94 IV 5
2. Urteil des Kassationshofes vom 8. Februar 1968 i.S. Staatsanwaltschaft des Kantons Baselland gegen Jakob.
Regeste (de):
- Art. 32
SR 311.0 Code pénal suisse du 21 décembre 1937
CP Art. 32 - Si un ayant droit a porté plainte contre un des participants à l'infraction, tous les participants doivent être poursuivis.
- 1. Zur Rechtfertigung seines Verhaltens kann der Beamte sich auch auf Verwaltungsvorschriften berufen, wenn seine Pflichten bloss in solchen Vorschriften statt in gesetzlichen Bestimmungen geregelt sind (Erw. 1).
- 2. Der Grundsatz der Verhältnismässigkeit als allgemeine Schranke polizeilicher Eingriffe in fremde Rechtsgüter; Anforderungen an die Verhältnismässigkeit des Eingriffes (Erw. 2 a).
- 3. Anwendung des Grundsatzes auf das Verhalten eines Polizeimannes, der auf einen vermeintlichen Verbrecher schiesst, um ihn festnehmen zu können (Erw. 2 b).
Regeste (fr):
- Art. 32 CP. Usage des armes par la police.
- 1. Pour justifier son comportement, le fonctionnaire peut aussi invoquer des prescriptions administratives lorsque ses devoirs sont réglés par ces seules prescriptions et non par des dispositions légales (consid. 1).
- 2. Principe dit de la proportionnalité en tant que limitation générale des empiétements de la police sur les biensjuridiquement protégés de tiers; exigences touchant la proportionnalité de l'empiétement (consid. 2 a).
- 3. Application du principe au comportement d'un agent de police, qui tire sur un criminel présumé, pour se mettre en mesure de l'arrêter (consid. 2 b).
Regesto (it):
- Art. 32 CP. Uso delle armi da parte della polizia.
- 1. Per giustificare il suo comportamento, il funzionario può invocare anche prescrizioni amministrative quando i suoi doveri sono disciplinati semplicemente da tali prescrizioni anzichè da norme legali (consid. 1).
- 2. Principio della proporzionalità quale limite generale degli interventi della polizia nei beni giuridici dei terzi; requisiti quanto alla proporzionalità dell'intervento (consid. 2 a).
- 3. Applicazione del principio al comportamento di un agente di polizia che spara su un presunto criminale per poterlo arrestare (consid. 2 b).
Sachverhalt ab Seite 6
BGE 94 IV 5 S. 6
A.- Polizeimann Jakob wollte am 17. April 1967, um 20 Uhr, in Läufelfingen zusammen mit Polizeikorporal Plattner drei Jugendliche kontrollieren, die am gleichen Tag aus der Erziehungsanstalt Aarburg entwichen waren und sich auf dem Weg nach Basel befanden. Es handelte sich um Marcel Hochuli, Herbert Heimo und Urs Jakob, alle zwischen 18 und 19 Jahre alt. Da sie den Polizeibeamten verdächtig erschienen, sich aber nicht ausweisen wollten, wurden sie aufgefordert, auf den Posten zu kommen. Auf diese Aufforderung hin ergriff Urs Jakob die Flucht. Der Polizeimann setzte ihm nach und konnte ihn mit der Warnung, dass er schiessen werde, nach etwa 100 m stellen. Mit der Pistole in der Hand trat er auf Urs Jakob zu und gab ihm deutlich zu verstehen, dass er bei nochmaligem Fluchtversuch von der Waffe Gebrauch machen werde. Unterdessen hatte Plattner versucht, Hochuli und Heimo festzuhalten. Sie wehrten sich, und Heimo konnte sich losreissen. Polizeimann Jakob sah ihn gegen den Bahndamm flüchten und rief ihm zu, er solle halten und als er dies nicht tat, gab der Polizist einen Warnschuss ab. Heimo liess sich von seinem Vorhaben indes nicht abschrecken; er entkam. Der Polizeimann gebot dann Urs Jakob, vor ihm her zum Posten zu marschieren. Auf halbem Wege drehte der Jugendliche sich plötzlich um und griff den Polizisten an. Dieser wehrte ab und packte den Burschen vorne am Hemd, konnte aber nicht verhindern, dass Urs Jakob sich losriss und von neuem die Flucht ergriff. Auf einen Warnruf und die nochmalige Drohung mit der Schusswaffe reagierte er nicht. Der Polizeimann gab daraufhin aus etwa 15 m Entfernung einen gezielten Schuss auf die Beine des Flüchtenden ab und traf ihn in den linken Oberschenkel. Zusammen mit seinem Vorgesetzten Plattner brachte er den Verletzten sogleich zu einem Arzt. Erst dort erkannte Polizeimann Jakob in dem Flüchtling seinen jüngern Bruder, den er seit drei Jahren nicht mehr gesehen hatte. Urs Jakob war wegen der erlittenen Verletzungen bis am 3. Juli 1967 in einem Spital, trug aber keinen bleibenden Nachteil davon.
B.- Die Staatsanwaltschaft Baselland erhob gegen Polizeimann Jakob Anklage wegen vorsätzlicher einfacher Körperverletzung im Sinne von Art. 123 Ziff. 1 Abs. 2
SR 311.0 Code pénal suisse du 21 décembre 1937 CP Art. 123 - 1. Quiconque, intentionnellement, fait subir à une personne une autre atteinte à l'intégrité corporelle ou à la santé est puni sur plainte d'une peine privative de liberté de trois ans au plus ou d'une peine pécuniaire. |
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1 | Quiconque, intentionnellement, fait subir à une personne une autre atteinte à l'intégrité corporelle ou à la santé est puni sur plainte d'une peine privative de liberté de trois ans au plus ou d'une peine pécuniaire. |
2 | L'auteur est poursuivi d'office, |
BGE 94 IV 5 S. 7
Baselland erklärte den Angeklagten am 5. September 1967 dieses Vergehens schuldig und verurteilte ihn zu einer bedingt vollziehbaren Gefängnisstrafe von zehn Tagen. Auf Appellation hin sprach das Obergericht des Kantons Baselland am 12. Dezember 1967 den Angeklagten dagegen frei. Es hält dafür, Jakob sei nach Art. 32
SR 311.0 Code pénal suisse du 21 décembre 1937 CP Art. 32 - Si un ayant droit a porté plainte contre un des participants à l'infraction, tous les participants doivent être poursuivis. |
C.- Die Staatsanwaltschaft führt gegen dieses Urteil Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, es aufzuheben und die Sache zur Bestrafung des Angeklagten an das Obergericht zurückzuweisen.
Erwägungen
Der Kassationshof zieht in Erwägung:
1. Nach Art. 32
SR 311.0 Code pénal suisse du 21 décembre 1937 CP Art. 32 - Si un ayant droit a porté plainte contre un des participants à l'infraction, tous les participants doivent être poursuivis. |
SR 311.0 Code pénal suisse du 21 décembre 1937 CP Art. 32 - Si un ayant droit a porté plainte contre un des participants à l'infraction, tous les participants doivent être poursuivis. |
2. Nach § 44 des Dienstreglementes hat die Polizei im Kanton Baselland die Waffe als letztes Mittel zu verwenden, insbesondere wenn Personen, welche ein schweres Verbrechen oder ein schweres Vergehen begangen haben oder eines solchen
BGE 94 IV 5 S. 8
dringend verdächtigt sind, sich durch Flucht der Festnahme zu entziehen suchen (Ziff. 3). Die Staatsanwaltschaft macht geltend, diese Voraussetzungen für den Waffengebrauch seien hier entgegen der Auffassung der Vorinstanz nicht erfüllt gewesen. Ob das Obergericht das kantonale Recht richtig ausgelegt und angewendet habe, kann das Bundesgericht auf Nichtigkeitsbeschwerde hin jedoch nicht überprüfen (Art. 269 Abs. 1
SR 311.0 Code pénal suisse du 21 décembre 1937 CP Art. 32 - Si un ayant droit a porté plainte contre un des participants à l'infraction, tous les participants doivent être poursuivis. |
SR 311.0 Code pénal suisse du 21 décembre 1937 CP Art. 32 - Si un ayant droit a porté plainte contre un des participants à l'infraction, tous les participants doivent être poursuivis. |
SR 311.0 Code pénal suisse du 21 décembre 1937 CP Art. 32 - Si un ayant droit a porté plainte contre un des participants à l'infraction, tous les participants doivent être poursuivis. |
SR 311.0 Code pénal suisse du 21 décembre 1937 CP Art. 32 - Si un ayant droit a porté plainte contre un des participants à l'infraction, tous les participants doivent être poursuivis. |
SR 311.0 Code pénal suisse du 21 décembre 1937 CP Art. 32 - Si un ayant droit a porté plainte contre un des participants à l'infraction, tous les participants doivent être poursuivis. |
BGE 94 IV 5 S. 9
schwieriger die Rechtfertigung, und umgekehrt. Das gilt auch für das Vorgehen der Polizei, was aber nicht heisst, dass sie stets volle Verhältnismässigkeit wahren müsse. Bei Notwehr ergibt sich schon aus der Natur der Abwehr, dass dieser Massnahme keine engen Grenzen zu ziehen sind, und bei geringfügigen Verletzungen oder Gefährdungen kann schon eine minimale Verhältnismässigkeit zur Rechtfertigung genügen. Und wo einlässliche Vorschriften fehlen oder verschiedene Mittel zur Verfügung stehen, kommt dem Polizeibeamten notwendigerweise ein gewisses Ermessen zu, weshalb ihm z.B. aus dem Gebrauch der Waffe kein Vorwurf gemacht werden kann, wenn er nach den gegebenen Umständen Anlass hat, gerade zu diesem Mittel zu greifen. Denn Angemessenheit und Rechtfertigung seines Verhaltens beurteilen sich nicht nach dem Sachverhalt, wie er sich nachträglich dem Richter darstellt; massgebend ist vielmehr, was der Beamte im Zeitpunkt, als er sich zum Gebrauch der Waffe entschliesst, von der Sachlage halten muss (vgl.BGE 47 II 181und 509). b) Nach diesen Grundsätzen kann im vorliegenden Fall nicht zweifelhaft sein, dass das Verhalten des Angeklagten durch Art. 32
SR 311.0 Code pénal suisse du 21 décembre 1937 CP Art. 32 - Si un ayant droit a porté plainte contre un des participants à l'infraction, tous les participants doivent être poursuivis. |
BGE 94 IV 5 S. 10
Die Staatsanwaltschaft bestreitet nicht, dass Läufelfingen ein "heisses Pflaster" ist. Die Polizei will damit offenbar sagen, es seien dort in den letzten Jahren verhältnismässig viele Verbrecher aufgetaucht oder schwere Straftaten begangen worden. Einzig daraus durfte der Angeklagte freilich noch nicht schliessen, die drei Burschen seien Verbrecher oder hätten sich schwere Delikte zuschulden kommen lassen, selbst wenn sie nicht nur ihm, sondern auch seinem Vorgesetzten schon auf den ersten Blick verdächtig vorkamen. Diesen Schluss durfte der Angeklagte dagegen aus der Art und Weise ziehen, wie die Verdächtigen auf die Aufforderung, sich auszuweisen, reagierten. Urs Jakob ergriff sogleich die Flucht und liess sich zunächst nur durch die Drohung mit der Waffe aufhalten. Die beiden andern wehrten sich heftig gegen die Festnahme und versuchten ebenfalls zu entkommen, was dem Heimo, der sich weder durch einen Warnruf noch durch einen Schreckschuss des Angeklagten davon abbringen liess, auch gelungen ist. Urs Jakob konnte hierauf nicht mehr im Zweifel sein, dass es dem Polizisten mit der Drohung, bei einem erneuten Fluchtversuch auf ihn zu schiessen, ernst war. Er wusste zudem, dass dieser ihm mit schussbereiter Waffe unmittelbar folgte. Gleichwohl drehte er sich plötzlich um, griff den Polizisten, wie das Obergericht feststellt, tätlich an und versuchte dann durch eine Bahnunterführung erneut zu entfliehen. Unter diesen Umständen durfte der Angeklagte mit Grund der Meinung sein, er habe mit einem gefährlichen Verbrecher zu tun, der sich dem Zugriff der Polizei um jeden Preis entziehen wolle. Das Obergericht stellt übrigens ausdrücklich fest, dass der Angeklagte tatsächlich dieser Meinung war. Was die Staatsanwaltschaft dagegen vorbringt, ist Kritik an der Beweiswürdigung und daher nicht zu hören. Der Angeklagte hat von der Waffe auch nicht leichtfertig, sondern erst nach mehreren Warnungen und nachdem er offenbar keine andere Möglichkeit zur Festnahme des vermeintlichen Verbrechers mehr sah, Gebrauch gemacht. Er vergewisserte sich zudem, dass keine Drittpersonen gefährdet waren, und schoss absichtlich auf die Beine des Flüchtenden, um dessen Leben zu schonen. Auch dieses Vorgehen des Angeklagten war angemessen und ist folglich durch Art. 32
SR 311.0 Code pénal suisse du 21 décembre 1937 CP Art. 32 - Si un ayant droit a porté plainte contre un des participants à l'infraction, tous les participants doivent être poursuivis. |
Dispositiv
Demnach erkennt der Kassationshof:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.