89 III 65
14. Entscheid vom 6. Dezember 1963 i.S. Comot AG
Regeste (de):
- Lohnpfändung für Alimente nach vorausgehender Pfändung für gewöhnliche Forderungen.
- Privilegierung der Alimentenforderung: Vom periodischen Lohnabzug ist vorweg der Alimentengläubiger zu befriedigen, aber nur bis zur Höhe des für den entsprechenden Zeitabschnitt festgesetzten Alimentenbetrages.
Regeste (fr):
- Saisie de salaire fondée sur une dette alimentaire et exécutée après une saisie fondée sur des créances ordinaires.
- Privilège afférent à la créance d'aliments: le titulaire de celle-ci sera désintéressé par préférence sur les retenues périodiques de salaire, mais jusqu'à concurrence seulement du montant de sa créance pour la période correspondante.
Regesto (it):
- Pignoramento di salario fondato su un debito di alimenti eseguito dopo un pignoramento fondato su crediti ordinari.
- Privilegio inerente al credito di alimenti. Delle trattenute periodiche di salario deve anzitutto fruire il titolare di questo credito, ma solo sino a concorrenza dell'ammontare del suo credito per il periodo corrispondente.
Sachverhalt ab Seite 65
BGE 89 III 65 S. 65
A.- In Gruppe Nr. 86, der die Firma Comot AG als Gläubigerin angehört, vollzog das Betreibungsamt von Basel-Stadt am 7. Januar 1963 gegen den Schuldner Bruno Schmitter eine Lohnpfändung auf die Dauer eines Jahres
BGE 89 III 65 S. 66
in Höhe von Fr. 357.-- monatlich. Am 5. September 1963 betrieben die drei Kinder des Schuldners diesen für rückständige Unterhaltsbeiträge betreffend die Zeit vom 1. August 1962 bis 31. August 1963 (= 13 Monate à Fr. 240.--). Am 7. Oktober 1963 erwirkten sie eine Notbedarfspfändung in Gruppe Nr. 4268, von der der Lohn des Schuldners bis 6. Oktober 1964 erfasst wurde. Das Betreibungsamt teilte daraufhin den Gläubigern der Gruppe Nr. 86, denen am 15./16. Oktober 1963 eine Abschrift jenes Nachtrags vom 7. Oktober 1963 zugestellt worden war, mit, dass die verfügten Lohnabzüge "vorweg allen bestehenden und künftigen Lohnpfändungen vorgehend", den Alimentengläubigern der Gruppe Nr. 4268 "in voller Höhe laufend bis zur Deckung des Notbedarfs von Fr. 3170.--" auszuweisen seien. . Gegen diese Verfügung des Betreibungsamtes erhob die Comot AG Beschwerde mit dem Antrag, es sei das Betreibungsamt anzuweisen, den Pfändungsnachtrag vom 7. Oktober 1963 dahin abzuändern, dass den Gläubigern der Gruppe Nr. 86 mindestens die Differenz zwischen dem gerichtlich festgestellten monatlichen Alimentenbetrag und der gepfändeten monatlichen Lohnquote zukomme.
B.- Die Aufsichtsbehörde über das Betreibungs- und Konkursamt des Kantons Basel-Stadt erteilte dem Betreibungsamt die Weisung, den privilegierten Notbedarf der Gläubiger in Betreibung Nr. 36490 auf 12 Monate à Fr. 240.-- = Fr. 2880.-- festzusetzen und die Verfügung vom 7. Oktober 1963 entsprechend zu berichtigen. Im übrigen wies es die Beschwerde ab.
C.- Mit dem vorliegenden Rekurs hält die Comot AG an ihrem Beschwerdeantrag fest.
Erwägungen
Die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer zieht in Erwägung:
1 . - Nach ständiger Rechtsprechung sind Unterhaltsbeiträge an Familienmitglieder bei der Ermittlung des Existenzminimums des Schuldners als Notbedarfsausgaben
BGE 89 III 65 S. 67
mit zu berücksichtigen, soweit der Alimentengläubiger, was im Zweifelsfall vermutet wird, die Beiträge zur Bestreitung seines Unterhalts wirklich benötigt und vorausgesetzt, dass der Schuldner sie auch tatsächlich zahlt (BGE 71 III 177, BGE 84 III 31). Ist bei einer früheren Lohnpfändung die Alimentenschuld nicht in Rechnung gestellt worden und wird sie hinterher in Betreibung gesetzt, so muss das Betreibungsamt in der neuen Betreibung den Betrag pfänden, auf den es diese Beitragspflicht bei Festsetzung der pfändbaren Lohnquote in der ersten Betreibung geschätzt hätte (BGE 84 III 31, fernerBGE 67 III 150und BGE 80 III 68). Obwohl sich grundsätzlich der eine Lohnpfändung verlangende Alimentengläubiger eine früher zugunsten eines gewöhnlichen Gläubigers vollzogene Lohnpfändung muss entgegenhalten lassen, wirkt somit die Alimentenschuld, einmal in Betreibung gesetzt, unmittelbar notbedarferhöhend. Dieser Privilegierung von Alimentenforderungen vor gewöhnlichen Forderungen liegt der Gedanke zugrunde, dass dem Alimentengläubiger immer der für seinen Unterhalt notwendige Betrag vorbehalten werden muss (BGE 80 III 65, BGE 84 III 31). Damit ist aber auch gesagt, dass sich das genannte Privileg nur insoweit rechtfertigt, als es durch diesen Zweck gedeckt ist. Das Bundesgericht hat deswegen Alimentenforderungen, die, weil längere Zeit zurückliegend, nicht mehr den laufenden Unterhaltsbedürfnissen des Gläubigers dienen, sondern ein eigentliches Kapital darstellen, ausgeschlossen (BGE 62 III 89,BGE 64 III 132,BGE 75 III 52) und das Privileg auf die im letzten Jahre vor Anhebung der Betreibung verfallenen Unterhaltsbeiträge beschränkt (statt vieler BGE 86 III 13, BGE 87 III 8). Die der Begünstigung des Alimentengläubigers gesetzte zweckbedingte Schranke würde nun aber zweifellos überschritten, wollte man, wie das die Vorinstanz getan hat, dem genannten Gläubiger ein Vorrecht in dem Sinne einräumen, dass er für seine rückständigen Forderungen des letzten Jahres gleich etwa dem Gläubiger pfandversicherter
BGE 89 III 65 S. 68
Forderungen (Art. 219
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SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG) SchKG Art. 219 - 1 Die pfandgesicherten Forderungen werden aus dem Ergebnisse der Verwertung der Pfänder vorweg bezahlt. |
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1 | Die pfandgesicherten Forderungen werden aus dem Ergebnisse der Verwertung der Pfänder vorweg bezahlt. |
2 | Hafteten mehrere Pfänder für die nämliche Forderung, so werden die daraus erlösten Beträge im Verhältnisse ihrer Höhe zur Deckung der Forderung verwendet. |
3 | Der Rang der Grundpfandgläubiger und der Umfang der pfandrechtlichen Sicherung für Zinse und andere Nebenforderungen bestimmt sich nach den Vorschriften über das Grundpfand.398 |
4 | Die nicht pfandgesicherten Forderungen sowie der ungedeckte Betrag der pfandgesicherten Forderungen werden in folgender Rangordnung aus dem Erlös der ganzen übrigen Konkursmasse gedeckt: |
a | Die Forderungen von Personen, deren Vermögen kraft elterlicher Gewalt dem Schuldner anvertraut war, für alles, was derselbe ihnen in dieser Eigenschaft schuldig geworden ist. Dieses Vorzugsrecht gilt nur dann, wenn der Konkurs während der elterlichen Verwaltung oder innert einem Jahr nach ihrem Ende veröffentlicht worden ist. |
abis | Die Rückforderungen von Arbeitnehmern betreffend Kautionen. |
ater | Die Forderungen von Arbeitnehmern aus Sozialplänen, die nicht früher als sechs Monate vor der Konkurseröffnung entstanden oder fällig geworden sind. |
b | Die Beitragsforderungen nach dem Bundesgesetz vom 20. Dezember 1946406 über die Alters- und Hinterlassenenversicherung, dem Bundesgesetz vom 19. Juni 1959407 über die Invalidenversicherung, dem Bundesgesetz vom 20. März 1981 über die Unfallversicherung, dem Erwerbsersatzgesetz vom 25. September 1952408 und dem Arbeitslosenversicherungsgesetz vom 25. Juni 1982409. |
c | Die Prämien- und Kostenbeteiligungsforderungen der sozialen Krankenversicherung. |
d | Die Beiträge an die Familienausgleichskasse. |
e | ... |
f | Die Einlagen nach Artikel 37a des Bankengesetzes vom 8. November 1934412. |
5 | Bei den in der ersten und zweiten Klasse gesetzten Fristen werden nicht mitberechnet: |
1 | die Dauer eines vorausgegangenen Nachlassverfahrens; |
2 | die Dauer eines Prozesses über die Forderung; |
3 | bei der konkursamtlichen Liquidation einer Erbschaft die Zeit zwischen dem Todestag und der Anordnung der Liquidation.414 |
2. Im vorliegenden Fall rügt daher die Rekurrentin mit Recht eine Verletzung dieser Grundsätze. Es war unzulässig, die verfügten Lohnabzüge, "vorweg allen bestehenden Lohnpfändungen vorgehend", dem Alimentengläubiger "in voller Höhe laufend bis zur Deckung des Notbedarfs von Fr. 2880. -" zuzuerkennen. Das Betreibungsamt Basel-Stadt wird daher seine Verfügung vom 7. Oktober 1963 dahin abändern müssen, dass vom monatlichen Lohnabzug Fr. 240.-- den Alimentengläubigern der Gruppe Nr. 4268 und die Restanz den Gläubigern der Gruppe Nr. 86 auszuweisen sind.
Dispositiv
Demnach erkennt die Schuldbetr.- u. Konkurskammer:
Der Rekurs wird gutgeheissen und das Betreibungsamt Basel-Stadt angewiesen, den Pfändungsnachtrag vom 7. Oktober 1963 im Sinne der Erwägungen abzuändern.