96 I 521
80. Auszug aus dem Urteil vom 16. Dezember 1970 i.S. Burgener c. Kreisgericht Oberwallis, Leuk.
Regeste (de):
- Rechtsverweigerung durch überspitzten Formalismus im Strafprozess
- Enthält eine Rechtsmittelbelehrung hinsichtlich des im Zusammenhang mit der Berufungserklärung zu leistenden Kostenvorschusses lediglich einen Hinweis auf entsprechende gesetzliche Bestimmungen, und setzt die obere Instanz dem Rechtssuchenden, der den erforderlichen Vorschuss nicht rechtzeitig geleistet hat, keine Nachfrist an, so macht sie sich einer Rechtsverweigerung durch überspitzten Formalismus schuldig, wenn sie auf das Rechtsmittel nicht eintritt mit der Begründung, der Kostenvorschuss sei nicht vorschriftsgemäss geleistet worden.
Regeste (fr):
- Déni de justice par excès de formalisme en procédure pénale.
- Lorsqu'une décision ne contient, au sujet de l'avance des frais à effectuer à l'occasion d'une déclaration de recours, qu'un simple renvoi aux dispositions légales y relatives, et que l'autorité de recours ne donne pas, au recourant qui n'a pas effectué l'avance en temps opportun, un délai supplémentaire pour s'exécuter, cette autorité commet un déni de justice par excès de formalisme si elle n'entre pas en matière pour le motif que l'avance de frais n'aurait pas été faite de façon conforme aux prescriptions.
Regesto (it):
- Diniego di giustizia per formalismo eccessivo nella procedura penale.
- Se una decisione non contiene, per quel che riguarda l'anticipo delle spese da effettuare in occasione d'una dichiarazione di ricorso, che un semplice rinvio alle disposizioni legali relative, e l'autorità di ricorso non assegna al ricorrente che ha omesso di versare l'anticipo a tempo debito, un termine supplementare per effettuarlo, questa autorità commette un diniego di giustizia per eccesso di formalismo qualora non entri nel merito del ricorso per il semplice fatto che l'anticipo non è stato versato in modo conforme alle prescrizioni.
Sachverhalt ab Seite 521
BGE 96 I 521 S. 521
A.- Marcel Burgener erstattete am 7. November 1967 gegen Gerold Kistler, Visp, Strafanzeige wegen falschen Zeugnisses.
BGE 96 I 521 S. 522
Mit Verfügung vom 10. Dezember 1969 stellte der Instruktionsrichter des Bezirks Visp das Strafverfahren ein. Die entstandenen Kosten wurden dem Anzeiger auferlegt. Die Einstellungsverfügung enthält folgende Rechtsmittelbelehrung: "Gegen diesen Einstellungsentscheid können die Parteien gemäss Art. 113
SR 312.0 Schweizerische Strafprozessordnung vom 5. Oktober 2007 (Strafprozessordnung, StPO) - Strafprozessordnung StPO Art. 113 Stellung - 1 Die beschuldigte Person muss sich nicht selbst belasten. Sie hat namentlich das Recht, die Aussage und ihre Mitwirkung im Strafverfahren zu verweigern. Sie muss sich aber den gesetzlich vorgesehenen Zwangsmassnahmen unterziehen. |
|
1 | Die beschuldigte Person muss sich nicht selbst belasten. Sie hat namentlich das Recht, die Aussage und ihre Mitwirkung im Strafverfahren zu verweigern. Sie muss sich aber den gesetzlich vorgesehenen Zwangsmassnahmen unterziehen. |
2 | Verweigert die beschuldigte Person ihre Mitwirkung, so wird das Verfahren gleichwohl fortgeführt. |
SR 312.0 Schweizerische Strafprozessordnung vom 5. Oktober 2007 (Strafprozessordnung, StPO) - Strafprozessordnung StPO Art. 1 Geltungsbereich - 1 Dieses Gesetz regelt die Verfolgung und Beurteilung der Straftaten nach Bundesrecht durch die Strafbehörden des Bundes und der Kantone. |
|
1 | Dieses Gesetz regelt die Verfolgung und Beurteilung der Straftaten nach Bundesrecht durch die Strafbehörden des Bundes und der Kantone. |
2 | Die Verfahrensvorschriften anderer Bundesgesetze bleiben vorbehalten. |
SR 312.0 Schweizerische Strafprozessordnung vom 5. Oktober 2007 (Strafprozessordnung, StPO) - Strafprozessordnung StPO Art. 176 Unberechtigte Zeugnisverweigerung - 1 Wer das Zeugnis verweigert, ohne dazu berechtigt zu sein, kann mit Ordnungsbusse bestraft und zur Tragung der Kosten und Entschädigungen verpflichtet werden, die durch die Verweigerung verursacht worden sind. |
|
1 | Wer das Zeugnis verweigert, ohne dazu berechtigt zu sein, kann mit Ordnungsbusse bestraft und zur Tragung der Kosten und Entschädigungen verpflichtet werden, die durch die Verweigerung verursacht worden sind. |
2 | Beharrt die zum Zeugnis verpflichtete Person auf ihrer Weigerung, so wird sie unter Hinweis auf Artikel 292 StGB102 nochmals zur Aussage aufgefordert. Bei erneuter Verweigerung wird ein Strafverfahren eröffnet. |
SR 312.0 Schweizerische Strafprozessordnung vom 5. Oktober 2007 (Strafprozessordnung, StPO) - Strafprozessordnung StPO Art. 188 Stellungnahme der Parteien - Die Verfahrensleitung bringt den Parteien das schriftlich erstattete Gutachten zur Kenntnis und setzt ihnen eine Frist zur Stellungnahme. |
SR 312.0 Schweizerische Strafprozessordnung vom 5. Oktober 2007 (Strafprozessordnung, StPO) - Strafprozessordnung StPO Art. 188 Stellungnahme der Parteien - Die Verfahrensleitung bringt den Parteien das schriftlich erstattete Gutachten zur Kenntnis und setzt ihnen eine Frist zur Stellungnahme. |
SR 312.0 Schweizerische Strafprozessordnung vom 5. Oktober 2007 (Strafprozessordnung, StPO) - Strafprozessordnung StPO Art. 188 Stellungnahme der Parteien - Die Verfahrensleitung bringt den Parteien das schriftlich erstattete Gutachten zur Kenntnis und setzt ihnen eine Frist zur Stellungnahme. |
B.- Burgener erhob gegen dieses Urteil staatsrechtliche Beschwerde wegen Verletzung von Art. 4
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch. |
BGE 96 I 521 S. 523
C.- Das Kreisgericht Oberwallis, Leuk, hat auf Gegenbemerkungen verzichtet. Das Bundesgericht heisst die Beschwerde gut.
Erwägungen
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1. 3. - (Prozessuales)
4. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts verstösst ein durch die Praxis eingeführtes oder im Gesetz aufgestelltes Formerfordernis dann gegen Art. 4
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch. |
SR 312.0 Schweizerische Strafprozessordnung vom 5. Oktober 2007 (Strafprozessordnung, StPO) - Strafprozessordnung StPO Art. 188 Stellungnahme der Parteien - Die Verfahrensleitung bringt den Parteien das schriftlich erstattete Gutachten zur Kenntnis und setzt ihnen eine Frist zur Stellungnahme. |
BGE 96 I 521 S. 524
die Vorschusspflicht hingewiesen, doch wird weder die Höhe des Vorschusses angezeigt, noch wird eine Zahlungsfrist gesetzt, noch werden für den Fall der Nichtleistung irgendwelche prozessuale Folgen angedroht. Der Hinweis auf Art. 188
SR 312.0 Schweizerische Strafprozessordnung vom 5. Oktober 2007 (Strafprozessordnung, StPO) - Strafprozessordnung StPO Art. 188 Stellungnahme der Parteien - Die Verfahrensleitung bringt den Parteien das schriftlich erstattete Gutachten zur Kenntnis und setzt ihnen eine Frist zur Stellungnahme. |
BGE 96 I 521 S. 525
Verfahrens in keiner Weise in Frage gestellt. - Dass das Kantonsgericht Wallis im Berufungsfall Holzer (Urteil vom 20. Januar 1970) mit Rücksicht auf die soeben angestellten Überlegungen und auf die neuere bundesgerichtliche Rechtsprechung eine derartige Nachfrist gewährte, hätte das Kreisgericht Oberwallis im übrigen veranlassen müssen, im vorliegenden Fall ebenso zu verfahren. Im Vorgehen des Kreisgerichts Oberwallis ist somit nach dem Gesagten eine Rechtsverweigerung durch überspitzten Formalismus zu erblicken. Die Beschwerde ist daher gutzuheissen und der angefochtene Entscheid vom 22. Mai 1970 wegen Verletzung von Art. 4
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch. |