Urteilskopf

86 IV 205

52. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 29. November 1960 i.S. Müller gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich.
Regeste (de):

Regeste (fr):

Regesto (it):


Erwägungen ab Seite 205

BGE 86 IV 205 S. 205

Aus den Erwägungen:
Das Verschweigen einer Tatsache ist nur arglistig, wenn der Täter verpflichtet ist, den Irrenden aufzuklären (BGE 72 IV 65). Eine solche Pflicht kann aus einer positiven Gesetzesvorschrift, einer vertraglichen Vereinbarung oder aus Treu und Glauben folgen (nicht veröffentlichte Urteile des Kassationshofes i.S. Allenbach vom 9. April 1943 und i.S. Iten vom 8. März 1957). Dass für den Beschwerdeführer im vorliegenden Fall eine gesetzliche oder vertragliche Pflicht zum Reden bestand, hat die Vorinstanz nicht angenommen und trifft auch nicht zu. Es ist daher zu prüfen, ob er nach Treu und Glauben gehalten war, die Geldgeber auf seine prekäre Finanzlage hinzuweisen. Nach der Rechtsprechung ist der Käufer, der nicht über seine Vermögenslage befragt wird, bei Abschluss eines Kreditkaufes nicht ohne weiteres gehalten, dem Verkäufer mitzuteilen, dass gegen ihn (den Käufer) Verlustscheine bestehen oder dass er überschuldet ist (BGE 72 IV 65). Was aber beim Kreditkauf gilt, muss erst recht beim Darlehen gelten, wo schon die Tatsache des Darlehensgesuches an sich auf eine zumindest momentane finanzielle Bedrängnis der Gegenpartei hinweist und infolgedessen seitens des Kreditierenden Anlass zu besonderer Vorsicht besteht. Ist es demnach in erster Linie Sache des Geldgebers, sich nach der Vermögenslage des Borgers zu erkundigen,
BGE 86 IV 205 S. 206

dann handelt dieser, wenn er seine Überschuldung verschweigt, jedoch den Willen hat, das geborgte Geld abmachungsgemäss zurückzuzahlen, in der Regel nicht arglistig. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz ist indessen anzunehmen, wenn besondere Umstände den überschuldeten Borger erkennen lassen, dass der Darleiher sich nach seiner Vermögenslage nicht erkundigen werde. In diesem Falle ist er nach Treu und Glauben gehalten, den Geldgeber über seine misslichen finanziellen Verhältnisse aufzuklären.
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 86 IV 205
Datum : 29. November 1960
Publiziert : 31. Dezember 1960
Quelle : Bundesgericht
Status : 86 IV 205
Sachgebiet : BGE - Strafrecht und Strafvollzug
Gegenstand : Art. 148 Abs. 1 StGB. Arglist bei Darlehensbetrug. Ist der Borger verpflichtet, dem Darleiher unaufgefordert seine Überschuldung


Gesetzesregister
StGB: 148
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 148 - 1 Wer, obschon er zahlungsunfähig oder zahlungsunwillig ist, eine ihm vom Aussteller überlassene Check- oder Kreditkarte oder ein gleichartiges Zahlungsinstrument verwendet, um vermögenswerte Leistungen zu erlangen und den Aussteller dadurch am Vermögen schädigt, wird, sofern dieser und das Vertragsunternehmen die ihnen zumutbaren Massnahmen gegen den Missbrauch der Karte ergriffen haben, mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe bestraft.
1    Wer, obschon er zahlungsunfähig oder zahlungsunwillig ist, eine ihm vom Aussteller überlassene Check- oder Kreditkarte oder ein gleichartiges Zahlungsinstrument verwendet, um vermögenswerte Leistungen zu erlangen und den Aussteller dadurch am Vermögen schädigt, wird, sofern dieser und das Vertragsunternehmen die ihnen zumutbaren Massnahmen gegen den Missbrauch der Karte ergriffen haben, mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe bestraft.
2    Handelt der Täter gewerbsmässig, so wird er mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren bestraft.203
BGE Register
72-IV-63 • 86-IV-205
Stichwortregister
Sortiert nach Häufigkeit oder Alphabet
treu und glauben • borger • kassationshof • darleiher • wille • verlustschein • darlehen • finanzielle verhältnisse • vorinstanz • geld