99 V 183
56. Urteil vom 20. Dezember 1973 i.S. Taffurelli gegen Schweizerische Unfallversicherungsanstalt und Verwaltungsgericht des Kantons Luzern
Regeste (de):
- Art. 104 lit. a OG.
- - Verhältnis zwischen materiellem Sozialversicherungsrecht des Bundes und kantonalem Verfahrensrecht; Umfang der Überprüfungsbefugnis des Eidg. Versicherungsgerichts (Erw. 1 und 2).
- - Eine kantonale Verfahrensbestimmung, wonach der Richter nicht über die Parteibegehren hinausgehen darf, ist im Anwendungsbereich des Art. 121 KUVG nicht bundesrechtswidrig (Erw. 3).
Regeste (fr):
- Art. 104 lit. a OJ.
- - Rapports entre le droit fédéral des assurances sociales et le droit de procédure cantonal; pouvoir d'examen du Tribunal fédéral des assurances (consid. 1 et 2).
- - Une disposition cantonale d'après laquelle le juge est lié par les conclusions des parties n'est pas contraire au droit fédéral au regard de l'art. 121 LAMA (consid. 3).
Regesto (it):
- Art. 104 lit. a OG.
- - Rapporti fra il diritto federale delle assicurazioni sociali e le norme di procedura cantonali; cognizione del Tribunale federale delle assicurazioni (consid. 1 e 2).
- - Un disposto cantonale giusta quale il giudice è vincolato dalle conclusioni delle parti non è contrario al diritto federale nell'ambito dell'art. 121 LAMI (consid. 3).
Sachverhalt ab Seite 183
BGE 99 V 183 S. 183
A.- Am 17. August 1971 zog sich der bei der Schweizerischen Unfallversicherungsanstalt (SUVA) versicherte italienische Staatsangehörige Peppino Taffurelli bei der Arbeit eine Verletzung des rechten Beins zu. Die zurückgebliebenen Folgen führte die SUVA teilweise auf eine Fraktur zurück, welche der Versicherte zwei Jahre vorher in Italien erlitten hatte. Nachdem die SUVA die Behandlungskosten übernommen und Krankengeld ausgerichtet hatte, das seit dem 7. Februar 1972 gemäss Art. 91 KUVG um 50% gekürzt war (rechtskräftige Verfügung vom 9. Mai 1972), sprach sie dem Versicherten am 27. März 1973 verfügungsweise eine Rente wegen 15%iger Invalidität zu, die sie ebenfalls nach Art. 91 um die Hälfte herabsetzte.
B.- Peppino Taffurelli beschwerte sich gegen die Verfügung vom März 1973 beim Verwaltungsgericht des Kantons Luzern. Er machte geltend, der 1969 erlittene rechtsseitige Beinbruch sei im April 1970 vollständig ausgeheilt gewesen, und bemerkte: "Non seulement l'incapacité de travail estimée
BGE 99 V 183 S. 184
à 15% est insuffisante par rapport aux lourds travaux que nécessite ma profession de sondeur, mais la réduction est encore moins acceptable." Hierauf ersuchte die Vorinstanz den Versicherten am 26. Juni 1973, innert 30 Tagen seine Rechtsbegehren zu nennen und einen Kostenvorschuss von Fr. 150.-- zu leisten. Damit verband sie die Androhung, dass bei unbenütztem Fristablauf Verzicht auf die Beschwerde angenommen und diese von der Geschäftskontrolle abgeschrieben werde. Peppino Taffurelli leistete fristgemäss den verlangten Vorschuss, kam aber der Aufforderung zur Bekanntgabe seiner Rechtsbegehren nicht nach. Das kantonale Verwaltungsgericht trat daher auf die Beschwerde nicht ein und überband dem Versicherten die Verfahrenskosten (Präsidialentscheid vom 7. August 1973).
C.- Der Versicherte vertritt in der gegen diesen Entscheid gerichteten Verwaltungsgerichtsbeschwerde die Auffassung, seine vorinstanzliche Beschwerde habe genaue Begehren enthalten: "il réfutait l'application de l'art. 91"; ferner habe er die Überprüfung der Invaliditätsschätzung verlangt. Diese beiden Anträge erneuert er vor dem Eidg. Versicherungsgericht.
Erwägungen
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:
1. Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde richtet sich gegen die Weigerung des Verwaltungsgerichts des Kantons Luzern, auf die Beschwerde in einer Streitigkeit um Leistungen der SUVA einzutreten. Angefochten ist. also ein kantonaler Nichteintretensentscheid im Sinn des Art. 5 Abs. 1 lit. a VwG (Art. 128 in Verbindung mit Art. 97 Abs. 1 OG). Nach der Rechtsprechung ist die Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen die Anwendung kantonalen Rechtes durch den vorinstanzlichen Richter zulässig, wenn dieser damit sozialversicherungsrechtliche Vorschriften des Bundes verletzt hat. Ein Nichteintretensentscheid, der sich auf kantonales Prozessrecht stützt, kann durch Verwaltungsgerichtsbeschwerde angefochten werden, wenn dieser Entscheid irrtümlich die Anwendung materiellen Bundesrechts verunmöglicht (BGE 99 V 55). Das Eidg. Versicherungsgericht kann indessen die Anwendung des kantonalen Verfahrensrechts nicht frei überprüfen. Denn einmal ist es an die vorinstanzliche Sachverhaltsfeststellung gebunden, wenn diese nicht offensichtlich mangelhaft ist
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(Art. 105 Abs. 2 OG). Sodann beschränkt Art. 104 lit. a OG die Überprüfungsbefugnis des Eidg. Versicherungsgerichts auf die Verletzung von Bundesrecht einschliesslich Überschreitung oder Missbrauch des Ermessens, das heisst also sehr oft auf die Verletzung von Art. 4
SR 101 Costituzione federale della Confederazione Svizzera del 18 aprile 1999 Cost. Art. 4 Lingue nazionali - Le lingue nazionali sono il tedesco, il francese, l'italiano e il romancio. |
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2. § 133 Abs. 1 des auch im Bereich des Sozialversicherungsrechts des Bundes anwendbaren luzernischen Gesetzes vom 3. Juli 1972 über die Verwaltungsrechtspflege schreibt vor, dass die Rechtsmittelschrift einen bestimmten Antrag und dessen Begründung enthalten muss. Enthält die Rechtsschrift, insbesondere die Beschwerde, nicht alle notwendigen Angaben, so setzt die Behörde bzw. der Richter dem Beschwerdeführer eine angemessene Frist zur Verbesserung oder Ergänzung; werden die gerügten Mängel nicht behoben, so tritt der Richter auf die Beschwerde nicht ein (§ 135 Abs. 2 und 3 des genannten Gesetzes)... Diese Regeln sind nicht bundesrechtswidrig. Sie entsprechen auf kantonaler Ebene jenen Grundsätzen, die auch im ganzen Bereich der Verwaltungsgerichtsbarkeit des Bundes gelten (vgl. Art. 52 VwG und Art. 108
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3. Sind diese verfahrensrechtlichen Normen somit nicht zu beanstanden, so hat das Eidg. Versicherungsgericht - im Rahmen der ihm zustehenden, in Erwägung 1 umschriebenen Kognitionsbefugnis - zu prüfen, ob sie von der Vorinstanz richtig angewendet worden sind. In seiner Beschwerdeschrift gab Peppino Taffurelli klar zu verstehen, was er vom Versicherungsgericht des Kantons Luzern verlangte: Er wollte, dass die hälftige Rentenkürzung aufgehoben und der Invaliditätsgrad höher als auf 15% festgesetzt werde. Der vorinstanzliche Richter hielt beide Begehren für unklar, wie seinem Schreiben vom 26. Juni 1973 an den Beschwerdeführer entnommen werden muss, differenzierte er doch nicht zwischen der Leistungskürzung einerseits und der Invaliditätsschätzung anderseits. Indessen war der Vorwurf mangelhafter Rechtsbegehren bezüglich der Leistungskürzung unbegründet. Das Verwaltungsgericht hätte mindestens auf diesen Punkt eintreten müssen, zumal sich die Rechtmässigkeit der Kürzung ohne Rücksicht auf den - ebenfalls streitigen -
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Invaliditätsgrad hätte beurteilen lassen. Anders verhält es sich mit der Invaliditätsschätzung. Das kantonale Gesetz über die Verwaltungsrechtspflege verbietet in seinem § 155 dem Verwaltungsgericht, über die Anträge der Parteien hinauszugehen. Das Bundesrecht sieht zwar für die meisten Gebiete des Sozialversicherungsrechts vor, dass der kantonale Richter nicht an die Begehren der Parteien gebunden ist (vgl. Art. 30bis Abs. 3 lit. d
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SR 831.10 Legge federale del 20 dicembre 1946 sull'assicurazione per la vecchiaia e per i superstiti (LAVS) LAVS Art. 85 |
SR 831.20 Legge federale del 19 giugno 1959 sull'assicurazione per l'invalidità (LAI) LAI Art. 69 Rimedi giuridici: disposizioni particolari - 1 In deroga agli articoli 52 e 58 LPGA427: |
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1 | In deroga agli articoli 52 e 58 LPGA427: |
a | le decisioni degli uffici AI cantonali sono impugnabili direttamente dinanzi al tribunale delle assicurazioni del luogo dell'ufficio AI; |
b | le decisioni dell'Ufficio AI per gli assicurati residenti all'estero sono impugnabili direttamente dinanzi al Tribunale amministrativo federale.429 |
1bis | La procedura di ricorso dinanzi al tribunale cantonale delle assicurazioni in caso di controversie relative a prestazioni dell'AI è soggetta a spese.430 L'entità delle spese è determinata fra 200 e 1000 franchi in funzione delle spese di procedura e senza riguardo al valore litigioso.431 |
2 | Il capoverso 1bis e l'articolo 85bis capoverso 3 LAVS432 si applicano per analogia ai procedimenti dinanzi al Tribunale amministrativo federale.433 |
3 | Le decisioni dei tribunali arbitrali cantonali secondo l'articolo 27quinquies possono essere impugnate con ricorso al Tribunale federale conformemente alla legge del 17 giugno 2005434 sul Tribunale federale.435 |
SR 831.30 Legge federale del 6 ottobre 2006 sulle prestazioni complementari all'assicurazione per la vecchiaia, i superstiti e l'invalidità (LPC) LPC Art. 7 Esclusione di restrizioni cantonali - Il diritto alle prestazioni complementari non può essere subordinato a una determinata durata di domicilio o di dimora nel Cantone interessato o al godimento dei diritti civici. |
SR 834.1 Legge federale del 25 settembre 1952 sulle indennità di perdita di guadagno (Legge sulle indennità di perdita di guadagno, LIPG) - Legge sulle indennità di perdita di guadagno LIPG Art. 24 Particolarità concernenti il contenzioso - 1 In deroga all'articolo 58 capoverso 1 LPGA138, i ricorsi contro decisioni delle casse cantonali di compensazione sono giudicati dal tribunale delle assicurazioni del luogo della cassa di compensazione. |
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1 | In deroga all'articolo 58 capoverso 1 LPGA138, i ricorsi contro decisioni delle casse cantonali di compensazione sono giudicati dal tribunale delle assicurazioni del luogo della cassa di compensazione. |
2 | In deroga all'articolo 58 capoverso 2 LPGA, i ricorsi di persone all'estero sono giudicati dal Tribunale amministrativo federale. Il Consiglio federale può prevedere che tale competenza sia attribuita al tribunale delle assicurazioni del Cantone in cui ha domicilio o sede il datore di lavoro dell'assicurato. L'articolo 85bis capoversi 2 e 3 LAVS139 è applicabile per analogia.140 |
4. Wenn nun die Vorinstanz den Versicherten am 26. Juni 1973 unter Androhung des Nichteintretens aufgefordert hätte, sein Rentenbegehren genau zu beziffern, so müsste der angefochtene Entscheid jedenfalls in diesem Punkt geschützt werden, nachdem der Beschwerdeführer die Aufforderung missachtet hat. Aber der kantonale Richter beschränkte sich darauf, vom Beschwerdeführer einfach die Einreichung der Rechtsbegehren ("Ihre Rechtsbegehren") zu verlangen, ohne die Art der verlangten Ergänzung zu präzisieren. Um den Sinn dieser richterlichen Anordnung zu verstehen, hätte der Versicherte notwendigerweise die kantonalen Verfahrensvorschriften kennen, ja sogar ihre rechtliche Tragweite erkennen müssen. Indessen geht es nicht an, einen in prozessualen Fragen unerfahrenen und zudem der Gerichtssprache nicht mächtigen Versicherten die Folgen tragen zu lassen, die sich daraus ergeben, dass er die Bedeutung der Verfahrensvorschriften eines Kantons nicht kennt, zu dem er überdies nie je die geringste Beziehung gehabt hat. Obschon niemand aus der
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eigenen Unkenntnis des Gesetzes Rechte abzuleiten vermag, käme eine solche Lösung doch einem Formalismus gleich, welcher mit dem Rechtsschutzgedanken des Art. 4
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Demzufolge ist die Sache in Aufhebung des angefochtenen Entscheides an das kantonale Verwaltungsgericht zurückzuweisen. Dieses wird sich materiell mit der Beschwerde zu befassen haben, allenfalls unter der Bedingung, dass der Versicherte einer neuen, genaueren richterlichen Aufforderung, sein Rechtsbegehren betreffend Invaliditätsgrad zu ergänzen, ordnungsgemäss nachkommt.
Dispositiv
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht: Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird gutgeheissen, der Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Luzern vom 7. August 1973 aufgehoben und die Sache an die Vorinstanz zurückgewiesen, damit diese im Sinn der Erwägungen das kantonale Verfahren fortsetze.