94 I 435
59. Urteil vom 2. Oktober 1968 i.S. Pensionskasse Maggi gegen Kanton Thurgau.
Regeste (de):
- Steuerliche Behandlung des versicherungstechnischen Deckungskapitals beim verhältnismässigen Schulden- und Schuldzinsenabzugs.
- Wie bei der Lebensversicherung mit bestimmter Leistungspflicht im Einzelfall, ist auch bei der Rentenversicherung das versicherungstechnische Deckungskapital unter dem Gesichtspunkt von Art. 46 Abs. 2
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 46 Umsetzung des Bundesrechts - 1 Die Kantone setzen das Bundesrecht nach Massgabe von Verfassung und Gesetz um.
1 Die Kantone setzen das Bundesrecht nach Massgabe von Verfassung und Gesetz um. 2 Bund und Kantone können miteinander vereinbaren, dass die Kantone bei der Umsetzung von Bundesrecht bestimmte Ziele erreichen und zu diesem Zweck Programme ausführen, die der Bund finanziell unterstützt.10 3 Der Bund belässt den Kantonen möglichst grosse Gestaltungsfreiheit und trägt den kantonalen Besonderheiten Rechnung.11 - Der verhältnismässige Schuldzinsenabzug ist bei solchen Pensionskassen ebenfalls nach dem mittleren Hypothekarzinsfuss zu berechnen.
Regeste (fr):
- Traitement fiscal du capital de couverture (réserves techniques d'assurance) en matière de défalcation proportionnelle des dettes et de leurs intérêts.
- Comme dans l'assurance-vie comportant le versement d'un capital, de même dans l'assurance de rentes le capital de couverture doit être considéré comme dette, du point de vue de l'art. 46 al. 2 Cst. Cette règle s'applique également à une caisse de pensions organisée en société coopérative, dans la mesure où elle peut déterminer selon les règles de la science actuarielle le capital nécessaire pour couvrir les rentes futures.
- La défalcation proportionnelle des intérêts s'opère également, pour de telles caisses, au taux moyen des intérêts hypothécaires.
Regesto (it):
- Trattamento fiscale del capitale di copertura (riserve tecniche d'assicurazione) in materia di deduzione proporzionale dei debiti e dei loro interessi.
- Come nell'assicurazione sulla vita comportante il versamento di un capitale, anche nell'assicurazione di rendita il capitale di copertura dev'essere considerato dal profilo dell'art. 46 cpv. 2 CF come debito. Questa regola vale egualmente nel caso di una cassa pensioni organizzata in società cooperativa, in quanto essa possa determinare il capitale di copertura per le rendite future secondo le regole della matematica attuariale.
- La deduzione proporzionale degli interessi si opera egualmente, per tali casse, al tasso medio degli interessi ipotecari.
Sachverhalt ab Seite 436
BGE 94 I 435 S. 436
A.- Die Pensionskasse Maggi (im folgenden "Kasse" genannt) hat ihren Sitz in Kempttal, Gemeinde Lindau (Kt. Zürich). Sie ist eine Genossenschaft im Sinne des Obligationenrechts, deren Zweck Art. 2 der Statuten folgendermassen umschreibt: "Die Kasse verfolgt keine Erwerbsabsichten; sie bezweckt für den Fall des Alters und des Todes die Ausrichtung von Leistungen entsprechend den Bestimmungen eines Reglementes, das einen integrierenden Bestandteil dieser Statuten bildet, an a) das Personal (Angestellte und Arbeiter) der Maggi AG und der mit ihr alliierten Gesellschaften, dessen Aufnahme in die Kasse vom Vorstand beschlossen worden ist; b) die Hmterlassenen dieses Personals: Witwen, Waisen, Abhängige." Die Einnahmen der Kasse setzen sich zusammen aus Arbeitgeberbeiträgen, den Beiträgen der Mitglieder und dem zum Zwecke des Einkaufes von Mitgliedern einbezahlten Kapital (Art. 4 der Statuten). Die Kasse ermittelt ihr Deckungskapital nach den Richtlinien, die von der Vereinigung schweizerischer Versicherungsmathematiker aufgestellt werden.
BGE 94 I 435 S. 437
Im Jahre 1967 liess die Kasse in Kreuzlingen (Kt. Thurgau) einen Wohnblock erstellen, der seit dem 1. Oktober 1964 vermietet ist. Die thurgauischen Steuerbehörden veranlagten sie in der Folge für die Jahre 1964 bis 1966. Dabei anerkannten sie für die Berechnung des steuerbaren Reinvermögens den 15-fachen Betrag der laufenden Jahresrenten als Schuld. Hingegen lehnten die Steuerbehörden es ab, das Deckungskapital für die blossen Anwartschaften der noch prämienbezahlenden Kassenmitglieder als Schuld zu behandeln. Sie berücksichtigten für die Berechnung des steuerbaren Ertrages einen Schuldzins in der Höhe von 5% des 15-fachen Betrages sämtlicher Jahresrenten.
B.- Einspracheweise verlangte die Kasse, dass das ganze versicherungstechnische Deckungskapital als Schuld anerkannt und auch ein entsprechender Passivzins berücksichtigt werde. Im Einspracheentscheid hielt die thurgauische Steuerverwaltung an ihrem Standpunkt fest. Dieser wurde auf Beschwerde der Kasse hin auch von der kantonalen Steuerrekurskommission geschützt. C.-Die Pensionskasse Maggi führt staatsrechtliche Beschwerde. Sie macht geltend, die angefochtene Besteuerung verletze den Art. 46 Abs. 2
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 46 Umsetzung des Bundesrechts - 1 Die Kantone setzen das Bundesrecht nach Massgabe von Verfassung und Gesetz um. |
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1 | Die Kantone setzen das Bundesrecht nach Massgabe von Verfassung und Gesetz um. |
2 | Bund und Kantone können miteinander vereinbaren, dass die Kantone bei der Umsetzung von Bundesrecht bestimmte Ziele erreichen und zu diesem Zweck Programme ausführen, die der Bund finanziell unterstützt.10 |
3 | Der Bund belässt den Kantonen möglichst grosse Gestaltungsfreiheit und trägt den kantonalen Besonderheiten Rechnung.11 |
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D.- Steuerrekurskommission und Regierungsrat des Kantons Thurgau beantragen, die Beschwerde abzuweisen.
Erwägungen
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1. (Eintretensfragen).
2. a) Die Befugnis der thurgauischen Behörden, die Besteuerung an die Tatsache des Liegenschaftsbesitzes im Kanton anzuknüpfen, wird in der Beschwerde nicht angefochten. Unbestritten ist sodann, dass der Kanton Thurgau das Nettovermögen und -einkommen besteuert und sein Anteil an den Gesamtaktiven und -passiven der Beschwerdeführerin für 1964/65 3,79%, für 1966 3'667% beträgt. Die Auffassungen der Parteien gehen einzig darüber auseinander, in welchem Umfange das versicherungstechnische Deckungskapital für die laufenden Renten und die Anwartschaften der noch nicht
BGE 94 I 435 S. 438
rentenberechtigten Kassenmitglieder als Schuld zu behandeln sei. Als Deckungskapital wird nach Lehre und Rechtsprechung derjenige Teil der bezahlten Prämien bezeichnet, dessen der Versicherer bedarf, um damit zusammen mit den zukünftigen Prämien und den Zinsen die ihm gemäss Versicherungsvertrag obliegenden Leistungen zu erbringen (BGE 93 I 242 Erw. 3 mit Hinweisen). b) Wie das frühere, enthält auch das geltende thurgauische Steuergesetz keine Vorschrift, die sich mit der Behandlung des Deckungskapitals befasst. Die bisherige Praxis liess dieses zum Abzug als Schuld zu. Auf den 1. Januar 1965 änderten indessen die thurgauischen Steuerbehörden ihre Auffassung. Nunmehr wurde entweder der 15-fache Betrag der jeweiligen Summe der Jahresrenten, oder aber die Hälfte des ganzen versicherungstechnischen Deckungskapitals berücksichtigt. Von diesen beiden Berechnungsmethoden wird jeweils die für den Steuerpflichtigen günstigere gewählt. Die Beschwerdeführerin hält dafür, die neue Praxis verletze das Doppelbesteuerungsverbot. Demgegenüber berufen sich die Steuerbehörden des Kantons Thurgau darauf, das Bundesgericht habe zwar das Deckungskapital von Lebens- und Rentenversicherungsverträgen, nicht aber dasjenige für die Anwartschaften der Mitglieder genossenschaftlicher Pensionskassen zum Abzug als Schuld zugelassen. Bei einer Lebensversicherung trete eben der Versicherungsfall bestimmt ein; ungewiss sei nur der Zeitpunkt des Eintrittes. Bei genossenschaftlich organisierten Pensionskassen dagegen seien die Rechte und Verpflichtungen von noch völlig ungewissen Bedingungen abhängig.
3. Freilich hat das Bundesgericht in BGE 54 I 400 (Doppelbesteuerungsbeschwerde der La Suisse-Versicherungsgesellschaft gegen den Kanton Luzern) jene beiden Fälle so unterschieden. Es wollte aber damit nur dartun, dass sein Entscheid demjenigen vom 14. Juni 1924 i.S. Pensionskasse des aarg. Revisionsverbandes gegen das Obergericht des Kantons Aargau nicht widerspreche. Dort war u.a. festgestellt worden, die Auffassung lasse sich "wohl" vertreten, dass man es im Falle des Deckungskapitals einer Pensionskasse "nicht sowohl mit einer Schuld der Kasse, sondern mit einer Art zweckgebundenen Vermögens derselben zu tun habe, das zwar den Mitgliedern verfangen ist, aber doch zum Vermögen der Genossenschaft als solcher
BGE 94 I 435 S. 439
gehört". Die bundesgerichtliche Prüfung war auf Willkür beschränkt, und ein Widerspruch zu BGE 54 I 400 - wo mit freier Kognition entschieden wurde - bestand schon aus diesem Grunde nicht. Ebenfalls unter dem beschränkten Gesichtswinkel des Art. 4
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BGE 94 I 435 S. 440
bei der Rentenversicherung demnach wirtschaftlich und steuerlich als Schuld zu betrachten. An dieser Betrachtungsweise ändert nichts, dass wegen der Ungewissheit von Leistung und Zeitpunkt im Fall der Rentenversicherung beim einzelnen Versicherten die Anwartschaft nicht besteuert werden kann. Einmal unterliegen die ausbezahlten Renten regelmässig der Einkommenssteuer am Wohnsitz des Rentenempfängers. Abgesehen davon wird nach dem Gesagten bei der vorgenannten Gleichbehandlung ohnehin nicht auf den Einzelfall abgestellt, sondern auf die Gesamtheit der Policen.
4. Die oben dargelegten Grundsätze gelten für die Rentenversicherung schlechthin. Sie sind somit auch anwendbar auf eine genossenschaftlich organisierte Pensionskasse, sofern diese gross genug ist, um das Deckungskapital für die auszuzahlenden Renten nach den Regeln der Versicherungsmathematik ermitteln zu können. Das trifft bei der Beschwerdeführerin unbestrittenermassen zu. a) Die Steuerrekurskommission des Kantons Thurgau behauptet selber nicht, das im Falle der Beschwerdeführerin als Schuld zugelassene Deckungskapital (d.h. der 15-fache Betrag der ausbezahlten Jahresrenten) entspreche den nach anerkannten versicherungsmathematischen Grundsätzen errechneten Reserven, die nötig sind, um die gegenwärtigen und zukünftigen Ansprüche gegen die Kasse zu decken. Anderseits hat aber auch die Beschwerdeführerin nicht nachgewiesen, dass gerade der in ihrer Steuererklärung angegebene Betrag richtig ist. Zwar ist das ganze Deckungskapital zum Abzug zuzulassen, jedoch nur dasjenige, das den gegenwärtigen oder aufgeschobenen Rechtsansprüchen der Kassenmitglieder entspricht. Die Steuerrekurskommission wird in diesem Sinne die Berechnungen der Beschwerdeführerin nachprüfen müssen. b) Nach ständiger Rechtsprechung stellt das Deckungskapital eine verzinsliche Schuld dar (BGE 93 I 243 Erw. 3 mit Hinweisen). Die darauf berechneten Zinsen sind mithin vom Roheinkommen abzuziehen. Einen solchen Abzug hat die Rekurskommission zugelassen. Sie wird indes auch diese Position neu zu prüfen haben. Einerseits bewirkt die neue Festsetzung des Deckungskapitals im Sinne der vorstehenden Ausführungen als solche schon eine Änderung des entsprechenden Schuldzinsenbetrages. Beim Zinssatz - der im vorliegenden Verfahren mit 5% an sich nicht bestritten ist - wird
BGE 94 I 435 S. 441
anderseits zu berücksichtigen sein, dass das Bundesgericht im Urteil vom 13. Juni 1967 i.S. Vita (BGE 93 I 245) auf den mittleren Hypothekarzinsfuss abstellte. Zwar ging es dort nicht um die steuerliche Behandlung des Deckungskapitals für das Rentengeschäft einer genossenschaftlichen Pensionskasse. Da dieses aber unter den genannten Voraussetzungen nach den selben Grundsätzen zu ermitteln ist, wie dasjenige für Ansprüche aus Lebensversicherungen mit bestimmter Leistungspflicht, muss auch der gleiche Satz für die Berechnung der Schuldzinsen gelten.
5. Zusammenfassend ist festzustellen, dass der angefochtene Entscheid das Verbot der Doppelbesteuerung insofern verletzt, als die Steuerrekurskommission nicht das volle, nach den versicherungsmathematischen Regeln zu errechnende Deckungskapital für bereits bestehende Rentenansprüche und Anwartschaften berücksichtigt hat. Unter diesen Umständen erübrigt es sich zu prüfen, ob die auf 1. Januar 1965 eingeleitete neue Veranlagungspraxis noch andere Verfassungsgrundsätze verletze.
Dispositiv
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Beschwerde wird gutgeheissen und der angefochtene Entscheid der Steuerrekurskommission des Kantons Thurgau vom 28. Dezember 1967 aufgehoben.