S. 174 / Nr. 31 Obligationenrecht (d)

BGE 79 II 174

31. Urteil der I. Zivilabteilung vom 3. Februar 1953 i. S. Samimpex A.-G.
gegen Bosshard.

Regeste:
Aktienrecht.
Bargründung oder verschleierte Sacheinlagegründung? Rechtliche Würdigung des
gegebenen Sachverhaltes unter der einen und anderen Voraussetzung. Haftung aus
Aktienzeichnung. Abgrenzung gegenüber der Gründerhaftung. Missbräuchliche
Einrufung der Bareinlage.
Société anonyme.
Fondation par apporte en espèces ou fondation par apporte en nature déguisée?
Appréciation juridique de l'état de fait selon qu'on admet l'une ou l'autre.
Responsabilité fondée sur la souscription d'actions. Différence avec la
responsabilité des fondateurs. Réclamation abusive de l'apport en espèces
souscrit.
Società anonima.
Costituzione mediante apporti in contanti o costituzione simulata mediante
apporti in natura? Apprezzamento giuridico della situazione di fatto a seconda
che si ammetta l'uno o l'altro caso. Responsabilità derivante dalla
sottoscrizione di azioni. Differenza con la responsabilità dei fondatori.
Abusiva diffida a versare in contanti l'apporto sottoscritto.

A. - Am 2. April 1949 wurde in Zürich die Samimpex A.-G. gegründet. Sie
bezweckt laut Ziffer 1 der Statuten den Einkauf und Verkauf von
wissenschaftlichen und medizinischen Apparaten. Das Aktienkapital beläuft sich

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auf Fr. 50,000.- und ist eingeteilt in 50 Inhaberaktien zu Fr. 1000.-. Gemäss
notarieller Urkunde über die konstituierende Generalversammlung war es von den
anwesenden drei Gründern voll gezeichnet, nämlich mit 29 Aktien von Hans
Bosshard, mit 13 Aktien von Valentin Arnold Chabloz, mit 8 Aktien von Walter
Schumacher, und zu 40 % mit Fr. 20,000.- bei der Zürcher Kantonalbank zur
freien Verfügung der Gesellschaft einbezahlt. Für die erste Amtsdauer eines
Jahres wurde Hans Bosshard als einziger Verwaltungsrat gewählt. Der Eintrag
der Aktiengesellschaft im Handelsregister erfolgte am 4. Mai 1949.
B. - Das Gründungskapital war nicht von den drei Aktionären persönlich,
sondern für ihre Rechnung nach Massgabe ihres Aktienbesitzes am 1. April 1949
von M. A. Zuest, dem Schwiegervater Chabloz', einbezahlt worden. Nach der
Buchhaltung der Samimpex A.-G. übernahm diese ebenfalls am 1. April 1949 das
in Lausanne betriebene Geschäft des Mitgründers Chabloz für insgesamt Fr.
33,512.-. Die Schuld wurde im Laufe des Jahres 1949 bis auf einen Rest von Fr.
42.44 beglichen. Eine erste Rate von Fr. 19,000.- liess der Verwaltungsrat am
19. Mai 1949 aus den bei der Kantonalbank liegenden Fr. 20,000.- entrichten.
Die sonstige Verwendung des Kontoguthabens nebst Zinsen war die, dass Bosshard
selber am 16. Mai 1949 Fr. 76.- bezog, während Fr. 1081.50 im Auftrage von
Chabloz, der die Geschäfte der Gesellschaft besorgte, am 9. Juli 1949 an Zuest
gesandt wurden.
Später gingen sämtliche Aktien der Samimpex A. -G. an Chabloz über. Dieser
verkaufte 35 Stück davon am 16. September 1950 zum Preise von je Fr. 1000.-
dem Werner Füllemann, der dann anstelle des austretenden Bosshard einziger
Verwaltungsrat der Gesellschaft wurde.
C. - Im November 1951 erhob die Samimpex A.-G., nach vorheriger Betreibung,
gegen Bosshard Klage auf Zahlung von Fr. 11,600.-, gleich 40 % des Wertes der
seinerzeit gezeichneten 29 Aktien, zuzüglich 5 % Zins ab 2. April 1949 und
Kosten des Zahlungsbefehls.

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Sie brachte vor, die Aktionäre hätten nach aussen eine Bargründung
vorgetäuscht, in Wirklichkeit aber eine Sacheinlagegründung gewollt und
durchgeführt; das Gründungskapital sei nur zum Scheine einbezahlt worden; von
Anfang an sei abgemacht gewesen, dass Chabloz sein Geschäft in die
Gesellschaft einbringe und der Betrag von Fr. 20,000.- wieder an Zuest
zurückfliesse; somit habe Bosshard seine Liberierungspflicht nicht erfüllt.
Diese Darstellung wurde bestritten. Der Beklagte behauptete, es sei keineswegs
eine Bargründung vorgeschoben worden, sondern Zuest habe das Kapital als
Darlehen gegeben dass die Absicht zu einer dem Gesellschaftszweck
entsprechenden Benützung des Geldes bestanden habe, sei nicht zu beanstanden.
Das Handelsgericht des Kantons Zürich wies die Klage mit Urteil vom 17.
September 1952 ab.
D. - Die Klägerin legte Berufung an das Bundesgericht ein. Sie beantragt
Gutheissung ihres Rechtsbegehrens. Der Beklagte schliesst auf Bestätigung des
kantonalen Entscheides.
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.- Im ersten Teil seines Erkenntnisses führt das Handelsgericht aus, die
Aktienzeichner hätten den gesetzlichen Bedingungen der statutarischen
Bargründung nicht genügt. Mit dieser Auffassung setzt sich der Beklagte nicht
im Rechtlichen auseinander, sondern er zieht lediglich die Verbindlichkeit der
tatsächlichen Feststellungen in Zweifel, was ihm gemäss Art. 61 Abs. 1 OG
verwehrt ist. Da aber im übrigen die eben genannte Bestimmung von den für die
Berufung geltenden Vorschriften des Mt. 55 OG nur Abs. 1 lit. a und d als
entsprechend auf die Antwort anwendbar erklärt, nicht auch lit. c, wonach
darzulegen wäre, welche Bundesrechtssätze und inwiefern sie verletzt sind, hat
das Bundesgericht doch die ganze Rechtsanwendung im vorinstanzlichen Urteil
daraufhin zu überprüfen, ob der Antwortschluss begründet ist.

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2.- Die Vorinstanz lässt ausdrücklich offen, ob die Behauptung der Klägerin
richtig sei, Zuest habe die Summe von Fr. 20,000.- den Gründern nicht
ernstlich geliehen, sondern sie nur pro forma bei der Kantonalbank erlegt.
Solange das nicht feststeht, muss die Einzahlung hingenommen werden als was
sie erklärtermassen gemacht worden ist, nämlich als Liberierung von 40 % des
Aktienkapitals zu Handen der in Gründung begriffenen Gesellschaft. Hievon
ausgegangen wurde die laut Statuten beabsichtigte Bargründung der Klägerin
gesetzmässig vollzogen. Von einer verschleierten Apportgründung kann nur die
Rede sein, wenn die Einzahlung bei der Bank auf die gezeichneten Aktien
simuliert war, sie direkt oder indirekt an Zuest zurückgehen und der Gegenwert
des zu liberierenden Kapitalbetrages tatsächlich in dem der Gesellschaft
zugeführten Geschäft Chabloz liegen sollte.
Wirkliche Bargründung vorausgesetzt ist im weiteren die Rechtslage die, dass
der Erwerb des Geschäftes von Chabloz durch die Gründer namens der zu
bildenden Gesellschaft am 1. April 1949 als Sachübernahme (nicht Sacheinlage)
ungültig war; gegenüber der Aktiengesellschaft darum, weil nicht im Wege des
Art 645 Abs. 2
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 645 - 1 Ist vor der Eintragung in das Handelsregister im Namen der Gesellschaft gehandelt worden, so haften die Handelnden persönlich und solidarisch.
1    Ist vor der Eintragung in das Handelsregister im Namen der Gesellschaft gehandelt worden, so haften die Handelnden persönlich und solidarisch.
2    Wurden solche Verpflichtungen ausdrücklich im Namen der zu bildenden Gesellschaft eingegangen und innerhalb einer Frist von drei Monaten nach der Eintragung in das Handelsregister von der Gesellschaft übernommen, so werden die Handelnden befreit, und es haftet nur die Gesellschaft.
OR übernommen werden konnte, was gemäss Art. 628 Abs. 2
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 645 - 1 Ist vor der Eintragung in das Handelsregister im Namen der Gesellschaft gehandelt worden, so haften die Handelnden persönlich und solidarisch.
1    Ist vor der Eintragung in das Handelsregister im Namen der Gesellschaft gehandelt worden, so haften die Handelnden persönlich und solidarisch.
2    Wurden solche Verpflichtungen ausdrücklich im Namen der zu bildenden Gesellschaft eingegangen und innerhalb einer Frist von drei Monaten nach der Eintragung in das Handelsregister von der Gesellschaft übernommen, so werden die Handelnden befreit, und es haftet nur die Gesellschaft.
OR der
Übernahmekundgebung in den Statuten bedurft hätte (vgl. BGE 59 II 447), und
gegenüber den Gründern als persönlich und solidarisch Haftbaren deshalb, weil
eine Verpflichtung unter ihnen und ein daraus erwachsender Anspruch des
Gründers an die Mitgründer hier ebensowenig bejaht werden könnte, wie
beispielsweise im Falle des BGE 49 II 192 ff. Ist das Geschäft doch an die
gegründete Gesellschaft übergegangen, dann war es eine Vermögensverschiebung
ohne gültigen Rechtsgrund (vgl. BGE 64 II 282 /3). Daher lässt sich nicht, wie
die Vorinstanz es tut, das Vorliegen einer verschleierten Sacheinlagegründung
daraus folgern, dass die Bareinzahlung zwar auf den Tag der Gründung geschah,
aber an diesem Tage die Gesellschaft schon nicht mehr frei über das Kapital
verfügen

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konnte, da es bereits vorher zur Anschaffung der einem Aktienzeichner
gehörenden und für den Betrieb der Gesellschaft vorgesehenen Sachwerte benützt
worden, bzw. mit einem Anspruch Chabloz gegen die Gründer auf Zahlung des
Preises für die gekauften Sachwerte belastet war. Denn nach dem Gesagten
bestand gar keine rechtliche Pflicht zu solcher Verwendung ernstlich gewollter
Kapitaleinzahlung und auch keine Forderung gegen die Gründer persönlich.
Die fehlende Feststellung darüber, ob die Einzahlung bei der Kantonalbank
simuliert war oder nicht, kann das Bundesgericht anhand der Akten nicht
vornehmen. Das macht die Rückweisung des Prozesses an die Vorinstanz zur
Vervollständigung des Tatbestandes unvermeidlich (Art. 64
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 645 - 1 Ist vor der Eintragung in das Handelsregister im Namen der Gesellschaft gehandelt worden, so haften die Handelnden persönlich und solidarisch.
1    Ist vor der Eintragung in das Handelsregister im Namen der Gesellschaft gehandelt worden, so haften die Handelnden persönlich und solidarisch.
2    Wurden solche Verpflichtungen ausdrücklich im Namen der zu bildenden Gesellschaft eingegangen und innerhalb einer Frist von drei Monaten nach der Eintragung in das Handelsregister von der Gesellschaft übernommen, so werden die Handelnden befreit, und es haftet nur die Gesellschaft.
OG), sofern nicht
die Sache aus sonstigem Grunde spruchreif ist.
3.- Sollte die Einbringung des Geschäftes durch Chabloz nur für seine eigene
Aktienzeichnung Sacheinlage und darüber hinaus Sachübernahme gewesen, also von
den anderen Aktionären Bareinzahlung erbracht und jenem seine Einzahlung als
Teil der aus dem Bankkonto überwiesenen Fr. 19,000. erstattet worden sein,
wäre die Klage abzuweisen. Das Handelsgericht betont, zur Leistung der Einlage
in bar sei enden dem Sacheinleger auch jeder Aktienzeichner verpflichtet, der
wissentlich an der Verschleierung einer Einlagegründung teilgenommen habe. Das
trifft im Sinne des angeführten BGE 64 II 281 zwar dort zu, wo schlechtweg
Sacheinlage an Stelle der Bareinzahlung trat, ist aber für den vorliegenden
Fall unter der obigen Voraussetzung dahin zu präzisieren, dass eine Haftung
des Beklagten sich nicht aus Aktienzeichnung (eines andern, nämlich des
Sacheinlegers Chabloz) ergeben könnte, sondern höchstens aus
Gründerverantwortlichkeit. Diese ist nach den Angaben im kantonalen Urteil
nicht geltend gemacht worden.
Die Berufung wendet ein, Art. 753
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 753 - Gründer, Mitglieder des Verwaltungsrates und alle Personen, die bei der Gründung mitwirken, werden sowohl der Gesellschaft als den einzelnen Aktionären und Gesellschaftsgläubigern für den Schaden verantwortlich, wenn sie:
1  in den Statuten, einem Gründungsbericht oder einem Kapitalerhöhungsbericht absichtlich oder fahrlässig Sacheinlagen oder die Gewährung besonderer Vorteile zugunsten von Aktionären und anderen Personen unrichtig oder irreführend angeben, verschweigen oder verschleiern oder bei der Genehmigung einer solchen Massnahme in anderer Weise dem Gesetz zuwiderhandeln;
2  absichtlich oder fahrlässig die Eintragung der Gesellschaft in das Handelsregister aufgrund einer Bescheinigung oder Urkunde veranlassen, die unrichtige Angaben enthält;
3  wissentlich dazu beitragen, dass Zeichnungen zahlungsunfähiger Personen angenommen werden.
OR hätte von Amtes wegen herangezogen werden
müssen, da alle tatbeständlichen

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Elemente dafür gegeben seien. Das ist unrichtig. Der Anspruch aus
Gründerhaftung ist Schadenersatzansproch. Es muss also ein Schaden behauptet
und nachgewiesen werden. Die Klägerin irrt, wenn sie glaubt, das sei
geschehen, indem sie den Schaden einfach darin sieht, «dass die Gesellschaft
um den Betrag, den er (sc. der Beklagte) gezeichnet hat bzw. hätte liberieren
sollen, zu kurz gekommen ist». Statt des Bargeldes hat ja die
Aktiengesellschaft die Sacheinlage erhalten. Aus diesem Vorgang könnte sie nur
geschädigt sein, wenn die Sacheinlage für sie nicht den gleichen Wert wie die
Barzahlung gehabt hätte. Das ist weder dargetan noch belegt. Wurden auch in
anderem Zusammenhange gewisse Behauptungen betreffend Überwertung der
Sacheinlage aufgestellt, so gebricht es doch an irgendwie genügender
Substanzierung, so dass es unmöglich ist, die Klage nach dieser Richtung zu
behandeln, und sie deswegen sogar bei ausdrücklichem Hinweis auf
Gründerverantwortlichkeit des Beklagten hätte abgewiesen werden müssen.
4.- Nimmt man an, es sei die Bargründung im ganzen Umfange nicht ernsthaft
gewollt, die Einzahlung bei der Kantonalbank simuliert und tatsächlich die
Liberierung von 40 % der Aktien aller drei Gründeraktionäre durch Einlage des
Geschäftes Chabloz beabsichtigt gewesen, kann der Vorinstanz nicht gefolgt
werden, wenn sie als unstatthaft verwirft, dass die Klägerin die
Rückgängigmachung der Sacheinlage ausschliesslich gegenüber dem Beklagten
betreibe. Diese Betrachtungsweise geht darin fehl, dass sie die
Sacheinlagegründung für alle EinlegerAktionäre als eine Einheit sieht. In
Wirklichkeit ist es so, dass der einzelne Aktienzeichner, dessen
Bareinzahlungspflicht eine selbständige ist, seine Einzahlung durch
Sacheinlage ersetzt hat. Der Umstand, dass alle Aktionäre die Sacheinlage
gemeinsam geleistet haben, berührt nicht die Selbständigkeit der einzelnen
Einzahlungsverpflichtung. Entsprechend kann die Gesellschaft den einen
Aktionär belangen, den anderen nicht, falls sie dabei keinen Vorteil

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erblickt, weil sie ebensoviel aus dem Titel der ungerechtfertigten
Bereicherung zufolge ungültiger Sacheinlage zurückzugeben hätte. Solchem
Vorgehen steht der Grundsatz der gleichmässigen Behandlung aller Aktionäre
nicht entgegen. Seine Anwendung liefe darauf hinaus, dass sich der einzig
Belangte auf die mittels Sacheinlage gemachte Leistung berufen könnte, die
doch rechtlich gar nicht vorhanden ist. Auch im Falle des BGE 64 II 281 war
für sämtliche zeichnenden Aktionäre einer Bargründung statt der Bareinlagen
eine Sacheinlage erbracht worden, und das Bundesgericht hatte trotzdem keine
Bedenken, die Klage auf Barzahlung gegenüber einem einzelnen Aktionär
zuzusprechen.
5.- Indessen hält das hier streitige Begehren nicht stand vor Art. 2
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 2 - 1 Jedermann hat in der Ausübung seiner Rechte und in der Erfüllung seiner Pflichten nach Treu und Glauben zu handeln.
1    Jedermann hat in der Ausübung seiner Rechte und in der Erfüllung seiner Pflichten nach Treu und Glauben zu handeln.
2    Der offenbare Missbrauch eines Rechtes findet keinen Rechtsschutz.
ZGB. Zwar
kann der Rechtsmissbrauch - entgegen der Ansicht der Vorinstanz - nicht darin
gefunden werden, dass die Klägerin nicht auch Chabloz behaftet, der Initiant
der verschleierten Sacheinlagegründung und daran in erster Linie interessiert
war. Denn Chabloz ist spurlos ins Ausland verschwunden und darum nicht
belangbar. Allein die Vorinstanz meint es wohl anders. Und andere Betrachtung
lässt den Rechtsmissbrauch in der Tat als offenkundig erscheinen. Weil der
abwesende Chabloz nicht zur Bareinzahlung verhalten werden kann, entfällt eine
Rückerstattung der Sacheinlage an ihn aus dem Gesichtspunkte der
ungerechtfertigten Bereicherung. Die übrigen Aktionäre aber können einen
Anspruch auf Herausgabe der Bereicherung nicht geltend machen. Er steht nach
BGE 64 II 282 nur dein Aktionär zu, aus dessen Vermögen das Aktivum der
Gesellschaft zugeflossen ist. Mit der Einforderung der Barzahlung von jenen
lässt sich also ohne jedes Risiko zur übernommenen Sache auch noch ein Teil
ihres Preises behändigen. Darauf ist unverkennbar das Trachten der Klägerin
gerichtet. Wäre Chabloz im Lande, dann hätte es keinen Sinn, die Barzahlung
von irgend einem der drei Aktionäre einzurufen, weil gleichviel als
ungerechtfertigte Bereicherung

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an den Sacheinleger zurückgehen müsste. Freilich hat die Klägerin behauptet,
von der seinerzeitigen Sacheinlage seien der Geschäftsfond fiktiv und die
Vermögenswerte weit übersetzt verrechnet gewesen. Es ist jedoch ganz
unwahrscheinlich, dass die Gesellschaft heute in der Lage wäre, die damals
bestimmten Preise (für übernommene und längst verkaufte Artikel) ernsthaft zu
bemängeln, zumal nach dem eigenen Eingeständnis der Klägerin die Kontrolle
durch das Fehlen eines Inventars verunmöglicht war. Ausserdem ist in den Akten
genügend Anhalt dafür, dass das Geschäft gut war und dass damit Geld verdient
wurde. Unzweifelhaft geht auch die Vorinstanz davon aus, dass die in der
Buchhaltung eingetragenen Übernahmen wertmässig der Anrechnung entsprachen.
Das Erstreben solcher ungerechtfertigter Bereicherung ist aber mit Treu und
Glauben unvereinbar. Es ist der Rechtsmissbrauch desjenigen, der verlangt, was
zurückgegeben werden müsste (dolo facit qui petit, quod restiturus esset). Um
nicht bereichert zu sein, hätte die Klägerin gegen Bareinzahlung des Beklagten
und eventuell des zweiten Aktionärs Schumacher in der nämlichen Höhe
Rückleistungen an Chabloz zu machen. Dass Zahlungspflichtige und
Rückforderungsberechtigter nicht identisch sind, ist unerheblich, da eben
letzterer für Rechnung der ersteren geleistet hatte und für deren Rechnung ihm
die Rückforderung zustände. Wenn die Klägerin praktisch den
Erstattungsanspruch nicht zu gewärtigen braucht, nachdem Chabloz verschwunden
ist, so ändert das nichts daran, dass sie mit der Einforderung dessen, was ihr
im Ergebnis nicht zukommt, rechtsmissbräuchlich handelt.
Den vorstehenden Überlegungen kann nicht entgegengehalten werden, die
Rückforderung wegen ungerechtfertigt er Bereicherung bestehe, als Folge der
ohne Rechtsgrund geleisteten Sacheinlage, schon heute und unabhängig von der
Bareinzahlung der Aktionäre. Es ist zu beachten, dass die in natura empfangene
Sacheinlage im Umfange der zu liberierenden Aktienzeichnung gar nicht mehr

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da ist, weil sie von der Gesellschaft versilbert wurde. Die Klägerin hat die
Verpflichtung zur Rückzahlung des Betrages von Fr. 20,000.- nur gegen
Bareinzahlung der Aktionäre in gleicher Höhe. Art. 66
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 66 - Was in der Absicht, einen rechtswidrigen oder unsittlichen Erfolg herbeizuführen, gegeben worden ist, kann nicht zurückgefordert werden.
OR anzuwenden, wo sich
die Rechtswidrigkeit in der blossen Nichteinhaltung einer Formvorschrift
erschöpft, wäre eine verfehlte Übertreibung des Grundsatzes.
Die Klage fusst auf einer zu missbilligenden Spekulation, die umso weniger
hingenommen werden kann, als Füllemann der Rechtsnachfolger von Chabloz ist,
dem als Alleinaktionär die Gesellschaft wirtschaftlich gehörte, und er
anscheinend zu Lasten des Beklagten sich für den angeblich zu teuren
Aktienpreis erholen will, den er Chabloz bezahlte. Mit den Interessen der
Öffentlichkeit und dem Schutze der Gläubiger hat sein Gebaren nichts zu tun.
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Berufung wird abgewiesen und das Urteil des Handelsgerichts des Kantons
Zürich vom 17. September 1952 bestätigt.
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 79 II 174
Datum : 01. Januar 1953
Publiziert : 03. Februar 1953
Quelle : Bundesgericht
Status : 79 II 174
Sachgebiet : BGE - Zivilrecht
Gegenstand : Aktienrecht.Bargründung oder verschleierte Sacheinlagegründung? Rechtliche Würdigung des gegebenen...


Gesetzesregister
OG: 61  64
OR: 66 
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 66 - Was in der Absicht, einen rechtswidrigen oder unsittlichen Erfolg herbeizuführen, gegeben worden ist, kann nicht zurückgefordert werden.
628  645 
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 645 - 1 Ist vor der Eintragung in das Handelsregister im Namen der Gesellschaft gehandelt worden, so haften die Handelnden persönlich und solidarisch.
1    Ist vor der Eintragung in das Handelsregister im Namen der Gesellschaft gehandelt worden, so haften die Handelnden persönlich und solidarisch.
2    Wurden solche Verpflichtungen ausdrücklich im Namen der zu bildenden Gesellschaft eingegangen und innerhalb einer Frist von drei Monaten nach der Eintragung in das Handelsregister von der Gesellschaft übernommen, so werden die Handelnden befreit, und es haftet nur die Gesellschaft.
753
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 753 - Gründer, Mitglieder des Verwaltungsrates und alle Personen, die bei der Gründung mitwirken, werden sowohl der Gesellschaft als den einzelnen Aktionären und Gesellschaftsgläubigern für den Schaden verantwortlich, wenn sie:
1  in den Statuten, einem Gründungsbericht oder einem Kapitalerhöhungsbericht absichtlich oder fahrlässig Sacheinlagen oder die Gewährung besonderer Vorteile zugunsten von Aktionären und anderen Personen unrichtig oder irreführend angeben, verschweigen oder verschleiern oder bei der Genehmigung einer solchen Massnahme in anderer Weise dem Gesetz zuwiderhandeln;
2  absichtlich oder fahrlässig die Eintragung der Gesellschaft in das Handelsregister aufgrund einer Bescheinigung oder Urkunde veranlassen, die unrichtige Angaben enthält;
3  wissentlich dazu beitragen, dass Zeichnungen zahlungsunfähiger Personen angenommen werden.
ZGB: 2
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 2 - 1 Jedermann hat in der Ausübung seiner Rechte und in der Erfüllung seiner Pflichten nach Treu und Glauben zu handeln.
1    Jedermann hat in der Ausübung seiner Rechte und in der Erfüllung seiner Pflichten nach Treu und Glauben zu handeln.
2    Der offenbare Missbrauch eines Rechtes findet keinen Rechtsschutz.
BGE Register
49-II-187 • 59-II-434 • 64-II-272 • 79-II-174
Stichwortregister
Sortiert nach Häufigkeit oder Alphabet
sacheinlage • beklagter • vorinstanz • bundesgericht • weiler • kantonalbank • barzahlung • handelsgericht • liberierung • ungerechtfertigte bereicherung • aktiengesellschaft • rechtsmissbrauch • verwaltungsrat • geld • rückerstattung • sachverhalt • schaden • aktienkapital • rechtsgrund • wert
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