Urteilskopf

80 II 107

17. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 22. Mai 1954 i. S. X gegen Bezirksrat Zürich.
Regeste (de):

Regeste (fr):

Regesto (it):


BGE 80 II 107 S. 107

Aus dem Tatbestand:

A.- Der Berufungskläger entzog sich im Sommer 1951 einer in Zürich über ihn verhängten Freiheitsstrafe durch Auswanderung. Er lebte anderthalb Jahre in Paris. Am 16. Januar 1953 kehrte er in die Schweiz zurück, um sich den Justizbehörden zu stellen und sich nach Strafverbüssung im Kanton Luzern niederzulassen. Er wurde bei seiner Einreise in Genf verhaftet und polizeilich nach Zürich geführt. Dort war er vom 16. bis 19. Januar 1953 in Polizei- und Untersuchungshaft. Am 20. gl. Mts. wurde er von der Vormundschaftsbehörde der Stadt Zürich im Hinblick auf eine gemäss Art. 370
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 370 - 1 Eine urteilsfähige Person kann in einer Patientenverfügung festlegen, welchen medizinischen Massnahmen sie im Fall ihrer Urteilsunfähigkeit zustimmt oder nicht zustimmt.
1    Eine urteilsfähige Person kann in einer Patientenverfügung festlegen, welchen medizinischen Massnahmen sie im Fall ihrer Urteilsunfähigkeit zustimmt oder nicht zustimmt.
2    Sie kann auch eine natürliche Person bezeichnen, die im Fall ihrer Urteilsunfähigkeit mit der behandelnden Ärztin oder dem behandelnden Arzt die medizinischen Massnahmen besprechen und in ihrem Namen entscheiden soll. Sie kann dieser Person Weisungen erteilen.
3    Sie kann für den Fall, dass die bezeichnete Person für die Aufgaben nicht geeignet ist, den Auftrag nicht annimmt oder ihn kündigt, Ersatzverfügungen treffen.
ZGB zu verfügende Entmündigung wegen lasterhaften Lebenswandels einvernommen. Alsdann hatte er die Strafe zu erstehen, zu der er im Jahre 1951 verurteilt worden war.
B.- Auf Antrag der Vormundschaftsbehörde der Stadt Zürich sprach der Bezirksrat Zürich am 13. März 1953 die Entmündigung aus. Der Entmündigte verlangte einen gerichtlichen Entscheid und erhob die Einrede der örtlichen Unzuständigkeit der zürcherischen Behörden.
C.- Mit dieser Einrede in beiden kantonalen Gerichtsinstanzen abgewiesen, hält er mit der vorliegenden Berufung daran fest.
BGE 80 II 107 S. 108

Erwägungen

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
... Es ist festgestellt, dass der Berufungskläger bei seiner Einreise in die Schweiz am 16. Januar 1953 den in Paris begründeten Wohnsitz aufgegeben hatte und über den 20. Januar hinaus keinen neuen Wohnsitz in der Schweiz erwarb. Zürich, wo er sich am 20. Januar 1953 bei Einleitung des Entmündigungsverfahrens aufhielt, gilt daher nach Art. 24 Abs. 2
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 24 - 1 Der einmal begründete Wohnsitz einer Person bleibt bestehen bis zum Erwerbe eines neuen Wohnsitzes.
1    Der einmal begründete Wohnsitz einer Person bleibt bestehen bis zum Erwerbe eines neuen Wohnsitzes.
2    Ist ein früher begründeter Wohnsitz nicht nachweisbar oder ist ein im Ausland begründeter Wohnsitz aufgegeben und in der Schweiz kein neuer begründet worden, so gilt der Aufenthaltsort als Wohnsitz.
ZGB als sein damaliger Wohnsitz gemäss Art. 376 Abs. 1
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 376 - 1 Bestehen Zweifel, ob die Voraussetzungen für eine Vertretung erfüllt sind, so entscheidet die Erwachsenenschutzbehörde über das Vertretungsrecht und händigt gegebenenfalls dem Ehegatten, der eingetragenen Partnerin oder dem eingetragenen Partner eine Urkunde aus, welche die Befugnisse wiedergibt.
1    Bestehen Zweifel, ob die Voraussetzungen für eine Vertretung erfüllt sind, so entscheidet die Erwachsenenschutzbehörde über das Vertretungsrecht und händigt gegebenenfalls dem Ehegatten, der eingetragenen Partnerin oder dem eingetragenen Partner eine Urkunde aus, welche die Befugnisse wiedergibt.
2    Sind die Interessen der urteilsunfähigen Person gefährdet oder nicht mehr gewahrt, so entzieht die Erwachsenenschutzbehörde dem Ehegatten, der eingetragenen Partnerin oder dem eingetragenen Partner auf Antrag einer nahestehenden Person oder von Amtes wegen die Vertretungsbefugnisse teilweise oder ganz oder errichtet eine Beistandschaft.
ZGB, wie die kantonalen Gerichte zutreffend entschieden haben. Da jene Vorschrift den Aufenthaltsort schlechthin berücksichtigt, ist auch ein Aufenthalt zu einem der in Art. 26
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 26 - Volljährige unter umfassender Beistandschaft haben ihren Wohnsitz am Sitz der Erwachsenenschutzbehörde.
ZGB genannten Zwecke nicht ausgenommen. Aus Art. 26
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 26 - Volljährige unter umfassender Beistandschaft haben ihren Wohnsitz am Sitz der Erwachsenenschutzbehörde.
ZGB folgt nur, dass ein Aufenthalt zu vorübergehendem Zweck, wenn auch von verhältnismässig langer Dauer, den bisherigen Wohnsitz unberührt lässt. Ist aber ein ausländischer Wohnsitz aufgegeben und daher nach Art. 24 Abs. 2
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 24 - 1 Der einmal begründete Wohnsitz einer Person bleibt bestehen bis zum Erwerbe eines neuen Wohnsitzes.
1    Der einmal begründete Wohnsitz einer Person bleibt bestehen bis zum Erwerbe eines neuen Wohnsitzes.
2    Ist ein früher begründeter Wohnsitz nicht nachweisbar oder ist ein im Ausland begründeter Wohnsitz aufgegeben und in der Schweiz kein neuer begründet worden, so gilt der Aufenthaltsort als Wohnsitz.
ZGB eben der schweizerische Aufenthaltsort massgebend, so begründet hievon Art. 26 keine Ausnahme (vgl. KAUFMANN, N. 12 und EGGER, N. 14 und 15 zu Art. 376
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 376 - 1 Bestehen Zweifel, ob die Voraussetzungen für eine Vertretung erfüllt sind, so entscheidet die Erwachsenenschutzbehörde über das Vertretungsrecht und händigt gegebenenfalls dem Ehegatten, der eingetragenen Partnerin oder dem eingetragenen Partner eine Urkunde aus, welche die Befugnisse wiedergibt.
1    Bestehen Zweifel, ob die Voraussetzungen für eine Vertretung erfüllt sind, so entscheidet die Erwachsenenschutzbehörde über das Vertretungsrecht und händigt gegebenenfalls dem Ehegatten, der eingetragenen Partnerin oder dem eingetragenen Partner eine Urkunde aus, welche die Befugnisse wiedergibt.
2    Sind die Interessen der urteilsunfähigen Person gefährdet oder nicht mehr gewahrt, so entzieht die Erwachsenenschutzbehörde dem Ehegatten, der eingetragenen Partnerin oder dem eingetragenen Partner auf Antrag einer nahestehenden Person oder von Amtes wegen die Vertretungsbefugnisse teilweise oder ganz oder errichtet eine Beistandschaft.
ZGB; davon geht auch das einen Ausländer betreffende UrteilBGE 61 II 16aus). Der Berufungskläger wendet sich vor allem dagegen, an einem Ort belangt zu werden, wohin er sich nicht freiwillig begeben hatte, sondern mit Polizeigewalt gebracht worden war. Allein, auch ein Zwangsaufenthalt erfüllt den Tatbestand des Art. 24 Abs. 2
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 24 - 1 Der einmal begründete Wohnsitz einer Person bleibt bestehen bis zum Erwerbe eines neuen Wohnsitzes.
1    Der einmal begründete Wohnsitz einer Person bleibt bestehen bis zum Erwerbe eines neuen Wohnsitzes.
2    Ist ein früher begründeter Wohnsitz nicht nachweisbar oder ist ein im Ausland begründeter Wohnsitz aufgegeben und in der Schweiz kein neuer begründet worden, so gilt der Aufenthaltsort als Wohnsitz.
ZGB und gilt somit als Wohnsitz, zumal wenn er nicht als blosse kurze Unterbrechung eines regelmässigen Aufenthaltes an einem andern Orte der Schweiz erscheint (vgl. EGGER, N. 7 zu Art. 24
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 24 - 1 Der einmal begründete Wohnsitz einer Person bleibt bestehen bis zum Erwerbe eines neuen Wohnsitzes.
1    Der einmal begründete Wohnsitz einer Person bleibt bestehen bis zum Erwerbe eines neuen Wohnsitzes.
2    Ist ein früher begründeter Wohnsitz nicht nachweisbar oder ist ein im Ausland begründeter Wohnsitz aufgegeben und in der Schweiz kein neuer begründet worden, so gilt der Aufenthaltsort als Wohnsitz.
ZGB; HOLENSTEIN, Der privatrechtliche Wohnsitz im schweizerischen Recht, 115/16). Es entspricht dem Zweck der in Art. 24 Abs. 2 aufgestellten Wohnsitzfiktion, ein Verfahren gerade auch gegen einen aus dem Ausland eingewanderten Schweizerbürger zu ermöglichen, der bis auf weiteres keinen Wohnsitz erwerben kann, weil er eine Freiheitsstrafe zu erstehen hat oder sich in einem Zustande
BGE 80 II 107 S. 109

befindet, der seine Internierung oder Spitalverbringung nötig macht.
Dispositiv

Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Berufung wird abgewiesen und der Beschluss des Obergerichtes des Kantons Zürich, II. Zivilkammer, vom 22. März 1954 bestätigt.
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 80 II 107
Datum : 22. Mai 1954
Publiziert : 31. Dezember 1954
Quelle : Bundesgericht
Status : 80 II 107
Sachgebiet : BGE - Zivilrecht
Gegenstand : Als fiktiver Wohnsitz nach Art. 24 Abs. 2 ZGB, und damit als Ort für das Entmündigungsverfahren (Art. 376 Abs. 1 ZGB), fällt


Gesetzesregister
ZGB: 24 
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 24 - 1 Der einmal begründete Wohnsitz einer Person bleibt bestehen bis zum Erwerbe eines neuen Wohnsitzes.
1    Der einmal begründete Wohnsitz einer Person bleibt bestehen bis zum Erwerbe eines neuen Wohnsitzes.
2    Ist ein früher begründeter Wohnsitz nicht nachweisbar oder ist ein im Ausland begründeter Wohnsitz aufgegeben und in der Schweiz kein neuer begründet worden, so gilt der Aufenthaltsort als Wohnsitz.
26 
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 26 - Volljährige unter umfassender Beistandschaft haben ihren Wohnsitz am Sitz der Erwachsenenschutzbehörde.
370 
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 370 - 1 Eine urteilsfähige Person kann in einer Patientenverfügung festlegen, welchen medizinischen Massnahmen sie im Fall ihrer Urteilsunfähigkeit zustimmt oder nicht zustimmt.
1    Eine urteilsfähige Person kann in einer Patientenverfügung festlegen, welchen medizinischen Massnahmen sie im Fall ihrer Urteilsunfähigkeit zustimmt oder nicht zustimmt.
2    Sie kann auch eine natürliche Person bezeichnen, die im Fall ihrer Urteilsunfähigkeit mit der behandelnden Ärztin oder dem behandelnden Arzt die medizinischen Massnahmen besprechen und in ihrem Namen entscheiden soll. Sie kann dieser Person Weisungen erteilen.
3    Sie kann für den Fall, dass die bezeichnete Person für die Aufgaben nicht geeignet ist, den Auftrag nicht annimmt oder ihn kündigt, Ersatzverfügungen treffen.
376
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 376 - 1 Bestehen Zweifel, ob die Voraussetzungen für eine Vertretung erfüllt sind, so entscheidet die Erwachsenenschutzbehörde über das Vertretungsrecht und händigt gegebenenfalls dem Ehegatten, der eingetragenen Partnerin oder dem eingetragenen Partner eine Urkunde aus, welche die Befugnisse wiedergibt.
1    Bestehen Zweifel, ob die Voraussetzungen für eine Vertretung erfüllt sind, so entscheidet die Erwachsenenschutzbehörde über das Vertretungsrecht und händigt gegebenenfalls dem Ehegatten, der eingetragenen Partnerin oder dem eingetragenen Partner eine Urkunde aus, welche die Befugnisse wiedergibt.
2    Sind die Interessen der urteilsunfähigen Person gefährdet oder nicht mehr gewahrt, so entzieht die Erwachsenenschutzbehörde dem Ehegatten, der eingetragenen Partnerin oder dem eingetragenen Partner auf Antrag einer nahestehenden Person oder von Amtes wegen die Vertretungsbefugnisse teilweise oder ganz oder errichtet eine Beistandschaft.
BGE Register
80-II-107
Stichwortregister
Sortiert nach Häufigkeit oder Alphabet
einreise • freiheitsstrafe • entscheid • aufenthaltsort • bundesgericht • richterliche behörde • freiwilligkeit • wohnsitz im ausland • untersuchungshaft • sprache • verurteilter • fiktiver wohnsitz • wohnsitz in der schweiz • bisheriger wohnsitz • dauer • kaufmann • schweizerisches recht • weiler • stelle