80 III 25
7. Entscheid vom 1. Februar 1954 i. S. Geiser.
Regeste (de):
- Widerspruchsverfahren um ein unter Eigentumsvorbehalt des Verkäufers stehendes Automobil, dessen Pfändung sich die Ehefrau des Schuldners als angebliche Käuferin widersetzt.
- Verteilung der Parteirollen.
- Kriterien des Gewahrsams und allfälligen Mitgewahrsams.
- Art. 106
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 106 - 1 Wird geltend gemacht, einem Dritten stehe am gepfändeten Gegenstand das Eigentum, ein Pfandrecht oder ein anderes Recht zu, das der Pfändung entgegensteht oder im weitern Verlauf des Vollstreckungsverfahrens zu berücksichtigen ist, so merkt das Betreibungsamt den Anspruch des Dritten in der Pfändungsurkunde vor oder zeigt ihn, falls die Urkunde bereits zugestellt ist, den Parteien besonders an.
1 Wird geltend gemacht, einem Dritten stehe am gepfändeten Gegenstand das Eigentum, ein Pfandrecht oder ein anderes Recht zu, das der Pfändung entgegensteht oder im weitern Verlauf des Vollstreckungsverfahrens zu berücksichtigen ist, so merkt das Betreibungsamt den Anspruch des Dritten in der Pfändungsurkunde vor oder zeigt ihn, falls die Urkunde bereits zugestellt ist, den Parteien besonders an. 2 Dritte können ihre Ansprüche anmelden, solange der Erlös aus der Verwertung des gepfändeten Gegenstandes noch nicht verteilt ist. 3 Nach der Verwertung kann der Dritte die Ansprüche, die ihm nach Zivilrecht bei Diebstahl, Verlust oder sonstigem Abhandenkommen einer beweglichen Sache (Art. 934 und 935 ZGB229) oder bei bösem Glauben des Erwerbers (Art. 936 und 974 Abs. 3 ZGB) zustehen, ausserhalb des Betreibungsverfahrens geltend machen. Als öffentliche Versteigerung im Sinne von Artikel 934 Absatz 2 ZGB gilt dabei auch der Freihandverkauf nach Artikel 130 dieses Gesetzes. SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 109 - 1 Beim Gericht des Betreibungsortes sind einzureichen:
1 Beim Gericht des Betreibungsortes sind einzureichen: 1 Klagen nach Artikel 107 Absatz 5; 2 Klagen nach Artikel 108 Absatz 1, sofern der Beklagte Wohnsitz im Ausland hat. 2 Richtet sich die Klage nach Artikel 108 Absatz 1 gegen einen Beklagten mit Wohnsitz in der Schweiz, so ist sie an dessen Wohnsitz einzureichen. 3 Bezieht sich der Anspruch auf ein Grundstück, so ist die Klage in jedem Fall beim Gericht des Ortes einzureichen, wo das Grundstück oder sein wertvollster Teil liegt. 4 Das Gericht zeigt dem Betreibungsamt den Eingang und die Erledigung der Klage an. ...233 5 Bis zur Erledigung der Klage bleibt die Betreibung in Bezug auf die streitigen Gegenstände eingestellt, und die Fristen für Verwertungsbegehren (Art. 116) stehen still.
Regeste (fr):
- Procédure de revendication au sujet d'une automobile vendue sous réserve de propriété et à la saisie de laquelle s'oppose la femme du débiteur, celle-ci prétendant que c'est elle qui l'a achetée.
- Répartition du rôle des parties.
- Critères de la possession et d'une éventuelle copossession.
- Art. 106 à 109 LP.
Regesto (it):
- Procedura di rivendicazione concernente un'automobile, venduta sotto riserva della proprietà, al pignoramento della quale si è opposta la moglie del debitore asserendo che è stata comperata da lei e non dal marito.
- Chi deve farsi attore e chi deve assumere la parte di convenuto nel processo? Criteri del possesso e dell'eventuale compossesso.
- Art. 106 a 109 LEF.
Sachverhalt ab Seite 25
BGE 80 III 25 S. 25
A.- Beim Schuldner Pulver wurde ein Auto, Marke FIAT, geschätzt auf Fr. 5000.--, gepfändet. An diesem
BGE 80 III 25 S. 26
Fahrzeug besteht ein Eigentumsvorbehalt zugunsten der "Abri" Kreditgesellschaft (Zessionarin des Verkäufers); es steht nur noch ein restlicher Preisbetrag von Fr. 400.-- aus. Der Fahrzeugausweis lautet auf den Schuldner als Halter. Der Wagen wird auch ausschliesslich von ihm benutzt. Seine Ehefrau macht aber geltend, sie habe das Auto gekauft und werde es daher nach völliger Abzahlung des Kaufpreises zu Eigentum erwerben. Über diesen der Pfändung entgegenstehenden Anspruch hat das Betreibungsamt Bern das Widerspruchsverfahren eröffnet und, nach Bestreitung der Drittansprache durch den Gläubiger Geiser, der Ansprecherin Frau Pulver gemäss Art. 107
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SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG) SchKG Art. 107 - 1 Schuldner und Gläubiger können den Anspruch des Dritten beim Betreibungsamt bestreiten, wenn sich der Anspruch bezieht auf: |
|
1 | Schuldner und Gläubiger können den Anspruch des Dritten beim Betreibungsamt bestreiten, wenn sich der Anspruch bezieht auf: |
1 | eine bewegliche Sache im ausschliesslichen Gewahrsam des Schuldners; |
2 | eine Forderung oder ein anderes Recht, sofern die Berechtigung des Schuldners wahrscheinlicher ist als die des Dritten; |
3 | ein Grundstück, sofern er sich nicht aus dem Grundbuch ergibt. |
2 | Das Betreibungsamt setzt ihnen dazu eine Frist von zehn Tagen. |
3 | Auf Verlangen des Schuldners oder des Gläubigers wird der Dritte aufgefordert, innerhalb der Bestreitungsfrist seine Beweismittel beim Betreibungsamt zur Einsicht vorzulegen. Artikel 73 Absatz 2 gilt sinngemäss. |
4 | Wird der Anspruch des Dritten nicht bestritten, so gilt er in der betreffenden Betreibung als anerkannt. |
5 | Wird der Anspruch bestritten, so setzt das Betreibungsamt dem Dritten eine Frist von 20 Tagen, innert der er gegen den Bestreitenden auf Feststellung seines Anspruchs klagen kann. Reicht er keine Klage ein, so fällt der Anspruch in der betreffenden Betreibung ausser Betracht. |
B.- Auf Beschwerde der Ansprecherin hat die kantonale Aufsichtsbehörde mit Entscheid vom 15. Januar 1954 diese Fristansetzung aufgehoben und das Betreibungsamt angewiesen, nach Art. 109
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SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG) SchKG Art. 109 - 1 Beim Gericht des Betreibungsortes sind einzureichen: |
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1 | Beim Gericht des Betreibungsortes sind einzureichen: |
1 | Klagen nach Artikel 107 Absatz 5; |
2 | Klagen nach Artikel 108 Absatz 1, sofern der Beklagte Wohnsitz im Ausland hat. |
2 | Richtet sich die Klage nach Artikel 108 Absatz 1 gegen einen Beklagten mit Wohnsitz in der Schweiz, so ist sie an dessen Wohnsitz einzureichen. |
3 | Bezieht sich der Anspruch auf ein Grundstück, so ist die Klage in jedem Fall beim Gericht des Ortes einzureichen, wo das Grundstück oder sein wertvollster Teil liegt. |
4 | Das Gericht zeigt dem Betreibungsamt den Eingang und die Erledigung der Klage an. ...233 |
5 | Bis zur Erledigung der Klage bleibt die Betreibung in Bezug auf die streitigen Gegenstände eingestellt, und die Fristen für Verwertungsbegehren (Art. 116) stehen still. |
C.- Mit vorliegendem Rekurs ficht der Gläubiger Geiser diese Verteilung der Parteirollen an und verlangt, dass neuerdings der Ansprecherin Frist zur Klage angesetzt werde.
Erwägungen
Die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer zieht in Erwägung:
1. Trotz dem unbestrittenen Eigentumsvorbehalt zugunsten der "Abri" Kreditgesellschaft war das Automobil selbst zu pfänden, als ob es bereits im Eigentum des Käufers stünde. Denn wirtschaftlich betrachtet "gehört" eine unter Eigentumsvorbehalt des Verkäufers stehende
BGE 80 III 25 S. 27
Sache doch schon dem Käufer. Sofern und solange der Verkäufer das vorbehaltene Eigentum nicht durch Rücknahme der Sache gemäss Art. 226
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SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag OR Art. 226 |
BGE 80 III 25 S. 28
Art. 106
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SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG) SchKG Art. 106 - 1 Wird geltend gemacht, einem Dritten stehe am gepfändeten Gegenstand das Eigentum, ein Pfandrecht oder ein anderes Recht zu, das der Pfändung entgegensteht oder im weitern Verlauf des Vollstreckungsverfahrens zu berücksichtigen ist, so merkt das Betreibungsamt den Anspruch des Dritten in der Pfändungsurkunde vor oder zeigt ihn, falls die Urkunde bereits zugestellt ist, den Parteien besonders an. |
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1 | Wird geltend gemacht, einem Dritten stehe am gepfändeten Gegenstand das Eigentum, ein Pfandrecht oder ein anderes Recht zu, das der Pfändung entgegensteht oder im weitern Verlauf des Vollstreckungsverfahrens zu berücksichtigen ist, so merkt das Betreibungsamt den Anspruch des Dritten in der Pfändungsurkunde vor oder zeigt ihn, falls die Urkunde bereits zugestellt ist, den Parteien besonders an. |
2 | Dritte können ihre Ansprüche anmelden, solange der Erlös aus der Verwertung des gepfändeten Gegenstandes noch nicht verteilt ist. |
3 | Nach der Verwertung kann der Dritte die Ansprüche, die ihm nach Zivilrecht bei Diebstahl, Verlust oder sonstigem Abhandenkommen einer beweglichen Sache (Art. 934 und 935 ZGB229) oder bei bösem Glauben des Erwerbers (Art. 936 und 974 Abs. 3 ZGB) zustehen, ausserhalb des Betreibungsverfahrens geltend machen. Als öffentliche Versteigerung im Sinne von Artikel 934 Absatz 2 ZGB gilt dabei auch der Freihandverkauf nach Artikel 130 dieses Gesetzes. |
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SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG) SchKG Art. 109 - 1 Beim Gericht des Betreibungsortes sind einzureichen: |
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1 | Beim Gericht des Betreibungsortes sind einzureichen: |
1 | Klagen nach Artikel 107 Absatz 5; |
2 | Klagen nach Artikel 108 Absatz 1, sofern der Beklagte Wohnsitz im Ausland hat. |
2 | Richtet sich die Klage nach Artikel 108 Absatz 1 gegen einen Beklagten mit Wohnsitz in der Schweiz, so ist sie an dessen Wohnsitz einzureichen. |
3 | Bezieht sich der Anspruch auf ein Grundstück, so ist die Klage in jedem Fall beim Gericht des Ortes einzureichen, wo das Grundstück oder sein wertvollster Teil liegt. |
4 | Das Gericht zeigt dem Betreibungsamt den Eingang und die Erledigung der Klage an. ...233 |
5 | Bis zur Erledigung der Klage bleibt die Betreibung in Bezug auf die streitigen Gegenstände eingestellt, und die Fristen für Verwertungsbegehren (Art. 116) stehen still. |
2. Als alleinigen Inhaber des Gewahrsams an einem Motorfahrzeug hat die Rechtsprechung bei unsichern Benutzungsverhältnissen etwa den Titular des Fahrzeugausweises betrachtet (BGE 60 III 219, BGE 64 III 138). Gewiss kommt diesem Merkmal, wie wiederholt entschieden wurde, nicht ausschliessliche Bedeutung zu (BGE 67 III 144, BGE 76 III 38). Im vorliegenden Falle ist aber ausser dem auf den Schuldner ausgestellten Fahrzeugausweis von Bedeutung, dass er allein den Wagen benutzt und ihn in einer von ihm gemieteten Garage unterzubringen pflegt. Bei dieser Sachlage ist der Ehefrau kein Mitgewahrsam an dem Wagen zuzuschreiben, bloss weil sie auch einen Schlüssel zu der Garage hat und sich gelegentlich allein dorthin begibt, um nach andern dort verwahrten Sachen zu sehen oder auch etwa das Auto zu reinigen - eine Verrichtung, die auch einem Angestellten (z.B. einem Chauffeur) obliegen oder vom Garagisten besorgt werden kann und keine Herrschaft über das Fahrzeug in Erscheinung treten lässt.
Dispositiv
Demnach erkennt die Schuldbetr.- u. Konkurskammer:
Der Rekurs wird gutgeheissen, der angefochtene Entscheid aufgehoben und das Betreibungsamt Bern angewiesen, der Rekursgegnerin Frau Pulver neuerdings Frist zur Widerspruchsklage gegen den Rekurrenten nach Art. 107
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SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG) SchKG Art. 107 - 1 Schuldner und Gläubiger können den Anspruch des Dritten beim Betreibungsamt bestreiten, wenn sich der Anspruch bezieht auf: |
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1 | Schuldner und Gläubiger können den Anspruch des Dritten beim Betreibungsamt bestreiten, wenn sich der Anspruch bezieht auf: |
1 | eine bewegliche Sache im ausschliesslichen Gewahrsam des Schuldners; |
2 | eine Forderung oder ein anderes Recht, sofern die Berechtigung des Schuldners wahrscheinlicher ist als die des Dritten; |
3 | ein Grundstück, sofern er sich nicht aus dem Grundbuch ergibt. |
2 | Das Betreibungsamt setzt ihnen dazu eine Frist von zehn Tagen. |
3 | Auf Verlangen des Schuldners oder des Gläubigers wird der Dritte aufgefordert, innerhalb der Bestreitungsfrist seine Beweismittel beim Betreibungsamt zur Einsicht vorzulegen. Artikel 73 Absatz 2 gilt sinngemäss. |
4 | Wird der Anspruch des Dritten nicht bestritten, so gilt er in der betreffenden Betreibung als anerkannt. |
5 | Wird der Anspruch bestritten, so setzt das Betreibungsamt dem Dritten eine Frist von 20 Tagen, innert der er gegen den Bestreitenden auf Feststellung seines Anspruchs klagen kann. Reicht er keine Klage ein, so fällt der Anspruch in der betreffenden Betreibung ausser Betracht. |