BGE 79 II 133
21. Auszug aus dem Urteil der Il. Zivilabteilung vom 2. Juli 1953 i. S. S.
gegen S.
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Regeste:
Ehescheidung, Art. 151 , 152 , 153 ZGB.
Entschädigungspflicht des schuldigen Ehegatten gemäss Art. 151 Abs. 1 ZGB: es
bedarf eines Verschuldens, das für die Scheidung kausal war (b);
Rente aus Art. 152 (Bedürftigkeit) statt aus Art. 151 ZGB (c);
Anordnung künftiger Erhöhung der Rente: unzulässig, die Rentenhöhe automatisch
dem Lebenskostenindex folgen zu lassen (d).
Divorce, art. 151, 152, 153 CC.
Indemnité due par l'époux coupable en vertu de l'art. 151 al. 1 CC: il est
nécessaire que la faute ait été l'une des causes du divorce (b).
Pension de l'art. 152 (dénuement) allouée en lieu et place de l'indemnité de
l'art. 151 CC (c).
Allocation d'une pension susceptible d être augmentée à l'avenir il est
inadmissible d'allouer une pension dont le montant varierait selon l'index du
coût de la vie (d).
Divorzio, art. 151, 152, 153 CC.
Indennizzo dovuto dal coniuge colpevole in virtù dell'art. 151, cp. 1, CC: è
necessario che la colpa sia stata una delle cause del divorzio (b).
Pensione prevista dall'art. 152 (grave, ristrettezza) accordata invece
dell'indennità contemplata dall'art. 151 CC (c). -
Attribuzione d'una pensione suscettibile di aumento in avvenire è
inammissibile accordare una pensione, il cui ammontare variasse secondo
l'indice del costo della vita (d).
Nach Ablauf einer gerichtlichen Trennung von 2 Jahren verlangte der Kläger die
Scheidung gemäss Art. 148 ZGB. Sie wurde ausgesprochen, da laut dem
Trennungsurteil die damalige Zerrüttung vorwiegend objektiven Ursachen
zuzuschreiben war und die seitherigen Ehebrüche des Klägers zur Zerrüttung
nicht mehr, jedenfalls nicht mehr wesentlich beigetragen hatten. Die
Vorinstanz hatte die Begehren der Beklagten auf eine Entschädigungssumme und
einen Unterhaltsbeitrag aus Art. 151 ZGB teilweise geschützt und dasjenige auf
eine Genugtuungssumme abgewiesen. Mit der Hauptberufung hält die Beklagte an
ihren Begehren in vollem Betrage fest; mit Anschlussberufung beantragt der
Kläger gänzliche Abweisung ihrer Ansprüche.
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Aus den Erwägungen:
2.- a) Voraussetzung der grundsätzlichen Gutheissung der Ansprüche für
Entschädigung, Genugtuung und Unterhalt ist die Schuldlosigkeit des
ansprucherhebenden Ehegatten im Sinne von Art. 151 /52
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 52 - 1 Die körperschaftlich organisierten Personenverbindungen und die einem besondern Zwecke gewidmeten und selbständigen Anstalten erlangen das Recht der Persönlichkeit durch die Eintragung in das Handelsregister. |
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1 | Die körperschaftlich organisierten Personenverbindungen und die einem besondern Zwecke gewidmeten und selbständigen Anstalten erlangen das Recht der Persönlichkeit durch die Eintragung in das Handelsregister. |
2 | Keiner Eintragung bedürfen die öffentlich-rechtlichen Körperschaften und Anstalten sowie die Vereine, die nicht wirtschaftliche Zwecke verfolgen.80 |
3 | Personenverbindungen und Anstalten zu unsittlichen oder widerrechtlichen Zwecken können das Recht der Persönlichkeit nicht erlangen. |
Trennungsurteil und demjenigen der Vorinstanz kann gesagt werden, dass die
Beklagte wohl einen nicht leichten Charakter hatte, sich aber nie in einer
Weise gehen liess, dass es ihr zu ernstem Verschulden anzurechnen wäre, und
dass die unziemlichen Beziehungen zu den zwei Männern für sich allein nicht
geeignet gewesen wären, zur Zerrüttung der Ehe zu führen, wäre doch die
Trennung, nach dem Wortlaut des Urteils, nicht ausgesprochen worden, wenn
neben dem Verschulden der Beklagten nicht objektive Scheidungsgründe in
Betracht gezogen worden wären. Die subjektive Voraussetzung auf Seite der
Beklagten ist somit zu bejahen.
b) Die Vorinstanz hat beide zugesprochenen Leistungen, die «Abfindungssumme e
von Fr. 4000. und die Unterhaltsrente, auf Art. 151 ZGB gestützt. Dieser Titel
setzt jedoch auf Seite des Angesprochenen voraus, dass er schuldiger Ehegatte
e sei. Nun ist der Kläger dies freilich in dem Sinne, dass er die Ehe
wiederholt gebrochen und ehebrecherische Verhältnisse unterhalten hat. Er
könnte daher nicht als schuldlos erklärt werden, wenn er seinerseits Ansprüche
aus Art. 151 erheben würde; denn nach feststehender Rechtsprechung schliesst
jedes grob ehewidrige Verhalten von diesen Ansprüchen aus, auch dann, wenn es
für die Zerrüttung der Ehe nicht kausal war; es soll ein Ehegatte
Entschädigungsansprüche nur stellen können, wenn er seine wesentlichen
Ehepflichten während der ganzen Dauer der Ehe erfüllt hat, auch nachdem sie
schon zerrüttet war (BGE 55 II 16, 71 II 52). Anders verhält es sich jedoch
auf Seite des nach Art. 151 belangten Ehegatten (Frage offen gelassen in BGE
78 II 307 Erw. 3 i. f.). Hier genügt ein schuldhaftes Verhalten, das erst
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nach Eintritt der Ehezerrüttung erfolgte, für diese also nicht mehr kausal
sein konnte, nicht, um die Partei zum schuldigen Ehegatten im Sinne von Art.
151 zu machen. Es handelt sich hier um einen Anwendungsfall der allgemeinen
Regeln des Schadenersatzrechts, nach welchen zwischen der haftungsbegründenden
Tatsache und dem Schaden das Verhältnis von Ursache und Wirkung
(Kausalzusammenhang) bestehen muss (v. TUHR OR I'§ 13). Der schuldige Ehegatte
muss den schuldlosen nicht entschädigen zur Strafe dafür, dass er sich
ehewidrig benommen hat, sondern weil er durch sein ehewidriges, schuldhaftes
Verhalten den Scheidungsgrund gesetzt, also die Scheidung verursacht hat,
durch die der andere in seinen Vermögensrechten und Anwartschaften
beeinträchtigt wird. Ein Verschulden, das für die Zerrüttung und damit die
Scheidung nicht kausal war, vermag mithin keine Entschädigungspflicht nach
Art. 151 zu begründen. Muss, wie im Vorstehenden ausgeführt, angenommen
werden, dass das schuldhafte Verhalten des Klägers zur Zerrüttung nicht mehr,
jedenfalls nicht mehr wesentlich beigetragen hat, weil sie bereits eingetreten
war, so kann der Beklagten aus Mt. 151 nichts zugesprochen werden, womit die
ihr zuerkannte «Abfindung e von Fr. 4000.- und die von ihr weiter verlangte
Genugtuungssumme dahinfallen.
c) Die Rente ist von der Vorinstanz ebenfalls in Anwendung von Art. 151 als
Entschädigungsrente zugesprochen, von der Beklagten aber in ihren
Rechtsschriften ausser mit dem Verlust der Anwartschaften (Erbrecht,
Pensionsanspruch) auch damit begründet worden, dass sie durch die Scheidung in
grosse Bedürftigkeit gerate, weil sie infolge ihrer zerrütteten Gesundheit
nicht mehr voll arbeitsfähig sei. Das Amtsgericht hatte ihr denn auch eine
«Bedürftigkeitsrente» von Fr. 350.- zugesprochen. Das Bundesgericht ist
übrigens an die rechtliche Begründung der Anträge nicht gebunden (Art. 63 Abs.
1
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 52 - 1 Die körperschaftlich organisierten Personenverbindungen und die einem besondern Zwecke gewidmeten und selbständigen Anstalten erlangen das Recht der Persönlichkeit durch die Eintragung in das Handelsregister. |
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1 | Die körperschaftlich organisierten Personenverbindungen und die einem besondern Zwecke gewidmeten und selbständigen Anstalten erlangen das Recht der Persönlichkeit durch die Eintragung in das Handelsregister. |
2 | Keiner Eintragung bedürfen die öffentlich-rechtlichen Körperschaften und Anstalten sowie die Vereine, die nicht wirtschaftliche Zwecke verfolgen.80 |
3 | Personenverbindungen und Anstalten zu unsittlichen oder widerrechtlichen Zwecken können das Recht der Persönlichkeit nicht erlangen. |
steht nichts entgegen, in deren
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rechtlicher Subsumtion von der Vorinstanz abzuweichen und die Rente, statt auf
den unanwendbaren Art. 151, wieder auf Art. 152 zu stützen. Die
Voraussetzungen für eine Bedürftigkeitsrente sind gegeben. Die Vorinstanz
stellt fest, dass die Beklagte heute gänzlich mittellos und kränklich und in
ihrer Arbeitsfähigkeit erheblich beeinträchtigt sei; der Experte bezeichnet
diese als schwer gestört und glaubt, dass es äusserst schwierig sei, eine
lohnende Beschäftigung für sie zu finden. Eine Bedürftigkeit im Sinne von Art.
152 ZGB liegt somit zweifellos vor.
d) (Höhe der Rente nicht zu beanstanden)...
Nicht zugestimmt werden kann dagegen der Klausel, wonach sich die
Rentenbeträge zufolge Steigens oder Fallens des Lebenskostenindex um je 10 %
entsprechend ändern. Eine solche automatische Anpassung der
Bedürftigkeitsrente hatte das Bundesgericht keineswegs im Auge, wenn es in
einem neueren Urteil diese grundsätzlich als nur herab-, aber nicht
heraufsetzbar erklärte und beifügte, die Möglichkeit der spätern bezüglichen
Abänderung des Scheidungsurteils im letztem Sinne müsse auf die im Urteil
selber unzweideutig vorgesehenen Fälle beschränkt bleiben (BGE 77 II 27).
Damit wollte lediglich gesagt werden, der Scheidungsrichter könne im Urteil
anordnen, dass beim Eintritt eines bestimmten, nach den Umständen des
konkreten Falles sicher voraussehbaren Ereignisses die Rente sich auf einen
bestimmten Betrag erhöhe; keineswegs sollte damit dem Richter die Befugnis
zuerkannt werden, dem rentenberechtigten Ehegatten Anspruch auf eine dem
Lebenskostenindex automatisch folgende Rente zu gewähren (Urteil vom 27.
Februar 1953 i. S. Pruschy c. Kind).
Demnach erkennt das Bundesgericht
Die Hauptberufung wird abgewiesen.
Die Anschlussberufung wird im Sinne der Erwägungen dahin gutgeheissen, dass
Dispositiv 2 des angefochtenen Urteils aufgehoben, die Entschädigungsforderung
der
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Beklagten nach Art. 151 ZGB abgewiesen und die Unterhaltsrente gemäss
Dispositiv 3 nach Art. 152 ZGB, statt nach Art. 151, zugesprochen wird, jedoch
unter Streichung von Dispositiv 3 letzter Absatz betr. Vorbehalt ihrer
Rektifikation entsprechend dem Lebenskostenindex.