S. 432 / Nr. 74 Obligationenrecht (d)

BGE 78 II 432

74. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 23. Dezember 1952 i. S.
Intercommerz .A.-G. gegen Tunner.

Regeste:
Kauf, Schadenersatz wegen Nichterfüllung.
Voraussetzungen der abstrakten Schadensberechnung, Art. 191 Abs. 3
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 191 - 1 Kommt der Verkäufer seiner Vertragspflicht nicht nach, so hat er den Schaden, der dem Käufer hieraus entsteht, zu ersetzen.
1    Kommt der Verkäufer seiner Vertragspflicht nicht nach, so hat er den Schaden, der dem Käufer hieraus entsteht, zu ersetzen.
2    Der Käufer kann als seinen Schaden im kaufmännischen Verkehr die Differenz zwischen dem Kaufpreis und dem Preise, um den er sich einen Ersatz für die nicht gelieferte Sache in guten Treuen erworben hat, geltend machen.
3    Bei Waren, die einen Markt- oder Börsenpreis haben, kann er, ohne sich den Ersatz anzuschaffen, die Differenz zwischen dem Vertragspreise und dem Preise zur Erfüllungszeit als Schadenersatz verlangen.
OR.
Vente, dommags-intérêts pour inexécution.
Conditions du calcul abstrait du dommage, art. 191 al. 3 CO.
Vendita, risarcimento dei danni per inadempienza.
Presupposti del calcolo astratto del danno, art. 191, cp. 3, CO.

Der Kläger hat die ihm infolge der Nichterfüllung des Kaufvertrages gegenüber
der Beklagten zustehende Schadenersatzforderung nach der abstrakten Methode
berechnet, d.h. er fordert die Differenz zwischen dem Vertragspreis und dem -
wesentlich höheren - Preis zur Erfüllungszeit. Diese Berechnungsweise ist nach
Art. 191 Abs. 3
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 191 - 1 Kommt der Verkäufer seiner Vertragspflicht nicht nach, so hat er den Schaden, der dem Käufer hieraus entsteht, zu ersetzen.
1    Kommt der Verkäufer seiner Vertragspflicht nicht nach, so hat er den Schaden, der dem Käufer hieraus entsteht, zu ersetzen.
2    Der Käufer kann als seinen Schaden im kaufmännischen Verkehr die Differenz zwischen dem Kaufpreis und dem Preise, um den er sich einen Ersatz für die nicht gelieferte Sache in guten Treuen erworben hat, geltend machen.
3    Bei Waren, die einen Markt- oder Börsenpreis haben, kann er, ohne sich den Ersatz anzuschaffen, die Differenz zwischen dem Vertragspreise und dem Preise zur Erfüllungszeit als Schadenersatz verlangen.
OR zulässig für Waren, die einen Markt- oder Börsenpreis
haben. Die Vorinstanz hat nun offen gelassen, ob für die hier in Frage
stehende Ware - Betonrundeisen - ein eigentlicher Markt preis bestanden habe,
da die abstrakte Schadensberechnung auch zulässig sei beim Nachweis der
Verkäuflichkeit der betreffenden Ware; dann trete an Stelle des eigentlichen
Marktpreises der sogenannte Verkäuflichkeitspreis.
Mit ihrer Berufung bestreitet die Beklagte die Zulässigkeit solcher
Gleichsetzung von Markt- und

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Verkäuflichkeitspreis, da sie dem klaren Wortlaut von Art. 191 Abs. 3
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 191 - 1 Kommt der Verkäufer seiner Vertragspflicht nicht nach, so hat er den Schaden, der dem Käufer hieraus entsteht, zu ersetzen.
1    Kommt der Verkäufer seiner Vertragspflicht nicht nach, so hat er den Schaden, der dem Käufer hieraus entsteht, zu ersetzen.
2    Der Käufer kann als seinen Schaden im kaufmännischen Verkehr die Differenz zwischen dem Kaufpreis und dem Preise, um den er sich einen Ersatz für die nicht gelieferte Sache in guten Treuen erworben hat, geltend machen.
3    Bei Waren, die einen Markt- oder Börsenpreis haben, kann er, ohne sich den Ersatz anzuschaffen, die Differenz zwischen dem Vertragspreise und dem Preise zur Erfüllungszeit als Schadenersatz verlangen.
OR
zuwiderlaufe.
a) Bei der Entscheidung dieser Frage ist davon auszugehen, dass die abstrakte
Schadensberechnung vom Gesetz zugelassen wird, weil sie einem Bedürfnis des
kaufmännischen Verkehrs entspricht. Der Kaufmann, der sich als Mittler in den
Warenverkehr einschaltet und dabei selber als Käufer und Verkäufer auftritt,
zieht seinen Nutzen aus der Differenz zwischen Ankaufs- und Verkaufspreis.
Durch den Ausfall eines Umsatzgeschäftes erleidet er einen Verlust, wenn er
die Ware zu einem höheren als dem Einstandspreis hätte verkaufen können. Da
beim Kaufmann die Vermutung dafür spricht, dass er die gekaufte Ware
weiterveräussert hätte, entbindet ihn das Gesetz vom Nachweis eines
Ersatzgeschäftes, wenn für die betreffende Ware allgemein ein Markt mit einem
durch Angebot und Nachfrage regulierten Preis besteht, und gestattet ihm, den
Schaden abstrakt, durch Gegenüberstellung des Vertragspreises und des
Marktpreises zu berechnen.
Diese abstrakte Schadensberechnung nach Art. 191 Abs. 3
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 191 - 1 Kommt der Verkäufer seiner Vertragspflicht nicht nach, so hat er den Schaden, der dem Käufer hieraus entsteht, zu ersetzen.
1    Kommt der Verkäufer seiner Vertragspflicht nicht nach, so hat er den Schaden, der dem Käufer hieraus entsteht, zu ersetzen.
2    Der Käufer kann als seinen Schaden im kaufmännischen Verkehr die Differenz zwischen dem Kaufpreis und dem Preise, um den er sich einen Ersatz für die nicht gelieferte Sache in guten Treuen erworben hat, geltend machen.
3    Bei Waren, die einen Markt- oder Börsenpreis haben, kann er, ohne sich den Ersatz anzuschaffen, die Differenz zwischen dem Vertragspreise und dem Preise zur Erfüllungszeit als Schadenersatz verlangen.
OR hat ihr Vorbild in
§ 376 des deutschen HGB. Lehre und Rechtsprechung zu diesem lassen die
abstrakte Schadensberechnung zu für alle Waren, die Gegenstand eines
Handelskaufes bilden, weil für sie allgemein die Vermutung der
Weiterveräusserung gilt. Beim Fehlen eines eigentlichen, auf Kursnotierungen
beruhenden Marktpreises wird bis zum Beweis des Gegenteils ihre
Verkäuflichkeit angenommen und der abstrakten Schadensberechnung die Differenz
zwischen Vertragspreis und Verkäuflichkeitswert zu Grunde gelegt. Dabei ist
der Verkäuflichkeitswert nach dem Preis zu bestimmen, den der Verkauf
voraussichtlich ergeben hätte (Kommentar der Reichsgerichtsräte zum HGB,
Anhang zu § 374 Anm. 60, 60 a: § 376 Anm. 17).
Diese Grundsätze sind von der schweizerischen Rechtsprechung weitgehend
übernommen worden. Schon in

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BGE 47 II 192 erklärte das Bundesgericht ohne nähere Begründung die abstrakte
Schadensberechnung auf Grund der Differenz zwischen Vertrags- und
Verkäuflichkeitspreis als zulässig. In BGE 49 II 84 ff. wurde die Frage dann
einlässlich untersucht und die erwähnte Auslegung bestätigt. Dabei ging das
Gericht davon aus, dass als Marktpreis der Preis zu verstehen sei, der infolge
regelmässiger Geschäftsabschlüsse für eine Ware bestimmter Gattung und Art an
einem bestimmten Handelsplatz zu bestimmter Zeit erzielt werde. Einen Nachweis
für tatsächlich erfolgte Abschlüsse erklärte das Gericht indessen als nicht
erforderlich; denn da die abstrakte Schadensberechnung nur eine vereinfachte
Formel für die Ermittlung des entgangenen Gewinns darstelle, so genüge beim
Verzug des Verkäufers die Verkäuflichkeit (wie beim Verzuge des Käufers die
Käuflichkeit) der Ware. Die abstrakte Berechnungsweise auszuschliessen, wenn
für die kritische Zeit effektive Käufe und Verkäufe nicht nachweisbar seien,
könne nicht der Wille des Gesetzgebers gewesen sein, da sonst Abs. 3 von Art.
191
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 191 - 1 Kommt der Verkäufer seiner Vertragspflicht nicht nach, so hat er den Schaden, der dem Käufer hieraus entsteht, zu ersetzen.
1    Kommt der Verkäufer seiner Vertragspflicht nicht nach, so hat er den Schaden, der dem Käufer hieraus entsteht, zu ersetzen.
2    Der Käufer kann als seinen Schaden im kaufmännischen Verkehr die Differenz zwischen dem Kaufpreis und dem Preise, um den er sich einen Ersatz für die nicht gelieferte Sache in guten Treuen erworben hat, geltend machen.
3    Bei Waren, die einen Markt- oder Börsenpreis haben, kann er, ohne sich den Ersatz anzuschaffen, die Differenz zwischen dem Vertragspreise und dem Preise zur Erfüllungszeit als Schadenersatz verlangen.
OR gerade in den Fällen versagen würde, wo das Erfüllungsinteresse des
Käufers gegen über dem vertragsbrüchigen Verkäufer am grössten sei, nämlich
bei besonders starkem Ansteigen der Preise nach dem Vertragsschluss.
Unter Berufung auf diesen Entscheid hat das Handelsgericht Zürich im Jahre
1946 die abstrakte Schadensberechnung zugelassen in einem Falle, wo von einem
eigentlichen Markt preis nicht gesprochen werden konnte, wo aber nach den
Umständen die Verkäuflichkeit angenommen werden durfte (ZR 46 Nr. 120). Das
Bundesgericht hat diesen Entscheid bestätigt, da die rechtlichen
Ausgangspunkte und die Berechnungsweise der Schadensermittlung nicht zu
beanstanden seien (Urteil vom 18. Dezember 1946 i.S. Matter-Fischli AG. c.
Gebrüder Nauer).
b) Von den durch die Rechtsprechung im dargelegten Sinn umschriebenen
Voraussetzungen für die Zulässigkeit der abstrakten Schadensberechnung
abzuweichen, besteht

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kein Anlass. Es ist somit jeweils nach den gegebenen Umständen zu prüfen, ob
zur Erfüllungszeit am Ort der geschuldet en Leistung ein eigentlicher
Marktpreis oder wenigstens die Verkäuflichkeit zu einem nach objektiven
Gesichtspunkten feststellbaren üblichen Preis bestanden habe. Dabei wäre
letzteres nicht schon dann auszuschliessen, wenn für jenen Zeitpunkt keine
Abschlüsse über Waren der streitigen Art nachgewiesen sind. Es können frühere
Abschlüsse die Marktlage dauernd bestimmt haben, sofern Kaufs- oder
Verkaufsangebote für den massgebenden Zeitpunkt bestanden. Dagegen wäre ein
Marktpreis im weiteren Sinne dann zu verneinen, wenn es zwar zu gelegentlichen
Abschlüssen gekommen ist, aber zu Preisen, die von den besonderen, beim Käufer
oder Verkäufer vorhandenen persönlichen Umständen abhingen.
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 78 II 432
Datum : 01. Januar 1952
Publiziert : 23. Dezember 1952
Quelle : Bundesgericht
Status : 78 II 432
Sachgebiet : BGE - Zivilrecht
Gegenstand : Kauf, Schadenersatz wegen Nichterfüllung.Voraussetzungen der abstrakten Schadensberechnung, Art...


Gesetzesregister
OR: 191
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 191 - 1 Kommt der Verkäufer seiner Vertragspflicht nicht nach, so hat er den Schaden, der dem Käufer hieraus entsteht, zu ersetzen.
1    Kommt der Verkäufer seiner Vertragspflicht nicht nach, so hat er den Schaden, der dem Käufer hieraus entsteht, zu ersetzen.
2    Der Käufer kann als seinen Schaden im kaufmännischen Verkehr die Differenz zwischen dem Kaufpreis und dem Preise, um den er sich einen Ersatz für die nicht gelieferte Sache in guten Treuen erworben hat, geltend machen.
3    Bei Waren, die einen Markt- oder Börsenpreis haben, kann er, ohne sich den Ersatz anzuschaffen, die Differenz zwischen dem Vertragspreise und dem Preise zur Erfüllungszeit als Schadenersatz verlangen.
BGE Register
47-II-190 • 49-II-77 • 78-II-432
Stichwortregister
Sortiert nach Häufigkeit oder Alphabet
marktpreis • frage • kauf • beklagter • weiler • bundesgericht • verzug • vermutung • kaufmann • stichtag • entscheid • beweis • handelsgericht • einstandspreis • schaden • vorinstanz • wille • schadenersatz • stelle