96 I 292
48. Urteil vom 24. Juni 1970 i.S. Schweiz. Eidgenossenschaft gegen Senn und Eidg. Schätzungskommission des IV. Kreises.
Regeste (de):
- Beizug besonderer Sachverständiger durch die Schätzungskommission (Art. 72
SR 711 Bundesgesetz vom 20. Juni 1930 über die Enteignung (EntG)
EntG Art. 72 - 1 Die Schätzungskommission kann von Amtes wegen alle zur Feststellung der Tatsachen und der Höhe der Entschädigung erforderlichen Erhebungen machen und zu diesem Zwecke den Parteien Beweise auferlegen, Sachverständige beiziehen, in die öffentlichen Bücher Einsicht nehmen und Zeugen abhören.
1 Die Schätzungskommission kann von Amtes wegen alle zur Feststellung der Tatsachen und der Höhe der Entschädigung erforderlichen Erhebungen machen und zu diesem Zwecke den Parteien Beweise auferlegen, Sachverständige beiziehen, in die öffentlichen Bücher Einsicht nehmen und Zeugen abhören. 2 Bei Festsetzung der Höhe der Entschädigung ist die Schätzungskommission nicht an die Anträge der Parteien gebunden. - Der Entscheid, durch den die Schätzungskommission eine Expertise anordnet, kann nicht durch Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht weitergezogen werden (Erw. 1).
- Unter welchen Voraussetzungen hat die Schätzungskommission "besondere Sachverständige" (Art. 47 Abs. 2 der VO für die Schätzungskommissionen) beizuziehen? (Erw. 2).
Regeste (fr):
- Consultation d'experts par la Commission d'estimation (art. 72 LEx., 22 lettre b et 97 OJ, 5 PAF).
- La décision par laquelle la Commission d'estimation ordonne une expertise ne peut pas être attaquée par la voie du recours de droit administratif au Tribunal fédéral (consid. 1).
- A quelles conditions la Commission d'estimation peut-elle s'adjoindre des experts (art. 47 al. 2 de l'Ord. du TF concernant les Commissions fédérales d'estimation)? (consid. 2).
Regesto (it):
- Assunzione di periti speciali da parte della Commissione di stima (art. 72
SR 711 Bundesgesetz vom 20. Juni 1930 über die Enteignung (EntG)
EntG Art. 72 - 1 Die Schätzungskommission kann von Amtes wegen alle zur Feststellung der Tatsachen und der Höhe der Entschädigung erforderlichen Erhebungen machen und zu diesem Zwecke den Parteien Beweise auferlegen, Sachverständige beiziehen, in die öffentlichen Bücher Einsicht nehmen und Zeugen abhören.
1 Die Schätzungskommission kann von Amtes wegen alle zur Feststellung der Tatsachen und der Höhe der Entschädigung erforderlichen Erhebungen machen und zu diesem Zwecke den Parteien Beweise auferlegen, Sachverständige beiziehen, in die öffentlichen Bücher Einsicht nehmen und Zeugen abhören. 2 Bei Festsetzung der Höhe der Entschädigung ist die Schätzungskommission nicht an die Anträge der Parteien gebunden. - La decisione con cui la Commissione di stima ordina una perizia non può essere impugnata mediante ricorso di diritto amministrativo al Tribunale federale (consid. 1).
- Quando la Commissione di stima deve assumere "periti speciali"? (art. 47 cpv. 2 del regolamento concernente le Commissioni federali di stima) (consid. 2).
Sachverhalt ab Seite 293
BGE 96 I 292 S. 293
A.- Vor der Schätzungskommission des IV. Kreises (ESchK) ist ein Schätzungsverfahren hängig, das die Enteignung einer Liegenschaft in Liestal zugunsten der PTT-Betriebe zum Gegenstand hat. Es handelt sich um ein 1524 m2 haltendes, Fräulein S. Senn gehörendes Grundstück mit einem Wohn- und Geschäftshaus. Der Präsident der ESchK beabsichtigte, den Architekten W. Zimmer, Ersatzmann der ESchK, als Experten mit der Schätzung zu beauftragen und ihn in der ESchK durch ein anderes Mitglied zu ersetzen, doch widersetzte sich die Enteignete diesem Vorgehen und verlangte den Beizug von Drittexperten. Der Präsident der ESchK gab den Parteien hievon mit Schreiben vom 26. Dezember 1969 Kenntnis und setzte ihnen eine Frist, um einen Expertenvorschlag und Expertenfragen einzureichen. Die Enteignete schlug hierauf zwei Architekten wahlweise oder gemeinsam als Experten vor und reichte die ihnen zu stellenden Fragen ein. Die PTT-Betriebe dagegen erachteten, nachdem bereits die Nachbarliegenschaft durch besondere Experten geschätzt worden war, den Beizug solcher für überflüssig und verlangten, dass Architekt Zimmer die Schätzung vornehme und sich nicht in Ausstand begebe. Die ESchK beschloss am 6. Februar 1970, einen oder zwei ihr nicht angehörende Experten mit der Expertise der Liegenschaft
BGE 96 I 292 S. 294
zu betrauen. Zur Begründung führte sie aus: Der gemäss Art. 62
SR 711 Bundesgesetz vom 20. Juni 1930 über die Enteignung (EntG) EntG Art. 62 - Die Mitglieder der Schätzungskommissionen unterstehen den für den Ausstand von Mitgliedern des Bundesverwaltungsgerichts geltenden Regeln.63 Über den Ausstand entscheidet im Streitfall die Schätzungskommission als erste Instanz unter Ausschluss der betroffenen Mitglieder. |
SR 711 Bundesgesetz vom 20. Juni 1930 über die Enteignung (EntG) EntG Art. 62 - Die Mitglieder der Schätzungskommissionen unterstehen den für den Ausstand von Mitgliedern des Bundesverwaltungsgerichts geltenden Regeln.63 Über den Ausstand entscheidet im Streitfall die Schätzungskommission als erste Instanz unter Ausschluss der betroffenen Mitglieder. |
Dieser Entscheid der ESchK wurde den Parteien am 13. März 1970 eröffnet mit dem Hinweis, dass gegen ihn innert 10 Tagen beim Bundesgericht Verwaltungsgerichtsbeschwerde erhoben werden könne (Art. 106
SR 711 Bundesgesetz vom 20. Juni 1930 über die Enteignung (EntG) EntG Art. 62 - Die Mitglieder der Schätzungskommissionen unterstehen den für den Ausstand von Mitgliedern des Bundesverwaltungsgerichts geltenden Regeln.63 Über den Ausstand entscheidet im Streitfall die Schätzungskommission als erste Instanz unter Ausschluss der betroffenen Mitglieder. |
B.- Am 23. März 1970 reichten die PTT-Betriebe eine solche Beschwerde ein mit dem Antrag, den Entscheid der ESchK vom 6. Februar 1970 aufzuheben und die ESchK anzuweisen, unverzüglich und ohne Beizug von Experten die Schätzungsverhandlung durchzuführen. Sie machen geltend, im Beizug besonderer Experten liege ein Ermessensmissbrauch im Sinne des Art. 104 lit. a
SR 711 Bundesgesetz vom 20. Juni 1930 über die Enteignung (EntG) EntG Art. 62 - Die Mitglieder der Schätzungskommissionen unterstehen den für den Ausstand von Mitgliedern des Bundesverwaltungsgerichts geltenden Regeln.63 Über den Ausstand entscheidet im Streitfall die Schätzungskommission als erste Instanz unter Ausschluss der betroffenen Mitglieder. |
Erwägungen
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1. Die ESchK verweist in der dem angefochtenen Entscheid beigefügten Rechtsmittelbelehrung auf Art. 106
SR 711 Bundesgesetz vom 20. Juni 1930 über die Enteignung (EntG) EntG Art. 62 - Die Mitglieder der Schätzungskommissionen unterstehen den für den Ausstand von Mitgliedern des Bundesverwaltungsgerichts geltenden Regeln.63 Über den Ausstand entscheidet im Streitfall die Schätzungskommission als erste Instanz unter Ausschluss der betroffenen Mitglieder. |
SR 711 Bundesgesetz vom 20. Juni 1930 über die Enteignung (EntG) EntG Art. 62 - Die Mitglieder der Schätzungskommissionen unterstehen den für den Ausstand von Mitgliedern des Bundesverwaltungsgerichts geltenden Regeln.63 Über den Ausstand entscheidet im Streitfall die Schätzungskommission als erste Instanz unter Ausschluss der betroffenen Mitglieder. |
Nach Art. 5 Abs. 1 VwG gelten als (anfechtbare) Verfügungen Anordnungen im Einzelfall über die dort unter lit. a) - c) aufgezählten Gegenstände. Eine Beweisverfügung, durch die eine Expertise angeordnet wird, fällt nicht unter diese Bestimmung. Art. 5 Abs. 2 VwG erwähnt zwar bei den ebenfalls als Verfügungen geltenden Entscheiden auch "Zwischenverfügungen (Art. 45)". Doch sind solche Zwischenverfügungen nur dann
BGE 96 I 292 S. 295
mit Beschwerde anfechtbar, wenn sie die Voraussetzungen des vorangehenden Abs. 1 erfüllen, d.h. wenn sie die Begründung, Änderung oder Aufhebung von Rechten usw. zum Gegenstand haben, was bei der vorliegenden Beweisverfügung nicht zutrifft. Nach Abs. 1 des in Art. 5 Abs. 2 VwG erwähnten Art. 45 VwG sind übrigens verfahrensleitende und andere Zwischenverfügungen in einem der Endverfügung vorangehenden Verfahren nur dann selbständig durch Beschwerde anfechtbar, wenn sie einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil bewirken können. Das ist beim angefochtenen Entscheid, der einzig die Anordnung einer Expertise zum Gegenstand hat, offensichtlich nicht der Fall (vgl. BGE 93 I 607 /8). Die Kosten der angeordneten Expertise stellen keinen solchen Nachteil dar. Dass gegen die Bestellung von Experten durch eine ESchK kein Rekursrecht besteht, hat das Bundesgericht übrigens schon unter der Herrschaft des EntG von 1850 entschieden (BGE 18 S. 62 E. 1). Die vorliegende, gegen die Anordnung einer Expertise gerichtete Verwaltungsgerichtsbeschwerde erweist sich daher als unzulässig, und es ist auf sie nicht einzutreten. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass nach Art. 45 Abs. 2 lit. b VwG als selbständig anfechtbare Zwischenverfügungen auch solche "über den Ausstand" gelten. Der angefochtene Entscheid begründet zwar die angeordnete Expertise durch nicht der ESchK angehörende Experten damit, dass das Mitglied der ESchK, das die Begutachtung vornehmen könnte, gemäss Art. 22 lit. b
SR 711 Bundesgesetz vom 20. Juni 1930 über die Enteignung (EntG) EntG Art. 62 - Die Mitglieder der Schätzungskommissionen unterstehen den für den Ausstand von Mitgliedern des Bundesverwaltungsgerichts geltenden Regeln.63 Über den Ausstand entscheidet im Streitfall die Schätzungskommission als erste Instanz unter Ausschluss der betroffenen Mitglieder. |
2. Obwohl auf die Beschwerde nicht einzutreten ist, erscheint die dem Bundesgericht durch sie zur Kenntnis gelangte Begründung des angefochtenen Entscheids als so abwegig, dass es angezeigt ist, aufgrund der dem Bundesgericht nach Art. 63
SR 711 Bundesgesetz vom 20. Juni 1930 über die Enteignung (EntG) EntG Art. 63 - Das Bundesverwaltungsgericht hat die folgenden Aufgaben und Befugnisse: |
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a | Es beaufsichtigt die administrative Geschäftsführung der Schätzungskommissionen und ihrer Präsidenten. |
b | Es kann vom Präsidenten und den Kommissionen einzelne oder wiederkehrende Berichte einfordern. |
c | Es erfüllt die Aufgaben nach den Artikeln 59ter und 59quater. |
d | Es ist zuständig für die Ausrichtung der Entschädigungen beziehungsweise Entlöhnung an die Mitglieder der Schätzungskommissionen sowie an das Personal ihrer Sekretariate. |
BGE 96 I 292 S. 296
ausnahmsweise nicht zutrifft, sind besondere Sachverständige beizuziehen (Art. 47 Abs. 2 VO für die eidg. Schätzungskommissionen). Die Beachtung dieses Grundsatzes ist vor allem deshalb wichtig, weil der Beizug von aussenstehenden Sachverständigen regelmässig zu einer Verzögerung des Verfahrens führt, die eben dadurch vermieden werden kann und soll, dass aus den zur Auswahl stehenden Mitgliedern und Ersatzmänner der Schätzungskommissionen die geeignetsten beigezogen werden. Die Tätigkeit der sachverständigen Mitglieder der Schätzungskommissionen stellt einen Beitrag zur Urteilsfindung dar, und zwar auch insoweit, als diese Mitglieder mit der Vorprüfung von Fragen betraut werden und den Schätzungskommissionen hierüber schriftlich Bericht erstatten. Die ESchK hat daher Sinn und Zweck der gesetzlichen Ordnung verkannt, wenn sie den von ihr offenbar zu Recht als sachverständig betrachteten Ersatzmann W. Zimmer gerade deshalb nicht beauftragte, inbezug auf die Liegenschaft Senn die erforderlichen Feststellungen zu treffen und der ESchK Vorschläge für die Schätzung zu unterbreiten, weil er nachher in Ausstand zu treten hätte. Von einer solchen Ausstandspflicht kann keine Rede sein. Wer als Mitglied einer Behörde dieser Bericht erstattet, hat nicht im Sinne von Art. 22 lit. b
SR 711 Bundesgesetz vom 20. Juni 1930 über die Enteignung (EntG) EntG Art. 62 - Die Mitglieder der Schätzungskommissionen unterstehen den für den Ausstand von Mitgliedern des Bundesverwaltungsgerichts geltenden Regeln.63 Über den Ausstand entscheidet im Streitfall die Schätzungskommission als erste Instanz unter Ausschluss der betroffenen Mitglieder. |
Dispositiv
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Auf die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird nicht eingetreten.