Urteilskopf

83 I 72

12. Urteil vom 20. Februar 1957 i.S. Cottoferm AG gegen Schweiz. Bundesbahnen.
Regeste (de):

Regeste (fr):

Regesto (it):


Sachverhalt ab Seite 73

BGE 83 I 72 S. 73

A.- Zur Erweiterung des Bahnhofs Horgen enteignen die Schweiz. Bundesbahnen die 2080 m2 umfassende Liegenschaft der Cottoferm AG., auf der diese ihre chemische Fabrik betreibt. Das Enteignungsverfahren wurde im Frühjahr 1955 eröffnet. Im Dezember 1955 einigten sich die Parteien ausseramtlich dahin, dass die enteignete Liegenschaft am 1. April 1957 geräumt sein und den SBB zum Abbruch zur Verfügung stehen solle. Im März 1956 begann die Enteignete mit dem Bau eines neuen Fabrikgebäudes in Horgen-Oberdorf. Für die laufenden Bauauslagen leisteten ihr die SBB vorschussweise freiwillige Zahlungen. Der Betrieb soll im Laufe des März 1957 stufenweise an den neuen Ort verlegt werden.
B.- Neben der Vergütung des vollen Verkehrswertes der enteigneten Liegenschaft (Art. 19 lit. a
SR 711 Bundesgesetz vom 20. Juni 1930 über die Enteignung (EntG)
EntG Art. 19 - Bei der Festsetzung der Entschädigung sind alle Nachteile zu berücksichtigen, die dem Enteigneten aus der Entziehung oder Beschränkung seiner Rechte erwachsen. Demnach sind zu vergüten:
a  der volle Verkehrswert des enteigneten Rechtes;
bbis  wenn von einem Grundstück oder von mehreren wirtschaftlich zusammenhängenden Grundstücken nur ein Teil in Anspruch genommen wird, auch der Betrag, um den der Verkehrswert des verbleibenden Teils sich vermindert;
c  alle weitern dem Enteigneten verursachten Nachteile, die sich nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge als Folge der Enteignung voraussehen lassen.
EntG), dessen Hauptposten (Wert der Liegenschaft ohne besondere Einrichtungen wie Leitungen nsw.) von der Enteigneten auf Fr. 1'035,549.--, von den SBB dagegen nur auf Fr. 473'043.-- beziffert wurde, verlangte die Enteignete eine Entschädigung für alle weitern ihr durch die Enteignung verursachten Nachteile (Art. 19 lit. c
SR 711 Bundesgesetz vom 20. Juni 1930 über die Enteignung (EntG)
EntG Art. 19 - Bei der Festsetzung der Entschädigung sind alle Nachteile zu berücksichtigen, die dem Enteigneten aus der Entziehung oder Beschränkung seiner Rechte erwachsen. Demnach sind zu vergüten:
a  der volle Verkehrswert des enteigneten Rechtes;
bbis  wenn von einem Grundstück oder von mehreren wirtschaftlich zusammenhängenden Grundstücken nur ein Teil in Anspruch genommen wird, auch der Betrag, um den der Verkehrswert des verbleibenden Teils sich vermindert;
c  alle weitern dem Enteigneten verursachten Nachteile, die sich nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge als Folge der Enteignung voraussehen lassen.
EntG; sog. Inkonvenienzen). Als solche machte sie geltend die Kosten des von der Baudirektion des Kantons Zürich abgelehnten Projekts für einen Neubau in Au-Wädenswil, die Kosten der Verlegung des Betriebes nach Horgen-Oberdorf (Planungskosten, Umtriebe für den Landerwerb, Mehrkosten der Vorproduktion für die Umzugszeit, Produktionsausfall während dieser Zeit, Kosten des Umzugs und der Neueinrichtung), die durch die Lage der neuen Fabrik bedingte Verteuerung der Transporte und den Schaden aus der Erhöhung der Kapitalzinslasten und der Verminderung der Mietzinseinnahmen, die mit der Preisgabe der alten und der Erstellung einer neuen Fabrik verbunden seien, schliesslich die Kosten der Berechnung der Ansprüche auf Enteignungsentschädigung. Weitere Begehren der Enteigneten
BGE 83 I 72 S. 74

bezogen sich auf den Ersatz allfälliger Wertzuwachssteuern durch die SBB und auf allfällig beim Abbruch und bei den Grabungen auf der enteigneten Liegenschaft zum Vorschein kommende Wertgegenstände (Schatzfund).
C.- Obwohl die Enteignete die gesamthafte Beurteilung ihrer Begehren verlangte, beschränkte die Schätzungskommission VI das Verfahren entsprechend dem Antrag der SBB auf die Feststellung des Verkehrswertes der enteigneten Liegenschaft. Die weitern Enteignungsnachteile waren bei Gelegenheit des Augenscheins und der Schätzungsverhandlung vom 2. Oktober 1956 Gegenstand einer Einigungsverhandlung, die gemäss dem Protokoll hierüber nicht zu einer endgültigen Erledigung führte, wenn sich auch hinsichtlich einzelner Posten die Möglichkeit einer Verständigung abzeichnete. Das Dispositiv des den Parteien am 23. November 1956 zugestellten Entscheides der Schätzungskommission vom 2. Oktober 1956 lautet wie folgt: "beschlossen:
1.:... (Nichteintreten auf das Begehren betr. Schatzfund).
2. Über die der Enteigneten zustehende Inkonvenienzentschädigung (Art. 19 lit. c
SR 711 Bundesgesetz vom 20. Juni 1930 über die Enteignung (EntG)
EntG Art. 19 - Bei der Festsetzung der Entschädigung sind alle Nachteile zu berücksichtigen, die dem Enteigneten aus der Entziehung oder Beschränkung seiner Rechte erwachsen. Demnach sind zu vergüten:
a  der volle Verkehrswert des enteigneten Rechtes;
bbis  wenn von einem Grundstück oder von mehreren wirtschaftlich zusammenhängenden Grundstücken nur ein Teil in Anspruch genommen wird, auch der Betrag, um den der Verkehrswert des verbleibenden Teils sich vermindert;
c  alle weitern dem Enteigneten verursachten Nachteile, die sich nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge als Folge der Enteignung voraussehen lassen.
EntG) wird später entschieden. und
erkannt:
1. Die Liegenschaft ... geht auf den 1. April 1957 ... in das Eigentum der SBB über. 2. Die SBB haben hiefür den Berechtigten als Verkehrswert (Art. 19 lit. a
SR 711 Bundesgesetz vom 20. Juni 1930 über die Enteignung (EntG)
EntG Art. 19 - Bei der Festsetzung der Entschädigung sind alle Nachteile zu berücksichtigen, die dem Enteigneten aus der Entziehung oder Beschränkung seiner Rechte erwachsen. Demnach sind zu vergüten:
a  der volle Verkehrswert des enteigneten Rechtes;
bbis  wenn von einem Grundstück oder von mehreren wirtschaftlich zusammenhängenden Grundstücken nur ein Teil in Anspruch genommen wird, auch der Betrag, um den der Verkehrswert des verbleibenden Teils sich vermindert;
c  alle weitern dem Enteigneten verursachten Nachteile, die sich nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge als Folge der Enteignung voraussehen lassen.
EntG) Fr. 588'000.-- zu bezahlen. 3. Die Verfahrenskosten tragen die SBB. Sie haben der Enteigneten eine Parteientschädigung zu bezahlen. Über die Höhe der Kosten und der Parteientschädigung wird annlässlich der Erledigung der Inkonvenienzansprüche durch die Schätzungskommission entschieden. 4. ... (Zustellung).
5. ... (Rechtsmittelbelehrung)."
Zur Begründung der Teilung des Verfahrens wird in den Erwägungen im wesentlichen ausgeführt, ordentlicherweise urteile die Schätzungskommission gleichzeitig über alle streitigen Begehren. Dies sei prozessökonomisch und erleichtere den Parteien bzw. dem Enteigner die Entschliessung darüber, ob das Bundesgericht anzurufen bzw. nachträglich auf die Enteignung zu verzichten sei. Das
BGE 83 I 72 S. 75

Gesetz enthalte jedoch keine Bestimmung, die unter allen Umständen eine Gesamterledigung fordern würde. Eine Teilung des Verfahrens sei deshalb statthaft, "wenn besondere Verhältnisse sie aufdrängen". So verhalte es sich hier. Die Nachteile infolge der Enteignung (Art. 19 lit. c
SR 711 Bundesgesetz vom 20. Juni 1930 über die Enteignung (EntG)
EntG Art. 19 - Bei der Festsetzung der Entschädigung sind alle Nachteile zu berücksichtigen, die dem Enteigneten aus der Entziehung oder Beschränkung seiner Rechte erwachsen. Demnach sind zu vergüten:
a  der volle Verkehrswert des enteigneten Rechtes;
bbis  wenn von einem Grundstück oder von mehreren wirtschaftlich zusammenhängenden Grundstücken nur ein Teil in Anspruch genommen wird, auch der Betrag, um den der Verkehrswert des verbleibenden Teils sich vermindert;
c  alle weitern dem Enteigneten verursachten Nachteile, die sich nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge als Folge der Enteignung voraussehen lassen.
EntG) seien zur Zeit nicht abschätzbar, da die Kosten der Betriebsverlegung noch nicht feststünden und die tatsächlichen Anlagekosten der neuen Fabrik noch unbekannt seien und genügende Unterlagen fehlten, um die mit der Inkonvenienzentschädigung zu verrechnenden produktionsmässigen Vorteile der neuen Anlage zu bestimmen. Auf der andern Seite sei die Schätzung des Verkehrswertes der enteigneten Liegenschaft spruchreif. Werde sie bis zum Entscheid über die Nachteile aus der Enteignung (Inkonvenienzen) aufgeschoben, so entstehe die Gefahr, dass eine allfällige Bewertung der alten Liegenschaft durch Mitglieder der Oberschätzungskommission im bundesgerichtlichen Verfahren nicht vor Beginn des Abbruchs der Gebäude am 1. April 1957 erfolgen könne. Für eine Schätzung dieser Gebäude bedürfe es aber des Augenscheins; eine durch Pläne und Photographien verdeutlichte Beschreibung des Zustandes könne diesen hier nicht ersetzen. Der sofortige Entscheid über den Verkehrswert dränge sich daher auf. Über die Inkonvenienzbegehren einschliesslich des Antrags auf Ausgleich der mit der Aufgabe der alten Liegenschaft verbundenen Steuern werde die Schätzungskommission entscheiden, sobald dies möglich sei. Über den Vollzug der Enteignung sagen die Erwägungen der Schätzungskommission, die Parteien hätten die Räumung der Liegenschaft auf Ende März 1957 vereinbart. Dem Wunsche der Enteigneten, bis dahin Eigentümerin des Grundstücks zu bleiben, stehe nichts entgegen. Die SBB seien zur Übernahme der Liegenschaft auf einen frühern Zeitpunkt nicht berechtigt, weil sie diese erst vom erwähnten Datum an benötigten. Sollte der Entscheid der Schätzungskommission dann noch nicht rechtskräftig sein, so könnten die SBB die vorzeitige Besitzeinweisung verlangen.
BGE 83 I 72 S. 76

D.- Mit ihrem Rekurs an das Bundesgericht beantragt die Enteignete, der angefochtene Entscheid sei "nichtig zu erklären", weil die Schätzungskommission in unzulässiger Weise nur einen einzigen der geltend gemachten Ansprüche (nämlich den Anspruch auf Ersatz des Verkehrswerts der enteigneten Liegenschaft) und auch diesen nur unvollständig beurteilt habe; eventuell sei der angefochtene Entscheid aufzuheben, die Entschädigung gemäss den Eingaben der Enteigneten an die Schätzungskommission einschliesslich der Inkonvenienzen auf Fr. 1'506,987.90 zu bestimmen und die Enteignerin zu verpflichten, der Enteigneten die Wertzuwachssteuern zu ersetzen und die beim Abbruch der Gebäude und bei den Grabarbeiten allfällig zu Tage geförderten Gegenstände von Wert auszuhändigen. Die SBB haben sich der Weiterziehung angeschlossen mit dem Begehren, der (von der Schätzungskommission) auf Fr. 90.- pro m2 bemessene Landwert sei auf Fr. 60.- pro m2 anzusetzen und im übrigen sei der Entscheid der Schätzungskommission zu bestätigen.
E.- Am 5. Februar 1957 bestätigten die Parteien vor der bundesgerichtlichen Instruktionskommission ihre frühere Vereinbarung, wonach die enteignete Liegenschaft den SBB am 1. April 1957 zum Abbruch zur Verfügung stehen soll, und einigten sich dahin, dass das bundesgerichtliche Schätzungsverfahren auch im Falle einer Rückweisung der Sache an die Schätzungskommission noch vor dem Abbruch durchgeführt werden soll. Die SBB erklärten, dass sie auf den Rücktritt vom eingeleiteten Enteignungsverfahren (Art. 14
SR 711 Bundesgesetz vom 20. Juni 1930 über die Enteignung (EntG)
EntG Art. 14
1    Innert 20 Tagen, nachdem der Entscheid über die Entschädigung in Rechtskraft erwachsen ist, kann der Enteigner, sofern er nicht schon vorläufige Besitzeinweisung verlangt hatte, durch schriftliche Erklärung gegenüber dem Enteigneten auf den Vollzug der Enteignung verzichten. Auf Begehren des Enteigners kann die Schätzungskommission die Frist unter Anzeige an den Enteigneten erstrecken.
2    Der Enteigner hat dem Enteigneten den aus dem Verzicht entstandenen Schaden zu ersetzen. Die Entschädigungsklage ist bei der Schätzungskommission anzubringen und verjährt innert sechs Monaten nach der Verzichterklärung.
3    Die im Grundbuch eingetragene Verfügungsbeschränkung kann der Enteignete gegen Vorweisung der Verzichterklärung löschen lassen.
EntG) verzichten.
Erwägungen

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1. (Zur Rüge, dass die Schätzungskommission den Anspruch auf Ersatz des Verkehrswerts der enteigneten Liegenschaft nicht vollständig beurteilt habe.)
2. Die Enteignung kann gemäss Art. 16
SR 711 Bundesgesetz vom 20. Juni 1930 über die Enteignung (EntG)
EntG Art. 16 - Die Enteignung kann nur gegen volle Entschädigung erfolgen.
EntG (wo der in Art. 23 Abs. 2
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 23 Vereinigungsfreiheit - 1 Die Vereinigungsfreiheit ist gewährleistet.
1    Die Vereinigungsfreiheit ist gewährleistet.
2    Jede Person hat das Recht, Vereinigungen zu bilden, Vereinigungen beizutreten oder anzugehören und sich an den Tätigkeiten von Vereinigungen zu beteiligen.
3    Niemand darf gezwungen werden, einer Vereinigung beizutreten oder anzugehören.
BV aufgestellte allgemeine Grundsatz bestätigt wird) nur gegen volle Entschädigung erfolgen.
BGE 83 I 72 S. 77

Der Enteigner erwirbt das Eigentum am enteigneten Grundstück (oder das auf dem Enteignungsweg eingeräumte Recht an einem Grundstück) gemäss Art. 91
SR 711 Bundesgesetz vom 20. Juni 1930 über die Enteignung (EntG)
EntG Art. 91
1    Mit der Bezahlung der Entschädigung erwirbt der Enteigner das Eigentum an dem enteigneten Grundstück oder das auf dem Enteignungsweg eingeräumte Recht an einem Grundstück. Mangels anderer Vereinbarungen der Parteien oder Verzichts auf die Löschung durch den Enteigner erlöschen die auf dem enteigneten Eigentum lastenden beschränkten dinglichen und im Grundbuch vorgemerkten persönlichen sowie anderen obligatorischen Rechte, auch wenn sie trotz der ergangenen Aufforderung nicht angemeldet und von der Schätzungskommission nicht geschätzt worden sind.98
2    Die gleiche Wirkung hat die Bezahlung einer Entschädigung, die nach Einleitung des Enteignungsverfahrens durch Parteivereinbarung festgesetzt wurde.
EntG erst durch die Bezahlung der "Entschädigungen". Darunter ist unzweifelhaft die Gesamtheit der dem Enteigneten nach Art. 19
SR 711 Bundesgesetz vom 20. Juni 1930 über die Enteignung (EntG)
EntG Art. 19 - Bei der Festsetzung der Entschädigung sind alle Nachteile zu berücksichtigen, die dem Enteigneten aus der Entziehung oder Beschränkung seiner Rechte erwachsen. Demnach sind zu vergüten:
a  der volle Verkehrswert des enteigneten Rechtes;
bbis  wenn von einem Grundstück oder von mehreren wirtschaftlich zusammenhängenden Grundstücken nur ein Teil in Anspruch genommen wird, auch der Betrag, um den der Verkehrswert des verbleibenden Teils sich vermindert;
c  alle weitern dem Enteigneten verursachten Nachteile, die sich nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge als Folge der Enteignung voraussehen lassen.
EntG zukommenden Leistungen zu verstehen. Das ergibt sich nicht nur aus dem im gleichen Unterabschnitt (über die Bezahlung der Entschädigung) stehenden Art. 89
SR 711 Bundesgesetz vom 20. Juni 1930 über die Enteignung (EntG)
EntG Art. 89
1    Die Entschädigungen für die Enteignung eines Grundstücks, eines beschränkten dinglichen Rechts sowie für den Minderwert des verbleibenden Teils des Grundstücks sind zuhanden des Berechtigten bei dem Grundbuchamt zu bezahlen, in dessen Kreis das Grundstück liegt. Gleichzeitig sind die Urkunden vorzulegen, die diese Entschädigungen rechtskräftig feststellen.
2    Der Ersatz für die weitern dem Enteigneten verursachten Nachteile sowie die Entschädigung an Mieter und Pächter ist unmittelbar an die Berechtigten zu leisten.
EntG, der in Abs. 1 die Entschädigungen gemäss Art. 19 lit. a und b und in Abs. 2 diejenige gemäss Art. 19 lit. c erwähnt, sondern vor allem auch daraus, dass allein diese Auslegung gewährleistet, dass der Enteignete sein Eigentum wirklich nur gegen volle Entschädigung preiszugeben hat. Vor Bezahlung der gesamten Entschädigung erwirbt der Enteigner das Eigentum am enteigneten Grundstück nur in den hier nicht gegebenen Ausnahmefällen von Art. 88 Abs. 1
SR 711 Bundesgesetz vom 20. Juni 1930 über die Enteignung (EntG)
EntG Art. 88
1    Die Entschädigung für die Enteignung ist innert 30 Tagen nach ihrer rechtskräftigen Feststellung zu entrichten und, soweit sie in Geld besteht, nach Ablauf dieser Frist zum Zinsfuss, den das Bundesverwaltungsgericht festlegt, zu verzinsen. Ist eine endgültige Vermessung der vom Enteigner beanspruchten Grundfläche in diesem Zeitpunkt noch nicht möglich, so sind vorläufig 90 Prozent der Entschädigung auszubezahlen, berechnet nach den Massen im aufgelegten Plan; vorbehalten bleibt eine spätere Nach- oder Rückforderung.97
2    Bei Säumnis mit andern als Geldleistungen setzt der Präsident der Schätzungskommission dem Enteigner auf Begehren des Berechtigten eine angemessene Frist zur Erfüllung an, mit der Androhung, dass sonst die Arbeiten vom Berechtigten selbst auf Rechnung des Pflichtigen erstellt werden können. In diesem Falle kann der Berechtigte vom Enteigner einen angemessenen Vorschuss verlangen, der im Streitfall durch den Präsidenten der Schätzungskommission festgesetzt wird.
3    Die Schätzungskommission setzt im Streitfall die Vergütung fest für Arbeiten, die der Berechtigte selbst ausgeführt hat, und für den Schaden aus dem Verzug.
Satz 2 und Art. 86
SR 711 Bundesgesetz vom 20. Juni 1930 über die Enteignung (EntG)
EntG Art. 86
1    Nach Durchführung des Schriftenwechsels kann der Instruktionsrichter den Enteigner auf Verlangen der Gegenpartei zur sofortigen Bezahlung der nach den Parteianträgen nicht mehr streitigen Entschädigung verhalten, sofern nicht der Enteigner sich ausdrücklich vorbehält, auf die Enteignung noch nach Durchführung des Verfahrens zu verzichten.
2    Leistet der Enteigner für den noch streitigen Betrag ausreichende Sicherheit, so kann auf sein Begehren der Instruktionsrichter verfügen, dass schon mit der Bezahlung der Teilentschädigung die Wirkung der Enteignung eintritt.
Abs 2 EntG, nämlich dann, wenn als Entschädigung für den Verkehrswert eines noch nicht endgültig vermessenen Grundstücks neunzig vom Hundert der nach den Massen im aufgelegten Plan berechneten Summe bezahlt sind oder wenn der bundesgerichtliche Instruktionsrichter nach Durchführung des Schriftenwechsels auf Verlangen des Enteigneten die sofortige Bezahlung der nicht mehr streitigen Entschädigung anordnet und gegen Sicherstellung des noch streitigen Betrags verfügt, dass die Wirkung der Enteignung schon mit der Bezahlung der Teilentschädigung (d.h. des nicht mehr streitigen Betrags) eintrete. Im vorliegenden Fall umfasst die vom Enteigner zu bezahlende volle Entschädigung neben dem von der Vorinstanz festgesetzten Verkehrswert im Sinne von Art. 19 lit. a
SR 711 Bundesgesetz vom 20. Juni 1930 über die Enteignung (EntG)
EntG Art. 19 - Bei der Festsetzung der Entschädigung sind alle Nachteile zu berücksichtigen, die dem Enteigneten aus der Entziehung oder Beschränkung seiner Rechte erwachsen. Demnach sind zu vergüten:
a  der volle Verkehrswert des enteigneten Rechtes;
bbis  wenn von einem Grundstück oder von mehreren wirtschaftlich zusammenhängenden Grundstücken nur ein Teil in Anspruch genommen wird, auch der Betrag, um den der Verkehrswert des verbleibenden Teils sich vermindert;
c  alle weitern dem Enteigneten verursachten Nachteile, die sich nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge als Folge der Enteignung voraussehen lassen.
EntG unstreitig auch eine Entschädigung für Enteignungsnachteile im Sinne von Art. 19 lit. c. Indem die Vorinstanz erkannte, dass die enteignete Liegenschaft auf den 1. April 1957 in das Eigentum der SBB übergehe und dass diese dafür (wenigstens einstweilen) nur die auf Fr. 588'000.-- bezifferte Verkehrswertentschädigung zu bezahlen haben, hat sie also die klaren Bestimmungen von
BGE 83 I 72 S. 78

Art. 16
SR 711 Bundesgesetz vom 20. Juni 1930 über die Enteignung (EntG)
EntG Art. 16 - Die Enteignung kann nur gegen volle Entschädigung erfolgen.
und 91
SR 711 Bundesgesetz vom 20. Juni 1930 über die Enteignung (EntG)
EntG Art. 91
1    Mit der Bezahlung der Entschädigung erwirbt der Enteigner das Eigentum an dem enteigneten Grundstück oder das auf dem Enteignungsweg eingeräumte Recht an einem Grundstück. Mangels anderer Vereinbarungen der Parteien oder Verzichts auf die Löschung durch den Enteigner erlöschen die auf dem enteigneten Eigentum lastenden beschränkten dinglichen und im Grundbuch vorgemerkten persönlichen sowie anderen obligatorischen Rechte, auch wenn sie trotz der ergangenen Aufforderung nicht angemeldet und von der Schätzungskommission nicht geschätzt worden sind.98
2    Die gleiche Wirkung hat die Bezahlung einer Entschädigung, die nach Einleitung des Enteignungsverfahrens durch Parteivereinbarung festgesetzt wurde.
EntG verletzt. Mit der Zuweisung des Eigentums auf den 1. April 1957 gegen blosse Zahlung des Verkehrswerts wäre übrigens, selbst wenn dieser bis zum angegebenen Tag endgültig festgesetzt werden könnte, für die SBB auch rein praktisch nichts gewonnen; denn die bei Bemessung der Enteignungsnachteile zu berücksichtigenden Vorteile der neuen Anlage gegenüber der alten lassen sich so wenig wie der Verkehrswert der enteigneten Liegenschaft ohne Besichtigung der alten Gebäude richtig schätzen, so dass den SBB der Abbruch trotz dem Eigentumsübergang verboten werden müsste, wenn es nicht möglich wäre, die alten Gebäude noch vor dem 1. April 1957 durch die mit der Schätzung der Enteignungsfolgen betrauten Sachverständigen beider Instanzen besichtigen zu lassen. Daher muss auf jeden Fall das den Eigentumsübergang anordnende Dispositiv 1 des Erkenntnisses der Vorinstanz aufgehoben werden.
3. Das angefochtene Erkenntnis lässt sich aber auch insoweit nicht aufrechterhalten, als es im Sinne eines Teilentscheids über einen von mehreren Posten der Enteignungsentschädigung den Verkehrswert der enteigneten Liegenschaft festsetzt (Dispositiv 2) und den Entscheid über die Enteignungsfolgen auf später verschiebt. Die Art. 64
SR 711 Bundesgesetz vom 20. Juni 1930 über die Enteignung (EntG)
EntG Art. 64
1    Die Schätzungskommission entscheidet namentlich:67
a  über die Höhe der Entschädigung (Art. 16 und 17);
b  über die Begehren um Trennung von Bestandteilen und Zugehör (Art. 11) und um Ausdehnung der Enteignung (Art. 12 und 13);
bbis  über Entschädigungsforderungen für den Schaden aus vorbereitenden Handlungen (Art. 15 Abs. 3);
c  über Entschädigungsbegehren, die sich aus der Pflicht zur Wahrung öffentlicher und nachbarrechtlicher Interessen ergeben (Art. 7);
d  über neue Eigentumsverhältnisse und die daraus sich ergebende Mehrbelastung für Unterhalt (Art. 26);
e  über die Entschädigungsbegehren wegen Verzichtes auf die Enteignung (Art. 14);
f  über die Entschädigungsbegehren aus dem Enteignungsbann (Art. 44);
g  über Begehren um vorzeitige Besitzeinweisung und die damit verbundenen Leistungen, soweit zum Entscheid nicht gemäss Artikel 76 Absatz 2 der Präsident zuständig ist;
h  über die Folgen des Verzuges in der Leistung der Enteignungsentschädigung (Art. 88);
i  über das Rückforderungsrecht des Enteigneten und die damit zusammenhängenden Begehren (Art. 108);
k  ...
2    Die Schätzungskommission entscheidet selbst über ihre Zuständigkeit.72
. lit. a, 72, 73 Abs. 1
SR 711 Bundesgesetz vom 20. Juni 1930 über die Enteignung (EntG)
EntG Art. 73
1    Die Verhandlungen und der Entscheid der Schätzungskommission werden in einem Protokoll zusammengefasst, das enthalten muss:
a  die Namen der erschienenen Beteiligten;
b  die genaue Bezeichnung des Gegenstandes der Enteignung;
c  die Anträge und Anerkennungen der Parteien;
d  ein Verzeichnis der von den Parteien vorgelegten Akten;
e  eine gedrängte Wiedergabe der Parteianbringen;
f  das Ergebnis eines allfälligen Beweisverfahrens;
g  den Entscheid mit Begründung, wobei die in Artikel 19 aufgezählten verschiedenen Bestandteile der Entschädigung ziffermässig genau auseinander zu halten sind;
h  die Unterschrift des Präsidenten der Schätzungskommission.
2    Führt eine Verhandlung nicht zum Entscheid oder werden Zeugen abgehört oder erscheint es sonst notwendig, so wird ein gesondertes Verhandlungsprotokoll geführt.
lit. g, 73 Abs. 2
SR 711 Bundesgesetz vom 20. Juni 1930 über die Enteignung (EntG)
EntG Art. 73
1    Die Verhandlungen und der Entscheid der Schätzungskommission werden in einem Protokoll zusammengefasst, das enthalten muss:
a  die Namen der erschienenen Beteiligten;
b  die genaue Bezeichnung des Gegenstandes der Enteignung;
c  die Anträge und Anerkennungen der Parteien;
d  ein Verzeichnis der von den Parteien vorgelegten Akten;
e  eine gedrängte Wiedergabe der Parteianbringen;
f  das Ergebnis eines allfälligen Beweisverfahrens;
g  den Entscheid mit Begründung, wobei die in Artikel 19 aufgezählten verschiedenen Bestandteile der Entschädigung ziffermässig genau auseinander zu halten sind;
h  die Unterschrift des Präsidenten der Schätzungskommission.
2    Führt eine Verhandlung nicht zum Entscheid oder werden Zeugen abgehört oder erscheint es sonst notwendig, so wird ein gesondertes Verhandlungsprotokoll geführt.
, 74 Abs. 1
SR 711 Bundesgesetz vom 20. Juni 1930 über die Enteignung (EntG)
EntG Art. 74
1    Vom Entscheide der Schätzungskommission ist jeder Partei und denjenigen Nebenbeteiligten, die im Verfahren Anträge gestellt haben (Art. 67 Abs. 3), durch eine Abschrift Kenntnis zu geben.
2    Die Entscheide über zusammenhängende Fälle sind soweit als möglich gleichzeitig zuzustellen.
, 75, 76, 88 Abs. 1
SR 711 Bundesgesetz vom 20. Juni 1930 über die Enteignung (EntG)
EntG Art. 88
1    Die Entschädigung für die Enteignung ist innert 30 Tagen nach ihrer rechtskräftigen Feststellung zu entrichten und, soweit sie in Geld besteht, nach Ablauf dieser Frist zum Zinsfuss, den das Bundesverwaltungsgericht festlegt, zu verzinsen. Ist eine endgültige Vermessung der vom Enteigner beanspruchten Grundfläche in diesem Zeitpunkt noch nicht möglich, so sind vorläufig 90 Prozent der Entschädigung auszubezahlen, berechnet nach den Massen im aufgelegten Plan; vorbehalten bleibt eine spätere Nach- oder Rückforderung.97
2    Bei Säumnis mit andern als Geldleistungen setzt der Präsident der Schätzungskommission dem Enteigner auf Begehren des Berechtigten eine angemessene Frist zur Erfüllung an, mit der Androhung, dass sonst die Arbeiten vom Berechtigten selbst auf Rechnung des Pflichtigen erstellt werden können. In diesem Falle kann der Berechtigte vom Enteigner einen angemessenen Vorschuss verlangen, der im Streitfall durch den Präsidenten der Schätzungskommission festgesetzt wird.
3    Die Schätzungskommission setzt im Streitfall die Vergütung fest für Arbeiten, die der Berechtigte selbst ausgeführt hat, und für den Schaden aus dem Verzug.
und 116 EntG sprechen von der "Entschädigung" bzw. vom "Entscheid" der Schätzungskommission in der Einzahl. Von einem Teilentscheid über einzelne Entschädigungsposten und einer Trennung des Verfahrens ist im Gesetz nirgends die Rede. Schon deshalb liegt die Annahme nahe, dass die Schätzungskommission die gesamte Entschädigung in einem einzigen Entscheide festzusetzen hat. Der entscheidende Grund für diese Auslegung des Gesetzes liegt aber nicht im Wortlaut, sondern in sachlichen Erwägungen. Die Entschädigung für eine und dieselbe Enteignung bildet ihrer Natur nach eine Einheit, auch wenn sie aus verschiedenen Bestandteilen besteht. Sie ist das Entgelt für das Interesse, das der Enteignete hatte, nicht enteignet zu werden (vgl. W. BURCKHARDT,
BGE 83 I 72 S. 79

Die Entschädigungspflicht nach schweizerischem Expropriationsrecht, ZSR 1913 S. 145 ff.). Wenn der Enteignete eine aus verschiedenen Posten zusammengesetzte Entschädigungsforderung stellt, hat man es nicht etwa mit einer Klagenhäufung im Sinne von Art. 24
SR 273 Bundesgesetz vom 4. Dezember 1947 über den Bundeszivilprozess
BZP Art. 24
1    Mehrere Ansprüche des Klägers gegen denselben Beklagten können in der gleichen Klage geltend gemacht werden, wenn das Bundesgericht für jeden einzelnen Anspruch zuständig ist. Dieses Erfordernis gilt nicht für Nebenansprüche.
2    Mehrere Personen können in der gleichen Klage als Kläger auftreten oder als Beklagte belangt werden:
a  wenn sie mit Rücksicht auf den Streitgegenstand in Rechtsgemeinschaft stehen oder aus dem gleichen tatsächlichen und rechtlichen Grunde berechtigt oder verpflichtet sind. Der Richter kann einen Dritten, der in der Rechtsgemeinschaft steht, zum Streite beiladen. Der Beigeladene wird Partei.
b  wenn gleichartige, auf einem im Wesentlichen gleichartigen tatsächlichen und rechtlichen Grunde beruhende Ansprüche den Streitgegenstand bilden und die Zuständigkeit des Bundesgerichts für jeden einzelnen Anspruch begründet ist.
3    Der Richter kann jederzeit verbundene Klagen trennen, wenn er es für zweckmässig hält.
BZP zu tun, so wenig wie dort, wo ein Verunfallter im Prozess die Unfallfolgen einklagt und hierbei z.B. Ersatz für Heilungskosten, für eingetretenen Verdienstausfall und für Verminderung der künftigen Erwerbsfähigkeit sowie eine Genugtuungssumme verlangt. Eine Teilung des Verfahrens nach Art. 24 Abs. 3 des Gesetzes über den Bundeszivilprozess (das gemäss Art. 3 der Verordnung für die eidgenössischen Schätzungskommissionen vom 22. Mai 1931 auf das Verfahren dieser Kommissionen entsprechende Anwendung findet, soweit sich aus Gesetz und Verordnung nichts anderes ergibt und die Natur des Verfahrens nicht entgegensteht) kommt also keinesfalls in Frage. So wie der Zivilrichter die Beurteilung eines nicht ziffernmässig nachweisbaren Schadenspostens nicht einfach verweigern oder auf die Zukunft verschieben darf, sondern gemäss Art. 42
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 42 - 1 Wer Schadenersatz beansprucht, hat den Schaden zu beweisen.
1    Wer Schadenersatz beansprucht, hat den Schaden zu beweisen.
2    Der nicht ziffernmässig nachweisbare Schaden ist nach Ermessen des Richters mit Rücksicht auf den gewöhnlichen Lauf der Dinge und auf die vom Geschädigten getroffenen Massnahmen abzuschätzen.
3    Bei Tieren, die im häuslichen Bereich und nicht zu Vermögens- oder Erwerbszwecken gehalten werden, können die Heilungskosten auch dann angemessen als Schaden geltend gemacht werden, wenn sie den Wert des Tieres übersteigen.26
OR den Schaden nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge "abschätzen" muss, so muss der Richter auch im Enteignungsverfahren alle Posten der einheitlichen Enteignungsentschädigung auf einmal erledigen. Die Beurteilung der verschiedenen Bestandteile der Enteignungsentschädigung in getrennten Verfahren ist zudem deswegen abzulehnen, weil sie unvermeidlich auch zu praktischen Schwierigkeiten führt. Zu wissen, wieviel die Entschädigung insgesamt ausmacht, ist für die Parteien weit wichtiger als die Kenntnis der Einzelposten. Solange ihnen nicht bekannt ist, auf welchen Betrag die Schätzungskommission die Gesamtentschädigung bemisst, können sie also nicht richtig beurteilen, ob eine Weiterziehung an das Bundesgericht sich lohne. Ausserdem kann die Teilung des Verfahrens dazu führen, dass die Erledigung der ganzen Sache sich verzögert; denn wenn der auf einen einzelnen Posten bezügliche Teilentscheid weitergezogen wird, so ist es aus technischen Gründen (weil die Akten immer nur
BGE 83 I 72 S. 80

einer der beiden Instanzen zur Verfügung stehen können) oft nicht möglich, das bei der Schätzungskommission verbliebene und das beim Bundesgericht hängige Verfahren gleichzeitig zu fördern, sondern die eine oder andere Instanz muss unter Umständen den Fall ruhen lassen, obwohl er für sie spruchreif geworden ist. Schliesslich können sich aus der Teilung des Verfahrens auch Kompetenzkonflikte ergeben. Wird wie hier vorweg über den Verkehrswert entschieden und gegen diesen Entscheid der Rekurs ans Bundesgericht ergriffen, während die Schätzungskommission mit der Frage der Inkonvenienzen befasst bleibt, so weiss man nicht, ob fortan diese Behörde oder aber der bundesgerichtliche Instruktionsrichter über allfällige Gesuche um vorzeitige Besitzeinweisung im Sinne von Art 76
SR 711 Bundesgesetz vom 20. Juni 1930 über die Enteignung (EntG)
EntG Art. 76
1    Der Enteigner kann jederzeit verlangen, dass er zur Besitzergreifung oder zur Ausübung des Rechts schon vor der Bezahlung der Entschädigung ermächtigt werde, wenn er nachweist, dass dem Unternehmen sonst bedeutende Nachteile entstünden. Wird bei einem bestehenden Werk das zu enteignende Recht bereits faktisch in Anspruch genommen, ist die vorzeitige Besitzergreifung von Gesetzes wegen erlaubt.81
2    Über das Gesuch entscheidet der Präsident der Schätzungskommission frühestens beim Vorliegen eines vollstreckbaren Enteignungstitels, in jedem Fall nach Anhören des Enteigneten, nötigenfalls nach einem besonderen Augenschein.82 Er zieht die Mitglieder der Schätzungskommission bei, wenn er dies für notwendig erachtet oder wenn eine Partei es verlangt.
3    Im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht und dem Bundesgericht entscheidet der Instruktionsrichter über solche Gesuche.83
4    Dem Gesuch ist zu entsprechen, sofern die Prüfung der Entschädigungsforderung trotz Besitzergreifung noch möglich ist oder durch Mittel wie Fotografien, Skizzen u. dgl. gesichert werden kann. ...84
5    Der Enteigner ist auf Verlangen des Enteigneten zur vorherigen Sicherstellung einer angemessenen Summe oder zu Abschlagszahlungen oder zu beidem zu verhalten. Über das Gesuch befindet der Präsident der Schätzungskommission, gegebenenfalls unter Beizug der Mitglieder der Schätzungskommission. Die Abschlagszahlungen sind gemäss Artikel 94 zu verteilen. Auf alle Fälle ist die endgültige Entschädigung vom Tage der Besitzergreifung an zum Zinsfuss, den das Bundesverwaltungsgericht festlegt, zu verzinsen und ist ein allfällig weitergehender Schaden zu ersetzen.85
6    ...86
EntG zu befinden habe. (Zur Anwendung dieser Bestimmung im Verfahren vor Bundesgericht vgl. BGE 80 I 109 f.) Alle diese Schwierigkeiten und Unzukömmlichkeiten lassen sich nur dadurch verhindern, dass man eine derartige Teilung des Verfahrens ausschliesst.
Der angefochtene Teilentscheid ist daher aufzuheben und die Sache an die Vorinstanz zurückzuweisen zur Festsetzung der Gesamtentschädigung in einem einzigen Entscheide. Hätte die Vorinstanz das Verfahren nicht geteilt und zur Abschätzung der im Gefolge der Enteignung entstehenden Nachteile (Art. 19 lit. c
SR 711 Bundesgesetz vom 20. Juni 1930 über die Enteignung (EntG)
EntG Art. 19 - Bei der Festsetzung der Entschädigung sind alle Nachteile zu berücksichtigen, die dem Enteigneten aus der Entziehung oder Beschränkung seiner Rechte erwachsen. Demnach sind zu vergüten:
a  der volle Verkehrswert des enteigneten Rechtes;
bbis  wenn von einem Grundstück oder von mehreren wirtschaftlich zusammenhängenden Grundstücken nur ein Teil in Anspruch genommen wird, auch der Betrag, um den der Verkehrswert des verbleibenden Teils sich vermindert;
c  alle weitern dem Enteigneten verursachten Nachteile, die sich nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge als Folge der Enteignung voraussehen lassen.
EntG) die entsprechenden Sachverständigen beigezogen, so läge wohl heute, da die Schätzung aller Inkonvenienzen spätestens zu Beginn dieses Jahres (zwei oder drei Monate vor der Betriebsverlegung) möglich geworden war, bereits ein erstinstanzlicher Entscheid über alle Entschädigungsposten vor.
Dispositiv

Demnach erkennt das Bundesgericht:
Der Entscheid der Schätzungskommission VI vom 2. Oktober 1956 wird aufgehoben und die Sache im Sinne der Erwägungen zur Feststellung der Gesamtentschädigung an die Schätzungskommission VI zurückgewiesen.
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 83 I 72
Datum : 20. Februar 1957
Publiziert : 31. Dezember 1958
Quelle : Bundesgericht
Status : 83 I 72
Sachgebiet : BGE - Verfassungsrecht
Gegenstand : Enteignung. Alle Posten der Enteignungsentschädigung im Sinne von Art. 19 EntG sind gleichzeitig zu beurteilen. Die Schätzungskommission


Gesetzesregister
BV: 23
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 23 Vereinigungsfreiheit - 1 Die Vereinigungsfreiheit ist gewährleistet.
1    Die Vereinigungsfreiheit ist gewährleistet.
2    Jede Person hat das Recht, Vereinigungen zu bilden, Vereinigungen beizutreten oder anzugehören und sich an den Tätigkeiten von Vereinigungen zu beteiligen.
3    Niemand darf gezwungen werden, einer Vereinigung beizutreten oder anzugehören.
BZP: 24
SR 273 Bundesgesetz vom 4. Dezember 1947 über den Bundeszivilprozess
BZP Art. 24
1    Mehrere Ansprüche des Klägers gegen denselben Beklagten können in der gleichen Klage geltend gemacht werden, wenn das Bundesgericht für jeden einzelnen Anspruch zuständig ist. Dieses Erfordernis gilt nicht für Nebenansprüche.
2    Mehrere Personen können in der gleichen Klage als Kläger auftreten oder als Beklagte belangt werden:
a  wenn sie mit Rücksicht auf den Streitgegenstand in Rechtsgemeinschaft stehen oder aus dem gleichen tatsächlichen und rechtlichen Grunde berechtigt oder verpflichtet sind. Der Richter kann einen Dritten, der in der Rechtsgemeinschaft steht, zum Streite beiladen. Der Beigeladene wird Partei.
b  wenn gleichartige, auf einem im Wesentlichen gleichartigen tatsächlichen und rechtlichen Grunde beruhende Ansprüche den Streitgegenstand bilden und die Zuständigkeit des Bundesgerichts für jeden einzelnen Anspruch begründet ist.
3    Der Richter kann jederzeit verbundene Klagen trennen, wenn er es für zweckmässig hält.
EntG: 14 
SR 711 Bundesgesetz vom 20. Juni 1930 über die Enteignung (EntG)
EntG Art. 14
1    Innert 20 Tagen, nachdem der Entscheid über die Entschädigung in Rechtskraft erwachsen ist, kann der Enteigner, sofern er nicht schon vorläufige Besitzeinweisung verlangt hatte, durch schriftliche Erklärung gegenüber dem Enteigneten auf den Vollzug der Enteignung verzichten. Auf Begehren des Enteigners kann die Schätzungskommission die Frist unter Anzeige an den Enteigneten erstrecken.
2    Der Enteigner hat dem Enteigneten den aus dem Verzicht entstandenen Schaden zu ersetzen. Die Entschädigungsklage ist bei der Schätzungskommission anzubringen und verjährt innert sechs Monaten nach der Verzichterklärung.
3    Die im Grundbuch eingetragene Verfügungsbeschränkung kann der Enteignete gegen Vorweisung der Verzichterklärung löschen lassen.
16 
SR 711 Bundesgesetz vom 20. Juni 1930 über die Enteignung (EntG)
EntG Art. 16 - Die Enteignung kann nur gegen volle Entschädigung erfolgen.
19 
SR 711 Bundesgesetz vom 20. Juni 1930 über die Enteignung (EntG)
EntG Art. 19 - Bei der Festsetzung der Entschädigung sind alle Nachteile zu berücksichtigen, die dem Enteigneten aus der Entziehung oder Beschränkung seiner Rechte erwachsen. Demnach sind zu vergüten:
a  der volle Verkehrswert des enteigneten Rechtes;
bbis  wenn von einem Grundstück oder von mehreren wirtschaftlich zusammenhängenden Grundstücken nur ein Teil in Anspruch genommen wird, auch der Betrag, um den der Verkehrswert des verbleibenden Teils sich vermindert;
c  alle weitern dem Enteigneten verursachten Nachteile, die sich nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge als Folge der Enteignung voraussehen lassen.
64 
SR 711 Bundesgesetz vom 20. Juni 1930 über die Enteignung (EntG)
EntG Art. 64
1    Die Schätzungskommission entscheidet namentlich:67
a  über die Höhe der Entschädigung (Art. 16 und 17);
b  über die Begehren um Trennung von Bestandteilen und Zugehör (Art. 11) und um Ausdehnung der Enteignung (Art. 12 und 13);
bbis  über Entschädigungsforderungen für den Schaden aus vorbereitenden Handlungen (Art. 15 Abs. 3);
c  über Entschädigungsbegehren, die sich aus der Pflicht zur Wahrung öffentlicher und nachbarrechtlicher Interessen ergeben (Art. 7);
d  über neue Eigentumsverhältnisse und die daraus sich ergebende Mehrbelastung für Unterhalt (Art. 26);
e  über die Entschädigungsbegehren wegen Verzichtes auf die Enteignung (Art. 14);
f  über die Entschädigungsbegehren aus dem Enteignungsbann (Art. 44);
g  über Begehren um vorzeitige Besitzeinweisung und die damit verbundenen Leistungen, soweit zum Entscheid nicht gemäss Artikel 76 Absatz 2 der Präsident zuständig ist;
h  über die Folgen des Verzuges in der Leistung der Enteignungsentschädigung (Art. 88);
i  über das Rückforderungsrecht des Enteigneten und die damit zusammenhängenden Begehren (Art. 108);
k  ...
2    Die Schätzungskommission entscheidet selbst über ihre Zuständigkeit.72
73 
SR 711 Bundesgesetz vom 20. Juni 1930 über die Enteignung (EntG)
EntG Art. 73
1    Die Verhandlungen und der Entscheid der Schätzungskommission werden in einem Protokoll zusammengefasst, das enthalten muss:
a  die Namen der erschienenen Beteiligten;
b  die genaue Bezeichnung des Gegenstandes der Enteignung;
c  die Anträge und Anerkennungen der Parteien;
d  ein Verzeichnis der von den Parteien vorgelegten Akten;
e  eine gedrängte Wiedergabe der Parteianbringen;
f  das Ergebnis eines allfälligen Beweisverfahrens;
g  den Entscheid mit Begründung, wobei die in Artikel 19 aufgezählten verschiedenen Bestandteile der Entschädigung ziffermässig genau auseinander zu halten sind;
h  die Unterschrift des Präsidenten der Schätzungskommission.
2    Führt eine Verhandlung nicht zum Entscheid oder werden Zeugen abgehört oder erscheint es sonst notwendig, so wird ein gesondertes Verhandlungsprotokoll geführt.
74 
SR 711 Bundesgesetz vom 20. Juni 1930 über die Enteignung (EntG)
EntG Art. 74
1    Vom Entscheide der Schätzungskommission ist jeder Partei und denjenigen Nebenbeteiligten, die im Verfahren Anträge gestellt haben (Art. 67 Abs. 3), durch eine Abschrift Kenntnis zu geben.
2    Die Entscheide über zusammenhängende Fälle sind soweit als möglich gleichzeitig zuzustellen.
76 
SR 711 Bundesgesetz vom 20. Juni 1930 über die Enteignung (EntG)
EntG Art. 76
1    Der Enteigner kann jederzeit verlangen, dass er zur Besitzergreifung oder zur Ausübung des Rechts schon vor der Bezahlung der Entschädigung ermächtigt werde, wenn er nachweist, dass dem Unternehmen sonst bedeutende Nachteile entstünden. Wird bei einem bestehenden Werk das zu enteignende Recht bereits faktisch in Anspruch genommen, ist die vorzeitige Besitzergreifung von Gesetzes wegen erlaubt.81
2    Über das Gesuch entscheidet der Präsident der Schätzungskommission frühestens beim Vorliegen eines vollstreckbaren Enteignungstitels, in jedem Fall nach Anhören des Enteigneten, nötigenfalls nach einem besonderen Augenschein.82 Er zieht die Mitglieder der Schätzungskommission bei, wenn er dies für notwendig erachtet oder wenn eine Partei es verlangt.
3    Im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht und dem Bundesgericht entscheidet der Instruktionsrichter über solche Gesuche.83
4    Dem Gesuch ist zu entsprechen, sofern die Prüfung der Entschädigungsforderung trotz Besitzergreifung noch möglich ist oder durch Mittel wie Fotografien, Skizzen u. dgl. gesichert werden kann. ...84
5    Der Enteigner ist auf Verlangen des Enteigneten zur vorherigen Sicherstellung einer angemessenen Summe oder zu Abschlagszahlungen oder zu beidem zu verhalten. Über das Gesuch befindet der Präsident der Schätzungskommission, gegebenenfalls unter Beizug der Mitglieder der Schätzungskommission. Die Abschlagszahlungen sind gemäss Artikel 94 zu verteilen. Auf alle Fälle ist die endgültige Entschädigung vom Tage der Besitzergreifung an zum Zinsfuss, den das Bundesverwaltungsgericht festlegt, zu verzinsen und ist ein allfällig weitergehender Schaden zu ersetzen.85
6    ...86
86 
SR 711 Bundesgesetz vom 20. Juni 1930 über die Enteignung (EntG)
EntG Art. 86
1    Nach Durchführung des Schriftenwechsels kann der Instruktionsrichter den Enteigner auf Verlangen der Gegenpartei zur sofortigen Bezahlung der nach den Parteianträgen nicht mehr streitigen Entschädigung verhalten, sofern nicht der Enteigner sich ausdrücklich vorbehält, auf die Enteignung noch nach Durchführung des Verfahrens zu verzichten.
2    Leistet der Enteigner für den noch streitigen Betrag ausreichende Sicherheit, so kann auf sein Begehren der Instruktionsrichter verfügen, dass schon mit der Bezahlung der Teilentschädigung die Wirkung der Enteignung eintritt.
88 
SR 711 Bundesgesetz vom 20. Juni 1930 über die Enteignung (EntG)
EntG Art. 88
1    Die Entschädigung für die Enteignung ist innert 30 Tagen nach ihrer rechtskräftigen Feststellung zu entrichten und, soweit sie in Geld besteht, nach Ablauf dieser Frist zum Zinsfuss, den das Bundesverwaltungsgericht festlegt, zu verzinsen. Ist eine endgültige Vermessung der vom Enteigner beanspruchten Grundfläche in diesem Zeitpunkt noch nicht möglich, so sind vorläufig 90 Prozent der Entschädigung auszubezahlen, berechnet nach den Massen im aufgelegten Plan; vorbehalten bleibt eine spätere Nach- oder Rückforderung.97
2    Bei Säumnis mit andern als Geldleistungen setzt der Präsident der Schätzungskommission dem Enteigner auf Begehren des Berechtigten eine angemessene Frist zur Erfüllung an, mit der Androhung, dass sonst die Arbeiten vom Berechtigten selbst auf Rechnung des Pflichtigen erstellt werden können. In diesem Falle kann der Berechtigte vom Enteigner einen angemessenen Vorschuss verlangen, der im Streitfall durch den Präsidenten der Schätzungskommission festgesetzt wird.
3    Die Schätzungskommission setzt im Streitfall die Vergütung fest für Arbeiten, die der Berechtigte selbst ausgeführt hat, und für den Schaden aus dem Verzug.
89 
SR 711 Bundesgesetz vom 20. Juni 1930 über die Enteignung (EntG)
EntG Art. 89
1    Die Entschädigungen für die Enteignung eines Grundstücks, eines beschränkten dinglichen Rechts sowie für den Minderwert des verbleibenden Teils des Grundstücks sind zuhanden des Berechtigten bei dem Grundbuchamt zu bezahlen, in dessen Kreis das Grundstück liegt. Gleichzeitig sind die Urkunden vorzulegen, die diese Entschädigungen rechtskräftig feststellen.
2    Der Ersatz für die weitern dem Enteigneten verursachten Nachteile sowie die Entschädigung an Mieter und Pächter ist unmittelbar an die Berechtigten zu leisten.
91
SR 711 Bundesgesetz vom 20. Juni 1930 über die Enteignung (EntG)
EntG Art. 91
1    Mit der Bezahlung der Entschädigung erwirbt der Enteigner das Eigentum an dem enteigneten Grundstück oder das auf dem Enteignungsweg eingeräumte Recht an einem Grundstück. Mangels anderer Vereinbarungen der Parteien oder Verzichts auf die Löschung durch den Enteigner erlöschen die auf dem enteigneten Eigentum lastenden beschränkten dinglichen und im Grundbuch vorgemerkten persönlichen sowie anderen obligatorischen Rechte, auch wenn sie trotz der ergangenen Aufforderung nicht angemeldet und von der Schätzungskommission nicht geschätzt worden sind.98
2    Die gleiche Wirkung hat die Bezahlung einer Entschädigung, die nach Einleitung des Enteignungsverfahrens durch Parteivereinbarung festgesetzt wurde.
OR: 42
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 42 - 1 Wer Schadenersatz beansprucht, hat den Schaden zu beweisen.
1    Wer Schadenersatz beansprucht, hat den Schaden zu beweisen.
2    Der nicht ziffernmässig nachweisbare Schaden ist nach Ermessen des Richters mit Rücksicht auf den gewöhnlichen Lauf der Dinge und auf die vom Geschädigten getroffenen Massnahmen abzuschätzen.
3    Bei Tieren, die im häuslichen Bereich und nicht zu Vermögens- oder Erwerbszwecken gehalten werden, können die Heilungskosten auch dann angemessen als Schaden geltend gemacht werden, wenn sie den Wert des Tieres übersteigen.26
BGE Register
80-I-109 • 83-I-72
Stichwortregister
Sortiert nach Häufigkeit oder Alphabet
enteigneter • sbb • bundesgericht • eigentum • vorinstanz • weiler • teilentscheid • fabrik • schaden • berechnung • vorteil • wert • beginn • ersetzung • vorzeitige besitzeinweisung • richtigkeit • augenschein • frage • tag • bestandteil
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