 KG setzt. Auf eine abschliessende wettbewerbsrechtliche Beurteilung kann angesichts der vorgenommenen diesbezüglichen Neuregelung des Wettbewerbsregl ements indes verzichtet werden.

C.

Anregungen (Art. 26 KG)

8. Das Sekretariat schlug dem SBV im Sinne einer Anregung gemäss Artikel 26 Absatz 2 KG vor, das Reglement zu revidieren.

a)

Aufhebung der Pflicht der SBV-Mitglieder, die eingereichten Angebote zu melden und Verzicht auf die diesbezüglich vorgesehenen Sanktionen (Änderung von Art. 6 und Aufhebung von Art. 12 Reglement);

b)

Aufhebung der Pflicht der SBV-Meldestellen, allen angemeldeten Bewerbern die angemeldeten Firmen mitzuteilen (Änderung von Art. 7 Reglement);

c)

Pflicht des SBV und seiner Mitglieder, die Bauherrschaften konsequent über die Existenz des Angebotsmeldesystems zu orientieren (Aufnahme einer entsprechenden Bestimmung in das Reglement);

d)

Verzicht auf die Erwähnung der Möglichkeit von Vorversammlungen (Streichen des zweiten Satzes von Art. 8 Abs. 3 Bst. a Reglement).

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9. Die Delegiertenversammlung des SBV hat mit Beschluss vom 21.

November 2002 nachfolgende Änderungen des Wettbewerbsreglements beschlossen. Das revidierte Wettbewerbsreglement kann im Übrigen unter anderem über die Homepage des SBV (www.baumeister.ch > SBV-Shop > Artikelliste > Gesamtarbeitsverträge/Musterverträge, Reglemente) bezogen werden.

Kapitel 2 Art. 6

Meldung

Meldung bei Teilnahme an einem Ausschreibungsverfahren

1

Grundsatz: Ein SBV-Mitglied, das ein Angebot einzureichen beabsichtigt (Bewerber), teilt dies unverzüglich nach Erhalt der Ausschreibungsunterlagen der zuständigen Stelle (Meldestelle) schriftlich mit. Telefonische Anmeldungen sind schriftlich zu bestätigen.

2

Nichtteilnahme: Ein SBV-Mitglied, das trotz Meldung an einem Wettbewerb nicht teilnehmen will beziehungsweise kann, teilt dies nach der Entschlussfassung unverzüglich schriftlich der Meldestelle mit. Reicht das SBV-Mitglied später trotzdem ein Angebot ein, benachrichtigt es vor der Angebotseinreichung die Meldestelle.

Art. 7

Orientierung der Bauherrschaft

1

Auf Anfrage der Bauherrschaft sowie bei der Durchführung von Versammlungen im Sinne von Artikel 8-10 dieses Reglements erteilt die Meldestelle Auskunft über das Angebotsmeldesystem.

2

Die Meldestelle ist berechtigt, bei Unklarheiten und zur Qualitätsverbesserung zwischen der Bauherrschaft und den Submittenten zu vermitteln.

Kapitel 3 Art. 8

Bereinigung der Ausschreibungsunterlagen

Versammlung zur Bereinigung von Ausschreibungsunterlagen

1

Grundsatz: Es kann eine Versammlung zur Bereinigung von Angebotstexten und Grundlagen (im folgenden: Versammlung) durchgeführt werden.

2

Die Bauherrschaft oder deren bevollmächtigte Vertretung sowie Nicht-SBV-Mitgliedfirmen können an der Versammlung teilnehmen.

Art. 9

Aufgaben der Versammlung

An der Versammlung werden alle mit der Angebotsstellung zusammenhängenden Fragen besprochen und geklärt. Es sind dies insbesondere: a)

Beurteilung des Eingabetermins entsprechend dem Umfang der Angebotsbearbeitung,

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b)

Prüfung der Angebotsbedingungen auf Übereinstimmung mit den massgeblichen Gesetzen, Normen und Bedingungen, insbesondere den SIA-Normen, den Normen anderer anerkannter Fachverbände beziehungsweise den Bedingungen und Vorschriften, die von den Baumeisterverbänden im Einvernehmen mit den Bauherrschaften ausgearbeitet wurden, insbesondere auch Prüfung von Garantieversprechen, die über die SIA-Norm 118 hinausgehen,

c)

Abklärung und allenfalls Bereinigung der Positionstexte des Leistungsverzeichnisses im Hinblick auf eine eindeutige Auslegung der ausgeschriebenen Arbeiten,

d)

Besprechung von Ausführungsfristen und Arbeitsvorgängen,

e)

Mitwirkung bei der Beschaffung wichtiger Grundlagen für die Kostenberechnung und Ausarbeitung der damit zusammenhängenden Angebotsunterlagen,

f)

Besprechung und Abklärung der erforderlichen Grundlagen und Verfahren im Zusammenhang mit einer allenfalls vorgesehenen Abgeltung der Teuerung.

Art. 10 Aufgaben der Leitung der Versammlung Der Leitung der Versammlung kommen insbesondere folgende Aufgaben zu: a)

Sie lädt schriftlich zur Versammlung ein,

b)

sie trifft, allenfalls zusammen mit der Bauherrschaft, die mit der Angebotsstellung notwendigen Vorabklärungen und Bereinigungen,

c)

sie wirkt bei der Beschaffung der wichtigsten Grundlagen für die Kostenberechnung mit. Derartige Unterlagen sollen den anbietenden Firmen an der Versammlung möglichst schriftlich abgegeben werden.

Art. 11 Freie Angebotseingabe Die SBV-Mitglieder sind in der Angebotseingabe frei.

Kapitel 4

Vorgehen bei vermutetem Missbrauch der Nachfragemacht

Art. 12 Erhebung von Rechtsmitteln Besteht der dringende Verdacht, dass eine Bauherrschaft bei Ausschreibungen ihre Nachfragemacht missbraucht, so prüft die zuständige Meldestelle nebst der Intervention bei der Bauherrschaft die Zulässigkeit und die Erfolgsaussichten einer Erhebung von Rechtsmitteln.

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Kapitel 5

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Schlussbestimmungen

Art. 13 In-Kraft-Treten und Übergangsbestimmungen 1

Dieses Reglement tritt am 1. Januar 2003 in Kraft. Es ersetzt dasjenige vom 23. Oktober 1996.

2

Reglemente von Sektionen und Fachverbänden sind nicht anwendbar, soweit sie diesem Reglement widersprechen.

10. Das Risiko von KG-Verstössen, die vom (angepassten) Wettbewerbsreglement ausgehen, ist nunmehr erheblich reduziert und steht in einem sinnvollen Verhältnis zum Nutzen des Wettbewerbsreglements (Unterstützung von Verbandsmitgliedern bei komplexen Ausschreibungsunterlagen). So entfällt namentlich die Pflicht der Meldestelle zu Rückmeldungen an die Mitbewerber. Auch dürfen den SBVMitgliedern keine Sanktionen mehr auferlegt werden, falls jene die Einreichung eines Angebots nicht melden. Schliesslich setzt die konsequente Information der Bauherrschaften über die Existenz des Angebotsmeldesystems diese in die Lage, rechtzeitig (u.a. beschaffungsrechtliche) Rechtsbehelfe bei vermuteten Abreden zu ergreifen. Zudem ist angesichts der verschärften Sanktionen des neuen Kartellgesetzes (Art. 49a Abs. 1 KG) ebenfalls davon auszugehen, dass der SBV das Meldesystem so einsetzt, dass sich daher hieraus keine Wettbewerbsbeschränkungen (Abreden unter Bietern) ergeben.

D.

Schlussfolgerungen

Das Sekretariat der Wettbewerbskommission, gestützt auf den dargelegten bekannten Sachverhalt und die Erwägungen, 1. nimmt Kenntnis von der Aufhebung des Reglements des Schweizerischen Baumeisterverbandes (SBV) vom 23. Oktober 1996 und dem In-Kraft-Treten des revidierten Wettbewerbsreglements vom 21. November 2002 per 1. Januar 2003; 2. stellt fest, dass angesichts der vorgenommenen Änderungen keine Anhaltspunkte mehr für allfällige Wettbewerbsbeschränkungen bestehen; 3.

stellt die Vorabklärung ein und teilt dies dem SBV mit;

4.

publiziert den Schlussbericht in der RPW.

Decision information   •   DEFRITEN
Document : 2003-4-B-1.1.2
Date : 15. September 2003
Published : 31. Dezember 2004
Source : RPW-Entscheide
Status : Unpubliziert
Subject area : Recht und Politik des Wettbewerbs (RPW; Weko)
Subject : Wettbewerbsreglement des Schweizerischen Baumeisterverbandes Unzulässige Wettbewerbsabrede; Art. 5 KG Accord illicite; art....


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KG: 2  3  4  5  26  49a
SBV: 6  11
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