96 IV 118
31. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 11. Dezember 1970 i.S. Staatsanwaltschaft des Kantons Solothurn gegen X. und Konsorten.
Regeste (de):
Regeste (fr):
- Notion de la traite des femmes au sens de l'art. 202 CP.
Regesto (it):
- Nozione di tratta delle donne ai sensi dell'art. 202 CP.
BGE 96 IV 118 S. 118
Aus den Erwägungen:
1. Die Vorinstanz sah in der Anwerbung von Frauen durch Frau X. für das eigene Etablissement in Abidjan keinen Frauenhandel im Sinne des Art. 202
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2. Nach dem Wortlaut von Art. 202 Ziff. 1
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BGE 96 IV 118 S. 119
Frauen überlieferten. Bereits im Jahre 1905 schloss sich die Schweiz dem internationalen Übereinkommen betreffend Unterdrückung des Mädchenhandels vom 18. Mai 1904 an, welches die Vertragsstaaten zur Unterdrückung dieses Handels verschiedene staatliche Einrichtungen zu schaffen verpflichtete. Dass die Kontrahenten Strafbestimmungen erlassen müssten, sah es nicht vor (AS n.F. Bd. 21 S. 37 ff.). Dies geschah dagegen im internationalen Übereinkommen zur Bekämpfung des Mädchenhandels vom 4. Mai 1910, welches die Schweiz erst im Jahre 1925 ratifizierte. Nach dessen Art. 1 und 2 verpflichteten sich die Vertragsstaaten, den mit Strafe zu bedrohen, der, um der Unzucht eines andern Vorschub zu leisten, eine minderjährige Frau oder ein minderjähriges Mädchen, selbst mit deren Einwilligung, zu unsittlichem Zwecke anwirbt, verschleppt oder entführt, oder der, um der Unzucht eines andern Vorschub zu leisten, eine volljährige Frau oder ein volljähriges Mädchen durch Täuschung oder mittels Gewalt, Drohung, Missbrauch des Ansehens oder durch irgendein anderes Zwangsmittel zu unsittlichem Zwecke anwirbt, verschleppt oder entführt, auch wenn die einzelnen Tatsachen, welche die Merkmale der strafbaren Handlung bilden, auf verschiedene Länder entfallen. Als Minderjährige wurden dabei im Schlussprotokoll gemäss lit. B die weniger als zwanzig Jahre alten Mädchen und Frauen bezeichnet (AS n.F. Bd. 42 S. 180, 185). In der späteren Übereinkunft vom 30. September 1921 wurde die Geltung der beiden genannten Übereinkommen von 1904 und 1910 auf den Handel mit Kindern beiderlei Geschlechts ausgedehnt und das Schutzalter für Minderjährige gleichzeitig auf 21 Jahre erhöht (AS n.F. Bd. 42 S. 187/8). Da im Bund vorerst die Grundlagen zur Ratifikation des Abkommens von 1910 geschaffen werden mussten, fanden die internationalen Abkommen ihren Niederschlag vorerst in den Entwürfen zum StGB. Dessen endgültige Verabschiedung liess indessen auf sich warten, so dass sich der Bundesrat entschloss, ein besonderes Gesetz über die Bekämpfung des Frauen- und Kinderhandels zu erlassen, damit er die Übereinkunft von 1910 ratifizieren lassen konnte. Am 25. November 1924 legte der Bundesrat den Entwurf eines solchen Bundesgesetzes vor und beantragte der Bundesversammlung gleichzeitig die Ratifikation der internationalen Übereinkommen von 1910 und 1921.
BGE 96 IV 118 S. 120
Gemäss Art. 1 des Gesetzesentwurfes hätte bestraft werden sollen, - wer, um der Unzucht eines andern Vorschub zu leisten, eine Person, die das 21. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, anwirbt, verschleppt oder entführt; - wer, um der Unzucht eines andern Vorschub zu leisten, eine weibliche Person, die das 21. Lebensjahr vollendet hat, gewerbsmässig oder durch Täuschung, Gewalt, Drohung, Missbrauch ihrer Notlage oder ihrer durch ein Amts- oder Dienstverhältnis oder auf ähnliche Weise begründeten Abhängigkeit oder durch irgendein anderes Zwangsmittel anwirbt, verschleppt oder entführt; - wer Anstalten zu gewerbsmässigem Frauen- oder Kinderhandel trifft. Die Botschaft führte aus, das Verhandeln selbst sei deshalb als Tatbestandsmerkmal nicht genannt worden, weil das Delikt des Frauenhandels schon mit dem Anwerben und Befördern zum Zwecke des Verhandelns vollendet sei. Werde das Verhandeln von einer am Anwerben und Verschleppen nicht beteiligten Person besorgt, so sei es regelmässig als Kuppelei, als Versuch hiezu oder als Gehilfenschaft oder Begünstigung bei Frauenhandel strafbar (Bundesblatt 1924, Band III, S. 1018 f.). Die Kommission des Ständerates beantragte für Art. 1 Ziff. 1 die Fassung: "Wer Frauen- oder Kinderhandel treibt, indem er eine Person, die das 21. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, anwirbt, verschleppt oder entführt, um der Unzucht eines andern Vorschub zu leisten, wer Frauenhandel treibt, indem er eine weibliche Person, die das 21. Lebensjahr vollendet hat, gewerbsmässig oder durch Täuschung, Gewalt, Drohung, Missbrauch ihrer Notlage oder ihrer durch ein Amts- oder Dienstverhältnis oder auf ähnliche Weise begründeten Abhängigkeit oder durch irgendein anderes Zwangsmittel anwirbt, verschleppt oder entführt, um der Unzucht eines andern Vorschub zu leisten, wird mit Zuchthaus bestraft." (Sten. Bull. des Ständerates 1925, S. 17). Der Berichterstatter der ständerätlichen Kommission erklärte dazu, dass mit der vorgeschlagenen Formulierung klar gemacht worden sei, dass die einzeln aufgeführten Tatbestände nach dieser Bestimmung nur dann strafbar seien, wenn sie einen Akt des Handeltreibens mit Frauen oder Kindern darstellten
BGE 96 IV 118 S. 121
(Sten. Bull. des Ständerates 1925, S. 18). Bundesrat Häberlin lehnte diese Fassung als zu weitgehend entschieden ab. Die nationalrätliche Kommission schlug in der Folge vor, es sei zu bestrafen, "wer, um der Unzucht eines andern Vorschub zu leisten, mit Frauen oder Minderjährigen Handel treibt, insbesondere indem er sie anwirbt, verschleppt oder entführt" (Sten. Bull. des Nationalrates 1925, S. 525). Wie den Ausführungen des Berichterstatters der nationalrätlichen Kommission zu entnehmen ist, deckte sich der Vorschlag der Kommission mit jenem der 2. Expertenkommission für das StGB (Sten. Bull. des Nationalrates 1925, S. 526). In den Beratungen im Nationalrat erklärte Bundesrat Häberlin, dieser Fassung könne er deshalb zustimmen, weil Art. 1 nun klar sage, dass nur ein eigentliches "Handeln" oder "Verhandeln" von Frauen als Frauenhandel bestraft werden solle, wogegen der bundesrätliche Entwurf einzelne Tatbestände enumeriere, nicht aber vom Handeltreiben gesprochen habe (Sten. Bull. des Nationalrates 1925, S. 527). Die von der nationalrätlichen Kommission vorgeschlagene Fassung fand m beiden Räten Zustimmung (AS n.F. Band 42, S. 9); später wurde Art. 1 Ziff. 1
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SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 1 - Eine Strafe oder Massnahme darf nur wegen einer Tat verhängt werden, die das Gesetz ausdrücklich unter Strafe stellt. |
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BGE 96 IV 118 S. 122
Strafgesetzbuch, bes. Teil, N. 1 zu Art. 202
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SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 182 - 1 Wer als Anbieter, Vermittler oder Abnehmer mit einem Menschen Handel treibt zum Zwecke der sexuellen Ausbeutung, der Ausbeutung seiner Arbeitskraft oder zwecks Entnahme eines Körperorgans, wird mit Freiheitsstrafe oder Geldstrafe bestraft. Das Anwerben eines Menschen zu diesen Zwecken ist dem Handel gleichgestellt. |
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1 | Wer als Anbieter, Vermittler oder Abnehmer mit einem Menschen Handel treibt zum Zwecke der sexuellen Ausbeutung, der Ausbeutung seiner Arbeitskraft oder zwecks Entnahme eines Körperorgans, wird mit Freiheitsstrafe oder Geldstrafe bestraft. Das Anwerben eines Menschen zu diesen Zwecken ist dem Handel gleichgestellt. |
2 | Handelt es sich beim Opfer um eine minderjährige256 Person oder handelt der Täter gewerbsmässig, so ist die Strafe Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr. |
3 | ...257 |
4 | Strafbar ist auch der Täter, der die Tat im Ausland verübt. Die Artikel 5 und 6 sind anwendbar. |
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SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 183 - 1. Wer jemanden unrechtmässig festnimmt oder gefangen hält oder jemandem in anderer Weise unrechtmässig die Freiheit entzieht, |
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1 | Wer jemanden unrechtmässig festnimmt oder gefangen hält oder jemandem in anderer Weise unrechtmässig die Freiheit entzieht, |
2 | Ebenso wird bestraft, wer jemanden entführt, der urteilsunfähig, widerstandsunfähig oder noch nicht 16 Jahre alt ist. |
BGE 96 IV 118 S. 123
Kinderhandel nur der eigentliche Handel, das Verhandeln, das Vermitteln an Kuppler zu bezeichnen ist. Stellen in Art. 202 Ziff. 1
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