95 II 55
9. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung i.S. Benelli gegen Crédit Suisse vom 18. März 1969.
Regeste (de):
- Art. 27 Abs. 2 ZGB. Diese Vorschrift besagt nicht, jede Verpflichtung sei unsittlich, welche die wirtschaftliche Existenz des Schuldners gefährde (Präzisierung der Rechtsprechung).
- Art. 20
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 20 - 1 Ein Vertrag, der einen unmöglichen oder widerrechtlichen Inhalt hat oder gegen die guten Sitten verstösst, ist nichtig.
1 Ein Vertrag, der einen unmöglichen oder widerrechtlichen Inhalt hat oder gegen die guten Sitten verstösst, ist nichtig. 2 Betrifft aber der Mangel bloss einzelne Teile des Vertrages, so sind nur diese nichtig, sobald nicht anzunehmen ist, dass er ohne den nichtigen Teil überhaupt nicht geschlossen worden wäre.
Regeste (fr):
- Art. 27 al. 2 CC. Cette disposition ne signifie pas que toute obligation mettant en danger l'existence économique du débiteur soit contraire aux moeurs (précision apportée à la jurisprudence).
- Art. 20 CO. Le point de savoir si un contrat est contraire aux moeurs se juge d'après son contenu et non pas d'après les moyens dont le débiteur dispose pour l'exécuter.
Regesto (it):
- Art. 27 cpv. 2 CC. Questa disposizione non significa che ogni obbligazione atta a mettere in pericolo l'esistenza economica del debitore sia contraria alla morale (precisazione della giurisprudenza).
- Art. 20 CO. Il quesito di sapere se un contratto è contrario ai buoni costumi si giudica secondo il contenuto del contratto medesimo, non secondo i mezzi di cui il debitore dipone per eseguirlo.
Sachverhalt ab Seite 56
BGE 95 II 55 S. 56
A.- Marcel Ruscio kaufte im Jahre 1961 die Geschäftseinrichtungen und Waren der Metzgerei des August Crausaz in Martigny-Bourg und trat in den zwischen Crausaz und Léonard Gianadda bestehenden Mietvertrag über die Geschäftsräume ein. Um das Geschäft übernehmen zu können, ersuchte er die Banque Populaire de Martigny SA um einen Konto-Korrent-Kredit von Fr. 70'000.--, wobei er dem Vizedirektor der Bank, Georges Tissières, erklärte, sein Schwiegervater, John Benelli in Gamsen bei Brig, sei bereit, bis zu einem um 20% höheren Betrage Bürgschaft zu leisten. Ruscio war von Advokat Paccolat beraten. Dieser holte auf der Bank die Kreditformulare und brachte sie Notar Edouard Morand in Martigny-Ville, der den Kreditvertrag samt Bürgschaft öffentlich beurkunden sollte. Die Beurkundung fand am 22. Februar 1961 statt. Ausser Notar Morand, Ruscio, den Eheleuten Benelli und Crausaz waren auch Paccolat und Gianadda anwesend. Der in französischer Sprache abgefasste "Acte de crédit" wurde von Benelli als Solidarbürge unterzeichnet, wobei der Höchstbetrag seiner Haftung mit Fr. 84'000.-- angegeben wurde und Frau Benelli zustimmte. Crausaz unterzeichnete für den gleichen Betrag als "certificateur de caution", d.h. als Nachbürge. Die Aktiven der Banque Populaire de Martigny SA gingen in der Folge auf die Schweizerische Kreditanstalt über. Da Ruscio am 3. August 1966 eine Nachlassstundung gewährt wurde, die am 14. Dezember 1966 mit der Verwerfung des Nachlassvertrages endete, belangte die Kreditanstalt Benelli für einen ungedeckten Saldo der verbürgten Kreditschuld von Fr. 60'000.-- nebst Zins zu 5% seit 1. Juli 1966.
B.- Das Kantonsgericht Wallis, vor dem Benelli seine Bürgschaftserklärung wegen absichtlicher Täuschung, Irrtums und Verstosses gegen Art. 27 ZBG als unverbindlich erachtete, hiess die Klage der Schweizerischen Kreditanstalt am 20./21. November 1968 gut.
BGE 95 II 55 S. 57
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
Der Beklagte leitet aus Art. 27 Abs. 2
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 27 - 1 Auf die Rechts- und Handlungsfähigkeit kann niemand ganz oder zum Teil verzichten. |
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1 | Auf die Rechts- und Handlungsfähigkeit kann niemand ganz oder zum Teil verzichten. |
2 | Niemand kann sich seiner Freiheit entäussern oder sich in ihrem Gebrauch in einem das Recht oder die Sittlichkeit verletzenden Grade beschränken. |
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 27 - 1 Auf die Rechts- und Handlungsfähigkeit kann niemand ganz oder zum Teil verzichten. |
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1 | Auf die Rechts- und Handlungsfähigkeit kann niemand ganz oder zum Teil verzichten. |
2 | Niemand kann sich seiner Freiheit entäussern oder sich in ihrem Gebrauch in einem das Recht oder die Sittlichkeit verletzenden Grade beschränken. |
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 27 - 1 Auf die Rechts- und Handlungsfähigkeit kann niemand ganz oder zum Teil verzichten. |
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1 | Auf die Rechts- und Handlungsfähigkeit kann niemand ganz oder zum Teil verzichten. |
2 | Niemand kann sich seiner Freiheit entäussern oder sich in ihrem Gebrauch in einem das Recht oder die Sittlichkeit verletzenden Grade beschränken. |
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 27 - 1 Auf die Rechts- und Handlungsfähigkeit kann niemand ganz oder zum Teil verzichten. |
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1 | Auf die Rechts- und Handlungsfähigkeit kann niemand ganz oder zum Teil verzichten. |
2 | Niemand kann sich seiner Freiheit entäussern oder sich in ihrem Gebrauch in einem das Recht oder die Sittlichkeit verletzenden Grade beschränken. |
BGE 95 II 55 S. 58
nicht dagegen sagen, in welchem Ausmass vertragliche Bindungen anderer Art, besonders Versprechen auf Zahlung von Geld, zulässig seien. Art. 27 Abs. 2
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 27 - 1 Auf die Rechts- und Handlungsfähigkeit kann niemand ganz oder zum Teil verzichten. |
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1 | Auf die Rechts- und Handlungsfähigkeit kann niemand ganz oder zum Teil verzichten. |
2 | Niemand kann sich seiner Freiheit entäussern oder sich in ihrem Gebrauch in einem das Recht oder die Sittlichkeit verletzenden Grade beschränken. |
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 27 - 1 Auf die Rechts- und Handlungsfähigkeit kann niemand ganz oder zum Teil verzichten. |
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1 | Auf die Rechts- und Handlungsfähigkeit kann niemand ganz oder zum Teil verzichten. |
2 | Niemand kann sich seiner Freiheit entäussern oder sich in ihrem Gebrauch in einem das Recht oder die Sittlichkeit verletzenden Grade beschränken. |
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag OR Art. 21 - 1 Wird ein offenbares Missverhältnis zwischen der Leistung und der Gegenleistung durch einen Vertrag begründet, dessen Abschluss von dem einen Teil durch Ausbeutung der Notlage, der Unerfahrenheit oder des Leichtsinns des andern herbeigeführt worden ist, so kann der Verletzte innerhalb Jahresfrist erklären, dass er den Vertrag nicht halte, und das schon Geleistete zurückverlangen. |
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1 | Wird ein offenbares Missverhältnis zwischen der Leistung und der Gegenleistung durch einen Vertrag begründet, dessen Abschluss von dem einen Teil durch Ausbeutung der Notlage, der Unerfahrenheit oder des Leichtsinns des andern herbeigeführt worden ist, so kann der Verletzte innerhalb Jahresfrist erklären, dass er den Vertrag nicht halte, und das schon Geleistete zurückverlangen. |
2 | Die Jahresfrist beginnt mit dem Abschluss des Vertrages. |
Auch verstösst die Bürgschaft des Beklagten nicht im Sinne des Art. 20
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag OR Art. 20 - 1 Ein Vertrag, der einen unmöglichen oder widerrechtlichen Inhalt hat oder gegen die guten Sitten verstösst, ist nichtig. |
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1 | Ein Vertrag, der einen unmöglichen oder widerrechtlichen Inhalt hat oder gegen die guten Sitten verstösst, ist nichtig. |
2 | Betrifft aber der Mangel bloss einzelne Teile des Vertrages, so sind nur diese nichtig, sobald nicht anzunehmen ist, dass er ohne den nichtigen Teil überhaupt nicht geschlossen worden wäre. |
BGE 95 II 55 S. 59
und Führung eines Geschäftes zu ermöglichen. Der Gegenwert für die Hauptschuld war in der Form des zu eröffnenden Bankkredites vorhanden. Es war nicht vorauszusehen, dass die in das Geschäft zu steckenden Mittel verloren gehen würden. Das Geschäft war gegenteils vielversprechend. Wie das Kantonsgericht feststellt, schien Ruscio als Metzgermeister geschäftstüchtig zu sein und hatte vorerst während einiger Jahre der Hochkonjunktur ein blühendes Geschäft mit verschiedenen Filialen. Erst die Massnahmen zur Bekämpfung der überspitzten Konjunktur, denen zufolge die Arbeiten auf den Baustellen zurückgingen, brachten ihn in finanzielle Schwierigkeiten. Diese Entwicklung kann die Bürgschaft des Beklagten nicht unsittlich machen. Jede Bürgschaft birgt die Gefahr, dass der Bürge einmal belangt werden könnte. Der Beklagte verstiess nicht gegen die guten Sitten, indem er sich ihr aussetzte, umso weniger, als er dadurch seinem Schwiegersohn und mittelbar seiner Tochter, die von ihm nach ethischen Grundsätzen Hilfe erwarten durften, einen Dienst erwies. Gewiss mag eine Bürgschaft für Fr. 84'000.-- die Leistungsfähigkeit des Beklagten überstiegen haben. Darauf kann aber auch schon deshalb nichts ankommen, weil der Beklagte nur für Fr. 60'000.-- nebst Zins belangt wird. Er ist Eigentümer einer unbelasteten Wohnung im Werte von etwa Fr. 50'000.-- und verfügt über eine bescheidene Rente zu seinem Lebensunterhalt. Er wird einen wesentlichen Teil der Bürgschaft erfüllen können.