S. 97 / Nr. 24 Strafgesetzbuch (d)

BGE 79 IV 97

24. Urteil des Kassationshofes vom 30. Oktober 1953 i. S. Schmid gegen
Weidmann.


Seite: 97
Regeste:
Art. 31
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 31 - Das Antragsrecht erlischt nach Ablauf von drei Monaten. Die Frist beginnt mit dem Tag, an welchem der antragsberechtigten Person der Täter bekannt wird.
StGB.
a) Der Rückzug des Strafantrages untersteht in bezug auf Ort und Form der
Erklärung dem kantonalen, inhaltlich dagegen dem eidgenössischen Recht (Erw.
1).
b) Ein bedingter Rückzug ist ungültig (Erw. 2).
c) Unbedingter oder stillschweigend bedingter Rückzug? (Erw. 3).
d) Irrturn macht den Rückzug nicht unverbindlich (Erw. 4).
Art. 31 CP.
a) Le lieu et la forme du retrait de plainte sont soumis au droit cantonal,
son contenu en revanche au droit fédéral (consid. 1).
b) Un retrait de plainte conditionnel n'est pas valable (consid. 2).
c) Retrait sans condition ou retrait subordonné à une condition tacite
(consid. 3)?
d) Une erreur ne supprime pas le caractère obligatoire du retrait (consid. 4).
Art. 31 CP.
a) Il luogo e la forma della desistenza dalla querela sono determinati dal
diritto cantonale pel contenuto fa invece stato il diritto federale (consid.
1).
b) La desistenza condizionale dalla querela non è valida (consid. 2).
c) Desistenza senza condizioni o subordinata ad una condizione tacita (consid.
3)?
d) Un errore non invalida la desistenza dalla querela (consid. 4).

A. - In der Hauptverhandlung vor dem Bezirksgericht Bülach vom 11. Dezember
1952 anerkannte der wegen einfacher Körperverletzung angeklagte Robert Schmid,
geb. 16. Juni 1933, die Entschädigungs- und Genugtuungsforderung von Fr.
332.40 des Hans Weidmann. Dieser zog daher seinen Strafantrag zurück, worauf
das Bezirksgericht am gleichen Tage den Prozess als durch Rückzug des
Strafantrages erledigt abschrieb und die Anerkennung der

Seite: 98
Zivilansprüche des Geschädigten seitens des Angeklagten vormerkte.
Othmar Schmid, Vater des Angeklagten, beschwerte sich gegen diesen Beschluss
mit dem Antrag, er sei aufzuheben, doch sei vom Rückzug des Strafantrages
Vormerk zu nehmen. Er machte geltend, der vom Gericht bestellte Verteidiger
habe für die Anerkennung zivilrechtlicher Ansprüche des Geschädigten keine
Vollmacht des gesetzlichen Vertreters des Angeklagten besessen und der
minderjährige Angeklagte selber sei nicht fähig gewesen, solche Ansprüche
anzuerkennen.
Das Obergericht des Kantons Zürich hob am 29. Juni 1953 in teilweiser
Gutheissung des Rekurses den Beschluss des Bezirksgerichtes auf und wies die
Sache zu neuer Beurteilung an dieses zurück. Es pflichtet der Auffassung des
Rekurrenten, dass die Anerkennung der Schadenersatz- und Genugtuungsforderung
seinen Sohn nicht verpflichte, bei, erachtete aber den Rückzug des
Strafantrages als ungültig. Richtig sei, dass beim Rückzug des Strafantrages
einzig massgebend sei, was der Antragsberechtigte dem Gericht gegenüber
erkläre, nicht was er sich dabei vorstelle, sodass z.B. ein Irrtum des
Erklärenden in bezug auf den dem Rückzug zugrunde liegenden Vergleich die
Gültigkeit des Rückzuges nicht beeinflussen könne. Wirksam sei aber der
Rückzug nur, wenn überhaupt eine den rechtlichen Anforderungen genügende,
ausdrückliche Erklärung abgegeben worden sei. Nach BGE 74 IV 81 liege im
analogen Fall des Verzichts auf den Strafantrag eine ausdrückliche Erklärung
nur vor, wenn sie eindeutig und vorbehaltlos zum Ausdruck bringe, dass der
Berechtigte ein für allemal davon absehe, die Bestrafung des Täters zu
verlangen. Diesen Anforderungen habe die Rückzugserklärung Weidmanns nicht
entsprochen. Das Bezirksgericht, das beim Zustandekommen des ungültigen
Vergleichs zwischen dem minderjährigen Angeklagten und dem Geschädigten selbst
mitgewirkt habe, habe vielmehr eindeutig erkennen können, dass der Geschädigte

Seite: 99
den Rückzug des Strafantrages von der Anerkennung seiner Zivilansprüche durch
den Angeklagten abhängig gemacht habe. Es habe denn auch offensichtlich nur
deshalb eine vorbehaltlose Rückzugserklärung angenommen, weil es die
Handlungsunfähigkeit des Angeklagten beim Abschluss des grundlegenden
Vergleichs übersehen habe. Da aber die Wirksamkeit der Anerkennung des
Angeklagten im Zeitpunkt der Rückzugserklärung des Geschädigten in der Schwebe
gewesen sei, habe der Rückzug nicht als unbedingt und vorbehaltlos erklärt
gelten können. Er wäre es lediglich geworden, wenn der Rekurrent nachträglich
seine Zustimmung erteilt hätte, da die Genehmigung auf den Zeitpunkt der
Anerkennung durch den Angeklagten zurückgewirkt hätte, sodass auch die der
Rückzugserklärung anhaftende Bedingung ex tunc dahingefallen wäre.
B. - Robert Schmid führt Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, der Beschluss
des Obergerichts sei aufzuheben, da er Art. 31
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 31 - Das Antragsrecht erlischt nach Ablauf von drei Monaten. Die Frist beginnt mit dem Tag, an welchem der antragsberechtigten Person der Täter bekannt wird.
StGB verletze, unter Kosten-
und Entschädigungsfolgen zulasten des Beschwerdegegners.
Er macht geltend, Weidmann habe den Strafantrag vorbehaltlos zurückgezogen.
Der Beweggrund spiele keine Rolle für die Frage der Gültigkeit des Rückzuges
und es sei daher auch unerheblich, ob das Gericht den Beweggrund des Rückzuges
habe erkennen können. Einen Rechtsnachteil erleide Weidmann nicht, da ihm der
Weg des Zivilprozesses offen stehe, wenn er glaube, eine Forderung von Fr.
332.40 zu haben.
C. - Weidmann beantragt, die Nichtigkeitsbeschwerde sei abzuweisen. Er macht
geltend, wenn der Beschwerdeführer seine Entschädigungsansprüche nicht
anerkannt hätte, hätte er den Strafantrag nicht zurückgezogen. Der Rückzug sei
auf Anraten des amtlichen Verteidigers und des Bezirksgerichts erfolgt, und
nur unter der Voraussetzung der Anerkennung seiner Entschädigungsansprüche.
Die Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich beantragt unter Hinweis auf die
Ausführungen des Obergerichts, die Beschwerde sei abzuweisen.

Seite: 100
Der Kassationshofes zieht in Erwägung:
1.- Der Berechtigte kann seinen Strafantrag, der in gewissen Fällen, so auch
bei einfacher Körperverletzung im Sinne des Art. 123 Ziff. 1 Abs. 1
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 123 - 1. Wer vorsätzlich einen Menschen in anderer Weise an Körper oder Gesundheit schädigt, wird, auf Antrag, mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft.
1    Wer vorsätzlich einen Menschen in anderer Weise an Körper oder Gesundheit schädigt, wird, auf Antrag, mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft.
2    Der Täter wird von Amtes wegen verfolgt,172
StGB,
Voraussetzung der Strafverfolgung ist (vgl. Art. 28
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 28 - 1 Wird eine strafbare Handlung durch Veröffentlichung in einem Medium begangen und erschöpft sie sich in dieser Veröffentlichung, so ist, unter Vorbehalt der nachfolgenden Bestimmungen, der Autor allein strafbar.
1    Wird eine strafbare Handlung durch Veröffentlichung in einem Medium begangen und erschöpft sie sich in dieser Veröffentlichung, so ist, unter Vorbehalt der nachfolgenden Bestimmungen, der Autor allein strafbar.
2    Kann der Autor nicht ermittelt oder in der Schweiz nicht vor Gericht gestellt werden, so ist der verantwortliche Redaktor nach Artikel 322bis strafbar. Fehlt ein verantwortlicher Redaktor, so ist jene Person nach Artikel 322bis strafbar, die für die Veröffentlichung verantwortlich ist.
3    Hat die Veröffentlichung ohne Wissen oder gegen den Willen des Autors stattgefunden, so ist der Redaktor oder, wenn ein solcher fehlt, die für die Veröffentlichung verantwortliche Person als Täter strafbar.
4    Die wahrheitsgetreue Berichterstattung über öffentliche Verhandlungen und amtliche Mitteilungen einer Behörde ist straflos.
StGB), zurückziehen,
solange das Urteil erster Instanz noch nicht verkündet ist (Art. 31 Abs. 1
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 31 - Das Antragsrecht erlischt nach Ablauf von drei Monaten. Die Frist beginnt mit dem Tag, an welchem der antragsberechtigten Person der Täter bekannt wird.

StGB). Ein zurückgezogener Strafantrag kann nicht nochmals gestellt werden
(Art. 31 Abs. 2
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 31 - Das Antragsrecht erlischt nach Ablauf von drei Monaten. Die Frist beginnt mit dem Tag, an welchem der antragsberechtigten Person der Täter bekannt wird.
StGB).
Wie das kantonale Prozessrecht lediglich bestimmt, wo und in welcher Form der
Strafantrag gestellt werden muss, wogegen es eine Frage des eidgenössischen
Rechts ist, ob eine bestimmte Eingabe inhaltlich Strafantrag sei (BGE 69 IV
198
, 78 IV 49), untersteht auch der Rückzug des Strafantrages dem kantonalen
Prozessrecht nur in bezug auf Ort und Form der Erklärung, während das
eidgenössische Recht bestimmt, wann inhaltlich ein gültiger Rückzug vorliegt.
Auf die Nichtigkeitsbeschwerde, mit der lediglich die Verletzung
eidgenössischen Rechts gerügt werden kann (Art. 269 Abs. 1
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 31 - Das Antragsrecht erlischt nach Ablauf von drei Monaten. Die Frist beginnt mit dem Tag, an welchem der antragsberechtigten Person der Täter bekannt wird.
, 273 Abs. 1
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 31 - Das Antragsrecht erlischt nach Ablauf von drei Monaten. Die Frist beginnt mit dem Tag, an welchem der antragsberechtigten Person der Täter bekannt wird.
lit. b
BStP), ist daher einzutreten; denn streitig ist nicht, ob der Beschwerdegegner
den Rückzug am richtigen Ort und in der richtigen Form erklärt hat, sondern ob
der Rückzug seinem Inhalte nach gültig ist.
2.- Das Obergericht ist der Auffassung, der Beschwerdegegner habe den Rückzug
des Strafantrages nur unter der stillschweigenden Bedingung erklärt, dass
seine Schadenersatz- und Genugtuungsforderung gültig anerkannt werde. Wäre dem
so, so müsste die Strafverfolgung ohne Rücksicht darauf, ob die Bedingung
erfüllt oder nicht erfüllt sei, schon deshalb fortgesetzt werden, weil das
schweizerische Recht einen bedingten Rückzug des Strafantrages nicht kennt.
Wie der Verzicht auf den Strafantrag (Art. 28 Abs. 5
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 28 - 1 Wird eine strafbare Handlung durch Veröffentlichung in einem Medium begangen und erschöpft sie sich in dieser Veröffentlichung, so ist, unter Vorbehalt der nachfolgenden Bestimmungen, der Autor allein strafbar.
1    Wird eine strafbare Handlung durch Veröffentlichung in einem Medium begangen und erschöpft sie sich in dieser Veröffentlichung, so ist, unter Vorbehalt der nachfolgenden Bestimmungen, der Autor allein strafbar.
2    Kann der Autor nicht ermittelt oder in der Schweiz nicht vor Gericht gestellt werden, so ist der verantwortliche Redaktor nach Artikel 322bis strafbar. Fehlt ein verantwortlicher Redaktor, so ist jene Person nach Artikel 322bis strafbar, die für die Veröffentlichung verantwortlich ist.
3    Hat die Veröffentlichung ohne Wissen oder gegen den Willen des Autors stattgefunden, so ist der Redaktor oder, wenn ein solcher fehlt, die für die Veröffentlichung verantwortliche Person als Täter strafbar.
4    Die wahrheitsgetreue Berichterstattung über öffentliche Verhandlungen und amtliche Mitteilungen einer Behörde ist straflos.
StGB) eine vorbehaltlose
Erklärung des Verletzten erfordert (BGE 74 IV 87), kann der Strafantrag auch
nur vorbehalt los zurückgezogen werden. Knüpft der Berechtigte den Rückzug an
eine Bedingung, so hat das

Seite: 101
nicht zur Folge, dass die Erklärung als unbedingt zu gelten hätte, sondern
dass kein gültiger Rückzug vorliegt.
3.- Der Beschwerdegegner hat indessen den Rückzug des Strafantrages nicht
bedingt erklärt, auch nicht bloss stillschweigend bedingt. Zur Bedingung kann
ein Ereignis nur gemacht worden Sein, wenn der Erklärende an die Möglichkeit
seines Eintrittes überhaupt gedacht und den Willen gehabt hat, die Wirkung
seiner Erklärung davon abhängig zu machen. Der Beschwerdegegner hat aber gar
nicht daran gedacht, die Schuldanerkennung des Beschwerdeführers könnte
unverbindlich Sein. Er hat offensichtlich entweder wie das Bezirksgericht
übersehen, dass der Beschwerdeführer noch nicht zwanzig Jahre alt war oder aus
Rechtsunkenntnis verkannt oder nicht daran gedacht, dass eine noch nicht
zwanzig Jahre alte Person sich durch ihre Handlungen nur mit Zustimmung ihres
gesetzlichen Vertreters verpflichten kann (Art. 11 Abs. 1
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 11 - 1 Rechtsfähig ist jedermann.
1    Rechtsfähig ist jedermann.
2    Für alle Menschen besteht demgemäss in den Schranken der Rechtsordnung die gleiche Fähigkeit, Rechte und Pflichten zu haben.
, 19 Abs. 1
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 19 - 1 Urteilsfähige handlungsunfähige Personen können nur mit Zustimmung ihres gesetzlichen Vertreters Verpflichtungen eingehen oder Rechte aufgeben.14
1    Urteilsfähige handlungsunfähige Personen können nur mit Zustimmung ihres gesetzlichen Vertreters Verpflichtungen eingehen oder Rechte aufgeben.14
2    Ohne diese Zustimmung vermögen sie Vorteile zu erlangen, die unentgeltlich sind, sowie geringfügige Angelegenheiten des täglichen Lebens zu besorgen.15
3    Sie werden aus unerlaubten Handlungen schadenersatzpflichtig.
ZGB). Im
einen wie im anderen Falle kann er den Willen, die Wirkung des erklärten
Rückzuges von dieser Zustimmung abhängig zu machen, nicht gehabt haben,
sondern ist er durch einen Irrtum, allenfalls sogar durch einen blossen
Rechtsirrtum, zu einem bedingungslosen Rückzug des Strafantrages bewogen
worden.
4.- Irrtum, welcher Art er auch Sei, macht den Rückzug nicht unverbindlich.
Da die Zurücknahme des Strafantrages nicht eine dem Zivilgesetzbuch oder dem
Obligationenrecht unterstehende, sondern eine vom Strafrecht und Strafprozess
beherrschte Willenserklärung ist, sind die Art. 23 ff
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 23 - Der Vertrag ist für denjenigen unverbindlich, der sich beim Abschluss in einem wesentlichen Irrtum befunden hat.
. OR nicht anwendbar. Es
wäre denn auch ausgeschlossen, dass der Antragsteller binnen Jahresfrist seit
der Entdeckung des Irrtums (Art. 31
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 31 - 1 Wenn der durch Irrtum, Täuschung oder Furcht beeinflusste Teil binnen Jahresfrist weder dem anderen eröffnet, dass er den Vertrag nicht halte, noch eine schon erfolgte Leistung zurückfordert, so gilt der Vertrag als genehmigt.
1    Wenn der durch Irrtum, Täuschung oder Furcht beeinflusste Teil binnen Jahresfrist weder dem anderen eröffnet, dass er den Vertrag nicht halte, noch eine schon erfolgte Leistung zurückfordert, so gilt der Vertrag als genehmigt.
2    Die Frist beginnt in den Fällen des Irrtums und der Täuschung mit der Entdeckung, in den Fällen der Furcht mit deren Beseitigung.
3    Die Genehmigung eines wegen Täuschung oder Furcht unverbindlichen Vertrages schliesst den Anspruch auf Schadenersatz nicht ohne weiteres aus.
OR) den Rückzug als unverbindlich erklären
könnte, mit der Wirkung, dass das Strafverfahren, falls die Verfolgung noch
nicht verjährt wäre, fortgesetzt werden müsste; eine solche Verzögerung
vertrüge sich mit Art. 29
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 29 - Eine besondere Pflicht, deren Verletzung die Strafbarkeit begründet oder erhöht, und die nur der juristischen Person, der Gesellschaft oder der Einzelfirma19 obliegt, wird einer natürlichen Person zugerechnet, wenn diese handelt:
a  als Organ oder als Mitglied eines Organs einer juristischen Person;
b  als Gesellschafter;
c  als Mitarbeiter mit selbständigen Entscheidungsbefugnissen in seinem Tätigkeitsbereich einer juristischen Person, einer Gesellschaft oder einer Einzelfirma20; oder
d  ohne Organ, Mitglied eines Organs, Gesellschafter oder Mitarbeiter zu sein, als tatsächlicher Leiter.
StGB nicht, der das Antragsrecht nach Ablauf von
drei Monaten, gerechnet vom Tage, an welchem dem

Seite: 102
Antragsberechtigten der Täter bekannt wird, erlöschen lässt und damit zum
Ausdruck bringt, dass sich der Strafrichter mit einer Sache, um die der
Verletzte sich länger als drei Monate nicht gekümmert hat, nicht mehr zu
befassen habe.
Auch eine bloss analoge Anwendung der Art. 23 ff
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 23 - Der Vertrag ist für denjenigen unverbindlich, der sich beim Abschluss in einem wesentlichen Irrtum befunden hat.
. OR, wobei allenfalls die
Frist des Art. 31
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 31 - 1 Wenn der durch Irrtum, Täuschung oder Furcht beeinflusste Teil binnen Jahresfrist weder dem anderen eröffnet, dass er den Vertrag nicht halte, noch eine schon erfolgte Leistung zurückfordert, so gilt der Vertrag als genehmigt.
1    Wenn der durch Irrtum, Täuschung oder Furcht beeinflusste Teil binnen Jahresfrist weder dem anderen eröffnet, dass er den Vertrag nicht halte, noch eine schon erfolgte Leistung zurückfordert, so gilt der Vertrag als genehmigt.
2    Die Frist beginnt in den Fällen des Irrtums und der Täuschung mit der Entdeckung, in den Fällen der Furcht mit deren Beseitigung.
3    Die Genehmigung eines wegen Täuschung oder Furcht unverbindlichen Vertrages schliesst den Anspruch auf Schadenersatz nicht ohne weiteres aus.
OR durch eine kürzere ersetzt werden könnte, kommt nicht in
Frage. Hätte der Strafgesetzgeber dem Antragsberechtigten gestatten wollen,
den Rückzug des Strafantrages wegen Irrtums unverbindlich zu erklären, so
hätte er das umsoeher gesagt und sagen müssen, als der Strafrichter nicht mit
der gleichen Freiheit wie der Zivilrichter auf dem Wege der Analogie Recht
sprechen darf, zumal dann nicht schlechthin, wenn sie sich zum Nachteil des
Angeklagten auswirken würde, denn während der Zivilrichter auf jede am
richtigen Ort und in der gehörigen Form erhobene Klage zugunsten der einen
oder der anderen Partei urteilen muss, verlangt das Straf- und
Strafprozessrecht nicht, dass jeder Kläger Gehör finde und der Täter für jede
Tat bestraft werde. Die Frage, ob der Rückzug des Strafantrages wegen Irrtums
unverbindlich sei, kann dem Strafgesetzgeber angesichts der eingehenden
Regelung, die der Irrtum im Zivilrecht erfahren hat, nicht entgangen sein. Sie
muss sich ihm unisomehr gestellt haben, als Art. 31 Abs. 2
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 31 - Das Antragsrecht erlischt nach Ablauf von drei Monaten. Die Frist beginnt mit dem Tag, an welchem der antragsberechtigten Person der Täter bekannt wird.
StGB ausdrücklich
bestimmt, ein zurückgezogener Strafantrag könne von dem, der den Rückzug
erklärt hat, nicht nochmals gestellt werden. Auf eine Erneuerung des
Strafantrages aber liefe es hinaus, wenn der Berechtigte den Rückzug wegen
Irrtums als unverbindlich erklären könnte. Der Literatur und Rechtsprechung
zum kantonalen und ausländischen Recht ist die Frage, ob prozessuale
Erklärungen, insbesondere der Rückzug des Strafantrages, wegen Irrtums
angefochten werden können, bekannt gewesen (vgl. z.B. BlZüR 15 Nr. 68;
WAIBLINGER, Das Strafverfahren für den Kanton Bern, Art. 2 N. 14; BELING,
Deutsches Reichsstrafprozessrecht 204 f.). Das Schweigen des Strafgesetzbuches
kann nur dahin ausgelegt werden, dass auch der unter dem Einfluss

Seite: 103
eines Irrtums erklärte Rückzug endgültig der Strafverfolgung ein Ende setzt.
Für diese Lösung sprechen auch sachliche Gründe. Nicht damit der Verletzte
seine Ansprüche aus der strafbaren Handlung wirksamer verfolgen, das
Antragsrecht zum Mittel des Marktens um den Schadenersatz oder die Genugtuung
machen könne, auch nicht bloss damit er sein inneres Bedürfnis nach einer
Züchtigung des Täters befriedige, lässt das Gesetz die Strafverfolgung in
gewissen Fällen von seinem Antrag abhängen, sondern weil der Staat, der allein
zu strafen berechtigt und verpflichtet ist, in diesen Fällen, zum Teil auch
zur Schonung des Verletzten, dem das Strafverfahren Unannehmlichkeiten bringen
kann (Einmischung der Behörden in seine persönlichen oder
Familienangelegenheiten), keinen genügenden Anlass sieht, auch gegen den
Willen des Verletzten einzuschreiten. Dieses verminderte, aber dennoch rein
staatliche Interesse an der Strafverfolgung verträgt es durchaus, dass ein
wegen Rückzugs des Strafantrages erledigtes Verfahren endgültig abgeschlossen
bleibe, auch wenn sich herausstellt, dass der Verletzte den Strafantrag unter
dem Einfluss eines Irrtums zurückgezogen hat. Dem Verletzten wird dadurch kein
Unrecht zugefügt; insbesondere bleibt es ihm unbenommen, sich auf dem Wege des
Zivilprozesses Schadenersatz und Genugtuung zu verschaffen.
Demnach erkennt der Kassationshof:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird gutgeheissen, das Urteil des Obergerichts des
Kantons Zürich vom 29. Juni 1953 aufgehoben und die Sache zu neuer
Entscheidung im Sinne der Erwägungen an die Vorinstanz zurückgewiesen.
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 79 IV 97
Datum : 01. Januar 1953
Publiziert : 30. Oktober 1953
Quelle : Bundesgericht
Status : 79 IV 97
Sachgebiet : BGE - Strafrecht und Strafvollzug
Gegenstand : Art. 31 StGB.a) Der Rückzug des Strafantrages untersteht in bezug auf Ort und Form der Erklärung...


Gesetzesregister
BStP: 269  273
OR: 23 
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 23 - Der Vertrag ist für denjenigen unverbindlich, der sich beim Abschluss in einem wesentlichen Irrtum befunden hat.
31
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 31 - 1 Wenn der durch Irrtum, Täuschung oder Furcht beeinflusste Teil binnen Jahresfrist weder dem anderen eröffnet, dass er den Vertrag nicht halte, noch eine schon erfolgte Leistung zurückfordert, so gilt der Vertrag als genehmigt.
1    Wenn der durch Irrtum, Täuschung oder Furcht beeinflusste Teil binnen Jahresfrist weder dem anderen eröffnet, dass er den Vertrag nicht halte, noch eine schon erfolgte Leistung zurückfordert, so gilt der Vertrag als genehmigt.
2    Die Frist beginnt in den Fällen des Irrtums und der Täuschung mit der Entdeckung, in den Fällen der Furcht mit deren Beseitigung.
3    Die Genehmigung eines wegen Täuschung oder Furcht unverbindlichen Vertrages schliesst den Anspruch auf Schadenersatz nicht ohne weiteres aus.
StGB: 28 
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 28 - 1 Wird eine strafbare Handlung durch Veröffentlichung in einem Medium begangen und erschöpft sie sich in dieser Veröffentlichung, so ist, unter Vorbehalt der nachfolgenden Bestimmungen, der Autor allein strafbar.
1    Wird eine strafbare Handlung durch Veröffentlichung in einem Medium begangen und erschöpft sie sich in dieser Veröffentlichung, so ist, unter Vorbehalt der nachfolgenden Bestimmungen, der Autor allein strafbar.
2    Kann der Autor nicht ermittelt oder in der Schweiz nicht vor Gericht gestellt werden, so ist der verantwortliche Redaktor nach Artikel 322bis strafbar. Fehlt ein verantwortlicher Redaktor, so ist jene Person nach Artikel 322bis strafbar, die für die Veröffentlichung verantwortlich ist.
3    Hat die Veröffentlichung ohne Wissen oder gegen den Willen des Autors stattgefunden, so ist der Redaktor oder, wenn ein solcher fehlt, die für die Veröffentlichung verantwortliche Person als Täter strafbar.
4    Die wahrheitsgetreue Berichterstattung über öffentliche Verhandlungen und amtliche Mitteilungen einer Behörde ist straflos.
29 
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 29 - Eine besondere Pflicht, deren Verletzung die Strafbarkeit begründet oder erhöht, und die nur der juristischen Person, der Gesellschaft oder der Einzelfirma19 obliegt, wird einer natürlichen Person zugerechnet, wenn diese handelt:
a  als Organ oder als Mitglied eines Organs einer juristischen Person;
b  als Gesellschafter;
c  als Mitarbeiter mit selbständigen Entscheidungsbefugnissen in seinem Tätigkeitsbereich einer juristischen Person, einer Gesellschaft oder einer Einzelfirma20; oder
d  ohne Organ, Mitglied eines Organs, Gesellschafter oder Mitarbeiter zu sein, als tatsächlicher Leiter.
31 
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 31 - Das Antragsrecht erlischt nach Ablauf von drei Monaten. Die Frist beginnt mit dem Tag, an welchem der antragsberechtigten Person der Täter bekannt wird.
123
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 123 - 1. Wer vorsätzlich einen Menschen in anderer Weise an Körper oder Gesundheit schädigt, wird, auf Antrag, mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft.
1    Wer vorsätzlich einen Menschen in anderer Weise an Körper oder Gesundheit schädigt, wird, auf Antrag, mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft.
2    Der Täter wird von Amtes wegen verfolgt,172
ZGB: 11 
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 11 - 1 Rechtsfähig ist jedermann.
1    Rechtsfähig ist jedermann.
2    Für alle Menschen besteht demgemäss in den Schranken der Rechtsordnung die gleiche Fähigkeit, Rechte und Pflichten zu haben.
19
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 19 - 1 Urteilsfähige handlungsunfähige Personen können nur mit Zustimmung ihres gesetzlichen Vertreters Verpflichtungen eingehen oder Rechte aufgeben.14
1    Urteilsfähige handlungsunfähige Personen können nur mit Zustimmung ihres gesetzlichen Vertreters Verpflichtungen eingehen oder Rechte aufgeben.14
2    Ohne diese Zustimmung vermögen sie Vorteile zu erlangen, die unentgeltlich sind, sowie geringfügige Angelegenheiten des täglichen Lebens zu besorgen.15
3    Sie werden aus unerlaubten Handlungen schadenersatzpflichtig.
BGE Register
69-IV-195 • 74-IV-81 • 78-IV-45 • 79-IV-97
Stichwortregister
Sortiert nach Häufigkeit oder Alphabet
strafantrag • irrtum • bedingung • strafverfolgung • beschwerdegegner • frage • schadenersatz • richtigkeit • kassationshof • wille • weiler • strafgesetzbuch • strafprozess • wirkung • gesetzliche vertretung • einfache körperverletzung • beweggrund • zivilprozess • genugtuung • tag
... Alle anzeigen