82 II 152
22. Urteil der I. Zivilabteilung vom 13. März 1956 i.S. Schweizer Ski-Schule Zermatt gegen Zermatter Ski-Schule.
Regeste (de):
- Firmenrecht.
- Erfordernis der deutlichen Unterscheidbarkeit zweier Firmen (Art. 951
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 951 - Die Firma einer Handelsgesellschaft oder einer Genossenschaft muss sich von allen in der Schweiz bereits eingetragenen Firmen von Handelsgesellschaften und Genossenschaften deutlich unterscheiden.
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 956 - 1 Die im Handelsregister eingetragene und im Schweizerischen Handelsamtsblatt veröffentlichte Firma eines einzelnen Geschäftsinhabers oder einer Handelsgesellschaft oder Genossenschaft steht dem Berechtigten zu ausschliesslichem Gebrauche zu.
1 Die im Handelsregister eingetragene und im Schweizerischen Handelsamtsblatt veröffentlichte Firma eines einzelnen Geschäftsinhabers oder einer Handelsgesellschaft oder Genossenschaft steht dem Berechtigten zu ausschliesslichem Gebrauche zu. 2 Wer durch den unbefugten Gebrauch einer Firma beeinträchtigt wird, kann auf Unterlassung der weitern Führung der Firma und bei Verschulden auf Schadenersatz klagen.
Regeste (fr):
- Raisons de commerce.
- Condition relative à la nette distinction entre deux raisons de commerce (art. 951 et 956 CO), principes généraux (consid. 1 et 2). Portée du fait que l'élément principal commun aux deux raisons de commerce est une désignation générique libre et que l'adjonction qui les distingue est fréquemment omise dans les affaires (consid. 3 à 5).
Regesto (it):
- Ditte commerciali.
- Presupposto della chiara distinzione che dev'essere fatta tra due ditte commerciali (art. 951 e 956 CO), principi generali (consid. 1 e 2). Importanza del fatto che l'elemento principale comune alle due ditte commerciali è una designazione generica libera e che l'aggiunta distintiva è spesso omessa negli affari correnti (consid. 3 a 5).
Sachverhalt ab Seite 152
BGE 82 II 152 S. 152
A. - Unter der Firma "Schweizer Ski-Schule Zermatt" besteht in Zermatt eine Genossenschaft, die seit dem 28. August 1951 im Handelsregister eingetragen ist. Als Genossenschaftszweck bezeichnen die Statuten die rationelle Organisation des gesamten Skilehrwesens im Tätigkeitsgebiet der Genossenschaft und den Betrieb einer Skischule entsprechend den Weisungen des Schweizerischen Skischulverbandes (SSSV). Die Schweizer Ski-Schule Zermatt ist Mitglied des SSSV. Bei diesem handelt es sich um einen Verein, der in erster
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Linie die Wahrung und Förderung der Einheitstechnik der sog. "Schweizer Ski-Schule" bezweckt. Skischulen, die sich zu dieser Technik bekennen, können Mitglieder des SSSV werden. Jedoch kann diesem gemäss Art. 4 der Statuten am gleichen Ort jeweils nur eine Skischule als Mitglied angehören. Im Jahre 1953 wurde ebenfalls in Zermatt unter der Firma "Zermatter Ski-Schule" eine weitere Genossenschaft gegründet und am 23. Juli 1953 im Handelsregister eingetragen. Auch diese Genossenschaft bezweckt die rationelle Organisierung des Skischulwesens und den Betrieb einer Skischule. Dass diese entsprechend den Weisungen des SSSV geführt werde, ist in der Umschreibung des Genossenschaftszwecks nicht gesagt. Die "Zermatter Skischule" ist denn auch nicht Mitglied des SSSV. B. - Da die "Schweizer Ski-Schule Zermatt" der Auffassung ist, dass die von der später gegründeten Genossenschaft gewählte Bezeichnung zu Verwechslungen mit ihrer Firma Anlass gebe, erhob sie, nach ergebnislosen Versuchen zu gütlicher Verständigung, Klage mit dem Begehren, es sei der Beklagten die weitere Führung der Firma "Zermatter Ski-Schule" zu untersagen. In rechtlicher Hinsicht stützte die Klägerin dieses Begehren auf die Vorschriften des Firmen-, Wettbewerbs- und Namensrechts. Die Beklagte beantragte Abweisung der Klage, da die beiden Firmabezeichnungen sich genügend von einander unterscheiden. C. - Das Kantonsgericht Wallis wies mit Urteil vom 30. Juni 1955 die Klage ab. D. - Mit der vorliegenden Berufung hält die Klägerin an ihrem Untersagungsbegehren fest. Die Beklagte beantragt Abweisung der Berufung und Bestätigung des angefochtenen Entscheides.
Erwägungen
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1. Nach Art. 956
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag OR Art. 956 - 1 Die im Handelsregister eingetragene und im Schweizerischen Handelsamtsblatt veröffentlichte Firma eines einzelnen Geschäftsinhabers oder einer Handelsgesellschaft oder Genossenschaft steht dem Berechtigten zu ausschliesslichem Gebrauche zu. |
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1 | Die im Handelsregister eingetragene und im Schweizerischen Handelsamtsblatt veröffentlichte Firma eines einzelnen Geschäftsinhabers oder einer Handelsgesellschaft oder Genossenschaft steht dem Berechtigten zu ausschliesslichem Gebrauche zu. |
2 | Wer durch den unbefugten Gebrauch einer Firma beeinträchtigt wird, kann auf Unterlassung der weitern Führung der Firma und bei Verschulden auf Schadenersatz klagen. |
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Ski-Schule Zermatt" zum ausschliesslichen Gebrauch zu. Die später eingetragene Firma der Beklagten "Zermatter Ski-Schule" ist gemäss Art. 951 Abs. 2
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag OR Art. 951 - Die Firma einer Handelsgesellschaft oder einer Genossenschaft muss sich von allen in der Schweiz bereits eingetragenen Firmen von Handelsgesellschaften und Genossenschaften deutlich unterscheiden. |
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nämlich der erste Firmeninhaber in der Regel entgegenhalten lassen, dass er die Folgen zu tragen habe, wenn er als hervorstechenden Teil seiner Firma eine Sachbezeichnung wählt, der nur geringe Unterscheidungskraft zukommt (BGE 72 II 185,BGE 73 II 112,BGE 74 II 237,BGE 77 II 324).
2. Die Anwendung dieser Grundsätze auf den vorliegenden Fall ergibt, dass an die Firma der Beklagten ein strenger Massstab angelegt werden muss, da es sich bei ihr um eine Genossenschaft, also um eine juristische Person handelt und da beide Parteien am nämlichen Orte Skischulen betreiben, sich an den gleichen Personenkreis wenden, nämlich an die in Zermatt sich aufhaltenden Gäste, die das Skifahren erlernen oder sich darin weiterbilden wollen. Was sodann bei beiden Firmabezeichnungen hervorsticht, ist der beiden gemeinsame Bestandteil "Ski-Schule", sowie die Ortsbezeichnung "Zermatt" bei der Klägerin und "Zermatter" bei der Beklagten. Diese beiden Bestandteile bestimmen den Gesamteindruck, der im Gedächtnis haften bleibt. Der Zusatz "Schweizer", durch den sich die klägerische Firmabezeichnung allein von derjenigen der Beklagten unterscheidet, tritt dem gegenüber in den Hintergrund und vermag entgegen der Meinung der Vorinstanz keine genügende Unterscheidbarkeit zu bewirken. Ebenso ist unerheblich, dass die Firma der Klägerin die Ortsbezeichnung "Zermatt" als Substantiv enthält, während bei der Firma der Beklagten die Ortsbzeichnung in die Form des Adjektivs "Zermatter" gekleidet ist. Denn beide Bezeichnungen weisen darauf hin, dass es sich um eine auf dem Wintersportplatz Zermatt tätige Skischule handle. "Zermatter Ski-Schule" und "Ski-Schule Zermatt" ist für den Gast, der eine Skischule besuchen will, ein- und dasselbe. Zwischen den beiden Firmabezeichnungen besteht somit unzweifelhaft Verwechslungsgefahr.
3. Nun ist allerdings der beiden Firmen gemeinsame Bestandteil "Ski-Schule" eine im Gemeingebrauch befindliche Sachbezeichnung, deren Verwendung jedermann frei
BGE 82 II 152 S. 156
stehen muss, wie auch die Klägerin selber anerkennt. Art. 944
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag OR Art. 944 - 1 Jede Firma darf, neben dem vom Gesetze vorgeschriebenen wesentlichen Inhalt, Angaben enthalten, die zur näheren Umschreibung der darin erwähnten Personen dienen oder auf die Natur des Unternehmens hinweisen oder eine Phantasiebezeichnung darstellen, vorausgesetzt, dass der Inhalt der Firma der Wahrheit entspricht, keine Täuschungen verursachen kann und keinem öffentlichen Interesse zuwiderläuft. |
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1 | Jede Firma darf, neben dem vom Gesetze vorgeschriebenen wesentlichen Inhalt, Angaben enthalten, die zur näheren Umschreibung der darin erwähnten Personen dienen oder auf die Natur des Unternehmens hinweisen oder eine Phantasiebezeichnung darstellen, vorausgesetzt, dass der Inhalt der Firma der Wahrheit entspricht, keine Täuschungen verursachen kann und keinem öffentlichen Interesse zuwiderläuft. |
2 | Der Bundesrat kann Vorschriften darüber erlassen, in welchem Umfange nationale und territoriale Bezeichnungen bei der Bildung von Firmen verwendet werden dürfen. |
Die Briefköpfe der dem SSSV angeschlossenen Skischulen tragen allerdings einheitlich die Bezeichnung "Schweizer
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Skischule" bzw. "Ecole suisse de ski" neben dem Signet des SSSV, das in einem Schweizerkreuz auf rotem, kreisrundem Grund mit der Umschrift "Schweizer Skischule" besteht. Ebenso sind die offiziellen Programme, Abonnementskarten, Billete, Plakate usw. in der Regel mit der Bezeichnung "Schweizer Skischule" nebst Signet und Angabe des Ortes versehen. Aber alldem kann keine entscheidende Bedeutung zukommen, weil eben in der Umgangssprache der Zusatz "Schweizer" nicht gebraucht wird. Ein Zusatz, der an sich vielleicht geeignet wäre, Verwechslungen vorzubeugen, der aber, obwohl er Bestandteil der Firma ist, im Verkehr häufig weggelassen wird, ist bei der Entscheidung über die Unterscheidbarkeit unbeachtlich (BGE 72 II 185). Aus diesem Grund geht die Vorinstanz fehl, wenn sie meint, zwischen den streitigen Bezeichnungen sei eine Verwechslung nicht zu befürchten, weil bei der klägerischen Firma das Hauptgewicht auf dem Zusatz "Schweizer" liege, dank dem sich der Firmaname "Schweizer Skischule" dem Publikum als Vertreterin einer bestimmten Lehrmethode eingeprägt habe.
4. Die Verwechselbarkeit der beiden Firmabezeichnungen ist auch praktisch keineswegs bedeutungslos. Zu den beteiligten Verkehrskreisen gehören in erster Linie die Kurgäste, die eine Skischule besuchen wollen. Erfahrungsgemäss halten sich diese Leute meistens nicht jedes Jahr am gleichen Orte auf, sondern sie wechseln sehr oft ab. Lernten sie an einem Orte die von ihnen besuchte "Schweizer Skischule" als "Wengener Skischule", "Skischule Davos", "Ecole de ski de Verbier" usw. kennen, so verwischt sich in ihrer Erinnerung der Zusatz "Schweizer". Kommen nun solche Gäste mit der Erinnerung an diese Bezeichnung der Skischule nach Zermatt, so werden sie sich kaum Rechenschaft darüber geben, dass die dortige Skischule mit der Firma "Zermatter Skischule" nicht die Skischule des SSSV und nicht verpflichtet ist, nach der Einheitstechnik des SSSV zu unterrichten. Denn ihrem Gedächtnis hat sich die Bezeichnung Skischule mit der
BGE 82 II 152 S. 158
entsprechenden Ortsangabe eingeprägt, und sie glauben daher, dass diese Skischulen überall "Schweizer Skischulen" sind, die nach dem gleichen Lehrplan unterrichten. Wie die Vorinstanz selbst feststellt, ist denn auch tatsächlich mindestens ein Fall einer solchen Verwechslung in Zermatt vorgekommen, indem ein deutscher Kurgast, der der Unterrichtsstunde eines Lehrers der "Schweizer Skischule Zermatt" beiwohnte, diesem am Schluss ein Abonnement der "Zermatter Skischule" vorwies. Die Vorinstanz meint zwar, diese einzige Ausnahme lasse darauf schliessen, dass in der Regel Verwechslungen nicht stattfinden. Diese Schlussfolgerung ist aber verfehlt und steht im Widerspruch mit der Lebenserfahrung.
5. Unterscheidet sich somit die Firmabezeichnung der Beklagten nicht deutlich von der früher eingetragenen Firma der Klägerin, so ist die Führung der beanstandeten Firma durch die Beklagte unzulässig. Sie hat deshalb den beiden Bestandteilen "Ski-Schule" und "Zermatter", deren Verwendung ihr nicht verwehrt werden kann, einen Zusatz beizufügen, der jeder Verwechslung mit der Firma der Klägerin vorbeugt. Erweist sich somit die Klage schon aus dem Gesichtspunkte des Firmenrechts als begründet, so braucht nicht geprüft zu werden, ob sie sich auch auf das Wettbewerbs- und Namensrecht stützen liesse.
Dispositiv
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Berufung wird gutgeheissen, das Urteil des Kantonsgerichts Wallis vom 30. Juni 1955 wird aufgehoben und der Beklagten wird untersagt, weiterhin die Firma "Zermatter Ski-Schule" zu führen.