S. 173 / Nr. 26 Bundesrechtliche Abgaben (d)

BGE 55 I 173

26. Auszug aus dem Urteil vom 12. September 1929 i. S. O. W. gegen Zürich.


Seite: 173
Regeste:
Militärpflichtersatz. Im verwaltungsgerichtlichen Beschwerdeverfahren vor
Bundesgericht ist die Untersuchung nicht auf die Aktenlage zur Zeit der
vorinstanzlichen Beurteilung begrenzt. Über Anträge auf Ergänzung der
Tatbestandsermittlung und der Beweisführung befindet das Bundesgericht nach
pflichtmässigem Ermessen.

Aus den Erwägungen:
1.- Art. 11 VDG räumt dem Bundesgericht die Befugnis ein, in Beschwerdefällen
von sich aus oder auf Begehren des Beschwerdeführers zu prüfen, ob der
angefochtene Entscheid auf einer unrichtigen oder unvollständigen Feststellung
des Sachverhalts beruht. Mit dieser Ausgestaltung des Verfahrens unvereinbar
ist sowohl der Antrag der kantonalen Militärdirektion, es seien die
Beweisangebote des Rekurrenten, soweit sie erst im Verfahren vor Bundesgericht
vorgebracht werden, als prozessual verspätet zurückzuweisen, als auch die von
der eidgenössischen Steuerverwaltung vertretene Auffassung,

Seite: 174
wonach wenigstens grundsätzlich für die Beurteilung der Gesetzmässigkeit eines
kantonalen Rekursentscheides die Aktenlage massgebend sein soll, wie sie sich
bei Ausfällung dieses Entscheides darstellte.
Das Gesetz lässt die Überprüfung der tatsächlichen Feststellungen der
Vorinstanz durch das Bundesgericht ohne Einschränkung zu. Besonders ist die
Untersuchung nicht auf die Aktenlage zur Zeit der vorinstanzlichen Beurteilung
begrenzt. Daraus folgt, dass im verwaltungsgerichtlichen Verfahren vor
Bundesgericht eine Ergänzung der Tatbestandsfeststellung und der Beweisführung
beantragt werden kann. Über die Berücksichtigung solcher Anträge befindet das
Bundesgericht, nach dem Wortlaut von Art. 11 VDG nach pflichtmässigem
Ermessen.
2.- Im vorliegenden Falle ist die Ergänzung der Untersuchung im Sinne der
Rekursbegründung angezeigt. Der Rekurrent hatte sein ersatzpflichtiges
Vermögen in der Steuererklärung auf x Fr. beziffert und diesen Antrag in
seinem Rekurse an die Vorinstanz erneuert. Der Entscheid der Vorinstanz beruht
auf der Vermutung, dass der Rekurrent über weiteres Vermögen verfüge. Es soll
ihm aus der Hinterlassenschaft seines im Jahre 1920 verstorbenen Vaters
zugekommen sein. In der Vernehmlassung zum vorliegenden Rekurs wird weiter
geltend gemacht, dieses Vermögen sei schon im Vorjahre Gegenstand der
Ersatzanlage gewesen, ohne dass der Rekurrent hiegegen Einspruch erhoben habe.
Demgegenüber beruft sich der Rekurrent auf amtliche Akten, aus denen
hervorgehen soll, dass ihm aus der Erbschaft seiner Eltern, nach dem Tode
seiner Mutter im Jahre 1928, tatsächlich nur x Fr. verblieben sind. Dieses
Beweisangebot darf nicht übergangen werden, da es geeignet erscheint, eine
Abklärung des Sachverhaltes herbeizuführen. Dass es in dieser Vollständigkeit
erst vor Bundesgericht gestellt worden ist, ist nach der im VDG getroffenen
Ordnung kein Grund, es abzulehnen.
3.- Der Entscheid der Vorinstanz beruht auf einer

Seite: 175
unvollständigen Feststellung des Sachverhaltes und wird aus diesem Grund
aufgehoben. Die Angelegenheit geht gemäss Art. 16, Abs. 2 VDG an die
Vorinstanz zurück zur Ergänzung der Beweisführung und zu neuer Beurteilung.
Bei der neuen Untersuchung hat die kantonale Behörde auch diejenigen
Behauptungen zu berücksichtigen, die der Beschwerdeführer erstmals in seiner
Eingabe an das Bundesgericht aufgestellt hat, die Angaben nämlich, dass es im
Konkursverfahren über den Bruder zum Verlust eines Hauptteils des väterlichen
Erbes gekommen sei. Solche neue Behauptungen dürfte das Bundesgericht bei der
freien Gestaltung des Verfahrens durch das VDG berücksichtigen, wenn es die
Vervollständigung des Sachverhaltes selbst vornähme, statt die Sache
zurückzuweisen. Darum hat auch die Vorinstanz noch darauf einzutreten, im
vorliegenden Falle also insbesondere die Konkursakten über den Bruder des
Beschwerdeführers beizuziehen, sofern sich nicht schon aus dem Inventar über
den mütterlichen Nachlass die Richtigkeit der Behauptungen ergibt.
4. -
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 55 I 173
Datum : 01. Januar 1929
Publiziert : 12. September 1929
Quelle : Bundesgericht
Status : 55 I 173
Sachgebiet : BGE - Verwaltungsrecht und internationales öffentliches Recht
Gegenstand : Militärpflichtersatz. Im verwaltungsgerichtlichen Beschwerdeverfahren vor Bundesgericht ist die...


BGE Register
55-I-173
Stichwortregister
Sortiert nach Häufigkeit oder Alphabet
bundesgericht • vorinstanz • ermessen • entscheid • richtigkeit • erbschaft • sachverhaltsfeststellung • angabe • sachverhalt • vater • inventar • konkursverfahren • kantonale behörde • vermutung • tod • erbe • mutter