Urteilskopf

94 II 139

24. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 14. Juni 1968 i.S. Greter und Mitbeteiligte gegen Küchler.
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Regesto (it):


Erwägungen ab Seite 140

BGE 94 II 139 S. 140

4. Verfügungen, die der Erblasser unter dem Einfluss eines Irrtums errichtet hat, sind nach Art. 469 Abs. 1
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 469 - 1 Verfügungen, die der Erblasser unter dem Einfluss von Irrtum, arglistiger Täuschung, Drohung oder Zwang errichtet hat, sind ungültig.
1    Verfügungen, die der Erblasser unter dem Einfluss von Irrtum, arglistiger Täuschung, Drohung oder Zwang errichtet hat, sind ungültig.
2    Sie erlangen jedoch Gültigkeit, wenn sie der Erblasser nicht binnen Jahresfrist aufhebt, nachdem er von dem Irrtum oder von der Täuschung Kenntnis erhalten hat oder der Einfluss von Zwang oder Drohung weggefallen ist.
3    Enthält eine Verfügung einen offenbaren Irrtum in Bezug auf Personen oder Sachen, und lässt sich der wirkliche Wille des Erblassers mit Bestimmtheit feststellen, so ist die Verfügung in diesem Sinne richtig zu stellen.
ZGB ungültig; eine solche Verfügung wird nach Art. 519 Abs. 1 Ziff. 2
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 519 - 1 Eine Verfügung von Todes wegen wird auf erhobene Klage für ungültig erklärt:
1    Eine Verfügung von Todes wegen wird auf erhobene Klage für ungültig erklärt:
1  wenn sie vom Erblasser zu einer Zeit errichtet worden ist, da er nicht verfügungsfähig war;
2  wenn sie aus mangelhaftem Willen hervorgegangen ist;
3  wenn ihr Inhalt oder eine ihr angefügte Bedingung unsittlich oder rechtswidrig ist.
2    Die Ungültigkeitsklage kann von jedermann erhoben werden, der als Erbe oder Bedachter ein Interesse daran hat, dass die Verfügung für ungültig erklärt werde.
ZGB auf erhobene Klage für ungültig erklärt. Der Irrtum braucht kein wesentlicher im Sinne von Art. 23 ff
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 23 - Der Vertrag ist für denjenigen unverbindlich, der sich beim Abschluss in einem wesentlichen Irrtum befunden hat.
. OR zu sein. Insbesondere kommt ein Irrtum im Beweggrund nicht bloss dann in Betracht, wenn es sich dabei um einen Grundlagenirrtum im Sinne von Art. 24 Ziff. 4
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 24 - 1 Der Irrtum ist namentlich in folgenden Fällen ein wesentlicher:
1    Der Irrtum ist namentlich in folgenden Fällen ein wesentlicher:
1  wenn der Irrende einen andern Vertrag eingehen wollte als denjenigen, für den er seine Zustimmung erklärt hat;
2  wenn der Wille des Irrenden auf eine andere Sache oder, wo der Vertrag mit Rücksicht auf eine bestimmte Person abgeschlossen wurde, auf eine andere Person gerichtet war, als er erklärt hat;
3  wenn der Irrende eine Leistung von erheblich grösserem Umfange versprochen hat oder eine Gegenleistung von erheblich geringerem Umfange sich hat versprechen lassen, als es sein Wille war;
4  wenn der Irrtum einen bestimmten Sachverhalt betraf, der vom Irrenden nach Treu und Glauben im Geschäftsverkehr als eine notwendige Grundlage des Vertrages betrachtet wurde.
2    Bezieht sich dagegen der Irrtum nur auf den Beweggrund zum Vertragsabschlusse, so ist er nicht wesentlich.
3    Blosse Rechnungsfehler hindern die Verbindlichkeit des Vertrages nicht, sind aber zu berichtigen.
OR handelt. Vielmehr ist jeder Motivirrtum beachtlich, sofern er einen bestimmenden Einfluss auf die Verfügung hatte. Ein Testament wegen eines Motivirrtums für ungültig zu erklären, rechtfertigt sich indessen nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts nur dann, wenn als wahrscheinlich dargetan ist, dass es der Erblasser bei Kenntnis der Sachlage vorgezogen hätte, die angefochtene Verfügung aufzuheben, statt sie unverändert fortbestehen zu lassen (BGE 75 II 284 ff., insbesondere 284 Erw. 3 und 287 Erw. 6). An dieser Rechtsprechung, die von RASCHEIN (Die Ungültigkeit der Verfügungen von Todes wegen, Berner Diss. 1954, S. 25) und von ESCHER (3. Aufl., N. 7 zu Art. 469
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 469 - 1 Verfügungen, die der Erblasser unter dem Einfluss von Irrtum, arglistiger Täuschung, Drohung oder Zwang errichtet hat, sind ungültig.
1    Verfügungen, die der Erblasser unter dem Einfluss von Irrtum, arglistiger Täuschung, Drohung oder Zwang errichtet hat, sind ungültig.
2    Sie erlangen jedoch Gültigkeit, wenn sie der Erblasser nicht binnen Jahresfrist aufhebt, nachdem er von dem Irrtum oder von der Täuschung Kenntnis erhalten hat oder der Einfluss von Zwang oder Drohung weggefallen ist.
3    Enthält eine Verfügung einen offenbaren Irrtum in Bezug auf Personen oder Sachen, und lässt sich der wirkliche Wille des Erblassers mit Bestimmtheit feststellen, so ist die Verfügung in diesem Sinne richtig zu stellen.
ZGB) kritisiert, von GUHL (ZBJV 1950 S. 506 f.) und von PICENONI (Die Auslegung von Testament und Erbvertrag, S. 61/62) dagegen nicht beanstandet wird, ist festzuhalten. Sie mutet dem das Testament anfechtenden Erben, der den Irrtum und dessen Kausalität für die Verfügung zu beweisen hat (Art. 8
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 8 - Wo das Gesetz es nicht anders bestimmt, hat derjenige das Vorhandensein einer behaupteten Tatsache zu beweisen, der aus ihr Rechte ableitet.
ZGB; ESCHER, N. 6 zu Art. 469
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 469 - 1 Verfügungen, die der Erblasser unter dem Einfluss von Irrtum, arglistiger Täuschung, Drohung oder Zwang errichtet hat, sind ungültig.
1    Verfügungen, die der Erblasser unter dem Einfluss von Irrtum, arglistiger Täuschung, Drohung oder Zwang errichtet hat, sind ungültig.
2    Sie erlangen jedoch Gültigkeit, wenn sie der Erblasser nicht binnen Jahresfrist aufhebt, nachdem er von dem Irrtum oder von der Täuschung Kenntnis erhalten hat oder der Einfluss von Zwang oder Drohung weggefallen ist.
3    Enthält eine Verfügung einen offenbaren Irrtum in Bezug auf Personen oder Sachen, und lässt sich der wirkliche Wille des Erblassers mit Bestimmtheit feststellen, so ist die Verfügung in diesem Sinne richtig zu stellen.
ZGB; PICENONI, a.a.O. S. 61), entgegen der Auffassung von RASCHEIN nicht den schwierigen Nachweis zu, "wie" der Erblasser ohne den Irrtum verfügt, m.a.W. was er bei Kenntnis des Sachverhalts im einzelnen angeordnet hätte, sondern verlangt nur, es müsse wahrscheinlich gemacht werden, dass der Erblasser in diesem Falle die Aufhebung der Verfügung ihrer Aufrechterhaltung vorgezogen hätte. Wenn RASCHEIN ausserdem geltend macht, das gesetzliche Erbrecht müsse billiger erscheinen als eine unter Irrtum entstandene Verfügung und auch eine frühere mängelfreie Verfügung sei einer spätern mangelhaften vorzuziehen, so übersieht er, dass ein Erblasser unter Umständen auch eine mangelhafte Verfügung noch dem
BGE 94 II 139 S. 141

gesetzlichen Erbrecht oder einer früheren mängelfreien Verfügung vorziehen kann. Es entspricht der Bedeutung, die das schweizerische Erbrecht dem Willen des Erblassers einräumt, dass darauf geachtet wird, ob eine Ungültigerklärung des Testaments den Absichten des Erblassers entsprechen würde oder nicht.
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 94 II 139
Datum : 14. Juni 1968
Publiziert : 31. Dezember 1969
Quelle : Bundesgericht
Status : 94 II 139
Sachgebiet : BGE - Zivilrecht
Gegenstand : Verfügung von Todes wegen; Ungültigerklärung wegen Irrtums im Beweggrund (Art. 469 Abs. 1, 519 Abs. 1 Ziff. 2 ZGB). In Betracht
Einordnung : Bestätigung der Rechtsprechung


Gesetzesregister
OR: 23 
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 23 - Der Vertrag ist für denjenigen unverbindlich, der sich beim Abschluss in einem wesentlichen Irrtum befunden hat.
24
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 24 - 1 Der Irrtum ist namentlich in folgenden Fällen ein wesentlicher:
1    Der Irrtum ist namentlich in folgenden Fällen ein wesentlicher:
1  wenn der Irrende einen andern Vertrag eingehen wollte als denjenigen, für den er seine Zustimmung erklärt hat;
2  wenn der Wille des Irrenden auf eine andere Sache oder, wo der Vertrag mit Rücksicht auf eine bestimmte Person abgeschlossen wurde, auf eine andere Person gerichtet war, als er erklärt hat;
3  wenn der Irrende eine Leistung von erheblich grösserem Umfange versprochen hat oder eine Gegenleistung von erheblich geringerem Umfange sich hat versprechen lassen, als es sein Wille war;
4  wenn der Irrtum einen bestimmten Sachverhalt betraf, der vom Irrenden nach Treu und Glauben im Geschäftsverkehr als eine notwendige Grundlage des Vertrages betrachtet wurde.
2    Bezieht sich dagegen der Irrtum nur auf den Beweggrund zum Vertragsabschlusse, so ist er nicht wesentlich.
3    Blosse Rechnungsfehler hindern die Verbindlichkeit des Vertrages nicht, sind aber zu berichtigen.
ZGB: 8 
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 8 - Wo das Gesetz es nicht anders bestimmt, hat derjenige das Vorhandensein einer behaupteten Tatsache zu beweisen, der aus ihr Rechte ableitet.
469 
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 469 - 1 Verfügungen, die der Erblasser unter dem Einfluss von Irrtum, arglistiger Täuschung, Drohung oder Zwang errichtet hat, sind ungültig.
1    Verfügungen, die der Erblasser unter dem Einfluss von Irrtum, arglistiger Täuschung, Drohung oder Zwang errichtet hat, sind ungültig.
2    Sie erlangen jedoch Gültigkeit, wenn sie der Erblasser nicht binnen Jahresfrist aufhebt, nachdem er von dem Irrtum oder von der Täuschung Kenntnis erhalten hat oder der Einfluss von Zwang oder Drohung weggefallen ist.
3    Enthält eine Verfügung einen offenbaren Irrtum in Bezug auf Personen oder Sachen, und lässt sich der wirkliche Wille des Erblassers mit Bestimmtheit feststellen, so ist die Verfügung in diesem Sinne richtig zu stellen.
519
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 519 - 1 Eine Verfügung von Todes wegen wird auf erhobene Klage für ungültig erklärt:
1    Eine Verfügung von Todes wegen wird auf erhobene Klage für ungültig erklärt:
1  wenn sie vom Erblasser zu einer Zeit errichtet worden ist, da er nicht verfügungsfähig war;
2  wenn sie aus mangelhaftem Willen hervorgegangen ist;
3  wenn ihr Inhalt oder eine ihr angefügte Bedingung unsittlich oder rechtswidrig ist.
2    Die Ungültigkeitsklage kann von jedermann erhoben werden, der als Erbe oder Bedachter ein Interesse daran hat, dass die Verfügung für ungültig erklärt werde.
BGE Register
75-II-280 • 94-II-139
Stichwortregister
Sortiert nach Häufigkeit oder Alphabet
erblasser • irrtum • motivirrtum • testament • kenntnis • erbrecht • beweggrund • verfügung von todes wegen • entscheid • nichtigkeit • bescheinigung • bundesgericht • sachverhalt • erbe • wille • erbvertrag • grundlagenirrtum • mais
ZBJV
1950 S.506