91 I 23
6. Urteil vom 20. Januar 1965 i.S. Zimmermann gegen Zimmermann und Regierungsrat des Kantons Aargau.
Regeste (de):
- Bäuerliches Vorkaufsrecht.
- Art. 6 ff . EGG.
- Die Kantone sind nicht befugt, den Entscheid darüber, ob ein bestimmtes Heimwesen ein landwirtschaftliches Gewerbe im Sinne von Art. 6 Abs. 1 EGG und damit Gegenstand des Vorkaufsrechts sei, einer Verwaltungsbehörde zuzuweisen; hierüber hat im Streitfall der ordentliche Richter vorfrageweise zu entscheiden.
Regeste (fr):
- Droit de préemption sur les exploitations agricoles.
- Art. 6 ss LPR.
- Les cantons ne peuvent pas confier à une autorité administrative le soin de décider si un domaine déterminé constitue une exploitation agricole au sens de l'art. 6 al. 1 LPR et si, partant, il est soumis au droit de préemption; en cas de contestation, cette question doit être tranchée à titre préjudiciel par le juge ordinaire.
Regesto (it):
- Diritto di prelazione sulle aziende agricole.
- Art. 6 sgg. LPF.
- I Cantoni non possono incaricare un'autorità amministrativa di decidere se un determinato podere costituisce un'azienda agricola nel senso dell'art. 6 cpv. 1 LPF e se, di conseguenza, è sottoposto al diritto di prelazione; in caso di contestazione, la questione dev'essere decisa pregiudizialmente dal giudice ordinario.
Sachverhalt ab Seite 24
BGE 91 I 23 S. 24
A.- Der 1897 geborene Landwirt Emil Zimmermann war Eigentümer eines landwirtschaftlichen Heimwesens in der Gemeinde Würenlos (AG), das aus 11 zusammen 488,50 a haltenden Parzellen bestand. Hievon verkaufte er a) durch Verträge vom 6. und 8. Februar 1961 drei zusammen 239,39 a haltende Parzellen für Fr. 88 000.-- an den in Baden wohnhaften Otto Jehle, und b) durch Vertrag vom 17. Februar 1961 zwei zusammen 104,08 a haltende Parzellen für 20'000.-- an den Landwirt Josef Benz in Würenlos. Am 26. Februar 1961 ersuchte er die Landwirtschaftsdirektion des Kantons Aargau unter Hinweis auf seine Absicht, Teile seines Heimwesens zu verkaufen, um Auskunft darüber, ob seinem Sohn Willy Zimmermann ein Vorkaufsrecht zustehe. Die Landwirtschaftsdirektion liess das Heimwesen durch einen Sachverständigen besichtigen und stellte hierauf durch Verfügung vom 24. Mai 1961 fest, dass die 11 Parzellen im Halte von 488,50 a "ein landwirtschaftliches Gewerbe im Sinne des Art. 6 EGG bilden und dass demzufolge die Vorschriften über das Vorkaufsrecht Anwendung finden".
Inzwischen waren die beiden Kaufverträge mit Jehle Ende Februar 1961 beim Grundbuchamt angemeldet worden. Darauf machte Willy Zimmermann ein gesetzliches Vorkaufsrecht gemäss Art. 6 EGG geltend. Nachdem die Landwirtschaftsdirektion den Schätzungswert (im Sinne des LEG) der verkauften Grundstücke rechtskräftig auf Fr. 6880.-- festgesetzt, Emil Zimmermann sich aber geweigert hatte, die Grundstücke zu diesem Preise dem Sohne zu überlassen, machte dieser sein Vorkaufsrecht durch Klage geltend. Das Bezirksgericht Baden hiess diese Klage durch Urteil vom 10. Juli 1963 gut und sprach die drei streitigen Grundstücke dem Kläger zum Schätzungswert von Fr. 6880.-- zu Eigentum zu. Dieser Teil des Dispositivs wurde von keiner Partei angefochten und ist in Rechtskraft erwachsen. (Ein weiterer Prozess, der das Vorkaufsrecht des Sohnes an den beiden an Benz verkauften Parzellen betrifft und im Herbst 1962, vor Anmeldung des Kaufvertrags beim Grundbuch, eingeleitet worden war, ist noch hängig.)
BGE 91 I 23 S. 25
Am 19. Oktober 1963 ersuchte Emil Zimmermann die Landwirtschaftsdirektion, den ihm nach Abtretung der drei Parzellen an seinen Sohn verbleibenden Grundbesitz im Halte von 246,62 a "aus der Unterstellung unter das EGG und damit unter das bäuerliche Vorkaufsrecht" zu entlassen. Die Landwirtschaftsdirektion stellte durch Verfügung vom 13. Dezember 1963 fest, dass die Emil Zimmermann verbleibenden Liegenschaften "kein landwirtschaftliches Gewerbe im Sinne des EGG bilden und dass demzufolge die Vorschriften über das Vorkaufsrecht keine Anwendung finden". Zur Begründung führte sie aus, dass vom Kulturland ein erheblicher Teil so weit ab und von den Gebäulichkeiten entfernt liege, dass eine Bewirtschaftung für einen derart kleinen Betrieb nicht mehr rationell möglich sei und daher die Voraussetzungen eines landwirtschaftlichen Gewerbes im Sinne von Art. 6 ff . EGG nicht mehr erfüllt seien.
Gegen diese Verfügung reichte der Sohn Willy Zimmermann beim Regierungsrat eine Beschwerde ein mit dem Antrag, sie aufzuheben und festzustellen, dass die seinem Vater verbleibenden Grundstücke ein landwirtschaftliches Gewerbe im Sinne des Art. 6 EGG bilden und dass demzufolge die Vorschriften über das Vorkaufsrecht Anwendung finden. Der Regierungsrat wies die Beschwerde mit Entscheid vom 20. August 1964 ab. In den Erwägungen wird dargelegt, weshalb der Entscheid der Landwirtschaftsdirektion zutreffend und das in Frage stehende Heimwesen nicht mehr schützenswert sei. Zum Einwand des Beschwerdeführers, der Entscheid der Landwirtschaftsdirektion ermangle insoweit, als er die an Benz verkauften, bereits Gegenstand eines Zivilprozesses bildenden Grundstücke betreffe, jeglicher Verbindlichkeit, bemerkt der Regierungsrat: "Die Landwirtschaftsdirektion ist immer zuständig, einen Entscheid im Sinne von Art. 6 EGG und § 1 (der aarg.) VVO zu treffen. Emil Zimmermann ist noch Eigentümer von 5 Parzellen im Halte von total 242,62 a. Dazu gehören auch GB Würenlos Nr. 2548 und 2549. Der Entscheid bezieht sich daher auch auf diese beiden Grundstücke."
B.- Mit der staatsrechtlichen Beschwerde stellt Willy Zimmermann folgende Anträge: 1. Der Entscheid der Landwirtschaftsdirektion vom 13. Dezember 1963 bzw. der Beschluss des Regierungsrates vom 20. August 1964 seien im vollen Umfang aufzuheben.
BGE 91 I 23 S. 26
2. Es sei festzustellen, dass die Emil Zimmermann verbleibenden Grundstücke Nr. 2541, 2542, 2552, 2548 und 2549 ein landwirtschaftliches Gewerbe im Sinne von Art. 6 EGG bilden und dass demzufolge die Vorschriften über das Vorkaufsrecht Anwendung finden. Der Beschwerdeführer beruft sich auf Art. 4
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch. |
C.- Der Regierungsrat des Kantons Aargau und der Beschwerdegegner Emil Zimmermann beantragen Abweisung der Beschwerde. Zur Frage, ob der Entscheid der Administrativbehörden über die Anwendbarkeit der Bestimmungen über das Vorkaufsrecht für den Zivilrichter verbindlich sei, führt der Regierungsrat aus: Dass das bäuerliche Vorkaufsrecht gemäss Art. 6 EGG ein privatrechtlicher Anspruch sei und im Streitfall der Zivilrichter darüber zu urteilen habe, sei richtig. Nach § 1 der gestützt auf Art. 46 Abs. 2
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BGE 91 I 23 S. 27
von § 1 VV gegen klares Bundesrecht oder den Grundsatz der Gewaltentrennung verstosse, werde bestritten.
Erwägungen
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1. Da der Regierungsrat die Verfügung der Landwirtschaftsdirektion vom 13. November 1963 frei überprüfen konnte, stellt sein Entscheid einen neuen Sachentscheid dar, der an die Stelle jener Verfügung getreten ist. Auf das Begehren des Beschwerdeführers, auch die Verfügung der Landwirtschaftsdirektion aufzuheben, ist daher nicht einzutreten (BGE 90 I 107 Erw. 1). Staatsrechtliche Beschwerden haben sodann, von hier nicht in Betracht fallenden Ausnahmen abgesehen, rein kassatorischen Charakter (BGE 90 I 21 Erw. 1 mit Verweisungen), weshalb auch das Begehren um Feststellung, dass die Emil Zimmermann gehörenden Parzellen ein landwirtschaftliches Gewerbe im Sinne von Art. 6 EGG bilden, unzulässig ist. Dagegen ist auf den Antrag auf Aufhebung des Entscheids des Regierungsrates vom 20. August 1964 einzutreten. Der kantonale Instanzenzug ist erschöpft (§ 15 der aarg. VV zum EGG). Der angefochtene Entscheid ist ein Verwaltungsakt, der die Frage der Anwendbarkeit von Vorschriften des EGG auf ein bestimmtes Heimwesen betrifft. Da er nicht in einer Zivilstreitigkeit oder Zivilsache ergangen ist, können die vom Beschwerdeführer behaupteten Rechtsverletzungen weder mit der Berufung (Art. 43
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2. Die Beschwerde ist als solche wegen Verletzung des Art. 4
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BGE 91 I 23 S. 28
über den Bestand des Vorkaufsrechtes zu befinden habe. Damit macht der Beschwerdeführer, da der Regierungsrat die Zuständigkeit der Verwaltungsbehörden aus den §§ 1 und 15 der aarg. VV zum EGG ableitet, dem Sinne nach auch eine Verletzung des in Art. 2
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 2 Zweck - 1 Die Schweizerische Eidgenossenschaft schützt die Freiheit und die Rechte des Volkes und wahrt die Unabhängigkeit und die Sicherheit des Landes. |
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1 | Die Schweizerische Eidgenossenschaft schützt die Freiheit und die Rechte des Volkes und wahrt die Unabhängigkeit und die Sicherheit des Landes. |
2 | Sie fördert die gemeinsame Wohlfahrt, die nachhaltige Entwicklung, den inneren Zusammenhalt und die kulturelle Vielfalt des Landes. |
3 | Sie sorgt für eine möglichst grosse Chancengleichheit unter den Bürgerinnen und Bürgern. |
4 | Sie setzt sich ein für die dauerhafte Erhaltung der natürlichen Lebensgrundlagen und für eine friedliche und gerechte internationale Ordnung. |
3. Nach § 1 der aarg. VV zum EGG entscheidet die Landwirtschaftsdirektion im Zweifelsfall über die Anwendbarkeit des EGG auf ein Gewerbe oder eine Liegenschaft. Der Regierungsrat leitet hieraus die Befugnis der Landwirtschaftsdirektion zum Entscheid darüber ab, ob ein bestimmtes Heimwesen ein landwirtschaftliches Gewerbe im Sinne des Art. 6 EGG und damit Gegenstand des Vorkaufsrechtes bilde. Hiefür ist aber im EGG keine Grundlage zu finden. Das bäuerliche Vorkaufsrecht nach Art. 6 ff . EGG ist, wie der Regierungsrat mit Recht anerkennt, ein zivilrechtlicher Anspruch. Über dessen Bestand hat von Bundesrechts wegen der ordentliche Richter zu entscheiden (vgl. BGE 79 I 269 und 275). Dass eine Verwaltungsbehörde über das Vorhandensein eines landwirtschaftlichen Gewerbes als eine der Voraussetzungen des Vorkaufsrechts zu entscheiden hätte oder die Kantone diesen Entscheid einer Verwaltungsbehörde übertragen dürften, lässt sich dem EGG nicht entnehmen. Das EGG enthält, im Gegensatz zum LEG (Art. 2 und 3), keine Bestimmung, wonach die
BGE 91 I 23 S. 29
Anwendung des Gesetzes auf ein bestimmtes Heimwesen die Unterstellung durch einen Entscheid der zuständigen Behörde voraussetzt und diese Behörde von den Kantonen zu bezeichnen ist. Nach Art. 46
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1 | Die Schweizerische Eidgenossenschaft schützt die Freiheit und die Rechte des Volkes und wahrt die Unabhängigkeit und die Sicherheit des Landes. |
2 | Sie fördert die gemeinsame Wohlfahrt, die nachhaltige Entwicklung, den inneren Zusammenhalt und die kulturelle Vielfalt des Landes. |
3 | Sie sorgt für eine möglichst grosse Chancengleichheit unter den Bürgerinnen und Bürgern. |
4 | Sie setzt sich ein für die dauerhafte Erhaltung der natürlichen Lebensgrundlagen und für eine friedliche und gerechte internationale Ordnung. |
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BGE 91 I 23 S. 30
desselben zu beurteilen, und im übrigen seien die Verwaltungsbehörden zuständig, und auch diese müssten zunächst feststellen, ob die Voraussetzungen ihres Eingreifens erfüllt seien. Die ständerätliche Kommission stimmte zu und beantragte dem Ständerat im Sinne einer Vereinfachung des Verfahrens Streichung von Abs. 3 des Art. 3 sowie der entsprechenden Stellen in Art. 41 (zuständige Behörde für den Vorentscheid) und 42 (Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen diesen Entscheid). Der Ständerat beschloss dies, und der Nationalrat folgte ihm (Sten-Bull StR 1949 S. 431/2, NatR 1949 S. 874). Der Gesetzgeber wollte somit die auf Grund des EGG durchzuführenden Verfahren dahin vereinfachen, dass über die Anwendbarkeit des Gesetzes auf den Einzelfall kein besonderer Entscheid zu fällen sei, sondern hierüber bei Streit über das Vorkaufsrecht der Richter und im Einspruchsverfahren die zuständige Behörde vorfrageweise zu entscheiden habe. Nach dem EGG ist daher kein Raum für den Entscheid einer kantonalen Verwaltungsbehörde über die Frage, ob ein bestimmtes Heimwesen ein landwirtschaftliches Gewerbe im Sinne des Art. 6 EGG und damit Gegenstand des Vorkaufsrechtes sei. Hierüber ist im Streitfall vom Richter vorfrageweise zu entscheiden (wie es z.B. in BGE 86 II 430 Erw. 1 geschah; vgl. auch BGE 87 I 478 Erw. 4). Die Annahme des Regierungsrates, dass § 1 VV die Zuständigkeit bezüglich dieses "Aspektes des Vorkaufsrechts" zugunsten der Verwaltungsbehörden entschieden habe, beruht auf einer mit dem Bundesrecht unvereinbaren Auslegung dieser kantonalen Ausführungsbestimmung. § 1 VV kann nur Platz greifen, soweit der Kanton nach dem EGG befugt ist, die zuständige Behörde zu bezeichnen, d.h. im Rahmen des Art. 4
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2 | Sie fördert die gemeinsame Wohlfahrt, die nachhaltige Entwicklung, den inneren Zusammenhalt und die kulturelle Vielfalt des Landes. |
3 | Sie sorgt für eine möglichst grosse Chancengleichheit unter den Bürgerinnen und Bürgern. |
4 | Sie setzt sich ein für die dauerhafte Erhaltung der natürlichen Lebensgrundlagen und für eine friedliche und gerechte internationale Ordnung. |
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2 | Sie fördert die gemeinsame Wohlfahrt, die nachhaltige Entwicklung, den inneren Zusammenhalt und die kulturelle Vielfalt des Landes. |
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Dispositiv
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Beschwerde wird dahin gutgeheissen, dass der Beschluss des Regierungsrates des Kantons Aargau vom 20. August 1964 aufgehoben wird.