91 I 266
42. Urteil vom 15. September 1965 i.S. Plüss und Brunner gegen den Grossen Rat des Kantons Aargau.
Regeste (de):
- Politisches Stimmrecht, Überprüfungsbefugnis des Bundesgerichtes, Gültigkeit eines Wahlzettels, Verweigerung des rechtlichen Gehörs, Ausstand bei Erwahrungsbeschluss, Art. 85 lit a
OG, Art. 4
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch.
- 1. Bei Stimmrechtsbeschwerden prüft das Bundesgericht die Auslegung von Bundesrecht und kantonalem Verfassungsrecht frei, die Auslegung anderer kantonaler Vorschriften aber, sofern sie nicht das schon von Bundesrechts wegen gewährleistete Stimmrecht nach Umfang und Inhalt betreffen, nur unter dem beschränkten Gesichtswinkel von Art. 4
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch.
- 2. Willkürlichkeit der Annahme, ein mit Klebspuren versehener Wahlzettel sei bei der Auszählung nicht mit der für die Gültigkeit des Zettels erforderlichen Kontrollmarke versehen gewesen? AufGrund von § 13 Abs. 1 des aargauischen Gesetzes über die Verhältniswahl des Grossen Rates vom 10. Januar 1921 kann ohne Willkür angenommen werden, es sei Sache des Wählers, dafür zu sorgen, dass sein Wahlzettel als gültig gekennzeichnet sei. (Erw. 3).
- 3. Das vom Bundesrecht gewährleistete Stimmrecht gibt dem Bürger einen Anspruch darauf, dass kein Wahlergebnis anerkannt wird, das den freien Willen der Wählerschaft nicht zuverlässig und unverfälscht zum Ausdruck bringt (Erw. 4).
- 4. Im Verfahren betreffend Erwahrung eines Wahlergebnisses ist der sich unmittelbar aus Art. 4
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch.
- 5. Behörden, die Rechtssätze aufstellen, binden damit auch sich selber (Erw. 7).
Regeste (fr):
- Droit de vote des citoyens. Pouvoir d'examen du Tribunal fédéral, validité d'un bulletin de vote dans une élection, violation du droit d'être entendu, récusation lorsqu'il s'agit de valider les résultats d'une élection, art. 85 lit. a OJ, art. 4 Cst.
- 1. Dans les recours relatifs au droit de vote, le Tribunal fédéral revoit librement l'interprétation du droit fédéral et du droit constitutionnel cantonal; il revoit seulement du point de vue restreint de l'art. 4 Cst. l'interprétation d'autres règles cantonales, dans la mesure où, par leur étendue et leur contenu, elles ne concernent pas le droit de vote déjà garanti par le droit fédéral (consid. 2).
- 2. Est-il arbitraire d'admettre qu'un bulletin de vote portant des traces de colle n'était pas muni, lorsdu dépouillement du scrutin, de l'estampille exigée pour sa validité? Vu le § 13 al. 1 de la loi argovienne du 10 janvier 1921 sur l'élection proportionnelle du Grand Conseil, on peut admetre sans arbitraire qu'il appartient à l'électeur de faire en sorte que son bulletin de vote présente les caractères qui en assurent la validité (consid. 3).
- 3. Le droit de vote garanti par le droit fédéral permet au citoyen d'exiger qu'aucun résultat d'une élection ne soit admis, qui ne soit pas l'expression assurée et authentique de la libre volonté du corps électoral (consid. 4).
- 4. Dans la procédure de validation du résultat d'élections, le droit d'être entendu, tel qu'il découle directement de l'art. 4 Cst., est déjà respecté lorsque les arguments favorables ou contraires à la validation ont été, comme tels, portés à la connaissance de l'autorité compétente (consid. 6).
- 5. Les autorités qui édictent des règles de droit se lient elles-mêmes par ces règles (consid. 7).
Regesto (it):
- Diritto di voto dei cittadini, potere d'esame del Tribunale federale, validità d'una scheda elettorale, violazione del diritto di essere sentito, ricusa nel caso di convalidazione dei risultati, art. 85 lett. a
OG, art. 4 CF.
- 1. Nei ricorsi riguardanti il diritto di voto il Tribunale federale esamina liberamente l'interpretazione del diritto federale e deldiritto constituzionale cantonale; esamina invece soltanto dal profilo limitato dell'art. 4 CF l'interpretazione di altre norme cantonali, nella misura in cui, per la loro estensione e per il loro contenuto, non concernano il diritto di voto, già garantito dal diritto federale (consid. 2).
- 2. E'arbitrario ammettere che una scheda provvista di tracce di colla non era munita, durante lo spoglio, del tagliando di controllo richiesto per la sua validità? Giusta il § 13 cpv. 1 della legge argoviese del 10 gennaio 1921 sulla elezione proporzionale del Gran Consiglio, si può ammettere senza arbitrio che è compito dell'elettore preoccuparsi affinchè la sua scheda presenti i caratteri che ne assicurino la validità (consid. 3).
- 3. Il diritto di voto garantito dal diritto federale permette al cittadino di esigere che non venga riconosciuto un risultato elettorale il quale non sia l'espressione fidata e autentica della volontà del corpo elettorale (consid. 4).
- 4. Nella procedura di convalidazione d'un risultato elettorale, il diritto di essere sentito, quale risulta direttamente dall'art. 4 CF, è già rispettato quando gli argomenti favorevoli o contrari alla convalidazione sono stati portati, come tali, alla conoscenza delle giurisdizioni competenti (consid. 6).
- 5. Le autorità che promulgano norme giuridiche ne sono a loro volta vincolate (consid. 7).
Sachverhalt ab Seite 268
BGE 91 I 266 S. 268
A.- Das aargauische Gesetz über die Verhältniswahl des Grossen Rates vom 10. Januar 1921 (GRWG) sieht vor, dass die Wahlen in den Bezirken auf Grund von Wahlvorschlägen durchgeführt werden. Einreichung, Bereinigung und Numerierung der Wahlvorschläge regeln die §§ 2-10 GRWG. Das Bezirksamt stellt jedem Wähler sämtliche Listen zur Benützung als Wahlzettel zu (§ 11 Abs. 1 GRWG). Um eine mehrfache Stimmabgabe auszuschliessen, ist jeder Wahlzettel mit einer Kontrollmarke zu versehen, die das Wahlbüro dem Wähler unmittelbar vor der Stimmabgabe abgibt (§ 13 Abs. 1 GRWG). Bei der Verteilung der Grossratsmandate unter die Parteien wird von der Zahl der gültigen Wahlzettel ausgegangen, die für jede der amtlich veröffentlichten Listen abgegeben worden sind (Parteistimmen). Jeder gültige Wahlzettel wird als Parteistimme derjenigen Liste zugerechnet, deren Bezeichnung oder Ordnungsnummer auf dem Wahlzettel gedruckt oder geschrieben ist. Auf die gleiche Verteilungszahl kommt bei allen Listen je ein Vertreter (§ 15 Ziff. 1 und § 16 GRWG). Um die Verteilungszahl zu ermitteln, wird die Summe aller Parteistimmen durch die um eins vermehrte Zahl der in einem Bezirk zu wählenden Mitglieder des Grossen Rates geteilt. Die nächsthöhere
BGE 91 I 266 S. 269
ganze Zahl des so ermittelten Quotienten ist die Verteilungszahl. Jede Liste erhält soviel Mal ein Mitglied des Grossen Rates zugeteilt, als die Verteilungszahl in ihrer Stimmenzahl enthalten ist. Kommen dabei nicht so viele Gewählte heraus, als zu wählen sind, so wird die Stimmenzahl jeder Liste durch die um eins vermehrte Zahl der ihr schon zugewiesenen Mandate geteilt. Der erste noch zu vergebende Sitz wird der Liste gegeben, die dabei den grössten Quotienten aufweist. Dieses Verfahren wird wiederholt, bis alle Mandate vergeben sind (§ 17 Abs. 1-4 GRWG). Eine Partei, die bei der ersten Verteilung die Verteilungszahl nicht erreicht, fällt für das weitere Zuteilungsverfahren ausser Betracht (§ 17 Abs. 5 GRWG).
B.- Am 14. März 1965 fanden im Kanton Aargau die Erneuerungswahlen für den Grossen Rat statt. Bei der Auszählung der Ergebnisse wurden im Bezirk Brugg vom Wahlbüro folgende Parteistimmenzahlen ermittelt: Liste 1, Sozialdemokraten 2264
Liste 2, Freisinnige 1308
Liste 3, Konservativ-Christlichsoziale 521
Liste 4, Evangelische Volkspartei 163
Liste 5, Bauern-, Gewerbe- und Bürgerpartei 1480
Liste 6, Freie Stimmberechtigte 426
Liste 7, Landesring der Unabhängigen 412
Summe der gültigen Parteistimmen 6574
Verteilungszahl bei 15 Mandaten: 411
Bei der Verteilung der Mandate erhielten die Sozialdemokraten nach dem vorhin beschriebenen Verfahren fünf Mandate, während dem Landesring ein Mandat zufiel. Die Wahlerergebnisse des Bezirkes Brugg und der übrigen Bezirke wurden gemeinsam in einer Beilage zum Amtsblatt veröffentlicht. Gegen die veröffentlichten Ergebnisse wurde im Bezirk Brugg keine Einsprache erhoben; dagegen erhob die konservativ-christlichsoziale Partei des Bezirkes Aarau Einsprache gegen das dortige Resultat, mit dem Erfolg, dass diese Partei auf Kosten der Sozialdemokraten einen Sitz mehr zugeteilt erhielt.
Im Anschluss an diese Berichtigung ordnete der Regierungsrat des Kantons Aargau in fünf Bezirken, die knappe Wahlergebnisse aufwiesen, eine Nachzählung der Wahlzettel an. Dabei
BGE 91 I 266 S. 270
ergaben sich für den Bezirk Brugg folgende Differenzen gegenüber den publizierten Parteistimmenzahlen: Sozialdemokraten - 1
Freisinnige -
Konservativ-Christlichsoziale - 2
Evangelische Volkspartei + 2
Bauern-, Gewerbe- und Bürgerpartei + 1
Freie Stimmberechtigte + 4
Landesring der Unabhängigen - 2
Die Parteistimmenzahl des Landesrings der Unabhängigen sank somit von 412 auf 410. Der Landesring blieb damit unter der Verteilungszahl 411 und verlor das Mandat, das vorher seinem Vertreter Ernst Döbeli zugeteilt worden war. Das Mandat ging an die Sozialdemokraten, weil sie bei der Zuteilung dieses zweiten Restmandates den höchsten Quotienten erreichten; die Wahl fiel auf Heinrich Kurth. Von den beiden Listen des Landesrings, die bei der Kontrolle als ungültig ausgeschieden wurden, war die eine in Brugg und die andere in Windisch eingelegt worden. Der Grund der Ungültigkeit war bei beiden Zetteln derselbe: Sie trugen keine Kontrollmarke. Der in Windisch eingelegte Zettel wies auch keine Klebspuren auf, wohl aber der Zettel Nr. 33 von Brugg. Das Bezirksamt Brugg unterbreitete ihn daher dem wissenschaftlichen Dienst der Stadtpolizei Zürich, um abzuklären, ob auf der Rückseite des Zettels eine Kontrollmarke aufgeklebt gewesen sei. Nach der Antwort des genannten Institutes erlaubt das Spurenmaterial keine eindeutige Beurteilung der gestellten Frage. Die Klebspuren können von einer aufgeklebten Kontrollmarke herrühren, aber auch einfach ein Abklatsch der übernässten Marke eines anderen Zettels sein. Der Experte hält für den Fall, dass in der Markenabrechnung eine Marke fehlen sollte, die Version, dass eine dem Zettel aufgeklebte Marke abgefallen sei, für die wahrscheinlichere. Der Grosse Rat des Kantons Aargau erwahrte in seiner konstituierenden Sitzung vom 27. April 1965 das abgeänderte Wahlresultat auf Antrag seiner Wahlprüfungskommission.
C.- Den Erwahrungsbeschluss des Grossen Rates fechten Hans Plüss und Eugen Brunner mit staatsrechtlicher Beschwerde an. Sie beantragen: "1. Die vom Grossen Rate des Kantons Aargau am 27. April 1965 vorgenommene Validierung des Herrn Heinrich Kurth, Brugg,
BGE 91 I 266 S. 271
als Mitglied des Grossen Rates sei zu kassieren und der Grosse Rat des Kantons Aargau einzuladen, Herrn Ernst Döbeli, Brugg, als gewählt zu erklären. 2. Eventuell: Die am 14. März 1965 erfolgte Wahl von 15 Mitgliedern des Aarg. Grossen Rates, vom Grossen Rate am 27. April 1965 berichtigt und validiert, sei zu kassieren und es sei der Grosse Rat des Kt. Aargau einzuladen, Neuwahlen im Bezirk Brugg anzuordnen." Auf die Begründung der Beschwerde wird, soweit erforderlich, in den Erwägungen hingewiesen.
D.- Der Regierungsrat des Kantons Aargau beantragt im Namen des Grossen Rates Abweisung der staatsrechtlichen Beschwerde.
Erwägungen
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1. Nach § 13 Abs. 1 GRWG ist der Wahlzettel, den der Wähler in die Urne legt, "mit einer vom Wahlbüro zu beziehenden Kontrollmarke zu versehen". Wahlzettel ohne Kontrollmarke sind gemäss § 7 Ziff. 6 der Vollziehungsverordnung vom 14. März 1921 zum Grossratswahlgesetz (GRWV) ungültig. Alle Instanzen, die sich mit der umstrittenen Wahl befasst haben, sind davon ausgegangen, das Grossratswahlgesetz werde durch § 7 Ziff. 6 GRWV sinngemäss und in zulässiger Weise ergänzt. Die Beschwerdeführer behaupten nicht, § 13 Abs. 1 GRWG enthalte nur eine Ordnungsvorschrift oder verletze eine Verfassungsnorm; sie sind lediglich der Meinung, der Grosse Rat habe zu Unrecht angenommen, dass der einzig umstrittene Wahlzettel Nr. 33 von Brugg mit keiner Kontrollmarke versehen gewesen sei.
2. Die Beschwerdeführer berufen sich zunächst auf Art. 85 lit. a

BGE 91 I 266 S. 272
frei, die Auslegung anderer kantonaler Vorschriften aber, sofern sie nicht das schon von Bundesrechts wegen gewährleistete Stimmrecht nach Umfang und Inhalt betreffen, nur unter dem beschränkten Gesichtswinkel des Art. 4

SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch. |


SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch. |
3. Nach Art. 28 Abs. 5 KV entscheidet im Kanton Aargau der Grosse Rat selbst über die Gültigkeit der Wahl seiner Mitglieder. Das entspricht der Regelung in den übrigen Kantonen und bei den Nationalratswahlen. Dabei ist es wohl unvermeidlich, dass bei umstrittenen Wahlen, wo - wie hier - eine Änderung der Fraktionsstärken in Frage steht, auch Erwägungen politischer Opportunität angestellt werden. Der Berichterstatter der Wahlaktenprüfungskommission hat denn auch im Grossen Rat besonders darauf hingewiesen, dass der Entscheid umso schwerer zu fällen sei, als "auch emotionelle Momente hineinspielen". Er wies auch darauf hin, dass die Kommission ihren Entscheid nur mit einer Mehrheit von einer Stimme, bei zwei Enthaltungen, gefällt habe; offen und unbefangen legte er die für und gegen diesen Entscheid sprechenden Gründe dar. a) Einigkeit besteht darüber, dass der Wahlzettel Nr. 33/Brugg keine Kontrollmarke trägt, aber Klebspuren aufweist; streitig ist dagegen, ob dieser Wahlzettel zur Zeit der Stimmabgabe mit einer Kontrollmarke versehen gewesen sei. Sicher ist, dass sich weder das eine noch das andere beweisen lässt. Die Wahlaktenprüfungskommission und der Grosse Rat hatten Indizien zu würdigen, sodass das Bundesgericht nur zu prüfen hat, ob das Ergebnis dieser Würdigung willkürlich, mit vernünftigen Gründen überhaupt nicht vertretbar sei. Das lässt sich nicht sagen. Die bei den Grossratswahlen vom 14. März 1965 benützten
BGE 91 I 266 S. 273
Kontrollmarken messen 3,2 x 2,3 cm. Die mit der Lupe erkennbare kleinste Distanz der Klebspur vom Rande des Wahlzettels Nr. 33 beträgt 0,2 cm, die grösste 0,8 cm. Wie sich aus dem Expertenbericht ergibt, ist zwischen diesen Spuren und dem Rande des Zettels nichts weiter feststellbar. Die Marke hätte daher blatteinwärts placiert gewesen sein müssen. Hier ist das Papier - von blossem Auge und auch mit der Lupe kaum sichtbar - schwach aufgerauht. Die aufgerauhte Zone ist laut Gutachten "5 Zähne hoch und ca. 7 mm breit". Da fünf Zähne der halben Schmalseite der verwendeten Kontrollmarken und damit höchstens 1,2 cm entsprechen, umfasst die mit diesen Massen gebildete Fläche höchstens 0,84 cm2, während die ganze Marke eine Fläche von 7,36 cm2 aufweist. Die allenfalls zum Zettel 33 gehörende Kontrollmarke wäre also nur auf rund einem Neuntel der gummierten Fläche benetzt und zudem, wie ein Vergleich mit dem vom Experten angeschnittenen Kontrollzettel Nr. 4 sofort zeigt, nicht normal befeuchtet gewesen. Es kann daher keine Rede davon sein, dass auf dem Wahlzettel Nr. 33 eine Kontrollmarke "mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit" aufgeklebt war. Die gegenteilige Annahme hat viel für sich und ist auf jeden Fall nicht willkürlich.
Daran vermag die angeblich vom Stadtammann von Brugg abgegebene Erklärung, seiner Überzeugung nach sei eine Marke aufgeklebt gewesen, nichts zu ändern. Ein Versehen war auch bei einem seriös arbeitenden Wahlbüro nicht ausgeschlossen. Auch die Tatsache, dass in der Markenabrechnung von Brugg eine Marke fehlte, lässt keineswegs mit Sicherheit darauf schliessen, dass die fehlende Kontrollmarke bei der Auszählung auf dem Zettel Nr. 33 vorhanden war und nachträglich abgefallen ist. Dies umso weniger, als das Stimmaterial nach der Auszählung in einem versiegelten, erst bei der Nachkontrolle wieder geöffneten Umschlag aufbewahrt worden ist. Unter diesen Umständen kommt auch der Zeit, die zwischen der ersten Auszählung und der späteren Kontrolle verstrichen ist, keine Bedeutung zu. b) § 13 Abs. 1 GRWG sagt nicht, wer die Kontrollmarke auf den Wahlzettel zu kleben hat. Ob das in der Praxis ein Mitglied des Wahlbüros tut oder der Stimmberechtigte selbst, kann dahingestellt bleiben. Jedenfalls behält der Wähler seinen Zettel nach dem Aufkleben der Marke noch in der Hand,
BGE 91 I 266 S. 274
sodass sich die Annahme des Regierungsrates, es sei Sache des Wählers, sich vor dem Einwerfen des Wahlzettels in die Urne zu vergewissern und dafür zu sorgen, dass die Marke richtig hafte, nicht als willkürlich bezeichnen lässt. Trifft das zu, so ist es Aufgabe des Wählers, dafür besorgt zu sein, dass sein Wahlzettel als gültig gekennzeichnet ist. Unterlässt er es, so nimmt er die Ungültigkeit seines Zettels mindestens in Kauf. An der Rechtslage würde sich daher sogar dann nichts ändern, wenn angenommen würde, dem Zettel Nr. 33 sei ursprünglich eine Kontrollmarke leicht angeklebt gewesen. Auf jeden Fall hielte auch dieser Befund dem Vorwurf der Willkür stand.
4. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtes gibt das vom Bundesrecht gewährleistete Stimmrecht dem Bürger einen Anspruch darauf, dass kein Wahlergebnis anerkannt wird, das den freien Willen der Wählerschaft nicht zuverlässig und unverfälscht zum Ausdruck bringt (BGE 89 I 443,BGE 75 I 245mit Verweisungen). Die Beschwerdeführer erklären, der angefochtene Grossratsbeschluss beeinträchtige diesen Anspruch in hohem Masse. Dieser Einwand wäre indessen nur begründet, wenn der Zettel Nr. 33 gültig wäre oder wenn bei der Ermittlung des freien Willens der Wählerschaft nicht nur auf die gültigen Stimmen, sondern auf die Zahl aller Urnengänger abgestellt werden müsste. Dass es nicht willkürlich war, den Zettel Nr. 33 als ungültig zu behandeln, ist bereits dargetan worden. Dass es bei der Ermittlung des freien Willens der Wählerschaft auf die Zahl aller Urnengänger, auch der ungültig stimmenden, ankomme, behaupten die Beschwerdeführer mit Recht selber nicht. Nach § 17 Abs. 1 GRWG ist bei der Ermittlung des Wahlresultates von der "Gesamtzahl der gültigen Stimmen" auszugehen. In Beachtung dieser Verfahrensvorschrift geht aber die Liste des Landesrings im Bezirk Brugg bei den Wahlen vom 14. März 1965 leer aus, wenn die durch die Nachkontrolle am ursprünglich ermittelten Abstimmungsresultat bewirkten Änderungen in Betracht gezogen werden. Die ursprünglich festgestellte Summe der Parteistimmen erhöht sich dann um (+ 7 - 5 =) 2 auf 6576, die Verteilungszahl auf 412 (6576: 16 = 411, nächsthöhere ganze Zahl 412). Die Liste des Landesrings bleibt damit nicht nur um eine, sondern um zwei Stimmen unter der Verteilungszahl. Die angefochtene Mandatsverteilung ist daher das gesetzmässig
BGE 91 I 266 S. 275
und zuverlässig ermittelte Resultat der freien und unverfälschten Willensäusserung jener Wähler, die im Bezirk Brugg gültig gestimmt haben.
5. Auch die weiteren Einwände der Beschwerdeführer zur Sache vermögen am bisherigen Ergebnis nichts zu ändern. a) Der Bericht des wissenschaftlichen Dienstes der Stadtpolizei Zürich lag zusammen mit allen anderen Wahlakten zur Einsicht der Ratsmitglieder auf. Die Wahlaktenprüfungskommission nahm den Expertenbericht zur Kenntnis, und ihr Präsident gab in seinem Referat vor dem Grossen Rat das Ergebnis der Expertise und alles bekannt, was für die eine und für die andere Annahme sprach. Ein Sprecher der Landesring-Fraktion las dem Rat vor der Abstimmung den Abschnitt, in welchem das Ergebnis der Untersuchung zusammengefasst ist, im Wortlaut vor und machte auch alles geltend, was zur Begründung seines Standpunktes vorgebracht werden konnte. Der Grosse Rat war unter diesen Umständen über den Sachverhalt und das Ergebnis der durchgeführten Untersuchung hinlänglich orientiert; die gegenteilige Behauptung der Beschwerdeführer ist nicht begründet. b) Der Sachverständige des wissenschaftlichen Dienstes der Stadtpolizei Zürich hat erklärt, wenn unter allen Wahlzetteln nur der Zettel Nr. 33 Klebspuren enthielte, so wäre das Vorhandensein eines Abklatsches auf einem Zettel ohne Kontrollmarke "ein höchst unwahrscheinliches Ereignis". Das hätte vielleicht Anlass geben können, auf allen Wahlzetteln nach Klebspuren zu suchen. Die Beschwerdeführer rügen, dass nur die ungültig erklärten Zettel auf Klebspuren abgesucht worden seien. Allein auch durch die Ausdehnung der Suche auf alle gültigen Zettel hätte der Zettel Nr. 33 nicht mit einer Kontrollmarke versehen werden können. Der Verzicht auf ein ohnehin unbehelfliches Beweismittel verstösst aber nicht gegen Art. 4

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BGE 91 I 266 S. 276
Aufhebung der Wahl des Heinrich Kurth, dann zur Kassation der gesamten Grossratswahlen im Bezirk Brugg führen. Auch dieser Einwand ist unbegründet. Dass der Zettel Nr. 33 keine Kontrollmarke trägt, fällt, wie ohne Willkür angenommen werden darf (vgl. Erw. 3 b), dem Wähler zur Last, der diesen Wahlzettel eingelegt hat. Die Folge davon ist die Ungültigkeit des Zettels. Dass er zuerst als gültig ausgezählt worden ist, war ein Fehler des Wahlbüros in Brugg. Durch die Nachkontrolle wurde dieser Fehler berichtigt. Damit ist aber alles geschehen, was möglich und erforderlich war, um das Wahlergebnis gesetzmässig zu ermitteln.
6. Die Beschwerdeführer beklagen sich schliesslich auch über eine Verweigerung des rechtlichen Gehörs "gegenüber den beteiligten Brugger Stimmbürgern und insbesondere gegenüber dem Wahlmännerkollegium des Landesrings". Sie behaupten indessen nicht, selber zu diesem Wahlmännerkollegium zu gehören, sodass sie nicht legitimiert sind, dessen Interessen wahrzunehmen (Art. 88

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BGE 91 I 266 S. 277
ermittelten Wahlergebnisses Anlass gibt, eine zweite Veröffentlichung unter Ansetzung einer neuen Einsprachefrist vorschreibe. Es fragt sich jedoch, ob das kantonale Recht, das keine zweite Einsprachemöglichkeit vorsieht, dem Bürger jenes Mindestmass an Rechtsschutz gewähre, auf das er schon unmittelbar auf Grund des Art. 4

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BGE 91 I 266 S. 278
auf Grund des Art. 4

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7. Nach § 1 Abs. 5 des Grossratsreglementes vom 20. Februar 1941 (GRR) nehmen Ratsmitglieder, deren Wahl beanstandet ist, zunächst an den Ratsverhandlungen teil; sie haben sich aber in den Ausstand zu begeben, wenn ihre eigene Wahl zur Behandlung kommt. Die Beschwerdeführer rügen, dass nicht die ganze Rats-Deputation aus dem Bezirk Brugg beim Erwahrungsbeschluss in den Ausstand getreten ist. In der dem Erwahrungsbeschluss des Grossen Rates vorangegangenen Debatte beantragte Grossrat Ernst Gujer, Baden, unterstützt von Grossrat Rudolf Rey, Aarau, es sei die Validierung der im Bezirk Brugg durchgeführten Wahlen aufzuschieben. Dieser Antrag wurde dem Antrag der Wahlaktenprüfungskommission auf Validierung der 196 "unbestrittenen" Mandate, unter denen sich auch 14 der 15 Mandate des Bezirkes Brugg befanden, gegenübergestellt. Die Frage des Landammanns, ob die Brugger Deputation mitstimmen dürfe, wurde vom Präsidenten der Wahlaktenprüfungskommission bejaht. Die hierauf folgende Abstimmung ergab 166 Stimmen für den Antrag der Wahlaktenprüfungskommission und 6 Stimmen für den Antrag Gujer. Das umstrittene Mandat des Heinrich Kurth wurde alsdann in einer weiteren Abstimmung mit 124 zu 26 Stimmen erwahrt. Dass die Grossräte aus dem Bezirk Brugg, ausgenommen Heinrich Kurt, an dieser Abstimmung teilnehmen konnten, liegt auf der Hand. Dagegen war ihr Mitwirken bei der ersten Abstimmung, welche die Validierung ihrer eigenen, umstrittenen Mandate zum Gegenstand hatte, nicht richtig. Sie hätten bei dieser Abstimmung auch nicht anwesend sein dürfen. Der Regierungsrat versucht seine gegenteilige Auffassung mit dem Hinweis zu begründen, der Grosse Rat dürfe das von ihm selber erlassene Reglement über die Geschäftsführung jederzeit ändern. Dieser Überlegung kann nicht gefolgt werden. Mit dem umstrittenen Beschluss hat der Grosse Rat sein Reglement nicht geändert, sondern verletzt. Das aber ist in einem Rechtsstaat nicht zulässig, da hier Behörden, die Rechtssätze aufstellen, damit auch sich selber binden (BGE 74 I 17/18,BGE 76 IV 52). Fraglich erscheint, ob § 1 Abs. 5 GRR Dritten in der Weise ein subjektives öffentliches Recht verleihe, dass seine Missachtung von jedermann wegen Verletzung klaren Rechts gerügt werden könnte (Art. 88

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BGE 91 I 266 S. 279
bleiben. Die Mehrheit, mit der die Mandate aus dem Bezirk Brugg validiert worden sind, ist so gross, dass der Kausalzusammenhang zwischen der Anwesenheit der Brugger Deputation bei der Abstimmung und dem Abstimmungsergebnis ohne Willkür verneint werden darf. Die Beschwerdeführer haben nichts vorgebracht, was für die Annahme sprechen könnte, die blosse Anwesenheit der Grossräte aus dem Bezirk Brugg bei der fraglichen Abstimmung habe die Freiheit der anderen Grossräte beeinträchtigt. Erst recht liegt nichts vor, was die gegenteilige Annahme als willkürlich erscheinen liesse.
8. Auf Grund dieser Erwägungen besteht kein Anlass, den angefochtenen Erwahrungsbeschluss des Grossen Rates bezüglich des umstrittenen Mandates des Heinrich Kurth und dessen Wahl oder bezüglich aller Ratsmitglieder aus dem Bezirk Brugg aufzuheben. Die Frage, ob auf die mit der staatsrechtlichen Beschwerde gestellten weiteren Anträge nicht kassatorischer Natur eingetreten werden könnte, wird somit gegenstandslos.
Dispositiv
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Beschwerde wird abgewiesen.