S. 181 / Nr. 35 Verfahren (d)
BGE 78 II 181
35. Urteil der Il. Zivilabteilung vom 26. Mai 1952 i. S. Walser gegen
Langlade.
Regeste:
Berufung, Streitwert.
1. Voraussetzungen der Zusammenrechnung gemäss Art. 47 Abs. 1 OG.
2. Streitwert der Klage eines gesetzlichen Erben gegen einen Vermächtnisnehmer
auf Ungültigerklärung des Testamentes.
Recours en réforme, valeur litigieuse.
1. Conditions pour l'addition des divers chefs de conclusions conformément à
l'art. 47 al. 1 OJ.
2. Valeur litigieuse de l'action d'un héritier légal contre un légataire en
annulation du testament.
Ricorso per riforma, valore litigioso.
1. Condizioni per l'addizione di più pretese conformemente all'art. 47 cp. 1
OG.
2. Valore litigioso dell'azione d'un erede legittimo contro un legatario per
far annullare il testamento.
Der am 26. September 1948 gestorbene Traugott Walser, der als gesetzliche
Erben seine Ehefrau Mathilde geb. Mösler und seine Tochter Marie-Louise
hinterliess, hatte in einem eigenhändigen Testament mehrern Personen
Vermächtnisse
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ausgesetzt, u.a. seiner Nichte Emma Walser (nunmehr Langlade-walser) ein
solches von Fr. 10000.-. Frau Walser und die Tochter erhoben gegen Emma
Langlade jede für sich Klage auf Ungültigerklärung des Testaments, eventuell
Herabsetzung des Vermächtnisses. Entsprechend gingen sie nach ihrer
Darstellung in der Berufungsschrift auch gegen die übrigen Vermächtnisnehmer
vor. Mit Urteilen vom 28. Februar 19,«2 hat das Obergericht von Appenzell
A.Rh. die (vorweg behandelten) Klagen von Witwe und Tochter gegen Emma
Langlade abgewiesen.
Gegen diese Urteile haben die beiden Klägerinnen gemeinsam die Berufung an das
Bundesgericht erklärt. Dieses tritt auf die Berufung nicht ein.
Erwägungen
Das Interesse der Klägerin Frau Walser an der Gutheissung der Klage gegen Emma
Langlade beträgt, da ihr gesetzlicher Erbteil ein Viertel der Erbschaft und
das angefochtene Vermächtnis Fr. 10000. ausmacht, von Fr. 10000.-, also Fr.
2500.-. Die Berufungssumme von Fr. 4000.- (Art. 46 OG) ist also in ihrem Falle
nicht erreicht, sofern nicht der Streitwert aus besondern Gründen auf einen
ihr Interesse übersteigenden Betrag anzusetzen ist. Solche Gründe fehlen.
a) Mehrere in einer vermögensrechtlichen Klage, sei es von einem Kläger, sei
es von Streitgenossen, geltend gemachte Ansprüche werden nach Art. 47 Abs. 1
OG, auch wenn sie nicht den gleichen Gegenstand betreffen, zusammengerechnet,
sofern sie sich nicht gegenseitig ausschliessen. Bei Prüfling der Frage, ob
eine Klagenhäufung im Sinne dieser Bestimmung vorliege, ist auf die
Verhältnisse abzustellen, wie sie im kantonalen Verfahren bestanden.
Massgebend ist also, ob vor den kantonalen Instanzen mehrere Ansprüche von
einem Kläger oder von Streitgenossen in einer und derselben Klage geltend
gemacht wurden oder nicht (vgl. BIRCHMEIER, Handbuch des OG,
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S. 153 ff. BGE 39 II 807 40 II 76 und dortige Zitate). Im vorliegenden Falle
haben die Witwe und die Tochter des Erblassers die Vermächtnisnehmerin Emma
Langlade je mit einer besondern Klage belangt, und die kantonalen Gerichte
haben die beiden Prozesse nicht vereinigt, sondern durch getrennte Urteile
erledigt. Frau Walser hat auch nicht etwa mit der gleichen Klage neben Emma
Langlade noch weitere Vermächtnisnehmer ins Recht gefasst. Es liegt daher
weder eine subjektive noch eine objektive Klagenhäufung im Sinne von Art. 47
OG vor. Die Tatsache, dass die beiden Klägerinnen gemeinsam die Berufung an
das Bundesgericht erklärt haben, vermag hieran nichts zu ändern, weil es wie
gesagt darauf ankommt, ob ihre Ansprüche im kantonalen Verfahren in einer
Klage oder getrennt geltend gemacht wurden. Die Voraussetzungen für die
Anwendung von Art. 47 Abs. 1 OG sind daher nicht erfüllt.
b) Man könnte versucht sein zu sagen, der Streitwert sei deswegen höher als
Fr. 2500.-, weil die Ungültigerklärung des Testaments im Prozess der Frau
Walser gegen Emma Langlade auch den übrigen Vermächtnisansprüchen die
Grundlage entziehen würde und auf jeden Fall das Interesse der Beklagten Fr.
10000.- erreiche. Das Urteil im vorliegenden Prozesse schafft jedoch nur
zwischen den Parteien dieses Prozesses Recht (BGE 57 II 152). Es berührt die
Ansprüche der neben Emma Langlade mit Vermächtnissen bedachten Personen nicht.
Aber auch die Beklagte hat kein Fr. 2500.- übersteigendes Streitinteresse,
weil die Frage, ob das Vermächtnis zu ihren Gunsten bestehe oder nicht, durch
das Urteil in diesem Prozess nur mit Wirkung für das Verhältnis zu Frau
Walser, nicht auch mit Wirkung für das Verhältnis zur Tochter des Erblassers
entschieden wird.