Urteilskopf

83 II 26

5. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 19. Februar 1957 i.S. Wurm gegen K. Bürgi-Tobler & Co.
Regeste (de):

Regeste (fr):

Regesto (it):


Erwägungen ab Seite 26

BGE 83 II 26 S. 26

Der Schuldner kann zum voraus auf die Verrechnung verzichten (Art. 126
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 126 - Auf die Verrechnung kann der Schuldner zum voraus Verzicht leisten.
OR). Der Verzicht ist ein Vertrag, kommt also durch übereinstimmende gegenseitige Willensäusserung der Parteien zustande, die ausdrücklich oder stillschweigend erfolgen kann (Art. 1
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 1 - 1 Zum Abschlusse eines Vertrages ist die übereinstimmende gegenseitige Willensäusserung der Parteien erforderlich.
1    Zum Abschlusse eines Vertrages ist die übereinstimmende gegenseitige Willensäusserung der Parteien erforderlich.
2    Sie kann eine ausdrückliche oder stillschweigende sein.
OR). Stillschweigender Verzicht wurde unter der Herrschaft des alten Obligationenrechts unter anderem angenommen, wenn der Schuldner Barzahlung versprach, obschon er eine Gegenforderung hatte (Art. 139 Abs. 2 aoR). Diese Bestimmung ist in das geltende Gesetz nicht aufgenommen worden. Das bedeutet aber nicht, dass es das in Kenntnis der Gegenforderung abgegebene Zahlungsversprechen nicht mehr als stillschweigende Äusserung des Verzichtswillens anerkennen wolle, sondern dass von Fall zu Fall zu prüfen sei, ob das Versprechen diesen Sinn habe (Botschaft des Bundesrates vom 3. März 1905, BBl 1905 II 19; BGE 42 II 54, BGE 57 II 468, BGE 72 II 28). Dabei sind die allgemeinen
BGE 83 II 26 S. 27

Regeln über die Auslegung von Willensäusserungen anwendbar. Wenn der Gläubiger nach Treu und Glauben aus dem Zahlungsversprechen ableiten darf und tatsächlich ableitet, der Schuldner wolle auf Verrechnung verzichten, so ist der Verzicht zustande gekommen, auch wenn der Schuldner diesen Willen nicht hatte. Nicht nötig ist, dass der Gläubiger ausdrücklich erkläre, er schliesse aus der Äusserung des Schuldners auf dessen Verzichtswillen und werde ihn dabei behaften. Wie jedes Angebot stillschweigend angenommen werden kann, wenn wegen der besonderen Natur des Geschäftes oder nach den Umständen eine ausdrückliche Annahme nicht zu erwarten ist (Art. 6), kann auch der vom Schuldner ausdrücklich oder stillschweigend angebotene Verzicht auf Verrechnung vom Gläubiger durch schlüssiges Schweigen angenommen werden.
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 83 II 26
Datum : 19. Februar 1957
Publiziert : 31. Dezember 1958
Quelle : Bundesgericht
Status : 83 II 26
Sachgebiet : BGE - Zivilrecht
Gegenstand : Art. 126 OR. Liegt im Zahlungsversprechen ein Verzicht auf Verrechnung?


Gesetzesregister
OR: 1 
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 1 - 1 Zum Abschlusse eines Vertrages ist die übereinstimmende gegenseitige Willensäusserung der Parteien erforderlich.
1    Zum Abschlusse eines Vertrages ist die übereinstimmende gegenseitige Willensäusserung der Parteien erforderlich.
2    Sie kann eine ausdrückliche oder stillschweigende sein.
126
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 126 - Auf die Verrechnung kann der Schuldner zum voraus Verzicht leisten.
BGE Register
42-II-49 • 57-II-465 • 72-II-25 • 83-II-26
Stichwortregister
Sortiert nach Häufigkeit oder Alphabet
barzahlung • kenntnis • schuldner • treu und glauben • wille • zahlungsversprechen
BBl
1905/II/19