86 IV 145
36. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 14. Oktober 1960 i.S. Wittelsbach gegen Egger.
Regeste (de):
- Art. 30
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 30 - 1 Ist eine Tat nur auf Antrag strafbar, so kann jede Person, die durch sie verletzt worden ist, die Bestrafung des Täters beantragen.
1 Ist eine Tat nur auf Antrag strafbar, so kann jede Person, die durch sie verletzt worden ist, die Bestrafung des Täters beantragen. 2 Ist die verletzte Person handlungsunfähig, so ist ihr gesetzlicher Vertreter zum Antrag berechtigt. Steht sie unter Vormundschaft oder unter umfassender Beistandschaft, so steht das Antragsrecht auch der Erwachsenenschutzbehörde zu.21 3 Ist die verletzte Person minderjährig oder steht sie unter umfassender Beistandschaft, so ist auch sie zum Antrag berechtigt, wenn sie urteilsfähig ist.22 4 Stirbt die verletzte Person, ohne dass sie den Strafantrag gestellt oder auf den Strafantrag ausdrücklich verzichtet hat, so steht das Antragsrecht jedem Angehörigen zu. 5 Hat eine antragsberechtigte Person ausdrücklich auf den Antrag verzichtet, so ist ihr Verzicht endgültig. SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 31 - Das Antragsrecht erlischt nach Ablauf von drei Monaten. Die Frist beginnt mit dem Tag, an welchem der antragsberechtigten Person der Täter bekannt wird.
- Der Privatstrafkläger, der gegen einen der Beteiligten Anklage erhebt, stellt damit gleichzeitig Strafantrag gegen die andern und kann deshalb auf das Antragsrecht nicht mehr verzichten, sondern nur noch den Antrag zurückziehen.
- Der Rückzug bedarf keiner ausdrücklichen Willenserklärung.
Regeste (fr):
- Art. 30, 31 CP.
- L'accusateur privé, qui poursuit l'un des participants, porte en même temps et de ce fait plainte contre les autres; il ne peut donc plus renoncer à son droit de porter plainte, mais n'a plus que la faculté de retirer sa plainte.
- Ce retrait ne suppose aucune déclaration expresse de volonté.
Regesto (it):
- Art. 30, 31 CP.
- L'accusatore privato, che presenta querela contro uno dei compartecipi, persegue automaticamente anche gli altri, per cui non può più rinunciare al suo diritto di querela, ma soltanto recedere dalla sua proposta.
- Questo recesso non presuppone nessuna espressa dichiarazione di volontà.
Sachverhalt ab Seite 145
BGE 86 IV 145 S. 145
A.- Am 22. Mai 1957 erschien in der Zeitung "Die Tat" unter dem Titel "Aus dem Reiche Wittelsbach" ein Artikel, in dem an den Anstellungsverhältnissen und Arbeitsbedingungen der Lehrer am Konservatorium für Musik in Zürich Kritik geübt wird. Verfasser des Artikels war der Journalist Schmid, der die sachlichen Unterlagen im wesentlichen von Egger, damals Musiklehrer am Konservatorium, erhalten und den Artikel mit dessen Zustimmung veröffentlicht hatte. Am 30. August 1957 reichte Wittelsbach, Direktor des Konservatoriums, gegen Schmid, der am 31. Mai 1957 in einer schriftlichen Erklärung die Verantwortung für das Presseerzeugnis übernommen hatte, beim Bezirksgericht Zürich Strafklage wegen Ehrverletzung ein.
BGE 86 IV 145 S. 146
Während des Untersuchungsverfahrens stellte der Verteidiger des Angeklagten Schmid den Antrag, Egger als Zeugen einzuvernehmen. Der Anwalt des Anklägers widersetzte sich mit Eingabe vom 14. Oktober 1958 diesem Begehren. Zur Begründung seines Antrages auf Nichtabnahme des Zeugnisses machte er geltend, die Aussagen Eggers seien im Hinblick auf seine Mitwirkung bei der Abfassung des Artikels und seine Stellung als Mittäter für den Prozess bedeutungslos; anschliessend bemerkte er: "Egger gehört also ebensogut auf die Anklagebank wie Schmid. Damit hat er ohnehin die Stellung eines Zeugen verwirkt, auch wenn der Ankläger, um Egger zu schonen, auf eine Anklage gegen ihn verzichtet hat." Am 6. November 1958 wurde Egger in Anwesenheit der Parteien und ihrer Anwälte als Zeuge einvernommen und vorgängig vom Instruktionsrichter darauf aufmerksam gemacht, dass ihm kein Zeugnisverweigerungsrecht zustehe, da der Ankläger ausdrücklich auf eine Strafklage gegen ihn verzichtet habe. Nachdem sich Egger in einer weitern Zeugeneinvernahme geweigert hatte, die Namen von Kollegen zu nennen, die durch die Leitung des Konservatoriums ungerechtfertigt gemassregelt worden seien, stellte der Vertreter des Anklägers mit Eingabe vom 3. Januar 1959 das Begehren, Egger nochmals über konkrete Vorfälle einzuvernehmen. In der Begründung wurde u.a. ausgeführt: "Die Weigerung des Zeugen ist sachlich unberechtigt und zudem ungesetzlich, denn es steht ihm kein Zeugnisverweigerungsrecht zu (StPO 129/131)." Nach Abschluss des Beweisverfahrens, in welchem Schmid wiederholt die Abschreibung des Prozesses beantragt hatte, weil der Ankläger auf den Strafantrag verzichtet habe, erhob Wittelsbach am 4. Dezember 1959 auch gegen Egger als Anstifter und Mittäter von Schmid Strafklage wegen Ehrverletzung.
B.- Am 18. Dezember 1959 sprach das Bezirrksgericht Zürich den Angeklagten Schmid von Schuld und Strafe
BGE 86 IV 145 S. 147
frei. Durch Beschluss vom gleichen Tage wies es die Anklage gegen Egger von der Hand mit der Begründung, der Ankläger habe durch sein Schreiben vom 14. Oktober 1958 auf die Strafklage gegen Egger verzichtet. Das Obergericht des Kantons Zürich wies am 4. Juli 1960 den Rekurs, den Wittelsbach gegen den bezirksgerichtlichen Einstellungsbeschluss eingereicht hatte, als unbegründet ab. Es erblickt in der Eingabe des Anklägers vom 3. Januar 1959 einen Rückzug des Strafantrages im Sinne von Art. 31
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 31 - Das Antragsrecht erlischt nach Ablauf von drei Monaten. Die Frist beginnt mit dem Tag, an welchem der antragsberechtigten Person der Täter bekannt wird. |
C.- Wittelsbach führt Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, der Beschluss des Obergerichtes sei aufzuheben und die Sache zur materiellen Beurteilung der Anklage gegen Egger an die Vorinstanz zurückzuweisen.
Erwägungen
Der Kassationshof zieht in Erwägung:
1. Art. 27
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 27 - Besondere persönliche Verhältnisse, Eigenschaften und Umstände, welche die Strafbarkeit erhöhen, vermindern oder ausschliessen, werden bei dem Täter oder Teilnehmer berücksichtigt, bei dem sie vorliegen. |
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 30 - 1 Ist eine Tat nur auf Antrag strafbar, so kann jede Person, die durch sie verletzt worden ist, die Bestrafung des Täters beantragen. |
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1 | Ist eine Tat nur auf Antrag strafbar, so kann jede Person, die durch sie verletzt worden ist, die Bestrafung des Täters beantragen. |
2 | Ist die verletzte Person handlungsunfähig, so ist ihr gesetzlicher Vertreter zum Antrag berechtigt. Steht sie unter Vormundschaft oder unter umfassender Beistandschaft, so steht das Antragsrecht auch der Erwachsenenschutzbehörde zu.21 |
3 | Ist die verletzte Person minderjährig oder steht sie unter umfassender Beistandschaft, so ist auch sie zum Antrag berechtigt, wenn sie urteilsfähig ist.22 |
4 | Stirbt die verletzte Person, ohne dass sie den Strafantrag gestellt oder auf den Strafantrag ausdrücklich verzichtet hat, so steht das Antragsrecht jedem Angehörigen zu. |
5 | Hat eine antragsberechtigte Person ausdrücklich auf den Antrag verzichtet, so ist ihr Verzicht endgültig. |
2. Nach dieser Bestimmung sind alle Beteiligten zu verfolgen, wenn ein Antragsberechtigter gegen einen an der Tat Beteiligten Strafantrag stellt. Der Kassationshof hat diese Vorschrift dahin ausgelegt, dass auch in den Kantonen, deren Prozessrecht eine formelle Anklage gegen
BGE 86 IV 145 S. 148
jeden der Beteiligten verlangt, schon mit dem gültig gestellten Antrag gegen einen Beteiligten bundesrechtlich die Voraussetzung zur Verfolgung der andern erfüllt ist, und zwar ohne Rücksicht darauf, in welchem Zeitpunkt gegenüber den andern Beteiligten Anklage erhoben wird (BGE 80 IV 212 Erw. 2). Man könnte sich fragen, ob diese Auslegung mit dem vom Bundesrecht zwingend aufgestellten Grundsatz der Unteilbarkeit des Strafantrages vereinbar sei, mit andern Worten, ob die Verwirklichung dieses Prinzips nicht voraussetze, dass auch in den im Privatstrafklageprozess durchzuführenden Strafsachen das gegen einen Beteiligten angehobene Strafverfahren von Amtes wegen auf die andern ausgedehnt werde oder dass zum mindesten der Privatstrafkläger die prozessualen Handlungen, die zur Ingangsetzung des Strafverfahrens gegenüber den andern Beteiligten nach kantonalem Prozessrecht notwendig sind, innert der Antragsfrist des Art. 29 Abs. 1
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 29 - Eine besondere Pflicht, deren Verletzung die Strafbarkeit begründet oder erhöht, und die nur der juristischen Person, der Gesellschaft oder der Einzelfirma19 obliegt, wird einer natürlichen Person zugerechnet, wenn diese handelt: |
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a | als Organ oder als Mitglied eines Organs einer juristischen Person; |
b | als Gesellschafter; |
c | als Mitarbeiter mit selbständigen Entscheidungsbefugnissen in seinem Tätigkeitsbereich einer juristischen Person, einer Gesellschaft oder einer Einzelfirma20; oder |
d | ohne Organ, Mitglied eines Organs, Gesellschafter oder Mitarbeiter zu sein, als tatsächlicher Leiter. |
3. Geht man von der bisherigen Rechtsprechung aus, so hatte die am 30. August 1957 gegen Schmid innert der Antragsfrist und in der vom zürcherischen Prozessrecht geforderten Form anhängig gemachte Anklage gemäss Art. 30
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 30 - 1 Ist eine Tat nur auf Antrag strafbar, so kann jede Person, die durch sie verletzt worden ist, die Bestrafung des Täters beantragen. |
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1 | Ist eine Tat nur auf Antrag strafbar, so kann jede Person, die durch sie verletzt worden ist, die Bestrafung des Täters beantragen. |
2 | Ist die verletzte Person handlungsunfähig, so ist ihr gesetzlicher Vertreter zum Antrag berechtigt. Steht sie unter Vormundschaft oder unter umfassender Beistandschaft, so steht das Antragsrecht auch der Erwachsenenschutzbehörde zu.21 |
3 | Ist die verletzte Person minderjährig oder steht sie unter umfassender Beistandschaft, so ist auch sie zum Antrag berechtigt, wenn sie urteilsfähig ist.22 |
4 | Stirbt die verletzte Person, ohne dass sie den Strafantrag gestellt oder auf den Strafantrag ausdrücklich verzichtet hat, so steht das Antragsrecht jedem Angehörigen zu. |
5 | Hat eine antragsberechtigte Person ausdrücklich auf den Antrag verzichtet, so ist ihr Verzicht endgültig. |
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 29 - Eine besondere Pflicht, deren Verletzung die Strafbarkeit begründet oder erhöht, und die nur der juristischen Person, der Gesellschaft oder der Einzelfirma19 obliegt, wird einer natürlichen Person zugerechnet, wenn diese handelt: |
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a | als Organ oder als Mitglied eines Organs einer juristischen Person; |
b | als Gesellschafter; |
c | als Mitarbeiter mit selbständigen Entscheidungsbefugnissen in seinem Tätigkeitsbereich einer juristischen Person, einer Gesellschaft oder einer Einzelfirma20; oder |
d | ohne Organ, Mitglied eines Organs, Gesellschafter oder Mitarbeiter zu sein, als tatsächlicher Leiter. |
BGE 86 IV 145 S. 149
zu stellen, rechtsgültig Gebrauch gemacht, so konnte er, wie das Obergericht richtigerweise feststellt, auf die Ausübung dieses Rechtes nicht mehr verzichten, denn ein Verzicht setzt voraus, dass der Antrag noch nicht gestellt ist (Art. 28 Abs. 5
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 28 - 1 Wird eine strafbare Handlung durch Veröffentlichung in einem Medium begangen und erschöpft sie sich in dieser Veröffentlichung, so ist, unter Vorbehalt der nachfolgenden Bestimmungen, der Autor allein strafbar. |
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1 | Wird eine strafbare Handlung durch Veröffentlichung in einem Medium begangen und erschöpft sie sich in dieser Veröffentlichung, so ist, unter Vorbehalt der nachfolgenden Bestimmungen, der Autor allein strafbar. |
2 | Kann der Autor nicht ermittelt oder in der Schweiz nicht vor Gericht gestellt werden, so ist der verantwortliche Redaktor nach Artikel 322bis strafbar. Fehlt ein verantwortlicher Redaktor, so ist jene Person nach Artikel 322bis strafbar, die für die Veröffentlichung verantwortlich ist. |
3 | Hat die Veröffentlichung ohne Wissen oder gegen den Willen des Autors stattgefunden, so ist der Redaktor oder, wenn ein solcher fehlt, die für die Veröffentlichung verantwortliche Person als Täter strafbar. |
4 | Die wahrheitsgetreue Berichterstattung über öffentliche Verhandlungen und amtliche Mitteilungen einer Behörde ist straflos. |
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 31 - Das Antragsrecht erlischt nach Ablauf von drei Monaten. Die Frist beginnt mit dem Tag, an welchem der antragsberechtigten Person der Täter bekannt wird. |
4. (Gekürzt) In der Eingabe vom 14. Oktober 1958 erklärte der Beschwerdeführer vorbehaltlos, er habe darauf verzichtet, die Bestrafung Eggers zu verlangen. Der Verzicht war als endgültiger zu verstehen, da der Beschwerdeführer ein für allemal von einer Anklage absehen und sich trotzdem der Einvernahme Eggers als Zeuge widersetzen konnte, in der Meinung, dieser sei als Mittäter befangen
BGE 86 IV 145 S. 150
und verdiene als Zeuge keinen Glauben. Der Wille, keine Strafverfolgung einzuleiten, ergibt sich auch aus dem Verhalten des Beschwerdeführers in der Verhandlung vom 6. November 1958. Aus der Zeugenbelehrung und der entsprechenden Protokollierung war klar ersichtlich, dass Egger das Recht zur Zeugnisverweigerung nur deswegen abgesprochen wurde, weil die Erklärung des Beschwerdeführers vom 14. Oktober 1958 als verbindliche Zusicherung aufgefasst wurde, Egger laufe keine Gefahr, wegen seiner Aussagen vom Ankläger strafrechtlich verfolgt zu werden. Hätte der Beschwerdeführer seiner Erklärung eine weniger weit gehende Tragweite beigemessen, hätte er die Möglichkeit und nach Treu und Glauben auch die Pflicht gehabt, Vorbehalte anzubringen, was er jedoch unterliess. Schliesslich bestätigte der Beschwerdeführer den geäusserten Willen noch durch sein Schreiben vom 3. Januar 1959. Wenn er darin unter Hinweis auf die §§ 129/131 StPO bestritt, dass Egger ein Recht zur Zeugnisverweigerung habe, so wurde damit nicht bloss gesagt, dass Drittpersonen durch die Aussagen Eggers keinen Nachteilen ausgesetzt würden, sondern die Erklärung hatte, was aus dem Wortlaut des § 131 StPO folgt, gleichzeitig den Sinn, auch Egger selber laufe nicht Gefahr, strafrechtlich zur Verantwortung gezogen zu werden, wenn er als Zeuge aussage. Das gesamte Verhalten des Beschwerdeführers führt daher zum Schluss, dass er den Strafantrag gegen Egger zurückgezogen hat.
Dispositiv
Demnach erkennt der Kassationshof:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird abgewiesen.