Urteilskopf

80 I 109

19. Auszug aus der Verfügung des Instruktionsrichters vom 24. März 1954 i.S. Stadt Zürich gegen Erbengemeinschaft Duri Dora und Konsorten.
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Erwägungen ab Seite 110

BGE 80 I 109 S. 110

Das Institut der vorzeitigen Besitzeinweisung ist im Abschnitt VII unter dem Titel: Schätzung geordnet. Der Gesetzgeber ist davon ausgegangen, dass, falls es einer vorzeitigen Besitzeinweisung bedürfe, sie zur Ermöglichung der sofortigen Inangriffnahme der Arbeiten für das Werk regelmässig schon sofort nach Bewilligung der Enteignung verlangt werde, also in einem Zeitpunkt, wo möglicherweise auch ein Augenschein und eine kontradiktorische Verhandlung der Parteien noch nicht stattgefunden hat. Das wird freilich der Regelfall bleiben. Das vorliegende Enteignungsverfahren weicht hievon insoweit nicht ab, als die Besitzeinweisung mit Bezug auf die bebauten und unbebauten Grundstücke sofort verlangt worden ist. Das Begehren konnte aber mit Bezug auf die erstern abgelehnt werden, weil die Enteignerin ihrer vor der Erstellung der Staumauer und der Ausführung anderer Vorbereitungsarbeiten noch nicht unbedingt bedurfte. Diese Ordnung schliesst jedoch nicht aus, dass die Besitzeinweisung, wenn erst während des Weiterzugsverfahrens die Voraussetzungen dafür eintreten, auch noch jetzt jederzeit verlangt werden kann und, falls die Voraussetzungen von Art. 76
SR 711 Bundesgesetz vom 20. Juni 1930 über die Enteignung (EntG)
EntG Art. 76
1    Der Enteigner kann jederzeit verlangen, dass er zur Besitzergreifung oder zur Ausübung des Rechts schon vor der Bezahlung der Entschädigung ermächtigt werde, wenn er nachweist, dass dem Unternehmen sonst bedeutende Nachteile entstünden. Wird bei einem bestehenden Werk das zu enteignende Recht bereits faktisch in Anspruch genommen, ist die vorzeitige Besitzergreifung von Gesetzes wegen erlaubt.81
2    Über das Gesuch entscheidet der Präsident der Schätzungskommission frühestens beim Vorliegen eines vollstreckbaren Enteignungstitels, in jedem Fall nach Anhören des Enteigneten, nötigenfalls nach einem besonderen Augenschein.82 Er zieht die Mitglieder der Schätzungskommission bei, wenn er dies für notwendig erachtet oder wenn eine Partei es verlangt.
3    Im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht und dem Bundesgericht entscheidet der Instruktionsrichter über solche Gesuche.83
4    Dem Gesuch ist zu entsprechen, sofern die Prüfung der Entschädigungsforderung trotz Besitzergreifung noch möglich ist oder durch Mittel wie Fotografien, Skizzen u. dgl. gesichert werden kann. ...84
5    Der Enteigner ist auf Verlangen des Enteigneten zur vorherigen Sicherstellung einer angemessenen Summe oder zu Abschlagszahlungen oder zu beidem zu verhalten. Über das Gesuch befindet der Präsident der Schätzungskommission, gegebenenfalls unter Beizug der Mitglieder der Schätzungskommission. Die Abschlagszahlungen sind gemäss Artikel 94 zu verteilen. Auf alle Fälle ist die endgültige Entschädigung vom Tage der Besitzergreifung an zum Zinsfuss, den das Bundesverwaltungsgericht festlegt, zu verzinsen und ist ein allfällig weitergehender Schaden zu ersetzen.85
6    ...86
EntG dafür vorliegen, auch bewilligt werden muss. Abs. 3 von Art. 76, wonach die Schätzungskommission über die Begehren im Sinne dieser Vorschrift endgültig entscheidet, besagt danach bloss, dass der von der Kommission ausgehende Entscheid nicht weiterziehbar ist, nicht auch, dass im Weiterzugsverfahren derartige Begehren ausgeschlossen seien. Es wäre nicht einzusehen, aus welchen Gründen zwar der Enteigner während des Verfahrens vor der Schätzungskommission die Besitzeinweisung sollte verlangen
BGE 80 I 109 S. 111

können, wenn sonst für das Unternehmen bedeutende Nachteile entstehen müssten, warum ihm aber dieser Rechtsbehelf nicht mehr sollte zur Verfügung stehen, wenn die Kommission über die geschuldete Entschädigung erstinstanzlich bereits entschieden hat und ihr Entscheid beim Bundesgericht angefochten ist. Dass dem so ist, der Enteigner also nicht darauf verwiesen werden kann, bis nach Erlass des Urteils des Bundesgerichtes zuzuwarten, geht insbesondere auch daraus hervor, dass während des Weiterzugsverfahrens sogar die vorläufige Vollstreckung angeordnet werden kann (Art. 86
SR 711 Bundesgesetz vom 20. Juni 1930 über die Enteignung (EntG)
EntG Art. 86
1    Nach Durchführung des Schriftenwechsels kann der Instruktionsrichter den Enteigner auf Verlangen der Gegenpartei zur sofortigen Bezahlung der nach den Parteianträgen nicht mehr streitigen Entschädigung verhalten, sofern nicht der Enteigner sich ausdrücklich vorbehält, auf die Enteignung noch nach Durchführung des Verfahrens zu verzichten.
2    Leistet der Enteigner für den noch streitigen Betrag ausreichende Sicherheit, so kann auf sein Begehren der Instruktionsrichter verfügen, dass schon mit der Bezahlung der Teilentschädigung die Wirkung der Enteignung eintritt.
EntG). Danach kann, wenn der Enteigner im bundesgerichtlichen Verfahren den nach den Parteianträgen nicht mehr streitigen Betrag bezahlt und - sofern nicht der Fall von Art. 117
SR 711 Bundesgesetz vom 20. Juni 1930 über die Enteignung (EntG)
EntG Art. 117 - Der Bund, die Kantone und die Gemeinden sind, wenn sie das Enteignungsrecht ausüben, von der Verpflichtung zur Sicherstellung befreit.
EntG vorliegt - für den noch streitigen Betrag ausreichende Sicherheit leistet, der Instruktionsrichter auf Begehren des Enteigners verfügen, dass schon mit der Bezahlung der Teilentschädigung die Wirkung der Enteignung eintritt, d.h. der Enteigner bereits das Eigentum erwirbt (Art. 91
SR 711 Bundesgesetz vom 20. Juni 1930 über die Enteignung (EntG)
EntG Art. 91
1    Mit der Bezahlung der Entschädigung erwirbt der Enteigner das Eigentum an dem enteigneten Grundstück oder das auf dem Enteignungsweg eingeräumte Recht an einem Grundstück. Mangels anderer Vereinbarungen der Parteien oder Verzichts auf die Löschung durch den Enteigner erlöschen die auf dem enteigneten Eigentum lastenden beschränkten dinglichen und im Grundbuch vorgemerkten persönlichen sowie anderen obligatorischen Rechte, auch wenn sie trotz der ergangenen Aufforderung nicht angemeldet und von der Schätzungskommission nicht geschätzt worden sind.98
2    Die gleiche Wirkung hat die Bezahlung einer Entschädigung, die nach Einleitung des Enteignungsverfahrens durch Parteivereinbarung festgesetzt wurde.
EntG). Kann aber danach während des Verfahrens vor dem Bundesgericht bereits eine Anordnung getroffen werden, welche den Eigentumsübergang zur Folge hat, so muss auch die weniger weit gehende Massnahme der Besitzeinweisung zulässig sein. Der Auffassung, als ob die Besitzeinweisung gerade deshalb als unzulässig erscheine, weil vorläufige Vollstreckung verlangt werden könne, könnte nicht beigepflichtet werden. Art. 86
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EntG Art. 86
1    Nach Durchführung des Schriftenwechsels kann der Instruktionsrichter den Enteigner auf Verlangen der Gegenpartei zur sofortigen Bezahlung der nach den Parteianträgen nicht mehr streitigen Entschädigung verhalten, sofern nicht der Enteigner sich ausdrücklich vorbehält, auf die Enteignung noch nach Durchführung des Verfahrens zu verzichten.
2    Leistet der Enteigner für den noch streitigen Betrag ausreichende Sicherheit, so kann auf sein Begehren der Instruktionsrichter verfügen, dass schon mit der Bezahlung der Teilentschädigung die Wirkung der Enteignung eintritt.
EntG erklärt den Instruktionsrichter bloss als befugt, nicht als verpflichtet, die vorläufige Vollstreckung zu bewilligen, während die Besitzeinweisung zu bewilligen ist, nicht verweigert werden kann, wenn die Voraussetzungen dafür erfüllt sind. Die vorläufige Vollstreckung aber wird dann abgelehnt werden, wenn der Enteigner offenbar zu geringe Entschädigungen anerkennt. Da er zur Anerkennung von mehr nicht gezwungen werden könnte, muss ihm das Recht zugestanden werden, die Besitzeinweisung zu verlangen, wenn die vorläufige Vollstreckung nicht bewilligt würde. Auf Besitzeinweisung
BGE 80 I 109 S. 112

hat er in jedem Falle Anspruch, und sie kann von der Behörde an die Zahlung einer von ihr zu bestimmenden Teilleistung geknüpft werden. Da hier Begehren im Sinne von Art. 86
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EntG Art. 86
1    Nach Durchführung des Schriftenwechsels kann der Instruktionsrichter den Enteigner auf Verlangen der Gegenpartei zur sofortigen Bezahlung der nach den Parteianträgen nicht mehr streitigen Entschädigung verhalten, sofern nicht der Enteigner sich ausdrücklich vorbehält, auf die Enteignung noch nach Durchführung des Verfahrens zu verzichten.
2    Leistet der Enteigner für den noch streitigen Betrag ausreichende Sicherheit, so kann auf sein Begehren der Instruktionsrichter verfügen, dass schon mit der Bezahlung der Teilentschädigung die Wirkung der Enteignung eintritt.
EntG von keiner Seite gestellt worden sind, die Enteignerin sich vielmehr auf das Begehren um Einweisung in den Besitz beschränkt hat und die Enteigneten bzw. einzelne von ihnen nur Abschlagszahlungen verlangen, ist daher bloss noch darüber zu entscheiden, ob die Voraussetzungen für eine Besitzeinweisung gegeben sind. Zuständig zum Erlass der bezüglichen Verfügung während des Verfahrens vor dem Bundesgericht ist, nachdem er selber und in eigener Kompetenz die noch weitergehende vorläufige Vollstreckung anordnen kann, der Instruktionsrichter.
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 80 I 109
Datum : 24. März 1954
Publiziert : 31. Dezember 1954
Quelle : Bundesgericht
Status : 80 I 109
Sachgebiet : BGE - Verfassungsrecht
Gegenstand : Art. 76, 86 EntG. Zulässigkeit der vorzeitigen Besitzeinweisung noch im Weiterzugsverfahren vor dem Bundesgericht; Zuständigkeit


Gesetzesregister
EntG: 76 
SR 711 Bundesgesetz vom 20. Juni 1930 über die Enteignung (EntG)
EntG Art. 76
1    Der Enteigner kann jederzeit verlangen, dass er zur Besitzergreifung oder zur Ausübung des Rechts schon vor der Bezahlung der Entschädigung ermächtigt werde, wenn er nachweist, dass dem Unternehmen sonst bedeutende Nachteile entstünden. Wird bei einem bestehenden Werk das zu enteignende Recht bereits faktisch in Anspruch genommen, ist die vorzeitige Besitzergreifung von Gesetzes wegen erlaubt.81
2    Über das Gesuch entscheidet der Präsident der Schätzungskommission frühestens beim Vorliegen eines vollstreckbaren Enteignungstitels, in jedem Fall nach Anhören des Enteigneten, nötigenfalls nach einem besonderen Augenschein.82 Er zieht die Mitglieder der Schätzungskommission bei, wenn er dies für notwendig erachtet oder wenn eine Partei es verlangt.
3    Im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht und dem Bundesgericht entscheidet der Instruktionsrichter über solche Gesuche.83
4    Dem Gesuch ist zu entsprechen, sofern die Prüfung der Entschädigungsforderung trotz Besitzergreifung noch möglich ist oder durch Mittel wie Fotografien, Skizzen u. dgl. gesichert werden kann. ...84
5    Der Enteigner ist auf Verlangen des Enteigneten zur vorherigen Sicherstellung einer angemessenen Summe oder zu Abschlagszahlungen oder zu beidem zu verhalten. Über das Gesuch befindet der Präsident der Schätzungskommission, gegebenenfalls unter Beizug der Mitglieder der Schätzungskommission. Die Abschlagszahlungen sind gemäss Artikel 94 zu verteilen. Auf alle Fälle ist die endgültige Entschädigung vom Tage der Besitzergreifung an zum Zinsfuss, den das Bundesverwaltungsgericht festlegt, zu verzinsen und ist ein allfällig weitergehender Schaden zu ersetzen.85
6    ...86
86 
SR 711 Bundesgesetz vom 20. Juni 1930 über die Enteignung (EntG)
EntG Art. 86
1    Nach Durchführung des Schriftenwechsels kann der Instruktionsrichter den Enteigner auf Verlangen der Gegenpartei zur sofortigen Bezahlung der nach den Parteianträgen nicht mehr streitigen Entschädigung verhalten, sofern nicht der Enteigner sich ausdrücklich vorbehält, auf die Enteignung noch nach Durchführung des Verfahrens zu verzichten.
2    Leistet der Enteigner für den noch streitigen Betrag ausreichende Sicherheit, so kann auf sein Begehren der Instruktionsrichter verfügen, dass schon mit der Bezahlung der Teilentschädigung die Wirkung der Enteignung eintritt.
91 
SR 711 Bundesgesetz vom 20. Juni 1930 über die Enteignung (EntG)
EntG Art. 91
1    Mit der Bezahlung der Entschädigung erwirbt der Enteigner das Eigentum an dem enteigneten Grundstück oder das auf dem Enteignungsweg eingeräumte Recht an einem Grundstück. Mangels anderer Vereinbarungen der Parteien oder Verzichts auf die Löschung durch den Enteigner erlöschen die auf dem enteigneten Eigentum lastenden beschränkten dinglichen und im Grundbuch vorgemerkten persönlichen sowie anderen obligatorischen Rechte, auch wenn sie trotz der ergangenen Aufforderung nicht angemeldet und von der Schätzungskommission nicht geschätzt worden sind.98
2    Die gleiche Wirkung hat die Bezahlung einer Entschädigung, die nach Einleitung des Enteignungsverfahrens durch Parteivereinbarung festgesetzt wurde.
117
SR 711 Bundesgesetz vom 20. Juni 1930 über die Enteignung (EntG)
EntG Art. 117 - Der Bund, die Kantone und die Gemeinden sind, wenn sie das Enteignungsrecht ausüben, von der Verpflichtung zur Sicherstellung befreit.
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