91 IV 91
27. Urteil des Kassationshofes vom 28. Mai 1965 i.S. Ramspeck gegen Polizeirichteramt der Stadt Zürich.
Regeste (de):
- Art. 36 Abs. 2
SR 741.01 Strassenverkehrsgesetz vom 19. Dezember 1958 (SVG)
SVG Art. 36 - 1 Wer nach rechts abbiegen will, hat sich an den rechten Strassenrand, wer nach links abbiegen will, gegen die Strassenmitte zu halten.
SR 741.11 Verkehrsregelnverordnung vom 13. November 1962 (VRV)
VRV Art. 14 Ausübung des Vortritts - (Art. 36 Abs. 2-4 SVG)
1 Wer zur Gewährung des Vortritts verpflichtet ist, darf den Vortrittsberechtigten in seiner Fahrt nicht behindern. Er hat seine Geschwindigkeit frühzeitig zu mässigen und, wenn er warten muss, vor Beginn der Verzweigung zu halten. 2 Der Vortrittsberechtigte hat auf Strassenbenützer Rücksicht zu nehmen, welche die Strassenverzweigungen erreichten, bevor sie ihn erblicken konnten. 3 Dem vortrittsberechtigten Verkehr in parallelen Kolonnen ist der Vortritt auch zu lassen, wenn die nähere Kolonne stillsteht. 4 Reiter sowie Führer von Pferden und anderen grösseren Tieren sind den Fahrzeugführern beim Vortritt gleichgestellt.85 5 In nicht geregelten Fällen, zum Beispiel wenn auf einer Verzweigung zugleich aus allen Richtungen Fahrzeuge eintreffen, haben die Führer besonders vorsichtig zu fahren und sich über den Vortritt zu verständigen. - 1. Vorsichtspflicht des vortrittsbelasteten Führers vor einer unübersichtlichen Verzweigung. Bedeutung des Umstandes, dass der Vortrittsberechtigte vorschriftswidrig fährt. Gleichzeitigkeit. Verhältnis zu Art. 26 Abs. 1
SR 741.01 Strassenverkehrsgesetz vom 19. Dezember 1958 (SVG)
SVG Art. 26 - 1 Jedermann muss sich im Verkehr so verhalten, dass er andere in der ordnungsgemässen Benützung der Strasse weder behindert noch gefährdet.
- 2. Verhältnis zu Art. 32 Abs. 1
SR 741.01 Strassenverkehrsgesetz vom 19. Dezember 1958 (SVG)
SVG Art. 32 - 1 Die Geschwindigkeit ist stets den Umständen anzupassen, namentlich den Besonderheiten von Fahrzeug und Ladung, sowie den Strassen-, Verkehrs- und Sichtverhältnissen. Wo das Fahrzeug den Verkehr stören könnte, ist langsam zu fahren und nötigenfalls anzuhalten, namentlich vor unübersichtlichen Stellen, vor nicht frei überblickbaren Strassenverzweigungen sowie vor Bahnübergängen.
SR 741.01 Strassenverkehrsgesetz vom 19. Dezember 1958 (SVG)
SVG Art. 90 - 1 Mit Busse wird bestraft, wer Verkehrsregeln dieses Gesetzes oder der Vollziehungsvorschriften des Bundesrates verletzt.
Regeste (fr):
- Art. 36 al. 2, 1e phrase LCR, art. 14 al. 1 OCR.
- 1. Devoir de prudence du conducteur qui doit la priorité, avant un carrefour où la vue est marquée. Conséquence des fautes de circulation commises par le bénéficiaire de la priorité. Simultanéité. Relation avec l'art. 26 al. 1 LCR. Comportement usuel de tiers. Distinction à faire, selon leur importance du point de vue du trafic, entre les routes qui se croisent (consid. 1).
- 2. Relation avec l'art. 32 al. 1 LCR. Le concours idéal est aussi possible entre les diverses infractions que vise l'art. 90 ch. 1 LCR. Mesure de la peine (consid. 2).
Regesto (it):
- Art. 36 cpv. 2, 1. frase LCStr., art. 14 cpv. 1 OCStr.
- 1. Dovere di prudenza del conducente tenuto a dare la precedenza, in prossimità di un crocevia senza visuale. Portata della circostanza che l'avente diritto di precedenza circola violando le prescrizioni. Simultaneità. Relazione con l'art. 26 cpv. 1 LCStr. Comportamento usuale di terzi. Diversa importanza, dal profilo del traffico, delle strade che si intersecano (consid. 1).
- 2. Relazione con l'art. 32 cpv. 1 LCStr. Il concorso ideale è pure possibile tra le infrazioni cui si riferisce l'art. 90 cpv. 1 LCStr. Commisurazione della pena (consid. 2).
Sachverhalt ab Seite 92
BGE 91 IV 91 S. 92
A.- Ramspeck fuhr am 26. Juli 1963, um 22.15 Uhr, am Steuer seines "Maserati"-Sportwagens auf der steilen Klosbachstrasse in Zürich aufwärts gegen deren Kreuzung mit der Carmenstrasse. Er hielt eine Geschwindigkeit von 40 km/Std. inne. Beide Strassen sind beidseitig mit Fussgängersteigen versehen und weisen eine Fahrbahnbreite von etwa 6 m auf; die Klosbachstrasse wird aber mehr befahren als die Carmenstrasse. Die Sicht gegen rechts war für Ramspeck durch ein Haus und - unmittelbar vor der Einmündung - durch eine etwa 1 m hohe Mauer behindert. Ramspeck hatte die Mitte der Kreuzung bereits erreicht, als sein Fahrzeug von einem Lieferwagen, der mit etwa 35 km/Std. von rechts her kam und von Bisang gesteuert war, auf der Höhe des rechten Hinterrades gerammt wurde. Der Sportwagen wurde dadurch abgedreht und prallte gegen eine Gartenmauer; er wurde schwer beschädigt.
B.- Der Einzelrichter in Strafsachen des Bezirksgerichtes Zürich büsste am 19. November 1964 Ramspeck wegen Übertretung von Art. 32 Abs. 1

SR 741.01 Strassenverkehrsgesetz vom 19. Dezember 1958 (SVG) SVG Art. 32 - 1 Die Geschwindigkeit ist stets den Umständen anzupassen, namentlich den Besonderheiten von Fahrzeug und Ladung, sowie den Strassen-, Verkehrs- und Sichtverhältnissen. Wo das Fahrzeug den Verkehr stören könnte, ist langsam zu fahren und nötigenfalls anzuhalten, namentlich vor unübersichtlichen Stellen, vor nicht frei überblickbaren Strassenverzweigungen sowie vor Bahnübergängen. |

SR 741.01 Strassenverkehrsgesetz vom 19. Dezember 1958 (SVG) SVG Art. 36 - 1 Wer nach rechts abbiegen will, hat sich an den rechten Strassenrand, wer nach links abbiegen will, gegen die Strassenmitte zu halten. |

SR 741.11 Verkehrsregelnverordnung vom 13. November 1962 (VRV) VRV Art. 4 Angemessene Geschwindigkeit - (Art. 32 Abs. 1 SVG) |
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1 | Der Fahrzeugführer darf nur so schnell fahren, dass er innerhalb der überblickbaren Strecke halten kann; wo das Kreuzen schwierig ist, muss er auf halbe Sichtweite halten können. |
2 | und 3 ...44 |
4 | ...45 |
5 | Der Fahrzeugführer darf ohne zwingende Gründe nicht so langsam fahren, dass er einen gleichmässigen Verkehrsfluss hindert. |
C.- Ramspeck führt gegen dieses Urteil Nichtigkeitsbeschwerde. Er beantragt, es aufzuheben und die Sache zu seiner
BGE 91 IV 91 S. 93
Freisprechung, eventuell zur neuen Beurteilung oder zur Herabsetzung der Busse an die Vorinstanz zurückzuweisen.
Erwägungen
Der Kassationshof zieht in Erwägung:
1. Nach Art. 36 Abs. 2

SR 741.01 Strassenverkehrsgesetz vom 19. Dezember 1958 (SVG) SVG Art. 36 - 1 Wer nach rechts abbiegen will, hat sich an den rechten Strassenrand, wer nach links abbiegen will, gegen die Strassenmitte zu halten. |

SR 741.11 Verkehrsregelnverordnung vom 13. November 1962 (VRV) VRV Art. 14 Ausübung des Vortritts - (Art. 36 Abs. 2-4 SVG) |
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1 | Wer zur Gewährung des Vortritts verpflichtet ist, darf den Vortrittsberechtigten in seiner Fahrt nicht behindern. Er hat seine Geschwindigkeit frühzeitig zu mässigen und, wenn er warten muss, vor Beginn der Verzweigung zu halten. |
2 | Der Vortrittsberechtigte hat auf Strassenbenützer Rücksicht zu nehmen, welche die Strassenverzweigungen erreichten, bevor sie ihn erblicken konnten. |
3 | Dem vortrittsberechtigten Verkehr in parallelen Kolonnen ist der Vortritt auch zu lassen, wenn die nähere Kolonne stillsteht. |
4 | Reiter sowie Führer von Pferden und anderen grösseren Tieren sind den Fahrzeugführern beim Vortritt gleichgestellt.85 |
5 | In nicht geregelten Fällen, zum Beispiel wenn auf einer Verzweigung zugleich aus allen Richtungen Fahrzeuge eintreffen, haben die Führer besonders vorsichtig zu fahren und sich über den Vortritt zu verständigen. |
BGE 91 IV 91 S. 94
E. 2, BGE 84 IV 114 E. 3). Das neue Recht hat daran nichts geändert, verlangt es doch vom wartepflichtigen Fahrer, vor Beginn der Verzweigung zu halten. Mit Recht, denn dieser kann nicht zum vorneherein wissen, ob ein Vortrittsberechtigter gezwungen sei, gegen die Strassenmitte zu halten, und ob er auf der Verzweigung geradeaus weiterfahren oder abbiegen wolle. Der Umstand, dass Bisang sich wegen der besondern Art der Kreuzung an die Strassenmitte hielt, hob sein Vortrittsrecht nicht auf. Daran änderte auch seine übersetzte Geschwindigkeit nichts (BGE 77 IV 220,BGE 79 II 214, BGE 82 II 538). Dass das neue Recht in der Vortrittsregel das Erfordernis der Gleichzeitigkeit nicht mehr ausdrücklich erwähnt, hilft dem Beschwerdeführer nicht. Der Sinn der Regel ist deshalb kein anderer als nach dem alten Recht. Das Vortrittsrecht setzt notwendigerweise voraus, dass zwei Fahrzeuge gleichzeitig auf der Verzweigung eintreffen. Das Erfordernis der Gleichzeitigkeit ist im neuen Recht denn auch nur deshalb gestrichen worden, weil man eine Erwähnung nicht mehr für nötig hielt (StenBull StR 1958 S. 106). Ebensowenig hilft dem Beschwerdeführer die Berufung auf Art. 26 Abs. 1

SR 741.01 Strassenverkehrsgesetz vom 19. Dezember 1958 (SVG) SVG Art. 26 - 1 Jedermann muss sich im Verkehr so verhalten, dass er andere in der ordnungsgemässen Benützung der Strasse weder behindert noch gefährdet. |

SR 741.01 Strassenverkehrsgesetz vom 19. Dezember 1958 (SVG) SVG Art. 36 - 1 Wer nach rechts abbiegen will, hat sich an den rechten Strassenrand, wer nach links abbiegen will, gegen die Strassenmitte zu halten. |

SR 741.01 Strassenverkehrsgesetz vom 19. Dezember 1958 (SVG) SVG Art. 26 - 1 Jedermann muss sich im Verkehr so verhalten, dass er andere in der ordnungsgemässen Benützung der Strasse weder behindert noch gefährdet. |
BGE 91 IV 91 S. 95
wenn er sich nach der unterschiedlichen Verkehrsbedeutung der beiden Strassen als zu gefährlich erweist.
2. Die Vorinstanz hat statt Art. 14 Abs. 1 VRV Art. 32 Abs. 1

SR 741.01 Strassenverkehrsgesetz vom 19. Dezember 1958 (SVG) SVG Art. 32 - 1 Die Geschwindigkeit ist stets den Umständen anzupassen, namentlich den Besonderheiten von Fahrzeug und Ladung, sowie den Strassen-, Verkehrs- und Sichtverhältnissen. Wo das Fahrzeug den Verkehr stören könnte, ist langsam zu fahren und nötigenfalls anzuhalten, namentlich vor unübersichtlichen Stellen, vor nicht frei überblickbaren Strassenverzweigungen sowie vor Bahnübergängen. |

SR 741.01 Strassenverkehrsgesetz vom 19. Dezember 1958 (SVG) SVG Art. 36 - 1 Wer nach rechts abbiegen will, hat sich an den rechten Strassenrand, wer nach links abbiegen will, gegen die Strassenmitte zu halten. |

SR 741.11 Verkehrsregelnverordnung vom 13. November 1962 (VRV) VRV Art. 14 Ausübung des Vortritts - (Art. 36 Abs. 2-4 SVG) |
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1 | Wer zur Gewährung des Vortritts verpflichtet ist, darf den Vortrittsberechtigten in seiner Fahrt nicht behindern. Er hat seine Geschwindigkeit frühzeitig zu mässigen und, wenn er warten muss, vor Beginn der Verzweigung zu halten. |
2 | Der Vortrittsberechtigte hat auf Strassenbenützer Rücksicht zu nehmen, welche die Strassenverzweigungen erreichten, bevor sie ihn erblicken konnten. |
3 | Dem vortrittsberechtigten Verkehr in parallelen Kolonnen ist der Vortritt auch zu lassen, wenn die nähere Kolonne stillsteht. |
4 | Reiter sowie Führer von Pferden und anderen grösseren Tieren sind den Fahrzeugführern beim Vortritt gleichgestellt.85 |
5 | In nicht geregelten Fällen, zum Beispiel wenn auf einer Verzweigung zugleich aus allen Richtungen Fahrzeuge eintreffen, haben die Führer besonders vorsichtig zu fahren und sich über den Vortritt zu verständigen. |

SR 741.01 Strassenverkehrsgesetz vom 19. Dezember 1958 (SVG) SVG Art. 32 - 1 Die Geschwindigkeit ist stets den Umständen anzupassen, namentlich den Besonderheiten von Fahrzeug und Ladung, sowie den Strassen-, Verkehrs- und Sichtverhältnissen. Wo das Fahrzeug den Verkehr stören könnte, ist langsam zu fahren und nötigenfalls anzuhalten, namentlich vor unübersichtlichen Stellen, vor nicht frei überblickbaren Strassenverzweigungen sowie vor Bahnübergängen. |

SR 741.01 Strassenverkehrsgesetz vom 19. Dezember 1958 (SVG) SVG Art. 90 - 1 Mit Busse wird bestraft, wer Verkehrsregeln dieses Gesetzes oder der Vollziehungsvorschriften des Bundesrates verletzt. |
Dispositiv
Demnach erkennt der Kassationshof: Die Nichtigkeitsbeschwerde wird abgewiesen.