98 V 81
21. Auszug aus dem Urteil vom 20. Juni 1972 i.S. Z. gegen Schweizerische Krankenkasse Artisana und Versicherungsgericht des Kantons Uri
Regeste (de):
- Art. 3 Abs. 3
. 6bis, 12bis Abs. 3
und 4 KUVG.
- Bezugsdauer und Berechnungsperiode von Krankengeld, das wegen Teilarbeitsunfähigkeit gekürzt wurde. Übersicht über die Rechtsprechung betreffend Teilkrankengeld.
Regeste (fr):
- Art. 3 al. 3. 6bis, 12bis al. 3 et 4 LAMA.
- Durée des prestations (période d'indemnisation) et période de calcul en cas de versement d'une indemnité journalière correspondant à un taux d'incapacité de travail partielle. Aperçu de la jurisprudence en matière d'indemnisation réduite.
Regesto (it):
- Art. 3 cpv. 3. 6bis, 12bis cpv. 3 e 4 LAMI.
- Durata delle prestazioni e periodo di computo in caso d'indennità giornaliera per parziale incapacità al lavoro. Sunto della prassi in materia di indennità ridotte.
Sachverhalt ab Seite 81
BGE 98 V 81 S. 81
A.- Der 1912 geborene Z. ist am 1. September 1967 von der Kollektivversicherung der Schweizerischen Krankenkasse Artisana in die Einzelversicherung übergetreten, bei der er seither u.a. für ein Taggeld von Fr. 20.- versichert ist. Er leidet an einem tuberkulösen Prozess im linken Vorderarm, an Hypertonie, Arteriosklerose, chronischem Aethylismus, leichtem Altersdiabetes, an einem Emphysem mit deutlicher Dyspnoe und wahrscheinlich an Koronarsklerose. Zufolge eines tuberkulösen Rezidivs im linken Arm wurde der Versicherte im Dezember 1966 arbeitsunfähig. Die Artisana richtete ihm das versicherte Taggeld bis zum 31. Oktober 1970 aus. Verfügungsweise setzte die Krankenkasse am 5. November 1970 das Taggeld mit Wirkung ab 1. November 1970 auf Fr. 8.- herab. Sie stützte sich dabei auf das medizinische Gutachten des Dr. L., welcher die Auffassung vertrat, die volle Arbeitsunfähigkeit des Versicherten sei zu 40% durch die Tuberkulose bedingt. Da das Krankengeld für die Arbeitsunfähigkeit infolge nichttuberkulöser Leiden auf 720 Tage beschränkt sei. könne es nur noch für die tuberkulosebedingte Arbeitsunfähigkeit, d.h. im Umfang von 40% ausgerichtet werden.
BGE 98 V 81 S. 82
B.- Die vom Versicherten gegen diese Verfügung erhobene Beschwerde ist vom kantonalen Versicherungsgericht am 10. März 1971 abgewiesen worden. Die Kasse sei befugt gewesen, das bisher für die Tuberkuloseerkrankung gewährte Taggeld um 60% herabzusetzen.
C.- Z. lässt gegen diesen Entscheid Verwaltungsgerichtsbeschwerde erheben, dem Sinne nach mit dem Antrag, die Verfügung vom 5. November 1970 sei als ungültig aufzuheben; eventuell seien der kantonale Entscheid aufzuheben und die Sache zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen... Die Krankenkasse Artisana trägt auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde an. Das Bundesamt für Sozialversicherung erachtet eine nähere Abklärung darüber als notwendig, ob bei Beginn der Herabsetzung des Krankengeldes um 60% (1. November 1970) die Leistungsdauer von 720 innerhalb 900 aufeinanderfolgenden Tagen für nicht tuberkulosebedingte Arbeitsunfähigkeit erschöpft gewesen sei. Das Bundesamt für Sozialversicherung beantragt daher die Rückweisung der Sache an die Krankenkasse, damit diese nach erfolgter Abklärung neu verfüge.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
2. a) Wer bei einer Krankenkasse für Krankengeld versichert ist, hat nach Art. 12bis Abs. 1
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BGE 98 V 81 S. 83
dürfen die Leistungen bei Tuberkuloseerkrankung nicht auf die Bezugsdauer nach Art. 12bis Abs. 3
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3. a) Mit der streitigen Verfügung, bestätigt durch den angefochtenen kantonalen Entscheid, hat die Artisana die Aufteilung des Krankengeldes von Fr. 20.- entsprechend den die Arbeitsunfähigkeit verursachenden Krankheiten vorgenommen. Demgemäss verfügte sie, dass das Krankengeld für die durch die Tuberkulose verursachte Arbeitsunfähigkeit vom 1. November 1970 hinweg im Umfang von 40%, somit in der Höhe von Fr. 8.- ausgerichtet werde. Dieses Vorgehen der Krankenkasse ist nicht zu beanstanden.
Hingegen fragt es sich, ob die Artisana mit Recht annehmen durfte, der Krankengeldanspruch des Beschwerdeführers für die nicht tuberkulosebedingte Arbeitsunfähigkeit sei am 31. Oktober 1970 erschöpft gewesen. b) In seinem Urteil vom 28. März 1972 i.S. Menoud (BGE 98 V 75) hatte sich das Eidg. Versicherungsgericht mit der Frage zu befassen, während welchen Zeitraumes ein gemäss Art. 12bis Abs. 4
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BGE 98 V 81 S. 84
gekürztes Krankengeld während doppelt so langer Zeit wie das volle Taggeld, nämlich während 1440 Tagen, auszuzahlen. Will man das gesetzlich normierte Verhältnis zwischen der Bezugsdauer von 720 Tagen und der Berechnungsperiode von 900 Tagen auch beim gekürzten Krankengeld beachten, so muss die Berechnungsperiode im gleichen Verhältnis wie die Bezugsdauer verlängert werden... Alsdann führt eine Bezugsdauer von (2 x 720 =) 1440 Tagen zu einer Berechnungsperiode von (2 x 900 =) 1800 Tagen. Dies bedeutet mit andern Worten, dass der Anspruch auf ein um 50% gekürztes Taggeld nicht erlöscht, bevor es während 1440 Tagen innerhalb 1800 aufeinanderfolgenden Tagen ausgerichtet worden ist... Die im Urteil Menoud getroffene Lösung beruht auf dem in Art. 3 Abs. 3
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BGE 98 V 81 S. 85
Gewähr dafür bietet, dass die längere Zeit dauernde Gewährung stark gekürzter Taggelder im Einzelfall nicht zur Aussteuerung des Versicherten schon nach dem Bezug einer weit unter dem Gesamtbetrag von 720 vollen Taggeldern liegenden Summe führt. - Somit hat das Gericht keine Veranlassung, die Bezugsdauer und die Berechnungsperiode bei Krankengeld, das wegen teilweiser Arbeitsunfähigkeit herabgesetzt wurde, anders zu errechnen als bei dem wegen Überversicherung gekürzten Krankengeld. Ob das Mitglied einer Kasse, deren Statuten Teilkrankengeld bei bloss teilweiser Arbeitsunfähigkeit vorsehen, das ihm statutarisch und nach der Rechtsprechung garantierte Krankengeld erhalten hat, ist retrospektiv zu prüfen.
4. Aus dem Gesagten ergibt sich für den vorliegenden Fall, dass der Beschwerdeführer während 1200 innerhalb 1500 aufeinanderfolgenden Tagen Anspruch auf das für nicht tuberkulosebedingte Arbeitsunfähigkeit geschuldete Teilkrankengeld (im Umfang von 60% von Fr. 20.-) hat. Ob bzw. wann Bezugsdauer und Berechnungsperiode abgelaufen sind, ist aus den Akten nicht ersichtlich und von der Krankenkasse noch zu ermitteln. Dabei wird insbesondere folgendes zu beachten sein: Nachdem die Artisana erst im August 1970 Kenntnis davon erhielt, dass die Arbeitsunfähigkeit des Beschwerdeführers nur teilweise durch die Tuberkulose verursacht ist, liegt die Vermutung nahe, dass es sich bei dem bis zum 31. Oktober 1970 ausbezahlten täglichen Krankengeld von Fr. 20.- in vollem Umfang um Leistungen handelt, für welche die Kasse Bundesbeiträge im Sinn desArt. 36Abs. 1 KUVG bezogen hat. In diesem Fall hätte Z. seither noch Anspruch auf das gesamte Krankengeld, das ihm für die durch nichttuberkulöse Krankheiten verursachte Arbeitsunfähigkeit innerhalb der Bezugsdauer von 1200/1500 Tagen zusteht, denn nach Art. 12ter Abs. 3 K
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BGE 98 V 81 S. 86
verändert haben, so müsste die Aufteilung des Krankengeldes nach Kausalitätsfaktoren neu vorgenommen werden, was seinerseits zur Neubestimmung der Bezugsdauer und der Berechnungsperiode führen würde. Nach erfolgter Abklärung wird die Kasse über den Anspruch des Versicherten auf das nicht tuberkulosebedingte Krankengeld eine neue beschwerdefähige Verfügung erlassen.
Dispositiv
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungssgericht: I. Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird gutgeheissen. II. Der Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons Uri vom 10. März 1971 und die Kassenverfügung vom 5. November 1970 werden aufgehoben. III. Die Sache wird an die Krankenkasse Artisana zurückgewiesen, damit sie im Sinn der Erwägungen verfahre.