denn auch, man habe es mit einer solchen Klage zu tun. Diese Behauptung
geht aber offensichtlich fehl. Es handelt sich um eine eigentliche
Konventionalstrafe, wobei die Parteien sich über die Höhe des zu
ersetzenden Schadens von vornherein geeinigt haben. Die Konventionalstrafe
ist auch dann verfallen, wenn dem Gläubiger ein Schaden nicht erwachsen
ist, Art. 180 aOR, sobald nur die Voraussetzungen erfüllt sind, an
welche die Parteien ihren Eintritt geknüpft haben. Diese Voraussetzungen
(Vertragsbruch und dahen'ge vorzeitige Auflösung des Vertrages)
sind hier gegeben. Entscheidend für die Frage der Herabsetzung ist das
Verhältnis der Konventionelstrafe zu dem durch sie zu befriedigenden
Interesse, vergl. Praxis 2 S. 243. lm vorliegenden Fall ist nun
ein Missverhältnis zwischen der Höhe der Konventionalstrafe und dem
bedeutenden Interesse, das der Beklagte an der korrekten Erfüllung des
Vertrages durch die Kläger hatte, nicht ersichtlich.
Da der Vertrag die Kläger auf 10 Jahre vom 1. Juli 1908 an hand und der
Vertragsbruch Ende Dezember 1911 erfolgt ist, käme für die Berechnung
der Konventionalstrafe ein Zeitraum von 41/2 Jahren in Betracht, wenn
der Beklagte seinen Anspruch nicht selber vor den kantonalen Instanzen
auf 4% Jahre, d. h. von 13,500 Fr. auf 12,750 Fr. reduziert hätte,
was das Kantonsgericht übersehen hat. Indessen kommt diesem Umstande
praktische Bedeutung im Endergebnis nicht zu. Denn die Gegenforderung
des Beklagten, die sich zusammensetzt aus der Konventionalstrafe von
12,750 Fr. und dem Fakturaguthaben im anerkannten Minimalbetrage von
4407 Fr. 50 Cts. übersteigt auch dann den eingeklagten Betrag, abzüglich
des unbegründeten Anspruchs auf Bezahlung einer Konventionalstrafe durch
den Beklagten.
5. sonach ist die Klage gänzlich abzuweisen, ohne dass die vom Beklagten
hestrittene Klageforderung 2 auf ihre Begründetheit untersucht und
ohne dass auf die Rechnungsdifferenzen hinsichtlich der Klageforderung
1Obligatio nenrecht. N° 42. 233
und des Fakturaguthabens des Beklagten eingetreten zu werden braucht. ·
Demnach hat das Bundesgericht erkannt:
Die Berufung wird abgewiesen und das Urteil des Kantonsgerichts St. Gallen
vom 5. Januar 1914 bestätigt.
42. Urteil der I. Zivilabteilung vom 21. März 1914 i. S. A.-G..Haekerbräu
München, Klägerin, gegen Bauer, Beklagten.
BierlieÎe rssungsverpflichtung stütdie Dauer von 15 Jahren. _
S-chade mars-at z klage der Bia-ner ei wegen Verletzung dieser
Verpflichtung. EinredeweiseAnfechtung des Vertrages durch den Beklagten
auf Grund der Art. 2
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 2 - 1 Jedermann hat in der Ausübung seiner Rechte und in der Erfüllung seiner Pflichten nach Treu und Glauben zu handeln. |
|
1 | Jedermann hat in der Ausübung seiner Rechte und in der Erfüllung seiner Pflichten nach Treu und Glauben zu handeln. |
2 | Der offenbare Missbrauch eines Rechtes findet keinen Rechtsschutz. |
Hinsicht. Verhältnis der Art . 20 und 27 cit. und des Art. 17
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag OR Art. 17 - Ein Schuldbekenntnis ist gültig auch ohne die Angabe eines Verpflichtungsgrundes. |
zu einander in Hinsicht auf den Rechtsbegrifi des e Unsittlichen
. Die zehnjàh-rîge Frist (des Art.-351 OR ist nicht analog auf andere
Vertragsverhältnis-se anwendbar. Frage, ob eine Normalfrist für die
sitt-lich zulässige Höchstdauer vez-tra glicher Bindung bestehe. Anwendung
von. Art20 Ab s . .2 auf den gegebenen Fall, Schadensw ärdigung. Ku
mulsiative K an ven t ionals tr aîe : Ihre Zulässigkeit unter dem Îrfihem
und dem rev. OR. '
1. Der Beklagte, Wilhelm Bauer, hat Ende 1904 die altbekannte Wirtschaft
zum Metzgerbräu an der Beatengasse in Zürich I vom bisherigen Eigentümer
Guichard zum Weiterbetrieb käuflich erworben. Am 13. Dezember d. J. wurde
ihm die Liegenschaft zugefertigt. Vorher, am 5. November 1904, ging
er gegenüber der Klägerin, der A. G. Hackerbräu in München, folgende
Verpflichtung ein: Ich verpflichte mich hiermit, vom Tage des Kaufes
ab des nachgenannten Anwesens durch mich auf die Dauer von 15 Jahren
d. h. bis zum 1. Ok-
234 Obligationenrecht. N° 42.
tober 1919 meinen gesamten Bierhedarf für das von mir zu erwerbende
Restaurant zum Metzgerbräu in Zürich ausschliesslich ununterbrochen von
der A.-G. Hacker brau In München, resp. von deren Zürcher Vertreter
nach der jeweiligen Bestimmung der Hackerbrauerei zu dem Preise von
34 Fr. für Braunbier und 36 Fr. 50 Cts. für Hackerbräu Pilsener pro
Hektoliter zu be ziehen und die vorgenannte Wirtschaft und Hotelbe trieb
persönlich mit meiner Frau auszuüben ..... Ich verpflichte mich ferner,
ausser dem vorgenannten Ge schäfte für die Dauer dieser Vereinbarung
kein anderes (Efeschàft zu betreiben, noch betreiben zu lassen und
eine Verpachtung des Metzgerbräu oder Wirtschafts fuhmng durch Dritte
nur mit Genehmigung der A..-G Hackerbräu in München vorzunehmen. Falls
ich gegen die vorstehend eingegangenen Verpflichtungen verstosse, so
verfalle ich in eine Konventionalstrafe von 5000 Fr. unbeschadet der
sonstigen Ansprüche derA.-G Hackerbräu an mich. . In einem Nachtrag
vom 15. November 1904 verpflichtete sich der Beklagte überdies,
vorstehende Bedingungen . seinem Rechtsnachfolger zu über-binden Laut
dem Fertigungsakt erging der Kauf nm 420,000 Fr., während sich der
amtliche Schätzungswert der Liegenschaft nur auf 380,000 Fr. belief. An
den Kaufpreis bezahlte der Beklagte 78,549 Fr. 50 Cis... bar ab ; der
Rest blieb hypothekarisch stehen. Das eigene Vermiigen des Beklagten
betrug damals nur 10,000 Fr. Um die Kaufpreisanzahlung machen zu können,
erhielt er von der Klägerin ein Darlehen von 80,000 Fr., das durch die
Liegenschaft zum Metzger-dran durch Errichtung eines sohuldbriefes vom
13. Dezember 1904 hypothekarisch gesichert wurde. Es sollte jährlich
mit 5 % verzinst und auf eine sechsmonatliche, beiderseits erst vom
1. Oktober 1919 an zulässige Kündigung zurückbezahlt werden. Unbeschadet
dieser Kündigungsbestimmung war die Darlehensschuld sukzessive in der
Weise zu amorti-Obligationenrecht. N° 42. 235
sieren, dass der Schuldner für jeden Hektoliter von der Klägerin
bezogenen Bieres drei Franken über den vereinbarten Preis hinaus
bezahlen, mindestens aber halbjährlich 2000 Fr., die genannten Zuschläge
inbegriffen, abtragen sollte. Im ferneren räumte der Schuldbrief der
Klägerin für gewisse Fälle, das Recht zur sofortigen Rückforderung des
noch ausständigen Schuldbetrages ein .....
Bis zum 15. Juli 1913 hielt sich der Beklagte an die vereinbarte
Bierbezugsverpflichtung. Von da an aber begann er den Ausschank eines
andern Bieres, nachdem er die Klägerin-hievon ohne Angabe eines Grundes
benachrichtigt und sie ersucht hatte, ihm eine Aufstellung seiner
Verbindlichkeiten auf jenen Tag zukommen zu lassen. In der Folge zahlte
er der Klägerin ihr Restguthaben, 47,774 Fr. 45 Cts. gegen Aushändigung
des Schuldbriefes zurück, worüber die Klägerin unter Vorbehalt ihrer
Rechte quittierte.
Mit der vorliegenden Klage verlangt nun die Klägerin vom Beklagten
wegen Verletzung der übernommenen Bierbezugsverpflichtung Bezahlung
der Konventionalstrafe von 5000 Fr. und einer schadenersatzsumme
von 75,000 Fr., beides mit Zins zu 5 % seit der Klageeinleitung
(11. September 1913). sie macht geltend, dass sie bis zum Ablauf der
Vertragsdauer, dem 1.0ktober 1919, nach den bisherigen Bezügen im ganzen
noch 15,210Hektoliter hätte liefern können, mit einem Reingewinn von
mindestens 5 Fr. den Hektoliter, sodass ihr ein Nettoverdienst von
76,050 Fr. entgangen sei; nach Abzug von 1050 Fr. für Zinsvergütung
usw. verbleibe die eingeklagte Schadenssumme. Der Beklagte hat Abweisung
der Klage beantragt mit der Begründung, das streitige Vertragsverhältnis
sei nach den Art. 20
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag OR Art. 20 - 1 Ein Vertrag, der einen unmöglichen oder widerrechtlichen Inhalt hat oder gegen die guten Sitten verstösst, ist nichtig. |
|
1 | Ein Vertrag, der einen unmöglichen oder widerrechtlichen Inhalt hat oder gegen die guten Sitten verstösst, ist nichtig. |
2 | Betrifft aber der Mangel bloss einzelne Teile des Vertrages, so sind nur diese nichtig, sobald nicht anzunehmen ist, dass er ohne den nichtigen Teil überhaupt nicht geschlossen worden wäre. |
Persönlichkeit in einem die Sittlichkeit verletzenden Grade heschränke,
nämlich durch die lange Dauer der übernommenen Bezugsverpflichtung und
die damit verbundenen andern,
236 Obligationenrecht. N° 42.
für ihn sehr onerösen Verpflichtungen. Eventuell hat der Beklagte die
eingeklagte Schadenersatzforderung als solche, überhaupt und ihrer Höhe
nach, bestritten und geltend gemacht, der Konventionalstrafbetrag sei an
den anfällig geschuldeten Schadenersatz anzurechnen. Die Vorinstanz hat
die Klage durch Urteil vom 12.Dezember 1913 für insgesamt 40,000 Fr. mit
entsprechendem Verzugszins geschützt. Demgegenüber verlangt die Klägerin
in der Berufungsinstanz Erhöhung der Schadenssumme auf 60,000 Fr. und
gesonderten Zuspruch des Konventionalstrafbetrages, während der Beklagte
sein Begehren auf Abweisung der Klage erneuert und eventuell Rückweisung
der Sache an die Vorinstanz zur Aktenvervollständigung anbegehrt.
2. Die hundesgerichtliche Zuständigkeit ist gegeben. Namentlich beurteilen
sich die streitigen Vertragsbeziehungen nach schweizerischem Recht:
Für die Anfechtung desVertrages wegen übermässiger Einschränkung der
persönlichen Freiheit gilt das schau deshalb, weil es sich hier um
eine Frage der öffentlichen Ordnung und der Sittlichkeit handelt, die
der Richter selbst dann nach der inländischen Gesetzgebung entscheiden
muss, wenn im übrigen das Rechtsverhältnis dem ausländischen Rechte
unterstände. Hinsichtlich der Schadenersatzund Konventionalstrafiordemng
aber,. deren Begründetheit im Falle der Gültigkeit'des Vertrages zu
prüfen ist,_ greift das schweizerische Recht deshalb Platz, weil hier
die Folgen der Nichterfüllung von Verpflichtungen des Beklagten streitig
sind, denen dieser in der Schweiz zu genügen hatte.
3. Trotzdem der Vertrag unter dem aOR abgeschlossen wurde, ist nicht
dieses, namentlich dessenArt. 17, für die Klage auf Nichtigkeit des
Vertrag es vom 5. November 1904; massgebend, sondern laut Art. 2
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 2 - 1 Jedermann hat in der Ausübung seiner Rechte und in der Erfüllung seiner Pflichten nach Treu und Glauben zu handeln. |
|
1 | Jedermann hat in der Ausübung seiner Rechte und in der Erfüllung seiner Pflichten nach Treu und Glauben zu handeln. |
2 | Der offenbare Missbrauch eines Rechtes findet keinen Rechtsschutz. |
ZGB das neue Recht. Anzuwenden sind somit der Art. 20
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag OR Art. 20 - 1 Ein Vertrag, der einen unmöglichen oder widerrechtlichen Inhalt hat oder gegen die guten Sitten verstösst, ist nichtig. |
|
1 | Ein Vertrag, der einen unmöglichen oder widerrechtlichen Inhalt hat oder gegen die guten Sitten verstösst, ist nichtig. |
2 | Betrifft aber der Mangel bloss einzelne Teile des Vertrages, so sind nur diese nichtig, sobald nicht anzunehmen ist, dass er ohne den nichtigen Teil überhaupt nicht geschlossen worden wäre. |
Art. 27
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 27 - 1 Auf die Rechts- und Handlungsfähigkeit kann niemand ganz oder zum Teil verzichten. |
|
1 | Auf die Rechts- und Handlungsfähigkeit kann niemand ganz oder zum Teil verzichten. |
2 | Niemand kann sich seiner Freiheit entäussern oder sich in ihrem Gebrauch in einem das Recht oder die Sittlichkeit verletzenden Grade beschränken. |
Be-Ohligationenrecht. N° 42. 237
klagte die behauptete Unsittlichkeit des Vertrages vor allem in einer
übermässigen Beschränkung seiner persönlichen Freiheit erhlickt. Der
Beklagte hat freilich als weitere Normen, die für den Fall von
Bedeutung sein sollen, noch den Art. 351
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag OR Art. 351 - Durch den Heimarbeitsvertrag verpflichtet sich der Heimarbeitnehmer218, in seiner Wohnung oder in einem andern, von ihm bestimmten Arbeitsraum allein oder mit Familienangehörigen Arbeiten im Lohn für den Arbeitgeber auszuführen. |
sowie Art. 681 Abs. 3
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 681 - 1 Gesetzliche Vorkaufsrechte können auch bei der Zwangsversteigerung ausgeübt werden, aber nur an der Steigerung selbst und zu den Bedingungen, zu welchen das Grundstück dem Ersteigerer zugeschlagen wird; im übrigen können die gesetzlichen Vorkaufsrechte unter den Voraussetzungen geltend gemacht werden, die für die vertraglichen Vorkaufsrechte gelten. |
|
1 | Gesetzliche Vorkaufsrechte können auch bei der Zwangsversteigerung ausgeübt werden, aber nur an der Steigerung selbst und zu den Bedingungen, zu welchen das Grundstück dem Ersteigerer zugeschlagen wird; im übrigen können die gesetzlichen Vorkaufsrechte unter den Voraussetzungen geltend gemacht werden, die für die vertraglichen Vorkaufsrechte gelten. |
2 | Das Vorkaufsrecht entfällt, wenn das Grundstück an eine Person veräussert wird, der ein Vorkaufsrecht im gleichen oder in einem vorderen Rang zusteht. |
3 | Gesetzliche Vorkaufsrechte können weder vererbt noch abgetreten werden. Sie gehen den vertraglichen Vorkaufsrechten vor. |
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 683 |
Rückkaufsrecht genannt. Allein er behauptet nicht, jedenfalls nicht mehr
vor Bundesgericht, dass dieseBestimmungen als R e chtsvorschriften auf
das vorliegende Vertragsverhältnis, das aus verschiedenen Bestandteilen,
namentlich einer Bierbezugsverpflichtung und einem Darlehensvertrag
kombiniert ist, analog anwendbar seien. In der Tat liesse sich einer
solchen Auffassung nicht beipflichten .: namentlich stellt der Art. 351
eine Sonderbestimmung für den Dienstvertrag auf, die im individuellen
Charakter dieser Vertragsart begründet ist. Auf alle jene dreiBestimmungen
beruft sich der Beklagte vielmehr in dem Sinne, dass sie Ausfluss
einer der schweizerischen Gesetzgebung zu Grunde liegenden allgemeinen
Anschauung seien, wonach vertragliche Bindungen über 10 Jahre hinaus als
unsittlich gelten. Dieser Standpunkt läuft also auf eine Anfechtung des
Vertrages wegen Unsittlichkeit, nicht wegen Widerrechtlichkeit, hinaus
und damit auf eine Anrufung der Art. 20
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag OR Art. 20 - 1 Ein Vertrag, der einen unmöglichen oder widerrechtlichen Inhalt hat oder gegen die guten Sitten verstösst, ist nichtig. |
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1 | Ein Vertrag, der einen unmöglichen oder widerrechtlichen Inhalt hat oder gegen die guten Sitten verstösst, ist nichtig. |
2 | Betrifft aber der Mangel bloss einzelne Teile des Vertrages, so sind nur diese nichtig, sobald nicht anzunehmen ist, dass er ohne den nichtigen Teil überhaupt nicht geschlossen worden wäre. |
4. Unrichtig ist es und der ständigen Rechtsprechung zuwiderlaufend
(vergl. BE 20 610, 29 II 127, 30 II 4163, 33 II 430, WEISS, Berufung,
S. 176), wenn der Vertreter des Klägers heute behauptet hat, die Frage der
Unsittlichkeit eines Vertragsverhältnisses sei keine Rechtsfrage und daher
das Bundesgericht zur Nachprüfung der ihr von den kantonalen Instanzen
gegebenen Lösung unzuständig. Die Begriffe des Unsittliohen und des ss
gegen die guten Sitten Verstossenden werden dadurch, dass sie in die
genannten Gesetzesbestimmungen aufgenommen sind, zu Rechtsbegriffen,
indem bei der Anwendung der Bestimmungen zu prüfen ist, welchen
238 Obligationenrecht. N° 42.
Inhalt und Umfang sie ihnen geben wollen (vergl.EGGEn, Kommentar zum
Personenrecht Art. 27, V 5 a; OSER, Kommentar zum OR, Art. 20, IV, 1,
b). Daran ändert auch nichts, dass der Richter bei Feststellung dieser
Begriffe sachlich auf Fragen zurückgehen muss, die dem Gebiete der Moral
und nicht des Rechtes angehören.
5. Auf Grund des Gesagten ist zunächst zu be-.
merken, dass der Ausdruck gegen die guten Sitten verstossend in Art. 20
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag OR Art. 20 - 1 Ein Vertrag, der einen unmöglichen oder widerrechtlichen Inhalt hat oder gegen die guten Sitten verstösst, ist nichtig. |
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1 | Ein Vertrag, der einen unmöglichen oder widerrechtlichen Inhalt hat oder gegen die guten Sitten verstösst, ist nichtig. |
2 | Betrifft aber der Mangel bloss einzelne Teile des Vertrages, so sind nur diese nichtig, sobald nicht anzunehmen ist, dass er ohne den nichtigen Teil überhaupt nicht geschlossen worden wäre. |
OR inhaltlich nichts anderes besagen will, als die Ausdrücke unsittlich
des Art. 17
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 17 - Handlungsunfähig sind urteilsunfähige Personen, Minderjährige sowie Personen unter umfassender Beistandschaft. |
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 2 - 1 Jedermann hat in der Ausübung seiner Rechte und in der Erfüllung seiner Pflichten nach Treu und Glauben zu handeln. |
|
1 | Jedermann hat in der Ausübung seiner Rechte und in der Erfüllung seiner Pflichten nach Treu und Glauben zu handeln. |
2 | Der offenbare Missbrauch eines Rechtes findet keinen Rechtsschutz. |
zweifellos hat darüber, was als unsittlich im Rechtssinne gelten müsse,
weder eine Änderung des frühem OR gegenüber dem jetzigen, noch eine
Differenzierung zwischen der Bestimmung des OR und der des ZGB geschaffen
werden wollen. Mithin muss in dieser-Beziehung der Entscheid gleich
ausfallen, ob auf den Art. 20
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag OR Art. 20 - 1 Ein Vertrag, der einen unmöglichen oder widerrechtlichen Inhalt hat oder gegen die guten Sitten verstösst, ist nichtig. |
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1 | Ein Vertrag, der einen unmöglichen oder widerrechtlichen Inhalt hat oder gegen die guten Sitten verstösst, ist nichtig. |
2 | Betrifft aber der Mangel bloss einzelne Teile des Vertrages, so sind nur diese nichtig, sobald nicht anzunehmen ist, dass er ohne den nichtigen Teil überhaupt nicht geschlossen worden wäre. |
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 27 - 1 Auf die Rechts- und Handlungsfähigkeit kann niemand ganz oder zum Teil verzichten. |
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1 | Auf die Rechts- und Handlungsfähigkeit kann niemand ganz oder zum Teil verzichten. |
2 | Niemand kann sich seiner Freiheit entäussern oder sich in ihrem Gebrauch in einem das Recht oder die Sittlichkeit verletzenden Grade beschränken. |
wird. sobald anzunehmen ist, der angefochtene Vertrag habe die Freiheit
des Beklagten nicht entgegen dem Art. 27 in einem die Sittlichkeit
verletzenden Grade beschränkt, so engt er sie auch nicht in einem gegen
Art._20 verstossenden Masse ein. s
6. Eine unzulässige Beschränkung seiner Freiheit will der Beklagte
in der langen Dauer der übernommenen Verpflichtungen sehen. Zur
Begrün-dung hat heute sein Vertreter unter Berufung auf einen Aufsatz
über die Sittlichkeit als Schranke der Vertragsfreiheit , den er in der
schweizerischen Juristenzeitung (1914, 18. Heft) veröffentlicht hatte,
im wesentlichen geltend gemacht, dass es Aufgabe der Rechtssprechung sei,
für die Höchstdauer der sittlich noch zulässigen Vertragsbindung Regeln
aufzustellen. Als Normalfall will er für das schweizerische Recht eine
Frist von 10 Jahren angesehen Wissen, in der Meinung, dass bei besonderen
vertraglichen Verhältnissen und im Einzelfall unter be_ sonderen Umständen
Abweichungen hievon nach oben Obligationenrecht. N° 42. 239
oder unten einzutreten hätten. Zur Begründung stellt
er vor allem ab auf den Art. 12
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 12 - Wer handlungsfähig ist, hat die Fähigkeit, durch seine Handlungen Rechte und Pflichten zu begründen. |
Vorschriften der schweizerischen Gesetzgebung, die eine zehnjährige
Gebundenheit vorsähen, wie namentlich die genannten Art. 351
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag OR Art. 351 - Durch den Heimarbeitsvertrag verpflichtet sich der Heimarbeitnehmer218, in seiner Wohnung oder in einem andern, von ihm bestimmten Arbeitsraum allein oder mit Familienangehörigen Arbeiten im Lohn für den Arbeitgeber auszuführen. |
6813 und 6832 ZGB sowie der Art. 127
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag OR Art. 127 - Mit Ablauf von zehn Jahren verjähren alle Forderungen, für die das Bundeszivilrecht nicht etwas anderes bestimmt. |
eingehenden Prüfung bedarf diese Rechtsauifassung im vorliegenden Falle
nicht. Immerhin ist darauf hinzuweisen, dass die Verschiedenheit der
einzelnen Vertragstypen sowie der konkreten Vertragstatbestände und
besonderen Verhältnisse eines jeden Falles für die Aufstellung einer
solchen Normalzahl wesentliche Schwierigkeiten bieten würden und dass
eine 10 Jahre übersteigende Bindung schon deshaib kaum als regelmässig
unsit tlich gelten könnte, weil andere Gesetzesbestimmungen eine bedeutend
längere Gebundenheit versehen, so der Art.?49 ZGB für die Nutzniessung und
der Art. 7833 für die Grundlast (bei welchen Bestimmungen man es freilich
mit dinglichen Ansprüchen zu tun hat). Unter allen Umständen aber träfe
diese Durchschnittsfrist auf den gegebenen Fall nicht zu und kann der
hier streitige Vertrag trotz seiner auf 15 Jahre sich erstreckenden
Dauer nach der ganzen Sachlage nicht als unsittlich gelten.
Zunächst ist nämlich hervorzuheben, dass die Bierbezugsverpflichtung
als solche die persönliche Freiheit des Beklagten ausschliesslich in
wirtschaftlicher Beziehung beschränkt, nicht aber noch sonstwie daneben,
namentlich nicht in Hinsicht auf die freie Verfügung über die Rechtsgüter
ausserhalb der Vermögensrechtssphäre. In letzterer Beziehung könnte schon
eine geringere oder sogar jede vertragliche Hemmung der persönlichen
Freiheit gegen das sittliche Gefühl verstossen. Auf wirtschaftlichem
Gebiete dagegen bildet die vertragliche Bindung ein normales Mittel zur
Erreichung der vom Einzelnen erstrebten Zwecke und zur Aufrechterhaltung
eines geordneten Gemeinschaktslebens und daher Wird
240 0bügationenteeht., N° 42.
die Beschränkung der wirtschaftlichen Persönlichkeit erst dann zu
einer unsittlichen, wenn sie wesentliche Interessen der Person verletzt,
namentlich die Grundlage ihrer wirtschaftlichen Existenz gefährdet. Sodann
lässt sich hier auch nicht sagen, dass der Beklagte durch die Eingebung
des Vertrages in ein Verhältnis rechtlicher Unterordnung, wie beim
Dienstverhältnis, zu treten hatte, und nach den Akten hat er sich auch
nicht unter dem Druck einer Notlage oder tatsächlicher Abhängigkeit
von der Beklagten zur Übernahme der streitigen Bezugsverpflichtung
entschlossen. Dieser Verpflichtung steht ferner eine Gegenleistung
von bedeutendem Werte gegenüber, die Gewährung eines Darlehens von
hohem Betrage zu angemessenem Zinsfusse, welches Darlehen demBeklagten
dieErwerbung seiner Geschäftsliegenschaft und die Begründung seines
Geschäftes ermöglichte und für das die Klägerin nur zur Hälfte
Deckung aus dem Unterpfande erwarten konnte, sodass sie für die andere
Hälfte einen reinen Personalkredit mit den ihm anhaftenden Risiken
einräumte. Namentlich aber ist darauf zu verweisen, dass sich nach
vorinstanzlicher Feststellung die Abwicklung des Vertragsverhältnisses
wirtschaftlich in einer für den Beklagten durchaus vorteilhaften Weise
gestaltete: Weitentfernt, dass der Vertrag sehäd'igend in die ökonomische
Existenz des Beklagten eingegriffen hätte, ist er vielmehr für diesen
die Grundlage einer erfolgreichen Erwerbstätigkeit geworden u nd'
wenn? also durchjhn der Beklagte seine wirtschaftliche Persönlichkeit
auf lange Zeit hinaus und in weitgehendem Masse gebunden hat, so hat er
damit anderseitsme die Möglichkeit erlangt, sie während dieser Zeit in
gesicherter Weise vorteilhaft zu betätigen. Unter diesen Umständen könnte
er eigentlich höchstens die Frage auf-werfen, oh er nicht während einer
zu langen Frist gehindert werde, seine wirtschaftlichen Fähigkeiten noch
gewinnbringender, als es ihm der Vertrag ermöglicht, auszuüben. Allein
Bestimmtes hierüber hat er weder für die schon abge-Obligationenrecht. N°
42. 241
laufene noch für die spätere Vertragsdauer behauptet und rechtlich lässt
sich, jedenfalls so wie die Sache liegt, in einer solchen Behinderung,
seine ökonomische Stellung zu verbessern, keine gegen Art. 27 verstossende
Beschränkung erblicken.
?. Eine Beschränkung in diesem Sinne liegt aber auch dann nicht vor, wenn
man, wie der Beklagte will die übrigen Verpflichtungen nütberücksiehtigt,
durch die der Vertrag der Freiheit seines Handelns noch weitere Grenzen
gezogen hat. Mit dem Versprechen, Während der Vertragszeit kein anderes
Geschäft zu, betreiben noch betreiben zu lassen , wird dem Beklagten
die geschäftliche Betätigung nur im Wirtschaftsgewerbe, nicht auch
in anderen, für die Konkurrenz ausser Betracht fallenden Branchen
untersagt. Die vertragliche Verhinderung des Beklagten aber, noch durch
einen sonstigen Wirtschaftsbetrieb Gewinn zu erzielen, geht ebenfalls
nicht über das sittlich zulässige Mass hinaus und zwar auch nicht in
Verbindung mit dem Verbote, von jemanden anders als der Klägerin das Bier
zu beziehen. Übrigens kommt der Möglichkeit anderweitiger Betätigung
im Wirtschaftsgewerbe nach der Sachlage kaum praktische Bedeutung zu:
Hat doch der Beklagte selbst im Prozess den Standpunkt eingenommen,
dass schon die Führung des Metzgerbräues seine Arbeitskraft zum Schaden
seiner Gesundheit über Gebühr beanspruche.
Auf die letztere Behauptung stützt er sich nun hauptsachlich, um
darzutun, dass die fernere Verpflichtung, das Metzgerbräu persönlich
mit seiner Frau zu führen, gegen den Art. 27 verstosse, was dann auch
die Bierbezugsverpflichtung, wenn an sich gültig, zu einer unsitth'chen
mache. Hier steht eine Beschränkung nicht der wirtschaftlichen Freiheit
des Beklagten in Frage, son dem eine solche in Beziehung auf die
Möglichkeit, ungehemmt durch äussern Zwang für sein körperliches und
geistiges Wohlbefinden und das seiner Ehefrau Sorge zu tragen. Nun gibt
aber dieser Standpunkt schon in tat -
242 Obligationenrecht. N° 42.
sächlicher Beziehung zu Bedenken Anlass. Bei der Einstellung seiner
Bierbezüge hat sich der Beklagte nicht etwa auf solche gesundheitliche
Gründe berufen, sondern erklärt, er werde mit dem Ausschank eines
andern Bieres beginnen, und er hat auch in der Folge das Metzgerbräu
weiterbetrieben und zwar, wie nicht bestritten wurde, in persönlicher
Weise wie früher. In rechtlicher Hinsicht aber ist, unter Hinweis auf
Art. 202
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag OR Art. 202 - 1 Enthält beim Handel mit Vieh die schriftliche Zusicherung keine Fristbestimmung und handelt es sich nicht um Gewährleistung für Trächtigkeit, so haftet der Verkäufer dem Käufer nur, wenn der Mangel binnen neun Tagen, von der Übergabe oder vom Annahmeverzug an gerechnet, entdeckt und angezeigt wird, und wenn binnen der gleichen Frist bei der zuständigen Behörde die Untersuchung des Tieres durch Sachverständige verlangt wird. |
|
1 | Enthält beim Handel mit Vieh die schriftliche Zusicherung keine Fristbestimmung und handelt es sich nicht um Gewährleistung für Trächtigkeit, so haftet der Verkäufer dem Käufer nur, wenn der Mangel binnen neun Tagen, von der Übergabe oder vom Annahmeverzug an gerechnet, entdeckt und angezeigt wird, und wenn binnen der gleichen Frist bei der zuständigen Behörde die Untersuchung des Tieres durch Sachverständige verlangt wird. |
2 | Das Gutachten der Sachverständigen wird vom Richter nach seinem Ermessen gewürdigt. |
3 | Im Übrigen wird das Verfahren durch eine Verordnung des Bundesrates geregelt. |
allein zu Recht besteht, dann ihre Gültigkeit nicht durch einen Mangel
beeinträchtigt wird, an dem_ allfällig die Verpflichtung zur persönlichen
Führung des Geschäftes leidet. Denn es ist anzunehmen, dass die Parteien
nötigenfalls den Vertrag auch ohne diese Verpflichtung aufzunehmen
abgeschlossen hätten ; hiefür spricht schon der Umstand, dass sie die
Möglichkeit einer Verpachtung des Metzgerbräus vertraglich vorgesehen
haben. Übrigens will wohl die bedungene Pflicht zur persönlichen
Geschäftsführung nicht als eine absolute gelten, sondern so verstanden
sein, dass sie ihre Schranke an dem Unvermögen des Verpflich-teten
findet, ihr ohne Schädigung der Gesundheit zu genügen. Unter Umständen
könnte hiernach der Kläger dem Anspruch auf Erfüllung die Einrede
der Unmöglichkeit der geforderten Leistung entgegenhalten (Art. 119
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag OR Art. 119 - 1 Soweit durch Umstände, die der Schuldner nicht zu verantworten hat, seine Leistung unmöglich geworden ist, gilt die Forderung als erloschen. |
|
1 | Soweit durch Umstände, die der Schuldner nicht zu verantworten hat, seine Leistung unmöglich geworden ist, gilt die Forderung als erloschen. |
2 | Bei zweiseitigen Verträgen haftet der hienach freigewordene Schuldner für die bereits empfangene Gegenleistung aus ungerechtfertigter Bereicherung und verliert die noch nicht erfüllte Gegenforderung. |
3 | Ausgenommen sind die Fälle, in denen die Gefahr nach Gesetzesvorschrift oder nach dem Inhalt des Vertrages vor der Erfüllung auf den Gläubiger übergeht. |
OR). Gerade in Hinsicht auf solche Verhinderungsfälle haben wohl
die Parteien die erwähnte Möglichkeit der Verpachtung im Vertrage
berücksichtigt. Auf die hierüber getroffene Bestimmung beruft sich nun
freilich der Beklagte selbst, soweit sie nämlich der Klägerin das Recht
zur Genehmigung einer pachtweisen Übergabe des Geschäftes an einen Dritten
einräumt. Allein auch dieses Genehmigungsrecht kann nach Art. 202 nicht
für die Ungültigkeit der an sich rechtsbeständigen Bierbezugsverpflichtung
beigezogen werden und für sich bildet es zweifellos keine gegen Art. 27
verstossende Freiheitsbeschränkung.
8. In der Einstellung der Bierhezüge liegt demnachOnngationenrecht. N°
42. 243
ein Vertragsbruch und es ist hiemit die Scha de ne r sa tzpflicht des
Beklagten im Grundsatze gegeben. Bei der Schadensbemessung geht die
Vorinstanz von der, auf die früheren Bezüge sich stützenden Berechnung der
Klägerin aus, wonach diese bis zum Ablaufe der Vertragsdauer noch 15,210
Hektoliter hätte liefern und daran 5 Fr, per Hektoliter, zusammen also
76,050 Fr. verdienen können. Der Beklagte hat hier nur den Gewinnansatz
von 5 Fr. bestritten, ohne aber eine Gegenrechnung aufzustellen. Eine
solche Bestreitung brauchte die Vorinstanz umsoweniger zu berücksichtigen,
als ihr schon aus andern Prozessen bekannt war, dass der Ansatz nicht
zu hoch sei. Mit Recht nimmt sie ferner an, der Schadensbetrag könne
nicht einfach der Gewinnsumme von 76,050 Fr. gleichgestellt werden,
sondern er bemesse sich nach dem Werte, den die Bezugsverpflichtung
des Beklagten beim Vertragsrücktritt für die Klägerin gehabt habe. Von
diesem Standpunkte aus hat sie verschiedene Reduktionsgründe in Betracht
gezogen, nämlich: dass die Klägerin im gleichen Quartier, wie das
Metzgerbr'au, einen andern Ausschank ihres Bieres habe eröffnen können
und dies tatsächlich auch durch Eröffnung der Glarner Stube getan habe,
dass mit der Möglichkeit des Todes oder der Erkrankung des Beklagten
zu rechnen gewesen sei sowie mit dem Rückgang des Bierkonsums und der
steigenden Beliebtheit des Pilsenergegenüber dem bayrischen Biere, dass
im Wirtschaftsgewerbe eine allgemeine Konkurrenz bestehe, die sich für
das Metzgerbräu z.B. durch das in der Nähe errichtete grosse Restaurant
Du Pont fühlbar mache, und dass endlich der Vorteil der Kapitalabfindung
einen erheblichen Abzug rechtfertige. Unter Berücksichtigung alles
dessen erachtet sie auf Grund ihres freien richterlichen Ermessens eine
schadenersatzsumme von 40,000 Fr. als den Verhältnissen entsprechend.
Gegen diese Würdigung lässt sich bundesrechtlich nichts einwenden,
weder was die Erheblichkeit der einzelnen
AS 4011 _ 1914 n
244 Obligationenrecht. N° 42.
Reduktionsfaktoren als solcher noch was deren quantitative Bedeutung
anlangt. Mit Unrecht namentlich hat die Klägerin behauptet, die Eröffnung
der Glarner Stube müsse ausser Betracht bleiben, weil sie auch bei einer
Fortsetzung des Vertragsverhältnisses daselbst einen Ausschank ihres
Bieres hätte eröffnen können. In diesem Falle würde sie aber ihrem eigenen
Bierabsatz auf dem Metzgerbräu Konkurrenz gemacht haben und mit Recht hält
daher die-Vorinstanz dafür, dass die Klägerin einen solchen Schritt schon
im eigenen Interesse nicht unternommen hätte. Zudem lässt sich fragen, ob
sie sich nicht auch durch Erwägungen rechtlicher oder moralischer Natur
von der damit verbundenen Schädigung der Interessen des Beklagten hätte
abhalten lassen. Unstichhaltig ist auch ihre Behauptung, die Möglichkeit
eines vorzeitigen Todes des Beklagten dürfe nicht als Reduk'tionsgrund
gelten. Es mag zwar dahingestellt bleiben, ob die Vertragsbestimmung,
wonach der Beklagte die Bezugsverpflichtung seinen Rechtsnachfolgern
über-binden muss, auch für die Erbfolge gelte oder ob die Verpflichtung
mit dem Tode des Beklagten erlöschen würde. Jedenfalls aber hätte der
Todesfall eine gewisse Störung im Vollzuge des Vertrages nach sich ziehen
müssen. Übrigens handelt es sich hier um einen mehr nebensächlichen Punkt
und wenn die Vorinstanz hierauf etwas zu viel Gewicht gelegt hat, so
gleicht sich das dadurch aus, dass andererseits auch noch die Möglichkeit
einer infolge Brandes entstehenden Unterbrechung des Geschäftsbetriebes
ins Auge zu fassen ist. Alle anderen Punkte, in denen die Parteien
die vorinstanzliche Schadenswürdigung'bemängelt haben, betreffen die
Würdigung rein tatsächlicher, im besonderen lokaler Verhältnisse, und
unterstehen also keiner Nachprüfung durch das Bundesgericht.
9. Die vertragliche Konventionalstrafe von 5000 Fr. wird von der
Vorinstanz an den Schadenersatzbetrag von 40,000 Fr. angerechnet mit
der Be-Obligationenreoht. N° 42. 245
gründung: Der Vorbehalt im Vertrage, wonach die-Konventionalstrafe
unbeschadet der sonstigen Anspruche der Klägerin verfalle, wolle
nur eine den Strafbetrag übersteigende Schadenersatzforderung wahren,
nicht das Verhältnis zwischen Strafe und Schaden, wie es für diesen Fall
Art. 1612 rev. OR (= 180I aOR) vorsehe, abändern. Hienach aber könne
der Gläubiger den Mehrhetrag fiber die straksumme hinaus einfordern,
womit ImpllClte eine Anrechnung der Strafe statuiert werde. . _
Diese Auffassung beruht zunächst auf einer unrichtigen Auslegung der
vertraglichen Strafbestimmung: Wenn die Konventionalstrafe unbeschadet
der Schadenersatzansprüche verfallen soll, so kann dies nur besagen,
dass sie die Rechte der Klägerin auf Ersatz des entstandenen Schadens
unbeeinträchtigt ( unbeschadet ) zu lassen habe, dass also die Strafund
die Ersatzforderung voll nebeneinander bestehen sollen. Die Zulässigkeit
einer solchen Abmachung, wonach die Erfüllung (oder als deren Surrogat
der Schadenersatz) neben der Strafe, als sogenannter Kumulativstrafe,
gefordert werden kann, wird jetzt durch Art. 1601 rev. OR ausdrücklich
anerkannt, ist aber auch schon für das aOR zu bejahen (vergl. Revue
der Gerichtspraxis 7 N° 74). Die vorinstanzlieh angerufene Bestimmung
des Art. 1612 rev. = 1802 aOR bezieht sich nicht auf die alternative
Konventionalstrafe und trifft daher auf den vorliegenden Fall nicht zu.
Demnach hat das Bundesgericht erkannt:
Die Berufung der Klägerin wird teilweise, im Sinne der Erhöhung des ihr
zu bezahlenden Betrages auf 45,000 Fr."? gutgeheissen und das angefochtene
Urteil des zürcherischen Handelsgerichts vom 12. Dezember
1913 dementsprechend abgeändert. Die Berufung des Beklagten wird
abgewiesen