89 IV 94
19. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 10. Mai 1963 i.S. Schmid gegen Erbengemeinschaft Fischer und Staatsanwaltschaft des Kantons Luzern.
Regeste (de):
- Art. 335 Ziff. 1 Abs. 1
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 335 - 1 Den Kantonen bleibt die Gesetzgebung über das Übertretungsstrafrecht insoweit vorbehalten, als es nicht Gegenstand der Bundesgesetzgebung ist.
1 Den Kantonen bleibt die Gesetzgebung über das Übertretungsstrafrecht insoweit vorbehalten, als es nicht Gegenstand der Bundesgesetzgebung ist. 2 Die Kantone sind befugt, die Widerhandlungen gegen das kantonale Verwaltungs- und Prozessrecht mit Sanktionen zu bedrohen. - § 37 des luzernischen EG StGB, der die Verunreinigung fremden Eigentums mit Übertretungsstrafe bedroht, verstösst nicht gegen Bundesrecht (Erw. 4). Die Bestimmung ist auch auf Handlungen anwendbar, die zugleich den Tatbestand der Verunreinigung eines Gewässers oder dessen Umgebung nach Art. 4
SR 814.20 Bundesgesetz vom 24. Januar 1991 über den Schutz der Gewässer (Gewässerschutzgesetz, GSchG) - Gewässerschutzgesetz
GSchG Art. 4 Begriffe - In diesem Gesetz bedeuten:
a Oberirdisches Gewässer: Wasserbett mit Sohle und Böschung sowie die tierische und pflanzliche Besiedlung; b Unterirdisches Gewässer: Grundwasser (einschl. Quellwasser), Grundwasserleiter, Grundwasserstauer und Deckschicht; c Nachteilige Einwirkung: Verunreinigung und andere Eingriffe, welche die Gestalt oder die Funktion eines Gewässers beeinträchtigen; d Verunreinigung: Nachteilige physikalische, chemische oder biologische Veränderung des Wassers; e Abwasser: Das durch häuslichen, industriellen, gewerblichen, landwirtschaftlichen oder sonstigen Gebrauch veränderte Wasser, ferner das in der Kanalisation stetig damit abfliessende Wasser sowie das von bebauten oder befestigten Flächen abfliessende Niederschlagswasser; f Verschmutztes Abwasser: Abwasser, das ein Gewässer, in das es gelangt, verunreinigen kann; g Hofdünger: Gülle, Mist und Silosäfte aus der Nutztierhaltung; h Abflussmenge Q347: Abflussmenge, die, gemittelt über zehn Jahre, durchschnittlich während 347 Tagen des Jahres erreicht oder überschritten wird und die durch Stauung, Entnahme oder Zuleitung von Wasser nicht wesentlich beeinflusst ist; i Ständige Wasserführung: Abflussmenge Q347, die grösser als Null ist; k Restwassermenge: Abflussmenge eines Fliessgewässers, die nach einer oder mehreren Entnahmen von Wasser verbleibt; l Dotierwassermenge: Wassermenge, die zur Sicherstellung einer bestimm-ten Restwassermenge bei der Wasserentnahme im Gewässer belassen wird; m Revitalisierung: Wiederherstellung der natürlichen Funktionen eines verbauten, korrigierten, überdeckten oder eingedolten oberirdischen Gewässers mit baulichen Massnahmen. SR 814.20 Bundesgesetz vom 24. Januar 1991 über den Schutz der Gewässer (Gewässerschutzgesetz, GSchG) - Gewässerschutzgesetz
GSchG Art. 15 - 1 Die Inhaber von Abwasseranlagen, Lagereinrichtungen und technischen Aufbereitungsanlagen für Hofdünger und flüssiges Gärgut sowie von Raufuttersilos sorgen dafür, dass diese sachgemäss erstellt, bedient, gewartet und unterhalten werden.19 Die Funktionstüchtigkeit von Abwasser- und Düngeraufbereitungsanlagen muss regelmässig überprüft werden.
1 Die Inhaber von Abwasseranlagen, Lagereinrichtungen und technischen Aufbereitungsanlagen für Hofdünger und flüssiges Gärgut sowie von Raufuttersilos sorgen dafür, dass diese sachgemäss erstellt, bedient, gewartet und unterhalten werden.19 Die Funktionstüchtigkeit von Abwasser- und Düngeraufbereitungsanlagen muss regelmässig überprüft werden. 2 Die kantonale Behörde sorgt dafür, dass die Anlagen periodisch kontrolliert werden.
Regeste (fr):
- Art. 335 ch. 1 al. 1 CP, LF sur la protection des eaux contre la pollution.
- Le § 37 de la loi lucernoise d'introduction au CP, qui rend passible des peines réprimant les contraventions celui qui souille la propriété d'autrui, n'est pas contraire au droit fédéral (consid. 4). La disposition précitée s'applique aussi aux actes qui tombent également sous le coup de l'interdiction de polluer les eaux et leurs environs statuée par les art. 4 et 15 de la LF sur la protection des eaux contre la pollution (consid. 6).
Regesto (it):
- Art. 335 num. 1 cpv. 1 CP, LF sulla protezione delle acque dall'inquinamento.
- Il § 37 della legge lucernese d'introduzione al CP, nel quale è comminata una contravvenzione a chi inquina l'altrui proprietà, non è contrario al diritto federale (consid. 4). La citata disposizione è pure applicabile agli atti che adempiono anche la fattispecie dell'inquinamento delle acque o dei dintorni secondo gli art. 4 e 15 LF sulla protezione delle acque dall'inquinamento (consid. 6).
Sachverhalt ab Seite 94
BGE 89 IV 94 S. 94
Aus dem Tatbestand:
A.- Schmid bewirtschaftete bis anfangs September 1961 eine Liegenschaft in Kriens, die an den Rand des Streuibachtobels grenzt. Ein Teil dieses Tobels gehört zu
BGE 89 IV 94 S. 95
einem Grundstück der Erben Fischer. Beim Wegzug von der Liegenschaft beförderte Schmid verschiedene wertlose Gegenstände, deren er sich entledigen wollte, so Bretter, leere Fässer, Kanister, Blechdosen usw., in das Tobel auf das Grundstück der Erben Fischer. Diese stellten daher gegen Schmid Strafantrag wegen Verunreinigung des Tobels.
B.- Am 19. März 1963 erklärte das Obergericht des Kantons Luzern Schmid der vorsätzlichen Verunreinigung von Gewässern (Art. 4 Abs. 1 und 2 BG über den Schutz der Gewässer gegen Verunreinigung vom 16. März 1955) und der vorsätzlichen Verunreinigung von fremdem Eigentum (§ 37 luz. EG StGB) schuldig und verurteilte ihn zu Fr. 300.-- Busse.
C.- Schmid führt Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, er sei freizusprechen.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
4. Der Beschwerdeführer macht geltend, er habe nicht wegen Verunreinigung fremden Eigentums im Sinne des § 37 luz. EG StGB verurteilt werden dürfen, weil der Kanton diese vom Strafgesetzbuch nicht erfasste Tat nicht unter Strafe stellen dürfe. a) Art. 335 Ziff. 1
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SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 335 - 1 Den Kantonen bleibt die Gesetzgebung über das Übertretungsstrafrecht insoweit vorbehalten, als es nicht Gegenstand der Bundesgesetzgebung ist. |
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1 | Den Kantonen bleibt die Gesetzgebung über das Übertretungsstrafrecht insoweit vorbehalten, als es nicht Gegenstand der Bundesgesetzgebung ist. |
2 | Die Kantone sind befugt, die Widerhandlungen gegen das kantonale Verwaltungs- und Prozessrecht mit Sanktionen zu bedrohen. |
BGE 89 IV 94 S. 96
durch ein geschlossenes System von Normen regelt. Behandelt es dagegen ein bestimmtes strafrechtliches Gebiet überhaupt nicht, oder stellt es nur einen Teil der Tatbestände daraus unter Strafe, um den von Kanton zu Kanton wechselnden Ansichten über die Strafwürdigkeit einer Handlung Rechnung zu tragen, so bleibt Raum für kantonales Übertretungsstrafrecht. b) Nach § 37 luz. EG StGB ist mit Haft oder Busse zu bestrafen, wer aus Bosheit oder Mutwillen öffentliche Denkmäler, öffentliche Gebäude und anderes öffentliches Eigentum oder fremdes Privateigentum verunreinigt, sofern nicht Sachbeschädigung vorliegt. Die Bestimmung richtet sich, wie auch im Randtitel hervorgehoben wird, gegen die Verunreinigung fremden Eigentums schlechthin. Geschütztes Rechtsgut ist offenbar das Vermögen, was auch daraus zu schliessen ist, dass die Bestimmung, wie aus dem ausdrücklichen Hinweis auf ihren subsidiären Charakter hervorgeht, jene über die Sachbeschädigung (Art. 145
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SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 145 - Der Schuldner, der in der Absicht, seinen Gläubiger zu schädigen, diesem eine als Pfand oder Retentionsgegenstand dienende Sache entzieht, eigenmächtig darüber verfügt, sie beschädigt, zerstört, entwertet oder unbrauchbar macht, wird, auf Antrag, mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft. |
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SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 145 - Der Schuldner, der in der Absicht, seinen Gläubiger zu schädigen, diesem eine als Pfand oder Retentionsgegenstand dienende Sache entzieht, eigenmächtig darüber verfügt, sie beschädigt, zerstört, entwertet oder unbrauchbar macht, wird, auf Antrag, mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft. |
BGE 89 IV 94 S. 97
137-172). Im Entwurf des Bundesrates waren auch eine Reihe von Bestimmungen betreffend "Übertretungen gegen das Vermögen" vorgesehen (Art. 298-312). Mehrere davon wurden in der Bundesversammlung in den Titel über die "strafbaren Handlungen gegen das Vermögen" versetzt, zunächst auch die Bestimmung über "geringfügige Sachbeschädigung" (Art. 301 E; StenBull, Sonderausgabe NatR 505 ff., StR 233 f.), die dann aber später überhaupt unterdrückt wurde, weil man fand, bei geringem Schaden könne schon auf Grund des Art. 126 E (Art. 145
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SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 145 - Der Schuldner, der in der Absicht, seinen Gläubiger zu schädigen, diesem eine als Pfand oder Retentionsgegenstand dienende Sache entzieht, eigenmächtig darüber verfügt, sie beschädigt, zerstört, entwertet oder unbrauchbar macht, wird, auf Antrag, mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft. |
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SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 145 - Der Schuldner, der in der Absicht, seinen Gläubiger zu schädigen, diesem eine als Pfand oder Retentionsgegenstand dienende Sache entzieht, eigenmächtig darüber verfügt, sie beschädigt, zerstört, entwertet oder unbrauchbar macht, wird, auf Antrag, mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft. |
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SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 145 - Der Schuldner, der in der Absicht, seinen Gläubiger zu schädigen, diesem eine als Pfand oder Retentionsgegenstand dienende Sache entzieht, eigenmächtig darüber verfügt, sie beschädigt, zerstört, entwertet oder unbrauchbar macht, wird, auf Antrag, mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft. |
BGE 89 IV 94 S. 98
ist. Der Bundesgesetzgeber kann den Kantonen diesen zusätzlichen Schutz fremden Eigentums nicht haben verwehren wollen.
6. Eine andere Frage ist, ob § 37 luz. EG StGB auf Handlungen angewendet werden dürfe, die gemäss Art. 4
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SR 814.20 Bundesgesetz vom 24. Januar 1991 über den Schutz der Gewässer (Gewässerschutzgesetz, GSchG) - Gewässerschutzgesetz GSchG Art. 4 Begriffe - In diesem Gesetz bedeuten: |
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a | Oberirdisches Gewässer: Wasserbett mit Sohle und Böschung sowie die tierische und pflanzliche Besiedlung; |
b | Unterirdisches Gewässer: Grundwasser (einschl. Quellwasser), Grundwasserleiter, Grundwasserstauer und Deckschicht; |
c | Nachteilige Einwirkung: Verunreinigung und andere Eingriffe, welche die Gestalt oder die Funktion eines Gewässers beeinträchtigen; |
d | Verunreinigung: Nachteilige physikalische, chemische oder biologische Veränderung des Wassers; |
e | Abwasser: Das durch häuslichen, industriellen, gewerblichen, landwirtschaftlichen oder sonstigen Gebrauch veränderte Wasser, ferner das in der Kanalisation stetig damit abfliessende Wasser sowie das von bebauten oder befestigten Flächen abfliessende Niederschlagswasser; |
f | Verschmutztes Abwasser: Abwasser, das ein Gewässer, in das es gelangt, verunreinigen kann; |
g | Hofdünger: Gülle, Mist und Silosäfte aus der Nutztierhaltung; |
h | Abflussmenge Q347: Abflussmenge, die, gemittelt über zehn Jahre, durchschnittlich während 347 Tagen des Jahres erreicht oder überschritten wird und die durch Stauung, Entnahme oder Zuleitung von Wasser nicht wesentlich beeinflusst ist; |
i | Ständige Wasserführung: Abflussmenge Q347, die grösser als Null ist; |
k | Restwassermenge: Abflussmenge eines Fliessgewässers, die nach einer oder mehreren Entnahmen von Wasser verbleibt; |
l | Dotierwassermenge: Wassermenge, die zur Sicherstellung einer bestimm-ten Restwassermenge bei der Wasserentnahme im Gewässer belassen wird; |
m | Revitalisierung: Wiederherstellung der natürlichen Funktionen eines verbauten, korrigierten, überdeckten oder eingedolten oberirdischen Gewässers mit baulichen Massnahmen. |
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SR 814.20 Bundesgesetz vom 24. Januar 1991 über den Schutz der Gewässer (Gewässerschutzgesetz, GSchG) - Gewässerschutzgesetz GSchG Art. 15 - 1 Die Inhaber von Abwasseranlagen, Lagereinrichtungen und technischen Aufbereitungsanlagen für Hofdünger und flüssiges Gärgut sowie von Raufuttersilos sorgen dafür, dass diese sachgemäss erstellt, bedient, gewartet und unterhalten werden.19 Die Funktionstüchtigkeit von Abwasser- und Düngeraufbereitungsanlagen muss regelmässig überprüft werden. |
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1 | Die Inhaber von Abwasseranlagen, Lagereinrichtungen und technischen Aufbereitungsanlagen für Hofdünger und flüssiges Gärgut sowie von Raufuttersilos sorgen dafür, dass diese sachgemäss erstellt, bedient, gewartet und unterhalten werden.19 Die Funktionstüchtigkeit von Abwasser- und Düngeraufbereitungsanlagen muss regelmässig überprüft werden. |
2 | Die kantonale Behörde sorgt dafür, dass die Anlagen periodisch kontrolliert werden. |
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SR 814.20 Bundesgesetz vom 24. Januar 1991 über den Schutz der Gewässer (Gewässerschutzgesetz, GSchG) - Gewässerschutzgesetz GSchG Art. 2 Geltungsbereich - Dieses Gesetz gilt für alle ober- und unterirdischen Gewässer. |