Urteilskopf

2009/12

Auszug aus dem Urteil der Abteilung I i. S. X. gegen Eidgenössische Steuerverwaltung
A-1463/2006 und A-1464/2006 vom 27. Februar 2009


Regeste Deutsch

Mehrwertsteuer. Verjährung. Untergang der Forderung. Rückerstattung bei Bezahlung einer verjährten Schuld.
Art. 40 Abs. 1
SR 641.201 Mehrwertsteuerverordnung vom 27. November 2009 (MWSTV)
MWSTV Art. 40
MWSTV.
Im Privatrecht bewirkt der Eintritt der Verjährung nur den Verlust der prozessualen Durchsetzbarkeit. Die Forderung besteht - mit einer dauernden Einrede behaftet - weiter im Sinn einer sogenannten Naturalobligation. Ein Betrag, der zur Begleichung einer verjährten Förderung bezahlt wurde, kann deswegen nicht zurückgefordert werden (E. 6.3.2.1).
Die Verjährung nach Art. 40
SR 641.201 Mehrwertsteuerverordnung vom 27. November 2009 (MWSTV)
MWSTV Art. 40
MWSTV hingegen lässt die Forderung endgültig untergehen und es verbleibt keine Naturalobligation. Insbesondere kann, wenn eine verjährte Forderung bezahlt wurde, die Rückerstattung verlangt werden (E. 6.3.2.2-6.3.2.3).


Regeste en français

Taxe sur la valeur ajoutée. Prescription. Extinction de la créance. Remboursement du montant versé en paiement d'une dette prescrite.
Art. 40 al. 1 OTVA.
En droit privé, la prescription entraîne seulement l'impossibilité d'obtenir le paiement de la créance par voie de justice. La créance, devenue sujette à exception, subsiste sous la forme d'une obligation naturelle. C'est pourquoi le remboursement d'un montant qui a été payé pour honorer une créance prescrite ne peut pas être exigé (consid. 6.3.2.1).
En revanche, la prescription prévue à l'art. 40 OTVA entraîne l'extinction définitive de la créance; il ne subsiste aucune obligation naturelle. Dans ce contexte, si une dette prescrite a été payée, le remboursement du montant y relatif peut être exigé (consid. 6.3.2.2-6.3.2.3).


Regesto in italiano

Imposta sul valore aggiunto. Prescrizione. Estinzione del credito. Restituzione dell'importo corrisposto in caso di pagamento di un debito prescritto.
Art. 40 cpv. 1 OIVA.
Nel diritto privato, il sopraggiungere della prescrizione comporta unicamente la perdita della possibilità di far valere il proprio credito in giudizio. Il credito, diventato soggetto ad eccezione, sussiste quale obbligazione naturale. Pertanto, la restituzione dell'importo versato per onorare un debito prescritto non può essere pretesa (consid. 6.3.2.1).
La prescrizione ai sensi dell'art. 40 OIVA comporta invece l'estinzione definitiva del credito, senza che sussista alcuna obbligazione naturale. In particolare, nel caso in cui un debito prescritto sia stato pagato, è possibile pretendere la restituzione di quanto corrisposto (consid. 6.3.2.2-6.3.2.3).


Aus den Erwägungen:

6.

6.1 Nach Art. 40 Abs. 1
SR 641.201 Mehrwertsteuerverordnung vom 27. November 2009 (MWSTV)
MWSTV Art. 40
der Verordnung vom 22. Juni 1994 über die Mehrwertsteuer (MWSTV, AS 1994 1464) verjährt die Mehrwertsteuerforderung fünf Jahre nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem sie entstanden ist. Der Lauf der Verjährungsfrist wird durch jede Einforderungshandlung unterbrochen (Art. 40 Abs. 2
SR 641.201 Mehrwertsteuerverordnung vom 27. November 2009 (MWSTV)
MWSTV Art. 40
MWSTV).

6.2 Das Institut der Verjährung basiert im Zivil- wie im öffentlichen Recht auf dem Grundsatz der Rechtssicherheit und des staatlichen Verhaltens nach Treu und Glauben (statt vieler BGE 126 II 49 E. 2a) und bezweckt die Vermeidung von Rechtsunsicherheit und den Schutz des Schuldners vor Ansprüchen aus lange zurückliegender Zeit (BGE 93 I 390 E. 3, BGE 90 II 428 E. 8). Die Verjährung liegt damit - im Privat- wie im öffentlichen Recht - auch im öffentlichen Interesse (ausführlich zum Ganzen: ANDRÉ PIERRE HOLZER, Verjährung und Verwirkung der Leistungsansprüche im Sozialversicherungsrecht, Diss. Freiburg 2005, S. 17 f. mit Hinweisen; MICHAEL BEUSCH, Zweifel/Athanas [Hrsg.], Bd. I/2b, Bundesgesetz über die direkte Bundessteuer, 2. Aufl. 2008 [Kommentar DBG], N. 19 zu Art. 120).

6.3

6.3.1 Im Privatrecht steht dem Schuldner einer verjährten Forderung eine Verjährungseinrede zu, welche er im Prozess ausdrücklich erheben muss; der Richter darf die Verjährung nicht von Amtes wegen berücksichtigen (EUGEN BUCHER, Schweizerisches Obligationenrecht, Allgemeiner Teil, 2. Aufl. Zürich 1988, S. 445 f.; Art. 142
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 142 - Der Richter darf die Verjährung nicht von Amtes wegen berücksichtigen.
des Obligationenrechts vom 30. März 1911 [OR, SR 220]).
Im öffentlichen Recht hingegen ist nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichts (BGer) die Verjährung für Forderungen des Gemeinwesens von Amtes wegen zu beachten, also auch ohne Vorliegen einer Einrede des Privaten (BGE 98 Ib 351 E. 2a, BGE 101 Ib 348, BGE 133 II 366 E. 3.3 mit weiteren Hinweisen). Dies gilt auch - und gerade - für Steuerforderungen (BGE 73 I 129 E. 1; Urteil des BGer 2A.441/2000 vom 25. Juni 2001 E. 5c [betreffend Warenumsatzsteuer]; Urteil des Bundesverwaltungsgerichts A-1402/2006 vom 17. Juli 2007 E. 2.4 [betreffend die Mehrwertsteuer]; Entscheid der Eidgenössischen Steuerrekurskommission [SRK] vom 23. April 2003 veröffentlicht in Verwaltungspraxis der Bundesbehörden VPB 67.123 E. 3d; Bericht der Kommission für Wirtschaft und Abgaben des Nationalrats, Parlamentarische Initiative Bundesgesetz über die Mehrwertsteuer [Dettling], vom 28. August 1996, BBl 1996 V 782; allgemein betreffend Steuerforderungen: ERNST BLUMENSTEIN/PETER LOCHER, System des schweizerischen Steuerrechts, 6. Aufl., Zürich 2002, S. 318). Die Pflicht zur Berücksichtigung der Verjährung von Amtes wegen trifft sowohl die Steuerbehörden als auch den Richter im Rechtsmittelverfahren (vgl. BGE 73 I 125 E. 1).
6.3.2

6.3.2.1 Im Privatrecht zerstört die Verjährung die Forderung nicht materiellrechtlich, sondern gibt dem Schuldner lediglich ein Leistungsverweigerungsrecht, indem ihm im Prozess die Verjährungseinrede zusteht. Der Eintritt der Verjährung bewirkt also nur den Verlust der prozessualen Durchsetzbarkeit. Die Forderung besteht - wenn auch mit einer dauernden Einrede behaftet - weiter im Sinn einer sogenannten Naturalobligation. Diese Rechtslage kommt sodann auch in der Regelung von Art. 63 Abs. 2
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 63 - 1 Wer eine Nichtschuld freiwillig bezahlt, kann das Geleistete nur dann zurückfordern, wenn er nachzuweisen vermag, dass er sich über die Schuldpflicht im Irrtum befunden hat.
1    Wer eine Nichtschuld freiwillig bezahlt, kann das Geleistete nur dann zurückfordern, wenn er nachzuweisen vermag, dass er sich über die Schuldpflicht im Irrtum befunden hat.
2    Ausgeschlossen ist die Rückforderung, wenn die Zahlung für eine verjährte Schuld oder in Erfüllung einer sittlichen Pflicht geleistet wurde.
3    Vorbehalten bleibt die Rückforderung einer bezahlten Nichtschuld nach Schuldbetreibungs- und Konkursrecht.
OR zum Ausdruck, wonach eine verjährte Forderung, die trotzdem gezahlt wurde, nicht zurückgefordert werden kann (BUCHER, a. a. O., S. 445 ff.).

6.3.2.2 Zur Frage, ob diese zivilrechtlichen Grundsätze auch für öffentlich-rechtliche Forderungen gelten, oder ob die Forderung durch Verjährung vielmehr untergeht und keine Naturalobligation übrig bleibt, bestehen divergierende Meinungen (ULRICH HÄFELIN/GEORG MÜLLER/FELIX UHLMANN, Allgemeines Verwaltungsrecht, 5. Aufl., Zürich/Basel/Genf 2006, Rz. 777; BGE 133 II 366 E. 3.3 mit Hinweisen auf die Lehre; die erstgenannte Auffassung vertretend: HOLZER, a. a. O., S. 30 mit Hinweisen, S. 40, 58, 85 f.).
Was Abgabeforderungen anbelangt, geht ein Grossteil der Lehrmeinungen dahin, dass die Verjährung anders als im Privatrecht zum eigentlichen Untergang der Forderung führt und damit auch keine Naturalobligation mehr verbleibt (MICHAEL BEUSCH, Zweifel/Athanas/Bauer-Balmelli [Hrsg.], Bd. II/2, Bundesgesetz über die Verrechnungssteuer, Basel/Genf/München 2004 [Kommentar VStG], N. 2, 5 zu Art. 17 mit Hinweisen; MICHAEL BEUSCH, Zweifel/Athanas/Bauer-Balmelli [Hrsg.], Bd. II/3, Bundesgesetz über die Stempelabgaben, Zürich/Basel/Genf 2006, N. 17, 20 zu Art. 30; BEUSCH, Kommentar DBG, a. a. O., N. 20, 24 zu Art. 120; STEPHANIE EICHENBERGER, Oberson/Hinny [Hrsg.], Kommentar Stempelabgaben, 2006, N. 5 zu Art. 30; DANIEL RIEDO, Die Verjährung der Zollschuld nach dem neuen Zollgesetz, Archiv für Schweizerisches Abgaberecht] 75 S. 452 [zum Zollrecht], mit Verweis auf BGE 124 I 247 E. 5; ANATOL SCHMID, Über die Verjährung von Schulden im Privatrecht und im Steuerrecht, Steuer Revue 1985 S. 434). Gemäss dieser Ansicht kann eine verjährte Steuerforderung anders als im Privatrecht auch nicht freiwillig erfüllt werden und ein Verzicht auf eine Geltendmachung der Verjährung ist nicht denkbar (RIEDO, a. a. O., S. 452; BEUSCH, an allen oben zitierten
Stellen; SCHMID, a. a. O., S. 434). Weiter wird gefolgert, dass mangels Verbleibs einer Naturalobligation die Bezahlung einer verjährten Steuerforderung der Bezahlung einer Nichtschuld gleichkommt, welche zurückzuerstatten ist; Art. 63 Abs. 2
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 63 - 1 Wer eine Nichtschuld freiwillig bezahlt, kann das Geleistete nur dann zurückfordern, wenn er nachzuweisen vermag, dass er sich über die Schuldpflicht im Irrtum befunden hat.
1    Wer eine Nichtschuld freiwillig bezahlt, kann das Geleistete nur dann zurückfordern, wenn er nachzuweisen vermag, dass er sich über die Schuldpflicht im Irrtum befunden hat.
2    Ausgeschlossen ist die Rückforderung, wenn die Zahlung für eine verjährte Schuld oder in Erfüllung einer sittlichen Pflicht geleistet wurde.
3    Vorbehalten bleibt die Rückforderung einer bezahlten Nichtschuld nach Schuldbetreibungs- und Konkursrecht.
OR finde keine sinngemässe Anwendung (BEUSCH, an allen oben zitierten Stellen).
Entsprechendes hat auch die SRK für den Bereich der Verrechnungssteuer entschieden: Die Verjährung bewirke das Erlöschen der Steuerschuld und es bestehe auch keine Naturalobligation mehr. Die Zahlung einer verjährten Steuer sei die Bezahlung einer Nichtschuld (Entscheid der SRK vom 12. Januar 2001 veröffentlicht in: VPB 65.61 E. 3d/aa mit Hinweisen).
Nach anderer Meinung soll wie im Zivilrecht gelten, dass die Verjährung einer Steuerforderung nur deren Durchsetzbarkeit hindert, aber nach wie vor eine Naturalobligation besteht und bei Zahlung der verjährten Forderung keine Rückforderung möglich ist (u. a. LYDIA MASMEJAN-FEY, Yersin/Nöel [Hrsg.], Commentaire romand, Impôt fédéral direct, Basel 2008, N. 2 zu Art. 120; soweit ersichtlich auch NIKLAUS HONAUER/PETER ZOLLINGER, Verjährung und Verjährungsunterbrechung in der MWST, Der Schweizer Treuhänder 2005 S. 730 f.; ebenso für die direkten Steuern und in Bezug auf das Mehrwertsteuergesetz vom 2. September 1999 [MWSTG, SR 641.20], nicht aber für die Verrechnungssteuer und die Stempelabgabe [und vermutlich die MWSTV]: PHILIPPE BÉGUIN/KALOYAN STOYANOV, La créance d'impôt, in: Les procédures en droit fiscal, Ordre romand des experts fiscaux diplômés, 2. Aufl., Bern 2005, S. 873 ff.).

6.3.2.3 Es ist demnach zu prüfen, welche Rechtsfolgen die Verjährung nach Art. 40
SR 641.201 Mehrwertsteuerverordnung vom 27. November 2009 (MWSTV)
MWSTV Art. 40
MWSTV zeitigt.
Wie erläutert gilt für öffentlich-rechtliche Forderungen nach ständiger Rechtsprechung, dass - anders als im Privatrecht - die Behörden die Verjährung von Amtes wegen beachten müssen (E. 6.3.1). Unter Berücksichtigung dieser Rechtsprechung entsteht betreffend die Verjährungsfolgen im Steuerrecht nur dann ein kohärentes Bild, wenn gleichzeitig angenommen wird, dass die Verjährung die Steuerforderung endgültig untergehen lässt (in diesem Sinn auch MARTIN ZWEIFEL, Zweifel/Athanas [Hrsg.], Kommentar zum Schweizerischen Steuerrecht, Bd. I/1, Bundesgesetz über die Harmonisierung der direkten Steuern der Kantone und Gemeinden, 2. Aufl. 2002, N. 13 zu Art. 48 sowie BEUSCH, Kommentar VStG, a. a. O., N. 3 zu Art. 17): Geht die Forderung definitiv unter, folgt daraus, dass kein Verzicht auf die Geltendmachung der Verjährung (etwa durch Nichterheben einer Einrede) möglich ist (E. 6.3.2.2), was wiederum zur logischen Konsequenz hat, dass die Behörde der Verjährung von Amtes wegen Rechnung tragen muss. Würde demgegenüber davon ausgegangen, dass trotz Verjährung eine erfüllbare Naturalobligation verbleibt, wäre es nicht folgerichtig, die Verjährung von Amtes wegen zu beachten, denn dann müsste auch ein Verzicht auf die Einrede der Verjährung
möglich sein.
Entsprechend konsequent ist denn auch die (vom vorstehenden Ergebnis abweichende) Rechtslage im Privatrecht. Die Verjährung bewirkt bloss den Verlust der prozessualen Erzwingbarkeit, indem dem Schuldner im Prozess die Verjährungseinrede zusteht, auf deren Erhebung er aber auch verzichten kann. Entsprechend wird die Verjährung vom Richter auch nicht von Amtes wegen berücksichtigt (Art. 142
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 142 - Der Richter darf die Verjährung nicht von Amtes wegen berücksichtigen.
OR). Folgerichtig ist dabei auch die Regelung von Art. 63 Abs. 2
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 63 - 1 Wer eine Nichtschuld freiwillig bezahlt, kann das Geleistete nur dann zurückfordern, wenn er nachzuweisen vermag, dass er sich über die Schuldpflicht im Irrtum befunden hat.
1    Wer eine Nichtschuld freiwillig bezahlt, kann das Geleistete nur dann zurückfordern, wenn er nachzuweisen vermag, dass er sich über die Schuldpflicht im Irrtum befunden hat.
2    Ausgeschlossen ist die Rückforderung, wenn die Zahlung für eine verjährte Schuld oder in Erfüllung einer sittlichen Pflicht geleistet wurde.
3    Vorbehalten bleibt die Rückforderung einer bezahlten Nichtschuld nach Schuldbetreibungs- und Konkursrecht.
OR, wonach eine verjährte Forderung, die trotzdem gezahlt wurde (was auch eine Form des Verzichts auf die Geltendmachung der Verjährung darstellt), nicht zurückgefordert werden kann (zum Ganzen E. 6.3.2.1). Der zivilrechtliche Grundsatz, dass die Verjährung keinen Untergang der Forderung bewirkt und jener, dass sie mit einer Einrede geltend zu machen ist, ansonsten sie vom Gericht nicht berücksichtigt wird, stehen also in logischem Zusammenhang. Dieselbe Konsequenz ist auch für das öffentliche (Steuer-)Recht zu wahren: Es ist einerseits davon auszugehen, dass die Verjährung den Untergang der Forderung ohne Verbleiben einer erfüllbaren Naturalobligation bewirkt, und andererseits - entsprechend der Rechtsprechung - das Prinzip der Berücksichtigung der Verjährung von Amtes wegen zu
beachten; alles andere ergäbe ein widersprüchliches System.
Das BGer hat im Übrigen seine langjährige Praxis, in öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten der Verjährung von Amtes wegen Rechnung zu tragen, in erster Linie mit der zwingenden Natur des öffentlichen Rechts begründet (BGE 101 Ib 348, BGE 73 I 125 E. 1). Gleich lässt sich zu Gunsten der Annahme argumentieren, dass verjährte Steuerforderungen definitiv untergehen. Auch in der Lehre wird diese Ansicht damit begründet, dass sich der Private der Anwendung des Steuerrechts nicht entziehen könne, soweit er der entsprechenden Steuerhoheit unterworfen ist, weswegen den Gedanken der Rechtssicherheit und des öffentlichen Friedens, auf welchen das Institut der Verjährung beruht (E. 6.2), höheres Gewicht zukomme (BEUSCH, Kommentar VStG, a. a. O., N. 2 zu Art. 17). Ein Abweichen von den Grundsätzen des - von der Privatautonomie beherrschten - Privatrechts beruht damit auch auf sachlichen Gründen.
Für die Verjährung nach Art. 40
SR 641.201 Mehrwertsteuerverordnung vom 27. November 2009 (MWSTV)
MWSTV Art. 40
MWSTV ist nach dem Gesagten - was insbesondere auch der Rechtsprechung der SRK betreffend die Verrechnungssteuer (E. 6.3.2.2) entspricht - zu schliessen, dass sie die Forderung endgültig erlöschen lässt und diese nicht in eine Naturalobligation verwandelt. Insbesondere kann damit, wenn eine verjährte Forderung bezahlt wurde, die Rückerstattung verlangt werden.
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 2009/12
Datum : 27. Februar 2009
Publiziert : 01. Januar 2009
Quelle : Bundesverwaltungsgericht
Status : 2009/12
Sachgebiet : Abteilung I (Infrastruktur, Umwelt, Abgaben, Personal)
Gegenstand : Mehrwertsteuer (1. Quartal 1997 bis 4. Quartal 200...


Gesetzesregister
MWSTV: 40
SR 641.201 Mehrwertsteuerverordnung vom 27. November 2009 (MWSTV)
MWSTV Art. 40
OR: 63 
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 63 - 1 Wer eine Nichtschuld freiwillig bezahlt, kann das Geleistete nur dann zurückfordern, wenn er nachzuweisen vermag, dass er sich über die Schuldpflicht im Irrtum befunden hat.
1    Wer eine Nichtschuld freiwillig bezahlt, kann das Geleistete nur dann zurückfordern, wenn er nachzuweisen vermag, dass er sich über die Schuldpflicht im Irrtum befunden hat.
2    Ausgeschlossen ist die Rückforderung, wenn die Zahlung für eine verjährte Schuld oder in Erfüllung einer sittlichen Pflicht geleistet wurde.
3    Vorbehalten bleibt die Rückforderung einer bezahlten Nichtschuld nach Schuldbetreibungs- und Konkursrecht.
142
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 142 - Der Richter darf die Verjährung nicht von Amtes wegen berücksichtigen.
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101-IB-348 • 124-I-247 • 126-II-49 • 133-II-366 • 73-I-125 • 90-II-428 • 93-I-390 • 98-IB-351
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2A.441/2000
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BVGer
A-1402/2006 • A-1463/2006 • A-1464/2006
AS
AS 1994/1464
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1996/V/782
VPB
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