96 IV 16
4. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 6. März 1970 i.S. Hefti gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich.
Regeste (de):
- Art. 123 Ziff. 1 Abs. 2
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 123 - 1. Wer vorsätzlich einen Menschen in anderer Weise an Körper oder Gesundheit schädigt, wird, auf Antrag, mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft.
1 Wer vorsätzlich einen Menschen in anderer Weise an Körper oder Gesundheit schädigt, wird, auf Antrag, mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft. 2 Der Täter wird von Amtes wegen verfolgt,177 - Der Gummiknüppel ist eine Waffe im Sinne dieser Bestimmung.
Regeste (fr):
- Art. 123 ch. 1 al. 2 CP.
- La matraque de caoutchouc est une arme au sens de cette disposition.
Regesto (it):
- Art. 123 num. 1 cpv. 2 CP.
- Lo sfollagente di gomma è un'arma nel senso di questa disposizione.
Sachverhalt ab Seite 16
BGE 96 IV 16 S. 16
A.- In der Nacht vom 30. Juni auf den 1. Juli 1968 leistete Hans Hefti während der sog. Globus-Krawalle in Zürich als Polizeimann Dienst. Er hatte westlich des Globus-Provisoriums hinter der polizeilichen Abschrankung mit anderen Polizeimännern dafür zu sorgen, dass keine Demonstranten die Abschrankung überstiegen und in das Globus-Gebäude eindrangen. Hefti war mit Helm, einem Schild aus Weidengeflecht und Gummiknüppel ausgerüstet. Während längerer Zeit war es in seinem Abschnitt ruhig. Hefti wurde weder angepöbelt noch mit Wurfgeschossen oder tätlich angegriffen. Nachdem die Demonstranten von der Hauptwache weggetrieben waren, begab sich eine Gruppe von Nachzüglern gegen die Westseite des Globus. Einige Journalisten folgten ihnen, darunter der Pressefotograf Adolf Preisig, der zwei Kameras umgehängt hatte. Nach einigem Hin und Her forderte Hefti Preisig auf, über die Abschrankung zu kommen und ihn ins Globus-Gebäude zu begleiten. Preisig kam der Aufforderung willig nach, wobei Hefti beim Übersteigen der Abschrankung mit Hand anlegte. Hefti und ein anderer Polizist führten Preisig ca. 50 Meter
BGE 96 IV 16 S. 17
weit zum Globus-Gebäude. Auch hier verhielt sich Preisig völlig korrekt und ruhig. Er folgte dem Polizisten ohne Widerspruch. Auf dem Weg soll Hefti ihm einen Schlag mit dem Gummiknüppel über den Kopf erteilt haben. Im Globus-Gebäude führte er Preisig in einen halbdunklen Raum, auf dessen nassem Boden Feuerwehrschläuche lagen. Preisig kam zu Fall, wobei nicht feststeht, ob er über die Schläuche stolperte oder von Hefti zu Fall gebracht wurde. Hefti versetzte dem am Boden liegenden Preisig, der sich in keiner Weise wehrte, sondern nur seinen Kopf mit den Händen zu schützen suchte, ungefähr zehn Schläge mit dem Gummiknüppel vorwiegend auf den Kopf, aber auch auf die Hände, Arme und den Körper. Als Folge dieser Hiebe wies Preisig an beiden Vorderarmen dorsal und am Rücken Hämatome und oberflächliche längliche Schürfungen auf. Er hatte druckempfindliche und geschwollene Schläfen. Über dem linken Auge und auf der rechten Brustseite erlitt er Verletzungen. Seine Armbanduhr wurde von den Schlägen zertrümmert. Am folgenden Tag litt Preisig an Übelkeit mit wiederholtem Erbrechen. Nach Kontrolle der Ausweise schickte Hefti Preisig weg. Hefti rapportierte nicht über den Vorfall. In der Strafuntersuchung stellte Hefti zunächst alles in Abrede und wollte sich an nichts erinnern. Erst als er auf einer von einem Berufskollegen Preisigs aufgenommenen Fotografie eindeutig als der Polizist identifiziert werden konnte, der Preisig abgeführt hatte, gestand Hefti. Er behauptete aber, Preisig sei nach seinem Fall über die Feuerwehrschläuche wie ein Wilder aufgesprungen und drohend auf ihn losgegangen, worauf er mit dem Knüppel Abwehrbewegungen gemacht habe. Das Obergericht hat diese Darstellung abgelehnt und das Vorliegen von Umständen, die in Hefti den Eindruck einer Notwehrsituation hätten erwecken können, verneint. Zwischen Hefti und Preisig kam es zu einem Vergleich; Hefti leistete auf Kosten einer Polizeikasse volle Entschädigung, worauf Preisig seine Anträge im Straf- und Zivilpunkt zurückzog.
B.- Das Bezirksgericht Zürich verurteilte Hefti am 14. Mai 1969 wegen einfacher Körperverletzung zu einer bedingten Haftstrafe von sieben Tagen. Von der Anklage der Nötigung und des Amtsmissbrauchs sprach es ihn frei. Auf die Anklage wegen Tätlichkeiten und Sachbeschädigung wurde wegen Rückzugs des Strafantrages nicht eingetreten.
BGE 96 IV 16 S. 18
Das Obergericht, an das der Verurteilte appellierte, verneinte im Gegensatz zum Bezirksgericht die Voraussetzungen von Art. 19 Abs. 1
![](media/link.gif)
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 19 - 1 War der Täter zur Zeit der Tat nicht fähig, das Unrecht seiner Tat einzusehen oder gemäss dieser Einsicht zu handeln, so ist er nicht strafbar. |
|
1 | War der Täter zur Zeit der Tat nicht fähig, das Unrecht seiner Tat einzusehen oder gemäss dieser Einsicht zu handeln, so ist er nicht strafbar. |
2 | War der Täter zur Zeit der Tat nur teilweise fähig, das Unrecht seiner Tat einzusehen oder gemäss dieser Einsicht zu handeln, so mildert das Gericht die Strafe. |
3 | Es können indessen Massnahmen nach den Artikeln 59-61, 63, 64, 67, 67b und 67e getroffen werden.15 |
4 | Konnte der Täter die Schuldunfähigkeit oder die Verminderung der Schuldfähigkeit vermeiden und dabei die in diesem Zustand begangene Tat voraussehen, so sind die Absätze 1-3 nicht anwendbar. |
![](media/link.gif)
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 33 - 1 Die antragsberechtigte Person kann ihren Strafantrag zurückziehen, solange das Urteil der zweiten kantonalen Instanz noch nicht eröffnet ist. |
|
1 | Die antragsberechtigte Person kann ihren Strafantrag zurückziehen, solange das Urteil der zweiten kantonalen Instanz noch nicht eröffnet ist. |
2 | Wer seinen Strafantrag zurückgezogen hat, kann ihn nicht nochmals stellen. |
3 | Zieht die antragsberechtigte Person ihren Strafantrag gegenüber einem Beschuldigten zurück, so gilt der Rückzug für alle Beschuldigten. |
4 | Erhebt ein Beschuldigter gegen den Rückzug des Strafantrages Einspruch, so gilt der Rückzug für ihn nicht. |
C.- Hefti führt Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag auf Rückweisung der Sache an die Vorinstanz, damit diese auf die Anklage wegen Körperverletzung infolge Rückzuges des Strafantrages nicht eintrete, eventuell die Untersuchung durch Einvernahme zweier Zeugen ergänze.
Erwägungen
Der Kassationshof zieht in Erwägung:
2. Mit dem Hauptantrag macht der Beschwerdeführer geltend, auf die Anklage wegen einfacher Körperverletzung hätte nicht eingetreten werden dürfen, weil der Strafantrag vor Verkündung des erstinstanzlichen Urteils zurückgezogen worden sei (Art. 31 Abs. 1
![](media/link.gif)
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 31 - Das Antragsrecht erlischt nach Ablauf von drei Monaten. Die Frist beginnt mit dem Tag, an welchem der antragsberechtigten Person der Täter bekannt wird. |
![](media/link.gif)
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 123 - 1. Wer vorsätzlich einen Menschen in anderer Weise an Körper oder Gesundheit schädigt, wird, auf Antrag, mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft. |
|
1 | Wer vorsätzlich einen Menschen in anderer Weise an Körper oder Gesundheit schädigt, wird, auf Antrag, mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft. |
2 | Der Täter wird von Amtes wegen verfolgt,177 |
3. Eine Waffe ist ein Gegenstand, der nach seiner Bestimmung zu Angriff oder Verteidigung dient. Der Beschwerdeführer anerkennt, dass dies nach dem allgemeinen Sprachgebrauch auf den Gummiknüppel zutrifft. Doch macht er geltend, in Art. 123
![](media/link.gif)
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 123 - 1. Wer vorsätzlich einen Menschen in anderer Weise an Körper oder Gesundheit schädigt, wird, auf Antrag, mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft. |
|
1 | Wer vorsätzlich einen Menschen in anderer Weise an Körper oder Gesundheit schädigt, wird, auf Antrag, mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft. |
2 | Der Täter wird von Amtes wegen verfolgt,177 |
BGE 96 IV 16 S. 19
Bundesgericht entgegen der Meinung des Beschwerdeführers auch in BGE 80 IV 108 nicht getan, als es beiläufig erwähnte, das Züchtigungsrecht des Täters schliesse die Wehrlosigkeit des Opfers im Sinne des Art. 123 Ziff. 1 Abs. 2 aus; dieser Entscheid ist übrigens durch BGE 85 IV 127 f. überholt. b) Der Beschwerdeführer glaubt, der Begriff der Waffe sei zu bestimmen, indem untersucht werde, ob die in Frage stehende Waffe einem gefährlichen Werkzeug gleichzusetzen sei. Waffe und Werkzeug unterscheiden sich im vorliegenden Zusammenhang dadurch, dass jene für Angriff und Verteidigung bestimmt ist, während dieses hiefür verwendet wird, jedoch eine andere Zweckbestimmung hat. Die Doktrin zur Art. 101 des französischen Code pénal stellt den Unterschied anschaulich dar, indem sie von "armes par leur nature" und "armes par l'usage qui en est fait" spricht (GARÇON, Code pénal annoté S. 440, GOYET, Précis de droit pénal spécial S. 362). In gleicher Weise setzt Art. 123
![](media/link.gif)
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 123 - 1. Wer vorsätzlich einen Menschen in anderer Weise an Körper oder Gesundheit schädigt, wird, auf Antrag, mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft. |
|
1 | Wer vorsätzlich einen Menschen in anderer Weise an Körper oder Gesundheit schädigt, wird, auf Antrag, mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft. |
2 | Der Täter wird von Amtes wegen verfolgt,177 |
BGE 96 IV 16 S. 20
gefährlicher verletzt werden, als wenn ihm mit einer Flobert-Pistole ins Bein geschossen wird. Der Einwand geht aber an der Sache vorbei. Das Gesetz stellt nicht in erster Linie auf den Erfolg ab. Es will, dass der Täter, der eine einfache Körperverletzung begangen hat, von Amtes wegen verfolgt werde, weil er an sich infolge der Verwendung von Waffen, Gift oder gefährlichen Werkzeugen als gefährlicher erscheint, selbst wenn er im Einzelfall durch den Gebrauch der Waffe keine schweren Folgen herbeigeführt hat.
4. Der Beschwerdeführer hält es für richtig, dass ein Polizist von Amtes wegen in Untersuchung gezogen wird, wenn er mit der Schusswaffe jemanden auch nur leicht verletzt. Es könne aber nicht der Wille des Gesetzes sein, den Gebrauch des Gummiknüppels gleich zu behandeln. Man dürfe der Polizei keine unnötigen und unverhältnismässigen Fesseln anlegen. Es sei für den Polizeibeamten unangenehm, in Strafuntersuchung gezogen zu werden, selbst wenn er einen Rechtfertigungsgrund habe. Man dürfe die Polizei nicht bei jedem handfesten Eingreifen der Gefahr einer Strafuntersuchung aussetzen. Die Polizei hat bei allen Zwangsmassnahmen gegenüber Privaten nach den Grundsätzen der Gesetzmässigkeit und der Verhältnismässigkeit zu verfahren (BGE 94 IV 8). Das gilt ganz besonders beim Gebrauch jeder Art von Waffe und bei der Verletzung der körperlichen Integrität. Die Polizei besitzt keinen Freibrief zum Gebrauch des Gummiknüppels. Anderseits wird ein Polizist, der in Erfüllung seiner Pflicht aus zureichenden Gründen zur Waffe greift, auch beim Strafrichter Schutz und bei unbedeutenden Überschreitungen Verständnis finden (BGE 94 IV 7 f.). Ein Schläger aber, der unbeteiligte, sich in keiner Weise zur Wehr setzende Personen mit dem Gummiknüppel traktiert und verletzt, verdient weder Verständnis noch Schutz. Gegen solches Tun ist im wohlverstandenen Interesse der Polizei selbst von Amtes wegen strafrechtlich einzuschreiten.
Dispositiv
Demnach erkennt der Kassationshof:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.