S. 16 / Nr. 5 Familienrecht (d)

BGE 55 II 16

5. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 21. März 1929 i. S.
Martens gegen Martens.

Regeste:
Art. 151 und 152 ZGB: Begriff des schuldlosen Ehegatten: Auch nach
eingetretener Zerrüttung der Ehe können die Ansprüche aus Art. 151 und 152 ZGB
durch ehewidriges Verhalten verwirkt werden.

Die Beklagte hatte gestützt auf Art. 151 und 152 ZGB Zusprechung einer
Kapitalentschädigung von Fr. 20000 verlangt, wurde jedoch damit von der oberen
kantonalen Instanz und vom Bundesgericht abgewiesen, weil sie

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wenige Monate, nachdem die Ehe der Parteien mit Zustimmung der Beklagten für
die Dauer von drei Jahren getrennt worden war, die Einleitung einer
Strafuntersuchung gegen den Kläger veranlasst und damit bewirkt hatte, dass
dieser zu einem Tag Gefängnis verurteilt wurde. Der Einwand der Beklagten, die
Ehe sei damals schon völlig zerrüttet gewesen, wurde vom Bundesgericht mit
folgender Begründung zurückgewiesen:
Eine Schuld i. S. der Art. 151 und 152 ZGB liegt nicht bloss dann vor, wenn
dadurch die Zerrüttung der Ehe herbeigeführt wurde; in Betracht fällt
überhaupt jede Betätigung ehewidriger Gesinnung, selbst wenn die Ehe schon
vorher unheilbar zerrüttet war. Die Annahme, dass ein Ehegatte die mit der
Eheschliessung übernommenen Verpflichtungen ohne Beeinträchtigung seiner
Ansprüche aus Art. 151 und 152 ZGB schuldhaft verletzen dürfe, sobald einmal
das eheliche Verhältnis ohne sein Zutun zerrüttet sei, würde jegliches
Rechtsgefühl verletzen und kann daher dem Willen des Gesetzes nicht
entsprechen. Dass die Beklagte im vorliegenden Fall mit ihrer einzig aus
Rachsucht, ohne jedes anerkennenswerte Motiv vorgenommenen Denunzierung die
Grenzen weit überschritten hat, die einem Ehegatten, solange die Ehe nicht
aufgelöst ist, dem andern gegenüber gezogen sind, bedarf keiner weitern
Ausführungen. Damit hat sie auch ihre allfälligen Ansprüche aus Art. 151 /2
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 2 - 1 Jedermann hat in der Ausübung seiner Rechte und in der Erfüllung seiner Pflichten nach Treu und Glauben zu handeln.
1    Jedermann hat in der Ausübung seiner Rechte und in der Erfüllung seiner Pflichten nach Treu und Glauben zu handeln.
2    Der offenbare Missbrauch eines Rechtes findet keinen Rechtsschutz.
ZGB
verwirkt.
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 55 II 16
Datum : 01. Januar 1929
Publiziert : 21. März 1929
Quelle : Bundesgericht
Status : 55 II 16
Sachgebiet : BGE - Zivilrecht
Gegenstand : Art. 151 und 152 ZGB: Begriff des schuldlosen Ehegatten: Auch nach eingetretener Zerrüttung der Ehe...


Gesetzesregister
ZGB: 2 
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 2 - 1 Jedermann hat in der Ausübung seiner Rechte und in der Erfüllung seiner Pflichten nach Treu und Glauben zu handeln.
1    Jedermann hat in der Ausübung seiner Rechte und in der Erfüllung seiner Pflichten nach Treu und Glauben zu handeln.
2    Der offenbare Missbrauch eines Rechtes findet keinen Rechtsschutz.
151  152
BGE Register
55-II-16
Stichwortregister
Sortiert nach Häufigkeit oder Alphabet
beklagter • ehe • bundesgericht • ehegatte • bewilligung oder genehmigung • weiler • dauer • verhalten • tag • schuldloser ehegatte • verurteilter • strafuntersuchung • monat • wille • eheschliessung