85 I 7
2. Auszug aus dem Urteil vom 6. Mai 1959 i.S. Egger gegen Kantone Bern und Graubünden.
Regeste (de):
- Doppelbesteuerung.
- 1. Der Schutz des Art. 46 Abs. 2
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 46 Umsetzung des Bundesrechts - 1 Die Kantone setzen das Bundesrecht nach Massgabe von Verfassung und Gesetz um.
1 Die Kantone setzen das Bundesrecht nach Massgabe von Verfassung und Gesetz um. 2 Bund und Kantone können miteinander vereinbaren, dass die Kantone bei der Umsetzung von Bundesrecht bestimmte Ziele erreichen und zu diesem Zweck Programme ausführen, die der Bund finanziell unterstützt.10 3 Der Bund belässt den Kantonen möglichst grosse Gestaltungsfreiheit und trägt den kantonalen Besonderheiten Rechnung.11 - 2. Besteuerung eines Ausländers, der in der Schweiz keinen Wohnsitz, sondern lediglich Aufenthalt hat. Wo ist der Fremdarbeiter zu besteuern, der sich an keinem seiner verschiedenen Arbeitsorte in der Schweiz wesentlich länger als an den andern aufhält? (Erw. 3, 4).
Regeste (fr):
- Double imposition.
- 1. La protection de l'art. 46 al. 2 OJ s'étend également aux étrangers assujettis à des impôts en Suisse (consid. 2).
- 2. Imposition d'un étranger, qui n'a pas de domicile en Suisse mais s'y trouve simplement en séjour. Où faut-il imposer le travailleur étranger qui a différents lieux de travail en Suisse et qui ne séjourne pas nettement plus longuement dans l'un que dans l'autre? (consid. 3, 4).
Regesto (it):
- Doppia imposizione.
- 1. La protezione dell'art. 46
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 46 Umsetzung des Bundesrechts - 1 Die Kantone setzen das Bundesrecht nach Massgabe von Verfassung und Gesetz um.
1 Die Kantone setzen das Bundesrecht nach Massgabe von Verfassung und Gesetz um. 2 Bund und Kantone können miteinander vereinbaren, dass die Kantone bei der Umsetzung von Bundesrecht bestimmte Ziele erreichen und zu diesem Zweck Programme ausführen, die der Bund finanziell unterstützt.10 3 Der Bund belässt den Kantonen möglichst grosse Gestaltungsfreiheit und trägt den kantonalen Besonderheiten Rechnung.11 - 2. Imposizione di uno straniero che non ha domicilio in Svizzera ma vi si trova semplicemente in soggiorno. Dove dev'essereassoggettato alle imposte il lavoratore straniero che ha diversi luoghi di lavoro in Svizzera e che non soggiorna notevolmente più a lungo nell'uno che nell'altro? (consid. 3, 4).
Sachverhalt ab Seite 8
BGE 85 I 7 S. 8
A.- Der Österreicher Hans Egger arbeitet seit längerer Zeit als Seilbahnmonteur in der Schweiz. Ende Februar 1958 trat er von einem Schwesterunternehmen in Sitten zur A. Lüscher AG in Bern über. Diese erwirkte für ihn in Bern die Aufenthalts- und Arbeitsbewilligung als Fremdarbeiter. Sie beschäftigt ihn auf ihren über die ganze Schweiz verteilten Baustellen, wo er jeweils einige Tage oder Wochen tätig ist. Wenn die A. Lüscher AG keine Arbeit für ihn hat, wird er in den von Roll'schen Eisenwerken in Bern eingesetzt. Im Jahre 1958 arbeitete er an folgenden Orten:
6. 1. - 18. 1. Linthal
20. 1. - 23. 1. Brugg
(24.1. - 23. 2. Urlaub in Österreich)
24. 2. - 15. 3. Bern
17. 3. - 7. 4. Nendaz
8. 4. - 7. 5. Mottec
8. 5. - 10. 5. Schynige Platte
11. 5. - 18. 6. Mottec
19. 6. - 12. 7. Sedrun
14. 7. - 12. 8. Le Châble
13. 8. - 26. 8. Wiggen
27. 8. - 10. 9. Sedrun
11. 9. - 30. 9. Le Châble
1.10. - 13.11. Sedrun
14.11. - 14.12. Zermatt
15.12. - 31.12. Sedrun
Der Kanton Graubünden besteuerte das Erwerbseinkommen, das Egger in Sedrun erzielte, an der Quelle, indem er gemäss Art. 100
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 46 Umsetzung des Bundesrechts - 1 Die Kantone setzen das Bundesrecht nach Massgabe von Verfassung und Gesetz um. |
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1 | Die Kantone setzen das Bundesrecht nach Massgabe von Verfassung und Gesetz um. |
2 | Bund und Kantone können miteinander vereinbaren, dass die Kantone bei der Umsetzung von Bundesrecht bestimmte Ziele erreichen und zu diesem Zweck Programme ausführen, die der Bund finanziell unterstützt.10 |
3 | Der Bund belässt den Kantonen möglichst grosse Gestaltungsfreiheit und trägt den kantonalen Besonderheiten Rechnung.11 |
BGE 85 I 7 S. 9
Zeit der Anstellung bei der A. Lüscher AG, d.h. seit dem 27. Februar 1958. Egger ficht die hierin liegende Doppelbesteuerung in einer gegen die Kantone Bern und Graubünden gerichteten staatsrechtlichen Beschwerde wegen Verletzung des Art. 46 Abs. 2
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 46 Umsetzung des Bundesrechts - 1 Die Kantone setzen das Bundesrecht nach Massgabe von Verfassung und Gesetz um. |
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1 | Die Kantone setzen das Bundesrecht nach Massgabe von Verfassung und Gesetz um. |
2 | Bund und Kantone können miteinander vereinbaren, dass die Kantone bei der Umsetzung von Bundesrecht bestimmte Ziele erreichen und zu diesem Zweck Programme ausführen, die der Bund finanziell unterstützt.10 |
3 | Der Bund belässt den Kantonen möglichst grosse Gestaltungsfreiheit und trägt den kantonalen Besonderheiten Rechnung.11 |
B.- Der Regierungsrat des Kantons Bern beantragt die Abweisung der Beschwerde, soweit sie sich gegen diesen Kanton wendet. Er macht geltend, der Beschwerdeführer habe in der Schweiz keinen Wohnsitz, weshalb sich der Steuerort nach dem Aufenthalt bestimme. Nicht jeder auch noch so kurzfristige Aufenthalt vermöge jedoch ein Steuerdomizil zu begründen; halte sich ein Steuerpflichtiger bald da, bald dort auf, so gelte derjenige Aufenthaltsort als Steuerdomizil, dem er am stärksten verbunden sei. Das treffe im vorliegenden Fall auf Bern zu, da der Beschwerdeführer zu dieser Stadt ständig in Beziehung stehe, während die Verbindung mit den jeweiligen Arbeitsstätten nur vorübergehender und zweckbedingter Art sei. Hätte der Beschwerdeführer in Bern Wohnsitz, so könnte er deshalb an den betreffenden Orten nicht besteuert werden. Dass Bern lediglich Aufenthaltsort sei, hindere nicht, die Steuerausscheidung nach den selben Grundsätzen vorzunehmen. Dem Kanton Graubünden komme mithin kein Besteuerungsrecht zu.
C.- Der Kleine Rat von Graubünden schliesst, die Beschwerde sei abzuweisen, soweit sie sich gegen diesen Kanton richtet. Er führt aus, für den unselbständig erwerbenden Fremdarbeiter gebe es keinen Steuerort des Arbeitgeberwohnsitzes. Ebenso wenig komme darauf an, wo er die primäre fremdenpolizeiliche Arbeitsbewilligung erhalten habe; entbinde ihn diese doch nicht davon, sich bei Verlegung des Aufenthalts in einen andern Kanton innert acht Tagen bei der dortigen Fremdenpolizeibehörde anzumelden. Der Fremdarbeiter habe sein Erwerbseinkommen vielmehr dort zu versteuern, wo er es nach gehöriger fremdenpolizeilicher
BGE 85 I 7 S. 10
Anmeldung tatsächlich erzielt habe. Der Kanton Graubünden habe den Beschwerdeführer denn auch nur für die Zeit besteuert, da er in Sedrun gearbeitet habe. Dank der Quellenbesteuerung vermöge der Kanton ohne besondere Veranlagung und ohne grossen Apparat das Einkommen aller Fremdarbeiter genauestens zu erfassen; es sei ihm nicht zuzumuten, darauf zu verzichten, wenn ein anderer Kanton die primäre Arbeitsbewilligung erteilt habe.
Erwägungen
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1. Gemäss Art. 7 Abs. 1 des österreichisch-schweizerischen Doppelbesteuerungsabkommens vom 12. November 1953 (AS 1954 S. 1086) werden Einkünfte aus unselbständiger Erwerbstätigkeit nur in dem Staat besteuert, in dessen Gebiet die persönliche Tätigkeit ausgeübt wird, aus der diese Einnahmen herrühren. Der Beschwerdeführer ist österreichischer Staatsangehöriger; er ist in der Schweiz auf Grund eines Dienstvertrags tätig. Er ist daher in der Schweiz für sein hier erzieltes Erwerbseinkommen steuerpflichtig.
2. Das durch Art. 46 Abs. 2
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 46 Umsetzung des Bundesrechts - 1 Die Kantone setzen das Bundesrecht nach Massgabe von Verfassung und Gesetz um. |
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1 | Die Kantone setzen das Bundesrecht nach Massgabe von Verfassung und Gesetz um. |
2 | Bund und Kantone können miteinander vereinbaren, dass die Kantone bei der Umsetzung von Bundesrecht bestimmte Ziele erreichen und zu diesem Zweck Programme ausführen, die der Bund finanziell unterstützt.10 |
3 | Der Bund belässt den Kantonen möglichst grosse Gestaltungsfreiheit und trägt den kantonalen Besonderheiten Rechnung.11 |
3. Hat ein Ausländer in der Schweiz keinen Wohnsitz und knüpft die Besteuerung lediglich an seinen Aufenthalt daselbst an, so sind die kantonalen Steuerhoheiten grundsätzlich danach abzugrenzen, welchem schweizerischen Aufenthaltsort der Steuerpflichtige während des Zeitraums,
BGE 85 I 7 S. 11
wofür die Steuer geschuldet wird, am stärksten verbunden war (BGE 46 I 413; entsprechend für einen Schweizer ohne Wohnsitz das nicht veröffentlichte Urteil vom 18. Juli 1934 i.S. Waber, vgl. LOCHER, Doppelbesteuerungsrecht, § 3, II A, Nr. 2). Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichts ergibt sich die Stärke der Beziehungen zu einem Ort nicht aus irgendwelchen formellen Merkmalen (wie der polizeilichen Anmeldung), sondern aus der Gesamtheit der tatsächlichen Gegebenheiten (BGE 69 I 13, 79 Erw. 4 sowie die von LOCHER, a.a.O., unter § 3, I A, 2 d angeführten, nicht veröffentlichten Urteile). Das muss auch für Ausländer gelten. Es kommt mithin im vorliegenden Falle nicht darauf an, in welchem Kanton der Beschwerdeführer die Aufenthaltsbewilligung erlangte, und ob er sich bei Verlegung seines Aufenthalts in einen andern Kanton jeweils innert acht Tagen bei der dortigen Fremdenpolizeibehörde anmeldete, wie es Art. 8 Abs. 3
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 46 Umsetzung des Bundesrechts - 1 Die Kantone setzen das Bundesrecht nach Massgabe von Verfassung und Gesetz um. |
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1 | Die Kantone setzen das Bundesrecht nach Massgabe von Verfassung und Gesetz um. |
2 | Bund und Kantone können miteinander vereinbaren, dass die Kantone bei der Umsetzung von Bundesrecht bestimmte Ziele erreichen und zu diesem Zweck Programme ausführen, die der Bund finanziell unterstützt.10 |
3 | Der Bund belässt den Kantonen möglichst grosse Gestaltungsfreiheit und trägt den kantonalen Besonderheiten Rechnung.11 |
4. Anderseits wurde er an keinem der verschiedenen Arbeitsorte wesentlich länger eingesetzt als an den andern. Unter solchen besonderen Umständen, da in der Schweiz weder ein Wohnsitz, noch ein längerer, die andern überwiegender Aufenthalt an einem bestimmten Orte gegeben
BGE 85 I 7 S. 12
ist, bleibt nichts anderes übrig, als die Steuerhoheit dem jeweiligen Aufenthaltskanton für die Dauer des dortigen Aufenthalts zuzuerkennen, auch wenn damit eine Zersplitterung der Steuererhebung verbunden ist. Diese erschwert übrigens die Ausscheidung und den Steuerbezug nicht wesentlich, zumal wenn die Steuer an der Quelle, d.h. beim Arbeitgeber zulasten des Lohnanspruchs des Arbeitnehmers, erhoben wird. Der Kanton Graubünden war deshalb im Jahre 1958 berechtigt, den Beschwerdeführer für alle Zeitspannen zu besteuern, während derer er in Sedrun arbeitete (also über die tatsächlich erfolgte Besteuerung hinaus auch für die Zeit vom 7. bis 13. November und vom 15. bis 31. Dezember). Dem Kanton Bern steht die Steuerhoheit dagegen nur für die drei Wochen zu, da der Beschwerdeführer in Bern, und für die drei Tage, da er auf der Schynigen Platte arbeitete.