97 II 216
31. Urteil der I. Zivilabteilung vom 11. Mai 1971 i.S. X. gegen Helvetia-Unfall.
Regeste (de):
- Art. 62 SVG, Art. 42 Abs. 1 und 2 OR.
- 1. Substanzierungspflicht nach kantonalem Recht und Beweispflicht bei Schaden, der sich ziffermässig nicht nachweisen lässt (Erw. 1).
- 2. Fall eines Anwalts, der infolge Unfalls die Arbeitszeit eines Monats nicht ausnützen konnte; Anhaltspunkte, die es dem Richter erlauben, den Erwerbsausfall durch Schätzung zu ermitteln (Erw. 2).
Regeste (fr):
- Art. 62 LCR, art. 42 al. 1 et 2 CO.
- 1. Devoir d'alléguer les éléments du préjudice selon le droit cantonal et d'en rapporter la preuve, lorsque le montant exact du dommage ne peut être établi (consid. 1).
- 2. Cas d'un avocat mis dans l'incapacité de travailler durant un mois. Eléments permettant au juge d'apprécier la perte de gain (consid. 2).
Regesto (it):
- Art. 62 LCStr., art. 42 cpv. 1 e 2 CO.
- 1. Obbligo di precisare gli elementi del pregiudizio secondo il diritto cantonale, e di addurne la prova, quando l'ammontare esatto del danno non può essere stabilito (consid. 1).
- 2. Caso di un avvocato posto nell'incapacità di lavorare durante un mese. Elementi che permettono al giudice di valutare la perdita di guadagno (consid. 2).
Sachverhalt ab Seite 217
BGE 97 II 216 S. 217
A.- X. ist als freierwerbender Anwalt in St. Gallen tätig. Am 29. Dezember 1967 erlitt er als Mitfahrer eines Personenwagens, der von einem Lastwagen gerammt wurde, insbesondere eine Hirnerschütterung; er war deswegen nach den Feststellungen des Arztes während 15 1/2 Arbeitstagen ganz und während weitern 15 Tagen zur Hälfte arbeitsunfähig. X. verlangte von der Versicherungsgesellschaft "Helvetia-Unfall", welche für die Haftpflicht des Lastwagenhalters aufzukommen hatte, Fr. 13'800.-- für Verdienstausfall.
Die "Helvetia-Unfall" anerkannte einen Betrag von Fr. 5'000.--; eine weitergehende Schuldpflicht bestritt sie, weil die Ansprüche des Verletzten übersetzt seien. X. klagte daraufhin gegen die Versicherungsgesellschaft auf Bezahlung von Fr. 8'800.-- nebst Zins. Falls die Forderung nicht voll geschützt werden sollte, beanspruchte er eine Genugtuungvon Fr. 1'000.--.
B.- Das Bezirksgericht Zürich und auf Appellation hin am 19. November 1970 auch das Obergericht des Kantons Zürich wiesen die Klage ab. Das Obergericht hält dem Kläger entgegen, dass er seine Schadenersatzforderung nicht auf Behauptungen über einen tatsächlichen Verdienstausfall gestützt, sondern sich mit einer abstrakten Berechnung, die hier unzulässig sei, begnügt habe. Er hätte darlegen müssen, dass er infolge seiner vorübergehenden Arbeitsunfähigkeit ganz bestimmte Mindereinnahmen hatte; diesen Beweis habe er nicht angetreten, obwohl es ihm möglich und zumutbar gewesen wäre, entgangene Mandate durch seine Kanzlei notieren zu lassen. Eine konkrete Schadensberechnung erweise sich mangels näherer Substanzierung als unmöglich.
BGE 97 II 216 S. 218
C.- Der Kläger beantragt dem Bundesgericht auf dem Wege der Berufung, dieses Urteil aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, ihm Fr. 8'800.--, eventuell einen Betrag nach richterlichem Ermessen nebst 5% Zins seit 1. Februar 1968 zu bezahlen. Er macht geltend, das angefochtene Urteil beruhe auf einer falschen Auslegung von Art. 42
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag OR Art. 42 - 1 Wer Schadenersatz beansprucht, hat den Schaden zu beweisen. |
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1 | Wer Schadenersatz beansprucht, hat den Schaden zu beweisen. |
2 | Der nicht ziffernmässig nachweisbare Schaden ist nach Ermessen des Richters mit Rücksicht auf den gewöhnlichen Lauf der Dinge und auf die vom Geschädigten getroffenen Massnahmen abzuschätzen. |
3 | Bei Tieren, die im häuslichen Bereich und nicht zu Vermögens- oder Erwerbszwecken gehalten werden, können die Heilungskosten auch dann angemessen als Schaden geltend gemacht werden, wenn sie den Wert des Tieres übersteigen.26 |
Erwägungen
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1. Nach Art. 42
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag OR Art. 42 - 1 Wer Schadenersatz beansprucht, hat den Schaden zu beweisen. |
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1 | Wer Schadenersatz beansprucht, hat den Schaden zu beweisen. |
2 | Der nicht ziffernmässig nachweisbare Schaden ist nach Ermessen des Richters mit Rücksicht auf den gewöhnlichen Lauf der Dinge und auf die vom Geschädigten getroffenen Massnahmen abzuschätzen. |
3 | Bei Tieren, die im häuslichen Bereich und nicht zu Vermögens- oder Erwerbszwecken gehalten werden, können die Heilungskosten auch dann angemessen als Schaden geltend gemacht werden, wenn sie den Wert des Tieres übersteigen.26 |
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 8 - Wo das Gesetz es nicht anders bestimmt, hat derjenige das Vorhandensein einer behaupteten Tatsache zu beweisen, der aus ihr Rechte ableitet. |
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag OR Art. 42 - 1 Wer Schadenersatz beansprucht, hat den Schaden zu beweisen. |
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1 | Wer Schadenersatz beansprucht, hat den Schaden zu beweisen. |
2 | Der nicht ziffernmässig nachweisbare Schaden ist nach Ermessen des Richters mit Rücksicht auf den gewöhnlichen Lauf der Dinge und auf die vom Geschädigten getroffenen Massnahmen abzuschätzen. |
3 | Bei Tieren, die im häuslichen Bereich und nicht zu Vermögens- oder Erwerbszwecken gehalten werden, können die Heilungskosten auch dann angemessen als Schaden geltend gemacht werden, wenn sie den Wert des Tieres übersteigen.26 |
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag OR Art. 42 - 1 Wer Schadenersatz beansprucht, hat den Schaden zu beweisen. |
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1 | Wer Schadenersatz beansprucht, hat den Schaden zu beweisen. |
2 | Der nicht ziffernmässig nachweisbare Schaden ist nach Ermessen des Richters mit Rücksicht auf den gewöhnlichen Lauf der Dinge und auf die vom Geschädigten getroffenen Massnahmen abzuschätzen. |
3 | Bei Tieren, die im häuslichen Bereich und nicht zu Vermögens- oder Erwerbszwecken gehalten werden, können die Heilungskosten auch dann angemessen als Schaden geltend gemacht werden, wenn sie den Wert des Tieres übersteigen.26 |
2. Im vorliegenden Fall liess sich feststellen, dass der
BGE 97 II 216 S. 219
Kläger wegen der Verletzungen, die er beim Verkehrsunfall erlitt, während 15 1/2 Tagen überhaupt nicht und während weitern 15 Tagen bloss zur Hälfte arbeiten konnte, insgesamt also 23 Arbeitstage verloren hat. Dieser Ausfall entspricht, wenn Ferien sowie Sonn- und Feiertage mitberücksichtigt werden, der Arbeitszeit eines Monats. Dem angefochtenen Urteil ist ferner zu entnehmen, dass der Kläger, der seit ungefähr 15 Jahren als Anwalt tätig ist, zur Zeit des Unfalls vollbeschäftigt und sein juristischer Mitarbeiter selber so beansprucht war, dass er ihn während der unfallbedingten Abwesenheit nicht vertreten konnte.
Ein sicherer Beweis für die Höhe des Schadens, der dem Kläger aus dem Verlust von 23 Arbeitstagen erwachsen ist, liess sich dagegen nicht erbringen. Entgegen der Annahme der Vorinstanz lässt sich insbesondere nicht sagen, es wäre dem Kläger möglich und zuzumuten gewesen, entgangene Mandate während seiner Abwesenheit durch die Kanzlei aufschreiben zu lassen, um den tatsächlichen Einkommensausfall berechnen und belegen zu können. Solche Aufzeichnungen taugen zum vorneherein nicht als Beweis, ganz abgesehen davon, dass von einem Verunfallten nicht verlangt werden kann, seine Angestellten vom Krankenlager aus zur Beweissicherung zu verhalten, um Einwänden des Haftpflichtigen begegnen zu können. Das Obergericht verkennt, dass Kunden, die einen Anwalt aufsuchen wollen, dessen Angestellte nicht über ihre Anliegen aufzuklären pflegen; jedenfalls ist nicht zu ersehen, wieso sie es gerade dann tun sollten, wenn der Anwalt wegen eines Unfalles ausserstande ist, sich ihrer Sache anzunehmen. Wer sich telephonisch anmelden will oder sonst erfährt, dass der Anwalt arbeitsunfähig ist, wird seine Praxis ohnehin nicht aufsuchen. Ob ein Sachverhalt, für den der Anwalt sich einzusetzen hat, einen Prozess erfordert oder durch Vergleich erledigt werden kann, dem Beauftragten viel oder wenig Arbeit verursachen wird und welcher Streitwert der Sache zugrunde liegt, lässt sich zudem nicht im voraus beurteilen, folglich auch die Entschädigung, die der Anwalt nach Erledigung des Falles für seine Bemühungen und Geschäftsunkosten verlangen darf, nicht verlässlich festsetzen. Zu bedenken ist ferner, dass der Anwalt Mandate ablehnen und sein Kunde einen erteilten Auftrag jederzeit widerrufen kann. Dem Kläger während seiner vorübergehenden Arbeitsunfähigkeit
BGE 97 II 216 S. 220
entgangene Aufträge sind somit keine brauchbare Grundlage für die Berechnung seines Erwerbsausfalles. Sicher nachweisen können hätte er einzig Sitzungsgelder aus Verwaltungsratsmandaten, die er bereits früher übernommen, während seiner Arbeitsunfähigkeit aber nicht ausüben konnte. Im übrigen lässt sich sein Schaden aber nur durch Schätzung nach den Grundsätzen des Art. 42 Abs. 2
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag OR Art. 42 - 1 Wer Schadenersatz beansprucht, hat den Schaden zu beweisen. |
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1 | Wer Schadenersatz beansprucht, hat den Schaden zu beweisen. |
2 | Der nicht ziffernmässig nachweisbare Schaden ist nach Ermessen des Richters mit Rücksicht auf den gewöhnlichen Lauf der Dinge und auf die vom Geschädigten getroffenen Massnahmen abzuschätzen. |
3 | Bei Tieren, die im häuslichen Bereich und nicht zu Vermögens- oder Erwerbszwecken gehalten werden, können die Heilungskosten auch dann angemessen als Schaden geltend gemacht werden, wenn sie den Wert des Tieres übersteigen.26 |
BGE 97 II 216 S. 221
Kläger sie hätte nachweisen können, nicht berücksichtigt worden. Die Beklagte schuldet dem Kläger somit noch einen Betrag von Fr. 5'000.--, den sie ab 1. Februar 1968, als sie erstmals zur Zahlung aufgefordert worden ist, mit 5% zu verzinsen hat.
Dispositiv
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Berufung wird teilweise gutgeheissen, das Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich vom 19. November 1970 aufgehoben und die Beklagte verpflichtet, dem Kläger Fr. 5'000.-- nebst 5% Zins seit 1. Februar 1968 zu bezahlen.