S. 161 / Nr. 38 Strafgesetzbuch (d)

BGE 78 IV 161

38. Urteil des Kassationshofes vom 12. September 1952 i. S. Widmer gegen
Staatsanwaltschaft des Kantons Aargau.

Regeste:
Art. 191 Ziff. 2
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 191 - Wer eine urteilsunfähige oder eine zum Widerstand unfähige Person zum Beischlaf, zu einer beischlafsähnlichen oder einer anderen sexuellen Handlung missbraucht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zehn Jahren oder Geldstrafe bestraft.
, 203
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 191 - Wer eine urteilsunfähige oder eine zum Widerstand unfähige Person zum Beischlaf, zu einer beischlafsähnlichen oder einer anderen sexuellen Handlung missbraucht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zehn Jahren oder Geldstrafe bestraft.
StGB.
a) Begriff der unzüchtigen Handlung (Erw. 1.3).
b) Wann wird die unzüchtige Handlung öffentlich begangen? (Erw. 4, 5).
Art. 191 ch. 2 et 203 CP.
a) Notion de l'acte contraire à la pudeur (consid. 1 à 3).
b) Quand un tel acte est-il commis en public? (consid. 4 et 5).
Art. 191 cifra 2 e art. 203 CP.
a) Nozione dell'atto di libidine (consid. 1 a 3).
b) Quando l'atto di libidine è commesso in pubblico? (consid. 4 e 5).

A. - Widmer, Lehrer in Laufenburg, berührte in den Jahren 1947 bis 1950 im
Schulzimmer mit der Hand die blossen Oberschenkel von neun in den Jahren 1936
bis 1938 geborenen Schülerinnen. Teilweise fuhr er den Mädchen mit der Hand
unter die Hosen bis gegen den Geschlechtsteil. An einer der Schülerinnen
beging er die Tat nur einmal, an den anderen wiederholt. Einer weiteren
Schülerin unter sechzehn Jahren versuchte er in den Jahren 1949 und 1950
mehrmals die Oberschenkel zu berühren. Im Herbst 1950 trat er während einer
Unterrichtsstunde in den Gang des Schulhauses, weil eine Schülerin an die Türe
geklopft hatte, um im Auftrage des Pfarrers bei ihm

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Kreide zu holen. Als Widmer mit dem dreizehn Jahre alten Mädchen allein im
Gang war, berührte er ihm über den Kleidern eine Brust, obschon er sich
bewusst war, dass während der Tat irgendjemand zufällig hätte dazutreten
können.
B. - Am 6. Mai 1952 erklärte das Kriminalgericht des Kantons Aargau Widmer der
wiederholten vollendeten und versuchten Unzucht mit Kindern gemäss Art. 191
Ziff. 2 Abs. 1
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 191 - Wer eine urteilsunfähige oder eine zum Widerstand unfähige Person zum Beischlaf, zu einer beischlafsähnlichen oder einer anderen sexuellen Handlung missbraucht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zehn Jahren oder Geldstrafe bestraft.
und 2
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 191 - Wer eine urteilsunfähige oder eine zum Widerstand unfähige Person zum Beischlaf, zu einer beischlafsähnlichen oder einer anderen sexuellen Handlung missbraucht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zehn Jahren oder Geldstrafe bestraft.
StGB und wegen des Griffes an die Brust eines Mädchens
ausserdem der öffentlichen unzüchtigen Handlung gemäss Art. 203
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 191 - Wer eine urteilsunfähige oder eine zum Widerstand unfähige Person zum Beischlaf, zu einer beischlafsähnlichen oder einer anderen sexuellen Handlung missbraucht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zehn Jahren oder Geldstrafe bestraft.
StGB schuldig
und verurteilte ihn zu einer bedingt vollziehbaren Gefängnisstrafe von sechs
Monaten.
C. - Widmer führt Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, das Urteil sei
aufzuheben und die Sache zur Freisprechung an das Kriminalgericht
zurückzuweisen.
Er macht geltend, sein Verhalten sei zwar ein Fehler gewesen, der geeignet
sei, das Sittlichkeitsgefühl eines empfindsamen Menschen zu tangieren. Dass es
sich aber um einen schweren Verstoss gegen das Sittlichkeitsgefühl handle,
dürfe nicht angenommen werden. Der Beschwerdeführer habe seit drei Jahrzehnten
als geschätzter Lehrer in Laufenburg gewirkt, ohne je Anlass zu Beanstandungen
hinsichtlich des Verhaltens gegenüber seinen Zöglingen gegeben zu haben. Dass
ein Lehrer, der zu seinen Schülerinnen ein kameradschaftliches, ja väterliches
Verhältnis habe, in die Versuchung kommen könne, seiner Zuneigung in Formen
wie den vorliegenden Ausdruck zu geben, sei alltäglich. Selbst wenn dabei
unbewusst eine sexuelle Komponente mitwirke, liege das im Wesen des Menschen.
Alle praktischen Anwendungsfälle des Art. 191 Ziff. 2
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 191 - Wer eine urteilsunfähige oder eine zum Widerstand unfähige Person zum Beischlaf, zu einer beischlafsähnlichen oder einer anderen sexuellen Handlung missbraucht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zehn Jahren oder Geldstrafe bestraft.
StGB in der
bundesgerichtlichen Rechtsprechung beträfen gravierendere Tatbestände. Wenn
die Kinder auch von den Zudringlichkeiten des Lehrers gesprochen haben seien
sie doch nicht in ihrer sittlichen Integrität verletzt oder ernsthaft
gefährdet worden. Gemäss Bescheinigungen der Eltern hätten diese das Verhalten
des Lehrers nicht als unzüchtig

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bewertet. Die Schulpflege habe den Fall korrekt und weitsichtig
disziplinarisch erledigt. Der Fall sei leidenschaftlich aufgebauscht worden
und habe erst dadurch auch für die Kinder eine Bedeutung bekommen, die er
sonst nicht gehabt hätte. Der Beschwerdeführer habe nie aus Sinneslust
gehandelt. Er habe seine Schülerinnen wie ein Vater geliebt. Beim Berühren der
Brust eines Mädchens habe auch die Absicht der Betastung gefehlt. Art. 191
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 191 - Wer eine urteilsunfähige oder eine zum Widerstand unfähige Person zum Beischlaf, zu einer beischlafsähnlichen oder einer anderen sexuellen Handlung missbraucht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zehn Jahren oder Geldstrafe bestraft.

StGB gelte für schwerer wiegende Handlungen als die vorliegenden. Jedenfalls
sei Art. 203
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 191 - Wer eine urteilsunfähige oder eine zum Widerstand unfähige Person zum Beischlaf, zu einer beischlafsähnlichen oder einer anderen sexuellen Handlung missbraucht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zehn Jahren oder Geldstrafe bestraft.
StGB nicht anwendbar. Dieser Vorfall habe sich während der
Schulstunde im Gang des Schulhauses abgespielt, während die Türe zum Zimmer
geschlossen gewesen sei. Unter solchen Umständen liege nicht öffentliche
Begehung vor. Kein Dritter habe den Vorfall beobachtet, und es habe keine
erhebliche Wahrscheinlichkeit bestanden, dass ihn jemand hätte beobachten
können, was als Mindesterfordernis für eine öffentliche Begehung gelten müsse.
D. - Die Staatsanwaltschaft des Kantons Aargau beantragt, die Beschwerde sei
abzuweisen.
Der Kassationshof zieht in Erwägung:
1.- Wer ein Kind unter sechzehn Jahren zum Beischlaf oder zu einer ähnlichen
Handlung missbraucht, wird nach Ziff. 1, wer mit ihm eine andere unzüchtige
Handlung vornimmt, nach Ziff. 2 des Art. 191
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 191 - Wer eine urteilsunfähige oder eine zum Widerstand unfähige Person zum Beischlaf, zu einer beischlafsähnlichen oder einer anderen sexuellen Handlung missbraucht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zehn Jahren oder Geldstrafe bestraft.
StGB bestraft.
Der Begriff der «andern unzüchtigen Handlung» wird auch in Art. 188
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 188 - Wer mit einer minderjährigen Person von mindestens 16 Jahren, die von ihm durch ein Erziehungs-, Betreuungs- oder Arbeitsverhältnis oder auf andere Weise abhängig ist, eine sexuelle Handlung vornimmt, indem er diese Abhängigkeit ausnützt,
, 189 Abs.
2
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 189 - 1 Wer gegen den Willen einer Person eine sexuelle Handlung an dieser vornimmt oder von dieser vornehmen lässt oder zu diesem Zweck einen Schockzustand einer Person ausnützt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft.
1    Wer gegen den Willen einer Person eine sexuelle Handlung an dieser vornimmt oder von dieser vornehmen lässt oder zu diesem Zweck einen Schockzustand einer Person ausnützt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft.
2    Wer eine Person zur Vornahme oder Duldung einer sexuellen Handlung nötigt, namentlich indem er sie bedroht, Gewalt anwendet, sie unter psychischen Druck setzt oder zum Widerstand unfähig macht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zehn Jahren oder Geldstrafe bestraft.
3    Handelt der Täter nach Absatz 2 grausam, verwendet er eine gefährliche Waffe oder einen anderen gefährlichen Gegenstand, so ist die Strafe Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr.
, 190 Abs. 2
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 190 - 1 Wer gegen den Willen einer Person den Beischlaf oder eine beischlafsähnliche Handlung, die mit einem Eindringen in den Körper verbunden ist, an dieser vornimmt oder von dieser vornehmen lässt oder zu diesem Zweck einen Schockzustand einer Person ausnützt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren bestraft.
1    Wer gegen den Willen einer Person den Beischlaf oder eine beischlafsähnliche Handlung, die mit einem Eindringen in den Körper verbunden ist, an dieser vornimmt oder von dieser vornehmen lässt oder zu diesem Zweck einen Schockzustand einer Person ausnützt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren bestraft.
2    Wer eine Person zur Vornahme oder Duldung des Beischlafs oder einer beischlafsähnlichen Handlung, die mit einem Eindringen in den Körper verbunden ist, nötigt, namentlich indem er sie bedroht, Gewalt anwendet, sie unter psychischen Druck setzt oder zum Widerstand unfähig macht, wird mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren bestraft.
3    Handelt der Täter nach Absatz 2 grausam, verwendet er eine gefährliche Waffe oder einen anderen gefährlichen Gegenstand, so ist die Strafe Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren.
, 192 Ziff. 2
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 192
und 193 Abs. 3
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 193 - Wer eine Person veranlasst, eine sexuelle Handlung vorzunehmen oder zu dulden, indem er eine Notlage oder eine durch ein Arbeitsverhältnis oder eine in anderer Weise begründete Abhängigkeit ausnützt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe bestraft.
StGB dem Beischlaf
gegenübergestellt. Das Bundesgericht hat ihn stets dahin ausgelegt, dass eine
Handlung dann unzüchtig sei, wenn sie den geschlechtlichen Anstand verletzt,
indem sie in nicht leicht zu nehmender Weise gegen das Sittlichkeitsgefühl
verstösst (RStrs 1944 Nr.244 BGE 70 IV 209, 71 IV 95, 76 IV 276, 78 IV 35). Ob
das der Fall ist, beurteilt sich nach dem Empfinden des Volkes (BGE 71 IV 95,
76 IV 239) und den gesamten Umständen des Falles.

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2.- Auf Grund dieser Rechtsprechung steht die Unzüchtigkeit der Handlungen des
Beschwerdeführers ausser Frage. Sie konnten nicht nur, wie der
Beschwerdeführer meint, «zu Anstoss Anlass geben» und das «Sittlichkeitsgefühl
eines empfindsamen Menschen tangieren», sondern überschritten eindeutig die
Grenzen des geschlechtlichen Anstandes. Daher kommt nichts darauf an, ob der
Beschwerdeführer aus Sinnenlust oder, wie er beschönigend behauptet, aus
väterlicher Zuneigung gehandelt hat. Nur wenn die Handlungen nicht schon
objektiv eindeutig unzüchtig wären, gäbe der Wunsch nach Erregung oder
Befriedigung eigener oder fremder Geschlechtslust für die Anwendung des Art.
191 Ziff. 2 den Ausschlag (BGE 70 IV 209). Diese Bestimmung setzt auch nicht
voraus, dass der Verstoss gegen das Sittlichkeitsgefühl schwer sei. Unter den
«leicht zu nehmenden i Fällen, die das Bundesgericht ausnimmt, versteht es
bloss die harmlosen, die ein Mensch von durchschnittlichen Empfinden auf oder
knapp jenseits der Grenze des Anstandes sieht (BGE 76 IV 277). Der
Beschwerdeführer hat mit seinen sich unter den Röcken und zum Teil unter den
Hosen in der Richtung auf die Geschlechtsteile der Mädchen abspielenden
Liebkosungen die Grenzen des geschlechtlichen Anstandes deutlich
überschritten. Desgleichen mit dem Griff nach der Brust eines Mädchens. Die
Behauptung, er habe die Brust nicht absichtlich berührt, d.h. die Handlung
nicht mit Willen vorgenommen, ist nicht zu hören, denn die Vorinstanz erklärt,
dass er sich im kantonalen Verfahren der Anklage unterzogen hat, womit sie
sagen will, er habe die ihm vorgeworfenen objektiven und subjektiven Tatsachen
glaubwürdig eingestanden.
3.- Nach Art. 203
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 191 - Wer eine urteilsunfähige oder eine zum Widerstand unfähige Person zum Beischlaf, zu einer beischlafsähnlichen oder einer anderen sexuellen Handlung missbraucht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zehn Jahren oder Geldstrafe bestraft.
StGB ist strafbar, wer öffentlich eine unzüchtige Handlung
begeht.
Der Griff des Beschwerdeführers nach der Brust des dreizehn Jahre alten
Mädchens war auch unter dem Gesichtspunkt dieser Bestimmung unzüchtig. Er
musste das Empfinden eines Durchschnittsmenschen über die Zurückhaltung,

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die sich ein Lehrer gegenüber Schülerinnen in geschlechtlichen Dingen
aufzuerlegen hat, verletzen.
4.- Art. 203
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 191 - Wer eine urteilsunfähige oder eine zum Widerstand unfähige Person zum Beischlaf, zu einer beischlafsähnlichen oder einer anderen sexuellen Handlung missbraucht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zehn Jahren oder Geldstrafe bestraft.
StGB schützt die öffentliche Sittlichkeit (8. Randtitel zu Art.
203 ff.). Die Bestimmung soll verhüten, dass irgendjemand gegen seinen Willen
Augenzeuge einer unzüchtigen Handlung werde. Dass irgend ein Unbeteiligter die
Tat tatsächlich wahrgenommen habe, ist nicht nötig. Öffentlich ist sie schon
dann begangen, wenn nach den Umständen, insbesondere den örtlichen
Verhältnissen, bloss möglich war, dass anwesende oder zufällig hinzukommende
unbestimmte Dritte sie wahrnehmen (vgl. ZÜRCHER, Erl. zum VE 249). Dabei
genügt, wie bei jenen strafbaren Handlungen, die eine Gefährdung erfordern
(vgl. BGE 58 I 216, 70 IV 141, 71 IV 100, 72 IV 27, 73 IV 101, 183235), nicht
schon jede entfernte Möglichkeit der Verletzung des geschützten Rechtsgutes.
Die Gefahr muss konkret sein, d.h. die Möglichkeit des Eintrittes des
verwerflichen Erfolges muss nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge nahe liegen.
Diese Voraussetzung kann erfüllt sein, wenn der Täter zwar an einem nicht für
jedermann zugänglichen Orte, aber doch so, dass beliebige Personen die
Handlung sehen können, z.B. am offenen Fenster seiner Wohnung, Unzucht treibt.
Anderseits fehlt das Merkmal der Öffentlichkeit trotz Begehung an einem für
jedermann zugänglichen Orte, wenn die Umstände es unwahrscheinlich machen,
dass beliebige Dritte die Handlung wahrnehmen, z.B. wenn der Täter unter dem
Schutze der Dunkelheit an einsamer Stelle handelt oder Wachen aufstellt, die
ihn rechtzeitig vor sich nähernden Dritten warnen sollen (vgl. BIZüR 11 Nr.
44).
5.- Im vorliegenden Falle ist objektiv das Merkmal der öffentlichen Begehung
erfüllt. Der unzüchtige Griff des Beschwerdeführers nach der Brust des
Mädchens erfolgte im Gang des Schulhauses. Da zur Zeit der Tat in den
Schulzimmern unterrichtet wurde, bestand nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge
die nahe Möglichkeit, dass irgend eine Drittperson den Gang betrete und die
Handlung

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wahrnehme. Zum Beispiel hätte plötzlich ein Lehrer oder ein Schüler zu irgend
einer Verrichtung aus einem Schulzimmer treten können, ähnlich wie der
Beschwerdeführer selber und das von ihm belästigte Mädchen den Unterricht für
kurze Zeit verlassen hatten.
Auch in subjektiver Hinsicht hat der Beschwerdeführer die Tat öffentlich
begangen. Nach der verbindlichen Feststellung des Kriminalgerichts war er sich
bewusst, dass nach den Umständen irgendjemand zufällig dazutreten konnte.
Weiter als der objektive Tatbestand brauchte sein Vorsatz nicht zu reichen. Es
ist nicht nötig, dass der Beschwerdeführer den Willen hatte, die Tat unter den
Augen eines beliebigen Dritten zu begehen.
Demnach erkennt der Kassationshof:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird abgewiesen.
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 78 IV 161
Datum : 01. Januar 1952
Publiziert : 12. September 1952
Quelle : Bundesgericht
Status : 78 IV 161
Sachgebiet : BGE - Strafrecht und Strafvollzug
Gegenstand : Art. 191 Ziff. 2, 203 StGB.a) Begriff der unzüchtigen Handlung (Erw. 1.3).b) Wann wird die...


Gesetzesregister
StGB: 188 
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 188 - Wer mit einer minderjährigen Person von mindestens 16 Jahren, die von ihm durch ein Erziehungs-, Betreuungs- oder Arbeitsverhältnis oder auf andere Weise abhängig ist, eine sexuelle Handlung vornimmt, indem er diese Abhängigkeit ausnützt,
189 
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 189 - 1 Wer gegen den Willen einer Person eine sexuelle Handlung an dieser vornimmt oder von dieser vornehmen lässt oder zu diesem Zweck einen Schockzustand einer Person ausnützt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft.
1    Wer gegen den Willen einer Person eine sexuelle Handlung an dieser vornimmt oder von dieser vornehmen lässt oder zu diesem Zweck einen Schockzustand einer Person ausnützt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft.
2    Wer eine Person zur Vornahme oder Duldung einer sexuellen Handlung nötigt, namentlich indem er sie bedroht, Gewalt anwendet, sie unter psychischen Druck setzt oder zum Widerstand unfähig macht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zehn Jahren oder Geldstrafe bestraft.
3    Handelt der Täter nach Absatz 2 grausam, verwendet er eine gefährliche Waffe oder einen anderen gefährlichen Gegenstand, so ist die Strafe Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr.
190 
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 190 - 1 Wer gegen den Willen einer Person den Beischlaf oder eine beischlafsähnliche Handlung, die mit einem Eindringen in den Körper verbunden ist, an dieser vornimmt oder von dieser vornehmen lässt oder zu diesem Zweck einen Schockzustand einer Person ausnützt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren bestraft.
1    Wer gegen den Willen einer Person den Beischlaf oder eine beischlafsähnliche Handlung, die mit einem Eindringen in den Körper verbunden ist, an dieser vornimmt oder von dieser vornehmen lässt oder zu diesem Zweck einen Schockzustand einer Person ausnützt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren bestraft.
2    Wer eine Person zur Vornahme oder Duldung des Beischlafs oder einer beischlafsähnlichen Handlung, die mit einem Eindringen in den Körper verbunden ist, nötigt, namentlich indem er sie bedroht, Gewalt anwendet, sie unter psychischen Druck setzt oder zum Widerstand unfähig macht, wird mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren bestraft.
3    Handelt der Täter nach Absatz 2 grausam, verwendet er eine gefährliche Waffe oder einen anderen gefährlichen Gegenstand, so ist die Strafe Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren.
191 
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 191 - Wer eine urteilsunfähige oder eine zum Widerstand unfähige Person zum Beischlaf, zu einer beischlafsähnlichen oder einer anderen sexuellen Handlung missbraucht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zehn Jahren oder Geldstrafe bestraft.
192 
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 192
193 
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 193 - Wer eine Person veranlasst, eine sexuelle Handlung vorzunehmen oder zu dulden, indem er eine Notlage oder eine durch ein Arbeitsverhältnis oder eine in anderer Weise begründete Abhängigkeit ausnützt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe bestraft.
203
BGE Register
58-I-214 • 70-IV-139 • 70-IV-209 • 71-IV-94 • 71-IV-96 • 72-IV-23 • 73-IV-100 • 76-IV-237 • 76-IV-275 • 78-IV-161 • 78-IV-33
Stichwortregister
Sortiert nach Häufigkeit oder Alphabet
geschlecht • wille • bundesgericht • verhalten • aargau • kassationshof • zuneigung • strafgesetzbuch • vorsatz • sexuelle handlung • sachverhalt • zahl • voraussehbarkeit • zugang • frage • zimmer • fenster • bescheinigung • anklage • stelle
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