Urteilskopf

96 III 107

19. Entscheid vom 22. Dezember 1970 i.S. Schweizerische Bankgesellschaft.
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Sachverhalt ab Seite 108

BGE 96 III 107 S. 108

A.- Karl Baisch erwirkte am 7. April 1970 beim Einzelrichter des Bezirkes Zürich gegen die Medway Finance Ltd., Nassau/Bahamas, für eine Forderung von Fr. 1'656,200.-- einen Arrest auf folgenden Gegenständen: "Guthaben der Arrestschuldnerin bei der Schweizerischen Bankgesellschaft, Bahnhofstrasse, Zürich, im eigenen oder fremden Namen, insbesondere Forderungen und Barschaft, Kontokorrentguthaben, Wertschriften, Namen-, Nummern- und Decknamenkonti, Safe- und Schliessfachinhalte unter eigenem oder fremden Namen, alles soweit verarrestierbar, bis zur Deckung der Arrestforderung nebst Zinsen und Kosten". Der Arrest wurde am 8. April 1970 durch das Betreibungsamt Zürich 1 vollzogen. Die Schweizerische Bankgesellschaft verweigerte jede Auskunft.
B.- Am 10. April 1970 erhob die Bank bei der untern kantonalen Aufsichtsbehörde Beschwerde und stellte die Anträge, die Arrestnotifikation sei aufzuheben, eventuell sei sie zu beschränken auf "1. Guthaben der Arrestschuldnerin, insbesondere Forderungen, Kontokorrentguthaben, Namen-, Nummern- und Decknamenkonti, 2. Barschaft, 3. Wertschriften und 4. Safeinhalte unter eigenem oder Decknamen". Zur Begründung brachte die Beschwerdeführerin vor, der Arrest sei ungültig, da der Arrestbefehl Guthaben und Safe-Inhalte der Arrestschuldnerin unter fremdem Namen nenne. Sowohl die untere als auch die obere kantonale Aufsichtsbehörde, an die die Bank rekurrierte, wiesen die Beschwerde ab.
C.- Mit vorliegendem Rekurs an das Bundesgericht hält die Schweizerische Bankgesellschaft an ihren Rechtsbegehren fest.
BGE 96 III 107 S. 109

Erwägungen

Die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer zieht in Erwägung:

1. Wie die Vorinstanzen richtig erkannt haben, bildet nicht der Arrestbefehl Gegenstand der Beschwerde, sondern dessen Vollzug, indem nämlich die Rekurrentin verlangt, es sei die Arrestnotifikation als Vollzugshandlung aufzuheben, allenfalls einzuschränken. Während nun gegen den Arrestbefehl selber keine Beschwerde möglich ist (Art. 279 Abs. 1
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 279 - 1 Hat der Gläubiger nicht schon vor der Bewilligung des Arrestes Betreibung eingeleitet oder Klage eingereicht, so muss er dies innert zehn Tagen nach Zustellung der Arresturkunde tun.
1    Hat der Gläubiger nicht schon vor der Bewilligung des Arrestes Betreibung eingeleitet oder Klage eingereicht, so muss er dies innert zehn Tagen nach Zustellung der Arresturkunde tun.
2    Erhebt der Schuldner Rechtsvorschlag, so muss der Gläubiger innert zehn Tagen, nachdem ihm das Gläubigerdoppel des Zahlungsbefehls
3    Hat der Schuldner keinen Rechtsvorschlag erhoben, so muss der Gläubiger innert 20 Tagen, nachdem ihm das Gläubigerdoppel des Zahlungsbefehls zugestellt worden ist, das Fortsetzungsbegehren stellen. Wird der Rechtsvorschlag nachträglich beseitigt, so beginnt die Frist mit der rechtskräftigen Beseitigung des Rechtsvorschlags. Die Betreibung wird, je nach der Person des Schuldners, auf dem Weg der Pfändung oder des Konkurses fortgesetzt.487
4    Hat der Gläubiger seine Forderung ohne vorgängige Betreibung gerichtlich eingeklagt, so muss er die Betreibung innert zehn Tagen nach Eröffnung des Entscheids einleiten.
5    Die Fristen dieses Artikels laufen nicht:
1  während des Einspracheverfahrens und bei Weiterziehung des Einsprachenentscheides;
2  während des Verfahrens auf Vollstreckbarerklärung nach dem Übereinkommen vom 30. Oktober 2007488 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen und bei Weiterziehung des Entscheides über die Vollstreckbarerklärung.489
SchKG), haben Lehre und Rechtsprechung eine solche gegen den Arrestvollzug anerkannt (BGE 64 III 129,BGE 75 III 26, BGE 82 III 69, BGE 88 III 141 /142; JAEGER N 1 zu Art. 275
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 275 - Die Artikel 91-109 über die Pfändung gelten sinngemäss für den Arrestvollzug.
SchKG, FRITZSCHE, Schuldbetreibung und Konkurs, Bd. II 2. A. S. 220). Fraglich ist bloss, ob das Beschwerderecht ausser den Parteien (dem Arrestgläubiger und dem Arrestschuldner) auch Dritten zustehen könne. Das Bundesgericht hat dies in einem Falle (BGE 80 III 124 f.) zugunsten einer Bank, die Schuldnerin des Arrestschuldners war, bejaht, weil der Vollzug des Arrestes stark in ihren Geschäftsbetrieb eingriff. - In einer ähnlichen Lage befindet sich im vorliegenden Falle die Rekurrentin: Auch wenn sie bei Befolgung der Arrestnotifikation keineswegs gezwungen wäre, im Extremfalle sämtliche bei ihr bestehenden Konti, Depots, Tresorfächer usw. zu sperren, wie sie behauptet, so ist doch die Art des Arrestvollzuges geeignet, wesentliche Eingriffe in ihre Interessen zu bringen. Die kantonalen Aufsichtsbehörden haben ihr deshalb zu Recht die Beschwerdelegitimation zuerkannt.
2. Gemäss Art. 271 Abs. 1
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 271 - 1 Der Gläubiger kann für eine fällige Forderung, soweit diese nicht durch ein Pfand gedeckt ist, Vermögensstücke des Schuldners, die sich in der Schweiz befinden, mit Arrest belegen lassen:469
1    Der Gläubiger kann für eine fällige Forderung, soweit diese nicht durch ein Pfand gedeckt ist, Vermögensstücke des Schuldners, die sich in der Schweiz befinden, mit Arrest belegen lassen:469
1  wenn der Schuldner keinen festen Wohnsitz hat;
2  wenn der Schuldner in der Absicht, sich der Erfüllung seiner Verbindlichkeiten zu entziehen, Vermögensgegenstände beiseite schafft, sich flüchtig macht oder Anstalten zur Flucht trifft;
3  wenn der Schuldner auf der Durchreise begriffen ist oder zu den Personen gehört, welche Messen und Märkte besuchen, für Forderungen, die ihrer Natur nach sofort zu erfüllen sind;
4  wenn der Schuldner nicht in der Schweiz wohnt, kein anderer Arrestgrund gegeben ist, die Forderung aber einen genügenden Bezug zur Schweiz aufweist oder auf einer Schuldanerkennung im Sinne von Artikel 82 Absatz 1 beruht;
5  wenn der Gläubiger gegen den Schuldner einen provisorischen oder einen definitiven Verlustschein besitzt;
6  wenn der Gläubiger gegen den Schuldner einen definitiven Rechtsöffnungstitel besitzt.
2    In den unter den Ziffern 1 und 2 genannten Fällen kann der Arrest auch für eine nicht verfallene Forderung verlangt werden; derselbe bewirkt gegenüber dem Schuldner die Fälligkeit der Forderung.
3    Im unter Absatz 1 Ziffer 6 genannten Fall entscheidet das Gericht bei ausländischen Entscheiden, die nach dem Übereinkommen vom 30. Oktober 2007473 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen zu vollstrecken sind, auch über deren Vollstreckbarkeit.474
SchKG sind nur Vermögensstücke des Schuldners mit Arrest zu belegen. Gegenstände, die einem Dritten gehören, dürfen nicht verarrestiert werden. Hingegen ist es zulässig, Arrest auf Sachen und Guthaben zu legen, die dem Schuldner gehören, dem Namen nach aber einem Dritten zustehen (BGE 82 III 70 und 151; BGE 93 III 92). Wenn in einem solchen Falle der Schuldner behauptet, Eigentümer oder Gläubiger der Sachen und Forderungen sei ein Dritter, oder wenn der Dritte selber diese Rechte beansprucht, so ist das noch kein Grund, den Arrestvollzug einzustellen oder aufzuheben; es gibt dies lediglich Anlass zur Einleitung eines Widerspruchsverfahrens (Art. 106
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 106 - 1 Wird geltend gemacht, einem Dritten stehe am gepfändeten Gegenstand das Eigentum, ein Pfandrecht oder ein anderes Recht zu, das der Pfändung entgegensteht oder im weitern Verlauf des Vollstreckungsverfahrens zu berücksichtigen ist, so merkt das Betreibungsamt den Anspruch des Dritten in der Pfändungsurkunde vor oder zeigt ihn, falls die Urkunde bereits zugestellt ist, den Parteien besonders an.
1    Wird geltend gemacht, einem Dritten stehe am gepfändeten Gegenstand das Eigentum, ein Pfandrecht oder ein anderes Recht zu, das der Pfändung entgegensteht oder im weitern Verlauf des Vollstreckungsverfahrens zu berücksichtigen ist, so merkt das Betreibungsamt den Anspruch des Dritten in der Pfändungsurkunde vor oder zeigt ihn, falls die Urkunde bereits zugestellt ist, den Parteien besonders an.
2    Dritte können ihre Ansprüche anmelden, solange der Erlös aus der Verwertung des gepfändeten Gegenstandes noch nicht verteilt ist.
3    Nach der Verwertung kann der Dritte die Ansprüche, die ihm nach Zivilrecht bei Diebstahl, Verlust oder sonstigem Abhandenkommen einer beweglichen Sache (Art. 934 und 935 ZGB223) oder bei bösem Glauben des Erwerbers (Art. 936 und 974 Abs. 3 ZGB) zustehen, ausserhalb des Betreibungsverfahrens geltend machen. Als öffentliche Versteigerung im Sinne von Artikel 934 Absatz 2 ZGB gilt dabei auch der Freihandverkauf nach Artikel 130 dieses Gesetzes.
-109
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 109 - 1 Beim Gericht des Betreibungsortes sind einzureichen:
1    Beim Gericht des Betreibungsortes sind einzureichen:
1  Klagen nach Artikel 107 Absatz 5;
2  Klagen nach Artikel 108 Absatz 1, sofern der Beklagte Wohnsitz im Ausland hat.
2    Richtet sich die Klage nach Artikel 108 Absatz 1 gegen einen Beklagten mit Wohnsitz in der Schweiz, so ist sie an dessen Wohnsitz einzureichen.
3    Bezieht sich der Anspruch auf ein Grundstück, so ist die Klage in jedem Fall beim Gericht des Ortes einzureichen, wo das Grundstück oder sein wertvollster Teil liegt.
4    Das Gericht zeigt dem Betreibungsamt den Eingang und die Erledigung der Klage an. ...227
5    Bis zur Erledigung der Klage bleibt die Betreibung in Bezug auf die streitigen Gegenstände eingestellt, und die Fristen für Verwertungsbegehren (Art. 116) stehen still.
SchKG), welches zur Abklärung der angeblichen Rechte des Dritten dient (vgl. die zit. Entscheide). Diese Grundsätze, die unbestritten sind, haben die Vorinstanzen
BGE 96 III 107 S. 110

nicht verkannt, und es besteht kein Grund, heute davon abzuweichen.
3. Die Rekurrentin macht indessen geltend, es sei im vorliegenden Falle gar nicht behauptet worden, die Arrestschuldnerin sei Gläubigerin von unter fremdem Namen gehaltenen Guthaben. Die im Arrestbefehl verwendete Formulierung "Guthaben der Arrestschuldnerin ... in fremden Namen" sei in sich widersprüchlich und unverständlich, jedenfalls nicht genügend klar, um den Schluss aufeine solche Behauptung zuzulassen. Auch fehle es an der namentlichen Bezeichnung der Drittpersonen, deren Guthaben verarrestiert werden sollten, so dass sich diese Guthaben überhaupt nicht spezifizieren liessen; Arrestbefehl und -notifikation seien deshalb unvollständig und unvollziehbar. Nun kann aber der vorliegende Arrestbefehl sinnvoll nur so ausgelegt werden, dass der Gläubiger Arrest auf Guthaben legen will, die der Schuldnerin gehören, dem Namen nachjedoch Dritten zustehen. Wenn nämlich der Arrestbefehl von Guthaben der Arrestschuldnerin spricht, welche auf fremde Namen lauteten, so liegt darin die Behauptung, diese Guthaben gehörten nicht Drittpersonen, sondern der Arrestschuldnerin. Damit sind die Rechte Dritter bestritten, und nur ein Widerspruchsverfahren vermag deren allfällige Gläubigereigenschaft abzuklären (vgl. BGE 82 III 70, BGE 93 III 92). Strengere Anforderungen an die Spezifikation der Gegenstände im Arrestbefehl (Art. 274 Ziff. 4
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 274 - 1 Das Gericht beauftragt den Betreibungsbeamten oder einen anderen Beamten oder Angestellten mit dem Vollzug des Arrestes und stellt ihm den Arrestbefehl zu.478
1    Das Gericht beauftragt den Betreibungsbeamten oder einen anderen Beamten oder Angestellten mit dem Vollzug des Arrestes und stellt ihm den Arrestbefehl zu.478
2    Der Arrestbefehl enthält:
1  den Namen und den Wohnort des Gläubigers und seines allfälligen Bevollmächtigten und des Schuldners;
2  die Angabe der Forderung, für welche der Arrest gelegt wird;
3  die Angabe des Arrestgrundes;
4  die Angabe der mit Arrest zu belegenden Gegenstände;
5  den Hinweis auf die Schadenersatzpflicht des Gläubigers und, gegebenen Falles, auf die ihm auferlegte Sicherheitsleistung.
SchKG) und in der Arrestnotifikation stellen hiesse die Möglichkeit von Arrestnahmen, insbesondere der Gattungsarreste (die die Rekurrentin selber als zulässig bezeichnet), erheblich einschränken; denn es ist - wenigstens für die Grosszahl der Fälle - nicht ersichtlich, auf welche Weise der Arrestgläubiger die Rechtsverhältnisse näher umschreiben könnte, denen zufolge der Arrestschuldner, und nicht der Dritte, als Eigentümer oder Gläubiger zu gelten hätte. Schliesslich übertreibt die Rekurrentin stark, wenn sie von den Nachteilen und Risiken spricht, die die Arrestnahme bzw. Freigabe von Vermögenswerten ungenannter Drittpersonen mit sich bringe. Von ihr wird lediglich verlangt, dass sie jene Guthaben angebe bzw. sperre, von denen sie weiss oder wissen muss, dass sie dem Arrestschuldner gehören, auch wenn sie auf den Namen eines Dritten lauten. Insoweit ist der Arrestbefehl
BGE 96 III 107 S. 111

weder unbestimmt noch unvollständig, somit auch nicht unvollziehbar. Der Rekurs ist deshalb abzuweisen.
Dispositiv

Demnach erkennt die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer:
Der Rekurs wird abgewiesen.
Decision information   •   DEFRITEN
Document : 96 III 107
Date : 22. Dezember 1970
Published : 31. Dezember 1970
Source : Bundesgericht
Status : 96 III 107
Subject area : BGE - Schuldbetreibungs- und Konkursrecht
Subject : Arrestvollzug. 1. Beschwerdelegitimation Dritter (Erw. 1). 2. Zulässigkeit, Arrest auf Sachen und Guthaben zu legen, die


Legislation register
SchKG: 106  109  271  274  275  279
BGE-register
64-III-127 • 75-III-25 • 80-III-122 • 82-III-63 • 88-III-140 • 93-III-89 • 96-III-107
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