89 I 324
49. Urteil vom 31. Mai 1963 i.S. Bucher und Mitbeteiligte gegen Eidg. Volkswirtschaftsdepartement.
Regeste (de):
- Milchstatut: Aufhebung einer Milchsammelstelle.
- 1. Zulässigkeit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde. Legitimation zur Beschwerde.
- 2. Zusammenlegung von Milchsammelstellen (Errichtung einer Zentrale); Voraussetzungen.
Regeste (fr):
- Statut du lait: suppression d'un centre collecteur de lait.
- 1. Recevabilité du recours de droit administratif. Qualité pour recourir
- 2. Rassemblement de centres collecteurs de lait (institution d'une centrale); conditions.
Regesto (it):
- Statuto del latte: soppressione di un centro di raccolta del latte.
- 1. Ammisibilità del ricorso di diritto amministrativo. Qualità per ricorrere.
- 2. Riunione di centri di raccolta del latte (istituzione di una centrale); condizioni.
Sachverhalt ab Seite 324
BGE 89 I 324 S. 324
A.- Romanshorn wurde bisher in der Hauptsache von fünf selbständigen Milchhändlern mit Konsummilch versorgt. Die Händler bezogen die Milch direkt von den Produzenten. Die Beziehungen zwischen den Händlern und dem Milchproduzentenverband Romanshorn und Umgebung waren durch einen Milchkaufvertrag geregelt, der von Jahr zu Jahr erneuert wurde. Der letzte Vertrag wurde am 1. Juli 1960 abgeschlossen. Eine weitere Erneuerung unterblieb, weil der Milchproduzentenverband Romanshorn beschloss, eine einzige, zentrale Milchsammelstelle im Hub zu errichten.
Einer der fünf Milchhändler, Anton Bucher, widersetzte sich der Durchführung dieses Vorhabens. Er wollte weiterhin die Milch für sein Geschäft in Haslen-Egnach direkt bei seinen bisherigen Lieferanten beziehen. Von diesen weigerten sich dreizehn ihrerseits, die Milch in die neue
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Milchzentrale Hub zu liefern. Die Abteilung für Landwirtschaft des eidg. Volkswirtschaftsdepartementes, welcher die Angelegenheit unterbreitet wurde, entschied am 22. November 1961, dass vom 1. Dezember 1961 an die bisherigen Lieferanten der fünf Milchhändler, namentlich auch Buchers, ihre Milch an die Milchzentrale Hub liefern müssten und den Händlern, insbesondere auch Bucher, die zur Bedienung ihrer Kundschaft erforderliche Milch von der Milchzentrale zugeteilt werde. Bucher und die dreizehn Milchproduzenten erhoben hiegegen Beschwerde beim eidg. Volkswirtschaftsdepartement. Dieses trat auf die Beschwerde Buchers nicht ein; diejenige der Produzenten wies es ab (Entscheid vom 14. Mai 1962). Es führte aus, die fünf Milchhändler hätten die Funktion der Sammelstellen nicht selbständig ausgeübt, sondern im Auftrag des Milchproduzentenverbandes Romanshorn auf Grund der jährlich erneuerten Milchkaufverträge. Diese Funktion sei nicht durch den angefochtenen Entscheid der Abteilung für Landwirtschaft aufgehoben worden, sondern dadurch, dass der Milchkaufvertrag nicht erneuert worden sei. Daher bestehe für die Milchproduzenten tatsächlich keine Möglichkeit mehr, ihre Milch an die früheren Sammelstellen abzuliefern. Der Entscheid der Abteilung für Landwirtschaft entspreche der gesetzlichen Ordnung und sei sachlich richtig.
B.- Bucher und die dreizehn Milchproduzenten haben gegen den Entscheid des Departements gleichzeitig Verwaltungsbeschwerde beim Bundesrat (entsprechend der Rechtsmittelbelehrung im Entscheid) und Verwaltungsgerichtsbeschwerde beim Bundesgericht erhoben. Mit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde beantragen sie, der Entscheid des Departements sei aufzuheben und demzufolge die Verfügung der Abteilung für Landwirtschaft nichtig zu erklären, eventuell aufzuheben; demgemäss seien zwei weitere Milchproduzenten zu verpflichten, ihre Milch weiterhin dem Beschwerdeführer Bucher abzuliefern; eventuell sei die Angelegenheit zu neuer Entscheidung im
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Sinne der Erwägungen an die Verwaltung zurückzuweisen. Es wird geltend gemacht, Bucher übe die Funktion der Milchsammelstelle selbständig aus; von einem blossen Auftrag des örtlichen Milchproduzentenverbandes könne keine Rede sein. Es handle sich um eine angestammte Sammelstelle im Sinne der Art. 5 ff
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(Verlängerung des Transportweges, Erhöhung der Kosten) verbunden. Auch der Sammeldienst, von dessen Einrichtung die Rede sei, wäre nicht unentgeltlich. Die Sammlung und Verteilung der Milch würde kompliziert und verteuert, was den Zielen des Milchstatuts zuwiderliefe. Würde die Aufhebung der Milchsammelstelle Buchers als zulässig befunden, so müsste er dafür entschädigt werden.
C.- Im Meinungsaustausch mit dem Bundesrat hat das Bundesgericht sich als zur Beurteilung des Falles zuständig erklärt. Der Bundesrat hat sich dieser Auffassung angeschlossen.
D.- Das eidg. Volkswirtschaftsdepartement beantragt Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde.
E.- Der Instruktionsrichter hat dem Departement anheimgestellt, nachträglich die Zustimmung des Kantons zu der angefochtenen Anordnung nachzusuchen, für den Fall, dass diese Zustimmung als notwendig erachtet würde (Art. 50 Abs. 2
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SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch. |
Das Departement erachtet diese Ausführungen der Beschwerdeführer als unbegründet.
Erwägungen
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1. Nach Art. 26 Abs. 1 LandwG kann die Bundesversammlung zur Sicherung einer geordneten Versorgung des Landes mit Milch und Milchprodukten und zur Förderung
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des Absatzes der Milch zu angemessenen Preisen "a. Anordnungen über Erzeugung, ... Ablieferung und Verwertung von Milch und Milchprodukten treffen; ... d. ... Vorschriften über die zweckmässige und kostensparende Sammlung und Verteilung der Konsummilch erlassen, insbesondere auch durch Verhinderung einer übersetzten Zahl von Milchgeschäften. ..". Die Bundesversammlung hat von dieser Ermächtigung durch Erlass des Milchbeschlusses vom 29. September 1953 Gebrauch gemacht. Vor dem Inkrafttreten dieser Ordnung, insbesondere unter der Herrschaft des dringlichen Bundesbeschlusses vom 28. März 1934 über die Fortsetzung der Bundeshilfe für die schweizerischen Milchproduzenten und der Verordnung des Bundesrates über Milchproduktion und Milchversorgung vom 30. April 1937 (BS 9 S. 177 und 190), war die Sammlung der Milch in weitem Umfange auf Grund des Privatrechts von den örtlichen Produzentenverbänden organisiert, welche in der Regel regionalen Verbänden - Sektionen des Zentralverbandes schweizerischer Milchproduzenten - angeschlossen waren. Der örtliche Verband schloss, wenn er nicht selbst den Verkauf und die Verarbeitung der Milch anhandnahm, einen Milchkaufvertrag mit einem Milchhändler oder Käser ab, welcher über die erforderlichen Räumlichkeiten verfügte. Es war Sache des Zentralverbandes, die Verwendung der Milch entsprechend dem allgemeinen Interesse durch Anweisungen an die regionalen und örtlichen Verbände näher zu ordnen. Um alle Milchproduzenten der gleichen Regelung zu unterstellen, ermächtigte indessen das öffentliche Recht des Bundes (Art. 6 des zit. BB und Art. 9 der zit. Verordnung) die Bundesverwaltung, Produzenten zum Anschluss an bestehende Milchverwertungsgenossenschaften und zu deren Belieferung sowie einzelstehende Milchgenossenschaften zum Beitritt zu einer Sektion des Zentralverbandes zu verpflichten. Gestützt auf die erwähnte Verordnung untersagte das eidg. Volkswirtschaftsdepartement
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durch Verfügung vom 30. September 1949 (AS 1949 S. 1361) grundsätzlich die Errichtung neuer Milchsammel- und Milchverwertungsstellen ohne Zustimmung der Abteilung für Landwirtschaft. Der Milchbeschluss kennt das System des Anschlusszwangs nicht mehr. Dagegen bestimmt er, dass die Milchproduzenten ihre Verkehrsmilch in die angestammte oder nächstgelegene Milchsammel- oder Milchverwertungsstelle (Sammelstelle) abzuliefern und die Sammelstellen sämtliche in ihrem Einzugsgebiet produzierte Verkehrsmilch, die den Qualitätsvorschriften entspricht, abzunehmen haben (Art. 5 Abs. 1 und Art. 6 Abs 1). Diese Verpflichtungen beruhen auf öffentlichem Recht. Der Begriff der Sammelstelle umfasst zwei Elemente, einerseits ein Lokal an einem bestimmten Standort, wo die Milch der Produzenten des Einzugsgebietes abgeliefert wird, und anderseits eine Unternehmung, deren Inhaber die Milch kauft und dann verkauft oder verarbeitet. Die Bestimmungen des Milchbeschlusses beziehen sich bald auf das eine, bald auf das andere Element. Indem das öffentliche Recht alle Milchproduzenten zur Ablieferung ihrer Verkehrsmilch an eine bestimmte Sammelstelle und die Sammelstellen zur Abnahme der Milch verpflichtet, verleiht es einem Milchkäufer, der an einem bestimmten Ort ein Geschäftslokal hält, die Funktion der Sammelstelle. Soweit der Milchbeschluss nichts anderes vorsieht, unterliegen indessen die Ablieferung und die Übernahme der Milch den Bestimmungen des Privatrechts (Art. 6 Abs. 6
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selbst oder von der nach Gesetz zuständigen Amtsstelle (vgl. Art. 50 Abs. 2
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2. Seit dem Inkrafttreten des Milchbeschlusses (1. Januar 1954) waren die Bestimmungen, welche einerseits die Produzenten zur Lieferung der Milch an eine Sammelstelle und anderseits die Sammelstellen zur Abnahme der Milch des Einzugsgebietes verpflichten, anwendbar und sind sie angewendet worden. Sammelstellen im Sinne des Milchbeschlusses, d.h. Träger des oben erwähnten öffentlichen Dienstes, sind in der Regel einfach die Einsammlungszentren geworden, die schon unter der Herrschaft der früheren Ordnung bestanden hatten. Art. 50 Abs. 2
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Aufhebung einer Sammelstelle erwähnt er nur in einer Übergangsbestimmung: Art. 50 Abs. 2 untersagt, bereits bestehende und anerkannte Sammelstellen ohne Zustimmung des Kantons aufzuheben.
3. Bis anhin haben der Beschwerdeführer Bucher und die anderen Milchhändler des Gebiets von Romanshorn die Milch für ihre Geschäfte direkt von Produzenten der Gegend bezogen. Nach der Darstellung der Beschwerde waren die Händler dazu nicht nur ermächtigt, sondern waren sie selbständige Inhaber von Sammelstellen im Sinne des Milchbeschlusses. Wenn es sich so verhält, waren kraft öffentlichen Rechts (Art. 5 Abs. 1
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In die Zuständigkeit des Bundesgerichts fällt auch die Beurteilung der Vorfrage, ob jene Darstellung der Beschwerde zutreffe (vgl. BGE 84 I 250 Erw. 1 mit Hinweisen). Es ist klar, dass Anton Bucher nach Art. 103
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gerechtfertigt sei oder nicht, ist zugleich auch die Frage beantwortet, an welche Stelle die Produzenten ihre Milch zu liefern haben. Das Bundesgericht, das hinsichtlich jener ersten Frage zuständig ist, hat daher die Beschwerde auch insoweit zu beurteilen, als sie von den dreizehn Produzenten erhoben wird.
4. Es besteht Übereinstimmung darüber, dass in Romanshorn und Umgebung die Bestimmungen der Art. 5 ff
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öffentliche Recht geregelt; sie kann nicht Gegenstand eines privatrechtlichen Vertrages sein. Ebenso beruht die Verpflichtung der Milchsammelstellen, sämtliche in ihrem Einzugsgebiet produzierte Verkehrsmilch abzunehmen, auf öffentlichem Recht (Art. 6 Abs. 1
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5. Nach Art. 50
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worden sind. Aber hinsichtlich der Sammelstellen verhält es sich auf jeden Fall anders. Dies muss aus Art. 5 Abs. 1
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6. Daraus folgt, dass in der Tat eine von Bucher selbständig betriebene Sammelstelle durch den angefochtenen Entscheid aufgehoben worden ist. Die Aufhebung einer Sammelstelle ist nach dem Milchbeschluss zulässig (Urteil vom 29. Juni 1956 i.S. Fumasoli und Ferrari, nicht publiziert). Das ergibt sich aus Art. 50 Abs. 2
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BGE 89 I 324 S. 336
vom Staat verliehenen öffentlichen Dienst versieht, muss der Staat die Konzession entziehen können, wenn das öffentliche Interesse dies erfordert. Der Entzug ist jederzeit möglich. Dem Konzessionär ist nicht eine bestimmte Dauer der Konzession gewährleistet; er hat in dieser Beziehung kein wohlerworbenes Recht. Die Aufhebung betrifft nur die Konzession. Den Bestand der Unternehmung (des Milchgeschäfts oder der Käserei) berührt sie nicht. Freilich hat sie zur Folge, dass die Unternehmung die Milch nicht mehr direkt von den Produzenten beziehen kann, sondern sich bei einer anderen Sammelstelle eindecken muss. Anderseits ist die Unternehmung nicht mehr verpflichtet, die überschüssige Produktion abzunehmen und ihre Verwertung sicherzustellen.
7. Der Milchbeschluss ordnet die Zuständigkeit zur Aufhebung einer Sammelstelle nicht ausdrücklich. Über die Aufhebung muss auf jeden Fall dann, wenn Streit entsteht, zunächst eine Verwaltungsbehörde entscheiden, da der Anstand durch Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht weitergezogen werden kann. Nach dem System des Milchbeschlusses ist anzunehmen, dass in erster Instanz die Abteilung für Landwirtschaft zuständig ist. Sie ist in Art. 44
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8. Nach dem Wortlaut des Art. 50 Abs. 2
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BGE 89 I 324 S. 337
verfügt" worden sind. Wörtlich ausgelegt, würde diese Bestimmung die Zustimmung für die Aufhebung alter Sammelstellen, die nicht "behördlich verfügt" worden sind, nicht fordern. Der Regierungsrat des Kantons Thurgau bemerkt, die Beschwerdeführer hätten nicht dargetan, dass die Sammeltätigkeit Buchers jemals behördlich bewilligt worden sei. Indessen nennen weder der Regierungsrat noch die Bundesverwaltung Fälle, in denen seinerzeit im Kanton Thurgau oder in einem anderen Kanton Sammelstellen "behördlich verfügt" worden wären, noch führen sie Bestimmungen an, welche eine solche Verfügung vorgesehen hätten. Immerhin hat das Bundesgericht im zit. Urteil Fumasoli und Ferrari angenommen, dass eine amtliche Bewilligung nicht ausdrücklich habe erteilt werden müssen und ihr Bestehen sich insbesondere daraus ergeben könne, dass der Milchkäufer der kantonalen Behörde periodisch über die Milchlieferungen der Produzenten an ihn Bericht erstattete. Gleich könnte es dann gehalten werden, wenn eine Sammelstelle beauftragt worden wäre, öffentliche Abgaben zu erheben. Jedenfalls ist nicht völlig abgeklärt, ob die Sammelstelle Buchers "behördlich verfügt" worden ist und daher nach Art. 50 Abs. 2
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9. Die Beschwerdeführer machen geltend, dass nicht der Regierungsrat, sondern der kantonale Milchproduzentenverband
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zuständig sei, die Zustimmung zur Aufhebung der Sammelstelle zu erteilen. Eventuell bestreiten sie, dass die Zustimmungserklärung des Regierungsrates in einem einwandfreien Verfahren zustande gekommen sei. Diese Einwendungen betreffen Vorfragen, von deren Beurteilung - unter der Voraussetzung, dass die Zustimmung des Kantons hier erforderlich war - die Gültigkeit des angefochtenen Entscheids nach Bundesrecht abhängt. Sie sind vom Gericht auch insoweit zu prüfen, als sie Vorfragen des kantonalen Rechtes beschlagen (KIRCHHOFER, Verwaltungsrechtspflege beim Bundesgericht, S. 43). Art. 50 Abs. 2
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10. a) Die in Art. 44 Abs. 1
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des Milchproduzenten, selber die Milch an den Konsumenten zu verkaufen oder zu verwerten) widerrufen werden, wenn die besonderen Voraussetzungen, unter denen sie erteilt wurden, dahingefallen sind. Solche Bewilligungen stellen Ausnahmen von der gewöhnlichen Ordnung der Milchsammlung (Ablieferung an Sammelstellen) dar. Man kann sich fragen, ob eine Änderung in der Verteilung der Sammelstellen auf das Produktionsgebiet, die ebenfalls die Art der Milchsammlung betrifft, in analoger Anwendung des Art. 44 Abs. 2 dann angeordnet werden könnte, wenn damit bezweckt wäre, die Erfassung und Verwertung der Milch rationeller zu gestalten. Die Frage kann jedoch offen gelassen werden. b) In der Tat ist die Grundlage, welche die Aufhebung einer Sammelstelle in einem Falle wie dem vorliegenden rechtfertigt, in Art. 8
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(Milchkäufern, Milchhändlern, Milchkonservenfabriken), bewilligt werden (zit. Botschaft, BBl 1953 I S. 432). Ist ein Einvernehmen nicht zu erzielen oder will der regionale Verband dem Bewilligungsgesuch nicht entsprechen, so ist die Angelegenheit nach Art. 9 der Abteilung für Landwirtschaft zu unterbreiten, welche in erster Instanz darüber entscheidet. Einzig die Bundesbehörde ist danach zuständig, das Gesuch abzuweisen. Da sie zur Prüfung des Falles und zum Entscheid berufen ist, kann sie die Bewilligung auch erteilen, selbst wenn beteiligte Verwerterkreise oder der regionale Produzentenverband sich dem Gesuch widersetzt haben. Mit einem solchen auf Bewilligung lautenden Entscheid der Bundesbehörde hat man es hier zu tun.
11. Ob die Voraussetzungen, unter denen nach Art. 8 Abs. 1
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vor allem ein, die neue Ordnung würde für sie den Transportweg verlängern und die Kosten vermehren. Indessen sind solche Unannehmlichkeiten für gewisse Beteiligte mit jeder Zusammenlegung von Sammelstellen verbunden. Sie sind hinzunehmen, wenn sie durch die Vorteile, welche die Zentralisation für die Gesamtheit der Produzenten und für die Allgemeinheit mit sich bringt, aufgewogen werden. Hier besteht kein Grund zur Annahme, dass die neue Regelung alle oder auch nur einzelne Beschwerdeführer in unzumutbarem Ausmasse benachteiligt. Nach Auffassung der Verwaltung können Sammeltransporte in der Weise organisiert werden, dass die rekurrierenden Produzenten nicht zu stark belastet werden. Dieser Standpunkt ist nicht widerlegt.
12. Die gesetzliche Ordnung sieht weder ausdrücklich vor, noch lässt sich aus ihr durch Auslegung oder Analogie ableiten, dass im Falle der Aufhebung einer Sammelstelle deren bisheriger Inhaber Anspruch auf Entschädigung hat. Wohl bestimmt Art. 21 Abs. 2
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Inhalts, dass ihm, sei es auch nur für beschränkte Dauer, der Weiterbestand der bisher von ihm gehaltenen Sammelstelle garantiert wäre. Er behält sein Milchgeschäft; in dieser Beziehung wird er durch den Verlust der Sammelstelle nicht benachteiligt. Der von ihm eventuell erhobene Anspruch auf Entschädigung ist daher unbegründet.
13. Da die von Bucher gehaltene Sammelstelle aufgehoben ist, müssen die Produzenten, die ihr bisher angeschlossen waren, die neue Zentrale beliefern, durch die sie ersetzt wird. Diese Verpflichtung, die der angefochtene Entscheid festhält, ergibt sich unmittelbar aus dem Gesetz (Art. 5 Abs. 1
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Dispositiv
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Beschwerde wird abgewiesen.