99 Ib 225
27. Urteil vom 16. Februar 1973 i.S. Schweiz. Eidgenossenschaft gegen Stadt Zürich
Regeste (de):
- Garantiegesetz (GarG)
- 1. Unter kantonalen Abgaben im Sinne von Art. 116 lit. f
OG sind auch von Gemeinden erhobene Abgaben zu verstehen (Erw. 1 a).
- 2. Routinemässige Zahlung einer Abgabe lässt sich nicht ohne weiteres als Anerkennung der Abgabepflicht deuten (Erw. 2).
- 3. Das in Art. 10
GarG enthaltene Verbot bezieht sich auch auf Abgaben an Gemeinden (Erw. 3 a).
- 4. In der Regel ist eine indirekte Steuer im Sinne von Art. 10
GarG anzunehmen, wo für die einmalige, nicht periodische Besteuerung schematisch an einen bestimmten Vorgang angeknüpft wird, der nicht ein Mass der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit bildet (Erw. 4).
Regeste (fr):
- LFsur les garanties politiques et depolice en faveur de la Confédération (LGar.)
- 1. Par contributions cantonales au sens de l'art. 116 lettre f OJ il faut entendre également les contributions prélevées par les communes (consid. 1 a).
- 2. Le paiement d'une contribution effectué par routine ne doit pas forcément être interprété comme une reconnaissance de l'obligation de payer (consid. 2).
- 3. L'exonération prévue par l'art. 10 LGar. s'applique aussi aux impôts communaux (consid. 3 a).
- 4. Il faut en général considérer comme un impôt indirect au sens de l'art. 10 LGar. la contribution unique, et non périodique, liée schématiquement à une opération déterminée qui ne constitue pas la mesure de la capacité économique du contribuable (consid. 4).
Regesto (it):
- LF sulle garanzie politiche e di polizia in favore della Confederazione (LGar)
- 1. Per contribuzioni cantonali ai sensi dell'art. 116 lett. f
OG debboon intendersi anche le contribuzioni prelevate dai comuni (consid. 1 a).
- 2. Il pagamento di una contribuzione effettuata con automatismo amministrativo non deve essere necessariamente interpretato come un riconoscimento dell'obbligo contributivo (consid. 2).
- 3. L'esenzione prevista dall'art. 10 LGar si applica anche alle imposte comunali (consid. 3 a).
- 4. In generale deve essere considerata come imposta indiretta ai sensi dell'art. 10 LGar la contribuzione unica, non periodica, riferitaschematicamente ad una determinata operazione che non costituisce un indice della capacità economica del contribuente (consid. 4).
Sachverhalt ab Seite 226
BGE 99 Ib 225 S. 226
Sachverhalt:
A.- Die Eidgenossenschaft erstellt in Zürich im Bereich öffentlicher Strassen unter Flur einen begehbaren I-eitungskanal für das Leitungsnetz der ETHZ. Durch diesen Kanal werden namentlich Fernheizungs- und Kanalisationsrohre, Elektrizitäts-, Pressluft- und Spezialwasserleitungen sowie Leitungen des internen Telefonnetzes der ETHZ und des neuen Rechenzentrums geführt. Abgesehen davon, dass zur Zeit noch einige nicht zur ETHZ gehörende Gebäude an die Fernheizung angeschlossen sind, dienen die erwähnten Installationen ausschliesslich der ETHZ.
B.- Auf Gesuche der Direktion der eidg. Bauten, Bauinspektion V, hat die Bausektion I des Stadtrates Zürich die Benützung des Strassengebietes bewilligt und für die unterirdische Beanspruchung öffentlichen Grundes die folgenden "einmaligen Konzessionsgebühren" festgelegt: a) für den Bau des Kanals in der Clausiusstrasse (1304 m2 Grundfläche) Fr. 130 000.-- (Beschluss vom 23. Januar 1968); b) für den Bau des Kanals in der Universitäts-, Schmelzberg- und Sternwartstrasse (736 m2 Grundfläche zu Fr. 100/m2 und 44 m Erdanker zu Fr. 15/m) Fr. 74 260.-- (Beschluss vom 26. März 1971). Den für den Bau des Kanals in der Clausiusstrasse geforderten Betrag von Fr. 130 000.-- hat die Eidgenossenschaft am 20. Mai 1968 vorbehaltlos bezahlt.
C.- Am 25. Juni 1971 erhob die Eidgenossenschaft beim Bundesgericht gestützt auf Art. 10
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BGE 99 Ib 225 S. 227
offenbar nach Ansicht der Klägerin ebenfalls gegen Bundesrecht verstossen. In seiner Antwort stellt der Stadtrat von Zürich folgendes Rechtsbegehren: "Die Klage um Aufhebung der von der Stadt Zürich für den unter Flur der Clausiusstrasse für den Betrieb der ETH erstellten Kanal veranlagten Konzessionsgebühren von Fr. 214 260.-- sei abzuweisen, und es sei festzustellen, dass die weiteren in der Klage erwähnten Forderungen, nämlich Fr. 74 260.-- für Kanäle in der Universität-, Schmelzberg- und Sternwartstrasse, Fr. 1600.-- für je einen Kanal in der Glaubtenstrasse und der Lerchenhalde, Fr. 7790.-- für Erdanker in der Clausiusstrasse und im Haldeneggsteig, Fr. 25 800.-- für eine Parkgarage an der Leonhardstrasse/Rämistrasse und Fr. 14 472.-- für vier gefällte Platanen an der Universitätstrasse, nicht gegen das Verwaltungsrecht des Bundes verstossen." Er erklärt sich damit einverstanden, dass alle von der Klägerin erwähnten Forderungen insofern in dieses Verfahren einbezogen werden, als es um ihre Zulässigkeit unter dem Aspekt von Art. 10
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E.- In der Replik hält die Eidgenossenschaft an ihrem Klagebegehren fest und stellt eventualiter die Verhältnismässigkeit der geforderten Beträge in Abrede.
F.- Die Stadt Zürich wiederholt in der Duplik ihr Begehren, alle von der Klägerin angeführten Forderungen unter dem Gesichtspunkt entgegenstehenden Bundesverwaltungsrechts zu prüfen. Sie anerkennt ausdrücklich die Verrechenbarkeit eines allfälligen Rückforderungsanspruchs der Klägerin mit Gebührenforderungen der Stadt Zürich.
G.- Am 17. Januar 1973 fand in Bern die Vorbereitungsverhandlung im Sinne von Art. 35
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SR 273 Bundesgesetz vom 4. Dezember 1947 über den Bundeszivilprozess BZP Art. 35 - 1 In mündlicher Vorbereitungsverhandlung erörtert der Instruktionsrichter mit den Parteien den Streitfall und veranlasst sie nötigenfalls ihre Ausführungen zu verdeutlichen, zu berichtigen, zu vereinfachen oder zu ergänzen. Die Parteien sind dazu in der Regel persönlich vorzuladen. |
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1 | In mündlicher Vorbereitungsverhandlung erörtert der Instruktionsrichter mit den Parteien den Streitfall und veranlasst sie nötigenfalls ihre Ausführungen zu verdeutlichen, zu berichtigen, zu vereinfachen oder zu ergänzen. Die Parteien sind dazu in der Regel persönlich vorzuladen. |
2 | Der Instruktionsrichter führt darauf das Beweisverfahren durch. |
3 | Die Beweisführung wird auf die Hauptverhandlung verschoben, wenn die unmittelbare Wahrnehmung durch das Gericht aus besondern Gründen geboten ist. |
4 | Im Einverständnis mit den Parteien kann die mündliche Vorbereitungsverhandlung unterbleiben. |
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BGE 99 Ib 225 S. 228
c) "Konzessionsgebühr" für die unterirdische Beanspruchung öffentlichen Bodens durch eine Parkgarage der ETH (Leonhardstrasse/Rämistrasse): Fr. 25 800.--
Erwägungen
Erwägungen:
1. a) Die Klägerin verlangt gestützt auf Art. 10
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b) Die Forderung von Fr. 25 800.-- für die unterirdische Beanspruchung öffentlichen Bodens durch eine Parkgarage der ETHZ ist im ursprünglichen Klagebegehren nicht erwähnt. Beide Parteien haben im Laufe des Verfahrens jedoch beantragt, auch die Zulässigkeit dieser Forderung unter dem Aspekt von Art. 10
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SR 273 Bundesgesetz vom 4. Dezember 1947 über den Bundeszivilprozess BZP Art. 35 - 1 In mündlicher Vorbereitungsverhandlung erörtert der Instruktionsrichter mit den Parteien den Streitfall und veranlasst sie nötigenfalls ihre Ausführungen zu verdeutlichen, zu berichtigen, zu vereinfachen oder zu ergänzen. Die Parteien sind dazu in der Regel persönlich vorzuladen. |
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1 | In mündlicher Vorbereitungsverhandlung erörtert der Instruktionsrichter mit den Parteien den Streitfall und veranlasst sie nötigenfalls ihre Ausführungen zu verdeutlichen, zu berichtigen, zu vereinfachen oder zu ergänzen. Die Parteien sind dazu in der Regel persönlich vorzuladen. |
2 | Der Instruktionsrichter führt darauf das Beweisverfahren durch. |
3 | Die Beweisführung wird auf die Hauptverhandlung verschoben, wenn die unmittelbare Wahrnehmung durch das Gericht aus besondern Gründen geboten ist. |
4 | Im Einverständnis mit den Parteien kann die mündliche Vorbereitungsverhandlung unterbleiben. |
2. Die Beklagte macht geltend, in bezug auf die 1968 bezahlte Konzessionsgebühr von Fr. 130 000. - sei die Klage verwirkt. Sie beruft sich dabei auf PAUL STADLIN, der auf Seite 250 seiner Dissertation "Die Befreiung des Bundes von der kantonalen Steuerhoheit" geschrieben hat, es liege nahe, dass übermässiges Zuwarten mit der Einleitung der Klage und insbesondere eine freiwillige Steuerzahlung von der Gegenpartei "nicht mit Unrecht" als Anerkennung ihrer Auffassung gedeutet würden; das Bundesgericht solle nicht mehr angerufen werden können, wenn der eingeklagte Sachverhalt schon Jahre zurückliege. Dieser Passus bezieht sich aber offensichtlich auf den Fall eines den Beteiligten bekannten Streites über die Steuerbefreiung, und nicht auf eine Zahlung, die geleistet wird, bevor die Problematik der Forderung erkannt wird. In der vorliegenden Streitsache kann von einer Verwirkung
BGE 99 Ib 225 S. 229
der verwaltungsrechtlichen Klage - auch in bezug auf den bezahlten Betrag von Fr. 130 000.-- - nicht die Rede sein. Ein solcher im Gesetz nicht vorgesehener Verlust der Klagemöglichkeit könnte höchstens in Fällen trölerhaften Verhaltens angenommen werden. Eine die Klage ausschliessende Anerkennung durch Zahlung setzt voraus, dass die Meinungsverschiedenheit über die Zulässigkeit der Besteuerung bereits zuvor festgestellt worden ist; routinemässige Zahlung lässt sich nicht als Anerkennung der Abgabepflicht deuten. Es ist daher auf die verwaltungsrechtliche Klage auch einzutreten, soweit sie sich auf die bezahlte Konzessionsgebühr von Fr. 130 000.-- bezieht. - Die Frage einer allfälligen Verjährung des Rückforderungsanspruchs kann offen bleiben, sofern sich die Berufung auf Art. 10
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3. Art. 10
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BGE 99 Ib 225 S. 230
ist in diesem Verfahren nicht zu prüfen, ob die Forderungen der Stadt Zürich wegen Fehlens einer genügenden gesetzlichen Grundlage beanstandet werden könnten und ob die Festsetzung dieser Ansprüche prozessual und materiell jeder Kritik stand hält. Falls und soweit die streitigen "Konzessionsgebühren" nicht gegen Art. 10
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4. a) Steuern sind Geldleistungen, "die der Staat oder ein von ihm ermächtigtes Gemeinwesen kraft seiner Gebietshoheit von den dieser unterworfenen Individuen erhebt zur Deckung seines Finanzbedarfs" (E. BLUMENSTEIN, System des Steuerrechts 3. A., S.3). Während die sogenannten Kausalabgaben (wie Vorzugslasten, Gebühren usw.) auf einer spezifischen Beziehung zum Gemeinwesen beruhen (besonderer Vorteil, besondere Leistung) und in dieser Beziehung ihren Verpflichtungsgrund und ihre Begrenzung finden, werden die Steuern voraussetzungslos geschuldet als Beitrag einer der Gebietshoheit unterworfenen Person an die Aufwendungen des Gemeinwesens. Die Stadt Zürich verlangt die streitigen Beträge nicht als voraussetzungslose Abgabe, sondern als Entgelt für die unterirdische Beanspruchung des Strassenareals durch Leitungskanäle und Erdanker sowie durch eine Parkgarage. - Nach der von der Klägerin vertretenen Auffassung haben diese Forderungen jedoch zumindest teilweise Steuercharakter, weil ihnen der von der Beklagten behauptete Rechtsgrund entweder ganz fehle oder höchstens eine wesentlich geringere Vergütung zu rechtfertigen vermöge. Die Frage, in welchem räumlichen Bereich ein Strasseneigentümer für die unterirdische Beanspruchung seines Bodens gestützt auf das Herrschaftsrecht des Eigentümers (Art. 667
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SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 667 - 1 Das Eigentum an Grund und Boden erstreckt sich nach oben und unten auf den Luftraum und das Erdreich, soweit für die Ausübung des Eigentums ein Interesse besteht. |
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1 | Das Eigentum an Grund und Boden erstreckt sich nach oben und unten auf den Luftraum und das Erdreich, soweit für die Ausübung des Eigentums ein Interesse besteht. |
2 | Es umfasst unter Vorbehalt der gesetzlichen Schranken alle Bauten und Pflanzen sowie die Quellen. |
BGE 99 Ib 225 S. 231
GarG zu qualifizieren ist. Daher erscheint es zweckmässig, vorweg zu prüfen, ob eine solche, als Entgelt für die Sondernutzung nicht gerechtfertigte, aber im Zusammenhang mit der Einräumung eines Sondernutzungsrechts am Untergrund der Strasse erhobene Abgabe als direkte Steuer im Sinne von Art. 10
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BGE 99 Ib 225 S. 232
III 251/252). Im Anschluss an diese Ausführungen hat das Bundesgericht in BGE 40 I 407 in Bestätigung einer langjährigen Praxis die Erbschaftssteuer als direkte Steuer im Sinne von Art. 7 des alten Garantiegesetzes bezeichnet, da bei dieser Steuer nicht der verkehrsrechtliche Vorgang selbst, sondern seine vermögensrechtlichen Folgen Grundlage der Besteuerung bildeten. Zur Bestimmung des Begriffes der direkten Steuer im Sinne von Art. 10
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