S. 53 / Nr. 17 Strafgesetzbuch (d)

BGE 72 IV 53

17. Urteil des Kassationshofes vom 10. Juli 1946 i.S. Möri gegen
Staatsanwaltschaft des Kantons Aargau und Kappeler.

Regeste:
1. Art. 137 Ziff. 1
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 137 - 1. Wer sich eine fremde bewegliche Sache aneignet, um sich oder einen andern damit unrechtmässig zu bereichern, wird, wenn nicht die besonderen Voraussetzungen der Artikel 138-140 zutreffen, mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft.
1    Wer sich eine fremde bewegliche Sache aneignet, um sich oder einen andern damit unrechtmässig zu bereichern, wird, wenn nicht die besonderen Voraussetzungen der Artikel 138-140 zutreffen, mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft.
2    Hat der Täter die Sache gefunden oder ist sie ihm ohne seinen Willen zugekommen,
StGB. Diebstahl ist auch möglich an einer Sache, die
beweglich gemacht werden muss, bevor sie weggenommen werden kann.
2. Art. 335 Ziff. 1 Abs. 1
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 335 - 1 Den Kantonen bleibt die Gesetzgebung über das Übertretungsstrafrecht insoweit vorbehalten, als es nicht Gegenstand der Bundesgesetzgebung ist.
1    Den Kantonen bleibt die Gesetzgebung über das Übertretungsstrafrecht insoweit vorbehalten, als es nicht Gegenstand der Bundesgesetzgebung ist.
2    Die Kantone sind befugt, die Widerhandlungen gegen das kantonale Verwaltungs- und Prozessrecht mit Sanktionen zu bedrohen.
StGB. Die Kantone dürfen die Wegnahme stehenden
Holzes und nicht eingesammelter Feld- oder Gartenfrüchte von geringem Wert mit
blosser Übertretungsstrafe bedrohen. Tun sie es nicht, so ist die Tat als
Diebstahl (Art. 137
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 137 - 1. Wer sich eine fremde bewegliche Sache aneignet, um sich oder einen andern damit unrechtmässig zu bereichern, wird, wenn nicht die besonderen Voraussetzungen der Artikel 138-140 zutreffen, mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft.
1    Wer sich eine fremde bewegliche Sache aneignet, um sich oder einen andern damit unrechtmässig zu bereichern, wird, wenn nicht die besonderen Voraussetzungen der Artikel 138-140 zutreffen, mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft.
2    Hat der Täter die Sache gefunden oder ist sie ihm ohne seinen Willen zugekommen,
StGB) oder Entwendung (Art. 138
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 138 - 1. Wer sich eine ihm anvertraute fremde bewegliche Sache aneignet, um sich oder einen andern damit unrechtmässig zu bereichern,
1    Wer sich eine ihm anvertraute fremde bewegliche Sache aneignet, um sich oder einen andern damit unrechtmässig zu bereichern,
2    Wer die Tat als Mitglied einer Behörde, als Beamter, Vormund, Beistand, berufsmässiger Vermögensverwalter oder bei Ausübung eines Berufes, Gewerbes oder Handelsgeschäftes, zu der er durch eine Behörde ermächtigt ist, begeht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zehn Jahren oder Geldstrafe192 bestraft.
StGB) zu bestrafen.
1. Art. 137 ch. 1 CP. Le vol peut aussi porter sur une chose qui doit être
rendue mobilière avant de pouvoir être soustraite.
2. Art. 335 ch. 1 al. 1 CP. Les cantons peuvent frapper d'une simple peine
contraventionnelle la soustraction de bois sur pied ou de produits agricoles
ou horticoles non récoltés de peu de valeur. Lorsqu'un canton n'a pas fait
usage de cette faculté, l'acte doit être réprimé comme vol (art. 137 CP) ou
comme larcin (art. 138 CP).
1. Art. 137, cifra 1 CP. Il furto può perpetrarsi anche su una cosa che
dev'essere resa mobile prima di poter essere sottratta.
2. Art. 335, cifra 1, cp. 1 CP. I Cantoni possono punire come una semplice
contravvenzione il fatto di portar via legua non ancora tagliata o prodotti
agricoli od orticoli non ancora raccolti, purchè di poco valore. Se il Cantone
non si è valso di siffatta competenza, l'atto dev'essere punito come un furto
(art. 137 CP) o come una sottrazione di poca entità (art. 138 CP).

A. ­ Landwirt Möri wurde am 28. Februar 1946 vom Bezirksgericht Zurzach wegen
Diebstahls zu einer bedingt vollziehbaren Gefängnisstrafe von zehn Tagen und
gegenüber dem Zivilkläger Kappeler zu hundert Franken Schadenersatz
verurteilt, weil er im Herbst 1945 absichtlich und unberechtigterweise durch
sein Vieh die Wiese Kappelers vollständig hatte abweiden lassen. Die
Beschwerde des Verurteilten wurde vom Obergericht des Kantons Aargau am 31.
Mai 1946 abgewiesen.

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B. ­ Möri führt Nichtigkeitsbeschwerde mit den Anträgen, das Urteil des
Obergerichts sei aufzuheben, er sei von Schuld und Strafe freizusprechen und
die Forderung des Zivilklägers sei auf den Zivilweg zu verweisen. Zur
Begründung macht der Beschwerdeführer geltend, die Bestimmung über Diebstahl
sei nicht anwendbar, weil mit Grund und Boden verbundene Feldfrüchte und Gras
nicht bewegliche Sachen seien. Feldfrevel sei zudem ein dem
Übertretungsstrafrecht der Kantone vorbehaltener Tatbestand, im Kanton Aargau
aber nicht strafbar. Man dürfe nicht an Stelle des aufgehobenen alten
kantonalen Strafrechts, das den Feldfrevel als qualifizierten Diebstahl
behandelt habe, Art. 137
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 137 - 1. Wer sich eine fremde bewegliche Sache aneignet, um sich oder einen andern damit unrechtmässig zu bereichern, wird, wenn nicht die besonderen Voraussetzungen der Artikel 138-140 zutreffen, mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft.
1    Wer sich eine fremde bewegliche Sache aneignet, um sich oder einen andern damit unrechtmässig zu bereichern, wird, wenn nicht die besonderen Voraussetzungen der Artikel 138-140 zutreffen, mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft.
2    Hat der Täter die Sache gefunden oder ist sie ihm ohne seinen Willen zugekommen,
StGB anwenden.
C. ­ Die Staatsanwaltschaft des Kantons Aargau beantragt, die Beschwerde sei
abzuweisen.
Der Kassationshof zieht in Erwägung:
1. ­ Indem der Beschwerdeführer das Gras hat abweiden lassen, hat er es zur
beweglichen Sache gemacht. Dass es vorher als Bestandteil des Grundstückes
unbeweglich war, steht der Anwendung des Art. 137 Ziff. 1
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 137 - 1. Wer sich eine fremde bewegliche Sache aneignet, um sich oder einen andern damit unrechtmässig zu bereichern, wird, wenn nicht die besonderen Voraussetzungen der Artikel 138-140 zutreffen, mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft.
1    Wer sich eine fremde bewegliche Sache aneignet, um sich oder einen andern damit unrechtmässig zu bereichern, wird, wenn nicht die besonderen Voraussetzungen der Artikel 138-140 zutreffen, mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft.
2    Hat der Täter die Sache gefunden oder ist sie ihm ohne seinen Willen zugekommen,
StGB nicht im Wege.
Einen Grund, der den Gesetzgeber hätte veranlassen können, die Tat dann nicht
als Diebstahl zu behandeln, wenn der Täter die Sache vor der Wegnahme zuerst
beweglich machen muss, vermag der Beschwerdeführer nicht zu nennen.
2. ­ Im Entwurf des Bundesrates war Wald- und Feldfrevel, d. h. die in der
Absicht unrechtmässiger Bereicherung erfolgende Wegnahme stehenden Holzes oder
nicht eingesammelter Feld- oder Gartenfrüchte von geringem Wert mit Haft oder
Busse bedroht, im Vergleich zum Diebstahl also privilegiert (Art. 299). Die
Bundesversammlung strich diese Bestimmung zusammen mit anderen, um dem
kantonalen Übertretungsstrafrecht mehr Raum zu geben (StenBull, Sonderausgabe,
NatR 506 f., StR 235). Daher sind die Kantone befugt, die erwähnte
Privilegierung vorzunehmen, d. h. den Wald- und den Feldfrevel

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mit blosser Übertretungsstrafe zu bedrohen (Art. 335 Ziff. 1 Abs. 1
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 335 - 1 Den Kantonen bleibt die Gesetzgebung über das Übertretungsstrafrecht insoweit vorbehalten, als es nicht Gegenstand der Bundesgesetzgebung ist.
1    Den Kantonen bleibt die Gesetzgebung über das Übertretungsstrafrecht insoweit vorbehalten, als es nicht Gegenstand der Bundesgesetzgebung ist.
2    Die Kantone sind befugt, die Widerhandlungen gegen das kantonale Verwaltungs- und Prozessrecht mit Sanktionen zu bedrohen.
StGB).
Machen sie von dieser Möglichkeit nicht Gebrauch, so zieht die Wegnahme
stehenden Holzes oder nicht eingesammelter Feld- oder Gartenfrüchte gleich wie
die Wegnahme anderer beweglicher Sachen die Strafe des Diebstahls (Art. 137
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 137 - 1. Wer sich eine fremde bewegliche Sache aneignet, um sich oder einen andern damit unrechtmässig zu bereichern, wird, wenn nicht die besonderen Voraussetzungen der Artikel 138-140 zutreffen, mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft.
1    Wer sich eine fremde bewegliche Sache aneignet, um sich oder einen andern damit unrechtmässig zu bereichern, wird, wenn nicht die besonderen Voraussetzungen der Artikel 138-140 zutreffen, mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft.
2    Hat der Täter die Sache gefunden oder ist sie ihm ohne seinen Willen zugekommen,

StGB) oder der Entwendung (Art. 138
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 138 - 1. Wer sich eine ihm anvertraute fremde bewegliche Sache aneignet, um sich oder einen andern damit unrechtmässig zu bereichern,
1    Wer sich eine ihm anvertraute fremde bewegliche Sache aneignet, um sich oder einen andern damit unrechtmässig zu bereichern,
2    Wer die Tat als Mitglied einer Behörde, als Beamter, Vormund, Beistand, berufsmässiger Vermögensverwalter oder bei Ausübung eines Berufes, Gewerbes oder Handelsgeschäftes, zu der er durch eine Behörde ermächtigt ist, begeht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zehn Jahren oder Geldstrafe192 bestraft.
StGB) nach sich. Selbst wenn der vom
Obergericht widerlegte Standpunkt des Beschwerdeführers, wonach das
aargauische Recht den Wald- und den Feldfrevel nicht mehr mit Strafe bedrohe,
richtig wäre, müsste daher die eidgenössische Bestimmung über Diebstahl
angewendet werden. Im vorliegenden Falle gilt sie aber schon deshalb, weil das
abgeweidete Gras nach der verbindlichen Feststellung der kantonalen Instanzen
hundert Franken wert war, ein Betrag, der nicht gering ist und daher der
Anwendung der kantonalen Bestimmung über Feldfrevel von Bundesrechts wegen
entgegensteht.
3. ­ Auf den Zivilpunkt ist nicht einzutreten (Art. 277quater Abs. 2
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 138 - 1. Wer sich eine ihm anvertraute fremde bewegliche Sache aneignet, um sich oder einen andern damit unrechtmässig zu bereichern,
1    Wer sich eine ihm anvertraute fremde bewegliche Sache aneignet, um sich oder einen andern damit unrechtmässig zu bereichern,
2    Wer die Tat als Mitglied einer Behörde, als Beamter, Vormund, Beistand, berufsmässiger Vermögensverwalter oder bei Ausübung eines Berufes, Gewerbes oder Handelsgeschäftes, zu der er durch eine Behörde ermächtigt ist, begeht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zehn Jahren oder Geldstrafe192 bestraft.
, Art. 271
Abs. 2
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 138 - 1. Wer sich eine ihm anvertraute fremde bewegliche Sache aneignet, um sich oder einen andern damit unrechtmässig zu bereichern,
1    Wer sich eine ihm anvertraute fremde bewegliche Sache aneignet, um sich oder einen andern damit unrechtmässig zu bereichern,
2    Wer die Tat als Mitglied einer Behörde, als Beamter, Vormund, Beistand, berufsmässiger Vermögensverwalter oder bei Ausübung eines Berufes, Gewerbes oder Handelsgeschäftes, zu der er durch eine Behörde ermächtigt ist, begeht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zehn Jahren oder Geldstrafe192 bestraft.
BStP).
Demnach erkennt der Kassationshof:
Die Nichtigkeitsbeschwerde im Strafpunkt wird abgewiesen; im Zivilpunkt wird
darauf nicht eingetreten.
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 72 IV 53
Datum : 01. Januar 1946
Publiziert : 09. Juli 1946
Quelle : Bundesgericht
Status : 72 IV 53
Sachgebiet : BGE - Strafrecht und Strafvollzug
Gegenstand : 1. Art. 137 Ziff. 1 StGB. Diebstahl ist auch möglich an einer Sache, die beweglich gemacht werden...


Gesetzesregister
BStP: 271  277quater
StGB: 137 
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 137 - 1. Wer sich eine fremde bewegliche Sache aneignet, um sich oder einen andern damit unrechtmässig zu bereichern, wird, wenn nicht die besonderen Voraussetzungen der Artikel 138-140 zutreffen, mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft.
1    Wer sich eine fremde bewegliche Sache aneignet, um sich oder einen andern damit unrechtmässig zu bereichern, wird, wenn nicht die besonderen Voraussetzungen der Artikel 138-140 zutreffen, mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft.
2    Hat der Täter die Sache gefunden oder ist sie ihm ohne seinen Willen zugekommen,
138 
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 138 - 1. Wer sich eine ihm anvertraute fremde bewegliche Sache aneignet, um sich oder einen andern damit unrechtmässig zu bereichern,
1    Wer sich eine ihm anvertraute fremde bewegliche Sache aneignet, um sich oder einen andern damit unrechtmässig zu bereichern,
2    Wer die Tat als Mitglied einer Behörde, als Beamter, Vormund, Beistand, berufsmässiger Vermögensverwalter oder bei Ausübung eines Berufes, Gewerbes oder Handelsgeschäftes, zu der er durch eine Behörde ermächtigt ist, begeht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zehn Jahren oder Geldstrafe192 bestraft.
335
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 335 - 1 Den Kantonen bleibt die Gesetzgebung über das Übertretungsstrafrecht insoweit vorbehalten, als es nicht Gegenstand der Bundesgesetzgebung ist.
1    Den Kantonen bleibt die Gesetzgebung über das Übertretungsstrafrecht insoweit vorbehalten, als es nicht Gegenstand der Bundesgesetzgebung ist.
2    Die Kantone sind befugt, die Widerhandlungen gegen das kantonale Verwaltungs- und Prozessrecht mit Sanktionen zu bedrohen.
BGE Register
72-IV-53
Stichwortregister
Sortiert nach Häufigkeit oder Alphabet
diebstahl • wegnahme • aargau • wald • kassationshof • weiler • wert • bewegliche sache • holz • verurteilter • wiese • strafgesetzbuch • sachverhalt • begründung des entscheids • landwirt • stelle • vieh • tag • bereicherung • bundesrat
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