99 Ia 232
27. Auszug aus dem Urteil vom 11. Juli 1973 i.S. X. gegen die Kantone Aargau und Bern.
Regeste (de):
- Art. 46 Abs. 2 BV, Doppelbesteuerung; Versicherungsleistungen.
- Das Kapital, das von einem Arbeitgeber oder einer Personalfürsorgestiftung beim Tod des versicherten Arbeitnehmers an dessen Hinterbliebene ausgerichtet wird, unterliegt im interkantonalen Verhältnis der Einkommens- und nicht der Erbschaftssteuer.
Regeste (fr):
- Art. 46 al. 2 Cst., double imposition; prestations d'assurance.
- Le capital versé, lors du décès d'un employé assuré, par l'employeur ou un fonds de prévoyance du personnel aux survivants de cet employé relève, dans les relations intercantonales, de l'impôt sur le revenu et non de l'impôt sur les successions.
Regesto (it):
- Art. 46 cpv. 2 CF, doppia imposizione; prestazioni assicurative.
- Il capitale versato, in occasione del decesso di un lavoratore assicurato, dal datore di lavoro o da un fondo di previdenza del personale ai suoi superstiti, soggiace, nel quadro intercantonale, all'imposta sul reddito e non a quella sulle successioni.
Sachverhalt ab Seite 232
BGE 99 Ia 232 S. 232
A.- Am 28. Februar 1971 kam das Ehepaar Y. bei einem Lawinenunglück ums Leben. Die Ehegatten hatten ihren Wohnsitz in Rheinfelden. Erbin des Ehemannes war seine in Bern wohnhafte Mutter, Frau X. Erben der Ehefrau waren ihre inzwischen verstorbene, ebenfalls in Bern wohnhafte Mutter und drei im Kanton Bern wohnhafte Geschwister. Y. war vor seinem Tod in der Z. AG in Rheinfelden tätig. Auf Grund einer bei einer Versicherungsgesellschaft abgeschlossenen Zusatzversicherung der Stiftung für die Angestellten der Unternehmung wurde den Erben nach dem Tod ein Betrag
BGE 99 Ia 232 S. 233
von Fr. 41 045.-- ausbezahlt. Zudem richtete die Personalfürsorgestiftung einen Betrag von Fr. 500.-- aus. Die Arbeitgeberfirma hatte ferner bei einer Versicherungsgesellschaft einen Kollektiv-Unfallversicherungsvertrag für leitende Angestellte abgeschlossen. Aus dieser Versicherung wurde den Erben eine Summe von Fr. 300 000.-- ausgerichtet, so dass ihnen aus den von der Arbeitgeberfirma abgeschlossenen Versicherungen insgesamt Fr. 341 545.-- zuflossen. Die Hinterbliebenen der Eheleute Y. verständigten sich dahin, dass diese Summe je zur Hälfte auf die beiden Familien zu verteilen sei.
B.- Das Steueramt des Kantons Aargau verfügte am 21. Februar 1973, dass Frau X. Erbschaftssteuern im Betrag von Fr. 43 916.75 zu entrichten habe. In der Aufstellung des der Erbschaftssteuer unterliegenden Vermögens war die ausbezahlte Versicherungssumme ohne Begünstigung in der Höhe von Fr. 441 383.45 enthalten. Dieser Betrag enthielt seinerseits die Leistungen, die auf Grund der von der Arbeitgeberfirma abgeschlossenen Kollektiv-Versicherungsverträge erbracht worden waren (Fr. 341 545.--). Mit Schreiben vom 8. März 1973 machte die Steuerverwaltung des Kantons Bern den Anspruch auf Besteuerung als Einkommen (Kapitalabfindung) der von der Arbeitgeberin oder deren Fürsorgeeinrichtung ausgerichteten Leistungen geltend. Sie führte aus, es handle sich dabei um Beträge, die aus Versicherungsstammrechten der Arbeitgeberin oder deren Fürsorgeeinrichtung herrührten, weshalb sie nicht aus dem Vermögen der Verstorbenen, sondern direkt, d.h. von der Arbeitgeberin bzw. der Fürsorgeeinrichtung den Hinterlassenen zugeflossen seien, zumal Herr Y. nur versicherte Person und nicht Versicherungsnehmer gewesen sei. Nach bernischem Recht seien solche Leistungen als Kapitalabfindungen und nicht als Schenkungen zu besteuern (Art. 27 Abs. 3
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 27 Wirtschaftsfreiheit - 1 Die Wirtschaftsfreiheit ist gewährleistet. |
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1 | Die Wirtschaftsfreiheit ist gewährleistet. |
2 | Sie umfasst insbesondere die freie Wahl des Berufes sowie den freien Zugang zu einer privatwirtschaftlichen Erwerbstätigkeit und deren freie Ausübung. |
C.- Frau X. hat gestützt auf Art. 46 Abs. 2
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 46 Umsetzung des Bundesrechts - 1 Die Kantone setzen das Bundesrecht nach Massgabe von Verfassung und Gesetz um. |
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1 | Die Kantone setzen das Bundesrecht nach Massgabe von Verfassung und Gesetz um. |
2 | Bund und Kantone können miteinander vereinbaren, dass die Kantone bei der Umsetzung von Bundesrecht bestimmte Ziele erreichen und zu diesem Zweck Programme ausführen, die der Bund finanziell unterstützt.10 |
3 | Der Bund belässt den Kantonen möglichst grosse Gestaltungsfreiheit und trägt den kantonalen Besonderheiten Rechnung.11 |
BGE 99 Ia 232 S. 234
(mit Einschluss der Gemeinde Rheinfelden) für die Kapitalabfindungen aus Versicherung im Betrage von Fr. 341 545.-- sei durch das Bundesgericht festzulegen."
D.- Die Steuerverwaltungen der Kantone Aargau und Bern beantragen Abweisung der Beschwerde, soweit sie sich gegen ihre eigene Verfügung richtet.
Erwägungen
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
2. Nach der Rechtsprechung liegt eine gegen Art. 46 Abs. 2
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 46 Umsetzung des Bundesrechts - 1 Die Kantone setzen das Bundesrecht nach Massgabe von Verfassung und Gesetz um. |
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1 | Die Kantone setzen das Bundesrecht nach Massgabe von Verfassung und Gesetz um. |
2 | Bund und Kantone können miteinander vereinbaren, dass die Kantone bei der Umsetzung von Bundesrecht bestimmte Ziele erreichen und zu diesem Zweck Programme ausführen, die der Bund finanziell unterstützt.10 |
3 | Der Bund belässt den Kantonen möglichst grosse Gestaltungsfreiheit und trägt den kantonalen Besonderheiten Rechnung.11 |
SR 641.10 Bundesgesetz vom 27. Juni 1973 über die Stempelabgaben (StG) StG Art. 27 - 1 Für die Festsetzung der Abgaben ist der wirkliche Inhalt der Urkunden oder Rechtsvorgänge massgebend; von den Beteiligten gebrauchte unrichtige Bezeichnungen und Ausdrucksweisen fallen nicht in Betracht. |
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1 | Für die Festsetzung der Abgaben ist der wirkliche Inhalt der Urkunden oder Rechtsvorgänge massgebend; von den Beteiligten gebrauchte unrichtige Bezeichnungen und Ausdrucksweisen fallen nicht in Betracht. |
2 | Kann der für die Abgabepflicht oder für die Abgabebemessung massgebende Sachverhalt nicht eindeutig abgeklärt werden, so ist er durch Abwägung aller auf Grund pflichtgemässer Ermittlung festgestellten Umstände zu erschliessen. |
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 46 Umsetzung des Bundesrechts - 1 Die Kantone setzen das Bundesrecht nach Massgabe von Verfassung und Gesetz um. |
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1 | Die Kantone setzen das Bundesrecht nach Massgabe von Verfassung und Gesetz um. |
2 | Bund und Kantone können miteinander vereinbaren, dass die Kantone bei der Umsetzung von Bundesrecht bestimmte Ziele erreichen und zu diesem Zweck Programme ausführen, die der Bund finanziell unterstützt.10 |
3 | Der Bund belässt den Kantonen möglichst grosse Gestaltungsfreiheit und trägt den kantonalen Besonderheiten Rechnung.11 |
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 46 Umsetzung des Bundesrechts - 1 Die Kantone setzen das Bundesrecht nach Massgabe von Verfassung und Gesetz um. |
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1 | Die Kantone setzen das Bundesrecht nach Massgabe von Verfassung und Gesetz um. |
2 | Bund und Kantone können miteinander vereinbaren, dass die Kantone bei der Umsetzung von Bundesrecht bestimmte Ziele erreichen und zu diesem Zweck Programme ausführen, die der Bund finanziell unterstützt.10 |
3 | Der Bund belässt den Kantonen möglichst grosse Gestaltungsfreiheit und trägt den kantonalen Besonderheiten Rechnung.11 |
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3. Es stellt sich deshalb die Frage, ob im Sinne einer kollisionsrechtlichen Anordnung dem Kanton Aargau der Anspruch auf Erhebung der Erbschaftssteuer oder dem Kanton Bern der Anspruch auf Bezug der Einkommenssteuer einzuräumen ist. In der Rechtslehre wird überwiegend die Ansicht vertreten, Leistungen aus dem privaten und öffentlichrechtlichen Dienstverhältnis, namentlich Alterskapitalien und Todesfallentschädigungen, seien als verdient zu betrachten und aus diesem Grund als Ersatzeinkommen oder fortgesetztes Diensteinkommen wie Erwerbseinkommen zu besteuern, ebenso Leistungen aus Personalfürsorge und Personalversicherung (SOMMER, ZBl 59, 1958, 179/80; KÄNZIG, Kommentar zum WStB, N. 41 zu Art. 21 Abs. 1 lit. a; MASSHARDT, Kommentar zum WStB N. 20 zu Art. 21 Abs. 1 lit. a, N. 99 zu Art. 21 Abs. 3; SIEVEKING, La nature et l'objet de l'impôt sur les successions en Suisse, thèse Lausanne 1970, S. 16/17). Es ist in der Tat eher ungewöhnlich, die genannten Leistungen mit einer Erbschafts- und Schenkungssteuer zu erfassen. Wie das Bundesgericht in Anwendung des Art. 21 Abs. 1
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 46 Umsetzung des Bundesrechts - 1 Die Kantone setzen das Bundesrecht nach Massgabe von Verfassung und Gesetz um. |
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1 | Die Kantone setzen das Bundesrecht nach Massgabe von Verfassung und Gesetz um. |
2 | Bund und Kantone können miteinander vereinbaren, dass die Kantone bei der Umsetzung von Bundesrecht bestimmte Ziele erreichen und zu diesem Zweck Programme ausführen, die der Bund finanziell unterstützt.10 |
3 | Der Bund belässt den Kantonen möglichst grosse Gestaltungsfreiheit und trägt den kantonalen Besonderheiten Rechnung.11 |
BGE 99 Ia 232 S. 236
somit eine einheitliche Besteuerung, wenn die fraglichen Leistungen sowohl nach eidgenössischem wie nach kantonalem Recht der Einkommenssteuer unterliegen. Die Kantone sind zwar grundsätzlich frei, die genannten Leistungen entweder mit der Erbschafts- oder mit der Einkommenssteuer zu erfassen. Muss indessen im Rahmen eines interkantonalen Steuerkonflikts abgeklärt werden, welches System den Vorzug verdient, so ist nach dem Gesagten zugunsten desjenigen Kantons zu entscheiden, der die Leistungen mit der Einkommenssteuer erfasst. Die Beschwerde ist demnach gutzuheissen, soweit sie sich gegen den Kanton Aargau richtet.
Dispositiv
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Beschwerde wird gegenüber dem Kanton Aargau gutgeheissen und die Veranlagungsverfügung des Steueramts des Kantons Aargau vom 21. Februar 1973 insoweit aufgehoben, als damit von den auf Grund des Anstellungsverhältnisses ausbezahlten Versicherungsleistungen im Betrag von Fr. 341 545.-- die Erbschaftssteuer erhoben wurde.