S. 72 / Nr. 9 Bundesrechtliche Abgaben (d)

BGE 78 I 72

9. Urteil vom 5. April 1952 i. S. H. gegen eidg. Steuerverwaltung.

Regeste:
Warenumatzsteuer Ermittlung der steuerbaren Umsätze einer Bäckerei und
Konditorei. Schätzung nach Ermessen, wenn die Buchhaltung zwar formell
einwandfrei ist, aber in auffallendem Widerspruch zu den Erfahrungstatsachen
steht, ohne dass eine ausreichende Erklärung hiefür gegeben wird.
Impôt sur le chiffre d'affaires Détermination du chiffre d'affaires imposable
dans le cas d'une boulangerie-pâtisserie. Estimation par appréciation lorsque
la comptabilité, bien qu'irréprochable dans sa forme, donne néanmoins des
résultats qui sont avec les données de l'expérience dans une contradiction
frappante et que rien n'est venu expliquer.
Imposta sulla cifra d'affari: Determinazione della cifra d'affari imponibile
di una panetteria e pasticceria. Valutazione in via di apprezzamento quando il
risultato della contabilità, incensurabile dal lato formale, è in contrasto
manifesto con i dati dell'esperienza e il contribuente non è in grado di
fornire una spiegazione plausibile per tale divergenza.

A. - Der Beschwerdeführer betreibt eine Bäckerei und Konditorei. Er ist als
Gross ist im Sinne des Warenumsatzsteuerbeschlusses (WUStB) im Register der
Steuerpflichtigen eingetragen. Aufgrund einer in seinem Betriebe vorgenommenen
Kontrolle gelangte die eidgenössische Steuerverwaltung (EStV) zum Schluss,
dass die von ihm in den vierteljährlichen Abrechnungen über die
Warenumsatzsteuer für die Zeit vom 1. April 1947 bis zum 30. Juni 1950 auf
Grund seiner Bücher und Belege deklarierten steuerbaren Umsätze mit den
tatsächlich erzielten Ergebnissen nicht übereinstimmen könnten. Sie nahm daher
eine Schätzung nach Ermessen vor, wobei sie vom verbuchten Warenaufwand
ausging und die branchenüblichen Verkaufszuschläge in Anrechnung brachte.
Gestützt auf

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ihre Berechnungen fordert sie vom Beschwerdeführer für die erwähnte Zeitspanne
Warenumsatzsteuern im Betrage von Fr. 1044.50 nebst Verzugszins seit dem 1.
Februar 1949 nach. Der Begründung des Einspracheentscheides vom 6. Februar
1952, welcher die Forderung bestätigt, ist zu entnehmen:
a) Die Buchhaltung des Beschwerdeführers sei zwar formell einwandfrei geführt,
doch bestehe zwischen den von ihm deklarierten und den auf Grund der
erfahrungsmässigen Verkaufszuschläge ermittelten steuerbaren Umsätzen in dem
in Frage stehenden Zeitraum eine Divergenz, die aus den Umständen nicht
erklärt werden könne, wie folgende Gegenüberstellung zeige:
Geschäftsjahr: Warenaufwand (Fett, Oel, Deklarierte
Milch, Milchprodukte, Eier, steuerbare
Butter, Zucker, Nüsse, Umsätze
Mandeln, Früchtekonserven,
andere Hilfsstoffe sowie
Anteil Weissmehl) für die
Herstellung steuerbarer
Backwaren (Kleingebäck,
Patisserie) und Einstands-
wert der Handelswaren
(Biskuits, Schokolade usw.)
Fr. Fr.
1.4.1947-31.3.1948 26,083.40 28,668.70
1.4.1948-31.3.1949 21,477.90 24,162.65
1.4.1949-31.3.1950 18,925.40 16,798.20
66,486.70 69,629.55
Nach den buchmässigen Aufzeichnungen hätte der Beschwerdeführer somit auf den
Umsätzen an Kleingebäck, Patisserie und Handelswaren nur einen Bruttogewinn
von rund 3000 Franken erzielt, was unmöglich stimmen könne, da der Norm ein
Bruttogewinn von 65,000 bis 70,000 Franken entspräche. Die EStV habe daher zu
einer Schätzung schreiten müssen.
b) Den Einwänden des Beschwerdeführers, der Umsatz an Kleingebäck und
Patisserie sei seit dem Frühjahr

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1947 wegen der kriegswirtschaftlichen Vorschriften über die Herstellung von
Halbweissbrot und auch infolge Krankheit (Operation des Beschwerdeführers und
Abwesenheit seiner lungenkranken Frau) zurückgegangen, sei bei der Schätzung
Rechnung getragen worden, da auf die gebuchten Aufwendungen für die zur
Herstellung steuerbarer Waren nötigen Rohstoffe abgestellt worden sei. Die
geschätzten Umsätze von Kleingebäck sind Patisserie wiesen denn auch eine
stark rückläufige Bewegung auf:
Geschäftsjahr 1947/48 rund Fr. 41000.-
1948/49 rund Fr. 25700.-
1949/50 rund Fr. 21800.-
c) Der Schätzung der Umsätze an Kleingebäck und Patisserie sei ein
durchschnittlicher Verkaufszuschlag von 100 % (entsprechend einem Bruttogewinn
von 50 %) zugrunde gelegt worden. Nach Dr. W. STöR (Erhebungen über die
Erwerbsverhältnisse von Selbständigerwerbenden für das Einschätzungsjahr 1949,
S. 5, und Erhebungen über die Einkommensverhältnisse von
Selbständigerwerbenden für das Einschätzungsjahr 1951, S. 8) könne für diese
Produkte - bei Berücksichtigung eines Verlustes von 2 % für unverkäufliche
Ware - mit Bruttogewinnen von 53 % (für 1947 und 1949) bzw. 52 0,4) (für 1948)
und demgemäss mit Verkaufszuschlägen von 112,5 0/o bzw. 108 0,4) gerechnet
werden. Im erfahrungsmässig festgestellten Bruttogewinn sei die vom
Beschwerdeführer geltend gemachte Verteuerung der Einstandspreise bereits
berücksichtigt. Seinem Einwand, dass der Anteil der unverkäuflichen Ware bei
ihm über dem Durchschnitt liege, habe die EStV Rechnung getragen, indem sie
nur einen Verkaufszuschlag von 100 % (statt durchschnittlich mindestens 110%
eingesetzt habe.
d) Für Handelswaren (Biskuits, Schokolade usw.) betrage der Verkaufszuschlag
erfahrungsgemäss rund 30% (vgl. STöR, a.a.O. S. 6 und S. 9). Die EStV habe
aber

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lediglich 25% berechnet, so dass der von ihr geschätzte Umsatz von
Handelswaren (Einstandswert Fr. 22291.60) um mehr als Fr. 1000. unter dem der
Erfahrungszahl entsprechenden Betrage liege. Die vom Beschwerdeführer
behaupteten, aber durch nichts belegten «sehr grossen Verluste» infolge
Diebstahls von Schokolade und Biskuits durch seinen Lehrling dürften Fr.
1000.- kaum erreicht haben; eine Herabsetzung des Handelswarenumsatzes wegen
Diebstahls rechtfertige sich daher nicht.
B. - In seiner Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen den Einspracheentscheid
bestreitet H. die gegen ihn erhobene Mehrforderung im vollen Umfange. Er macht
geltend, er müsse darauf beharren, dass die von ihm auf Grund der Buchhaltung
und der Backkontrolle deklarierten Umsatzzahlen richtig seien. Die abweichende
«Bureau-Rechnung» der EStV, deren Beamte nicht über die erforderlichen
praktischen Kenntnisse verfügten, sei falsch.
Bei den Handelswaren dürfe der Verkaufszuschlag höchstens mit 25 0% in
Rechnung gestellt werden; für gewisse Artikel wie Krüsch betrage er sogar nur
8-10 0% der Ankaufspreis für 1 kg Weissmehl belaufe sich auf Fr. 1.35, der
Verkaufspreis aber nur auf Fr. 1.50. Weit übersetzt sei auch der
Verkaufszuschlag, den die EStV für Kleingebäck und Patisserie berechnet habe.
«Wenn man die Teuerungen wie unverkaufte Ware abrechnet, bleiben keine 40 0%,
mehr.» Die EStV habe auf den allgemeinen Rückgang der Verdienstmöglichkeiten
im Bäckergewerbe und auf die besonderen Schwierigkeiten, mit denen der
Beschwerdeführer zu kämpfen gehabt habe, nicht Rücksicht genommen.
C. - Die EStV beantragt Abweisung der Beschwerde. Sie führt aus:
a) Die vom Beschwerdeführer vorgenommene Aufteilung des Umsatzes in steuerbare
und steuerfreie Lieferungen entspreche offensichtlich nicht der wahren
Sachlage. Nach den der Beschwerde beigelegten Rechnungsabschlüssen habe in den
Geschäftsjahren 1947/48, 1948/49 und

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1949/50 der Mehlaufwand insgesamt Fr. 63997.32, der übrige Warenaufwand Fr.
71,648.06 betragen demgegenüber habe der Beschwerdeführer für den gleichen
Zeitraum die Umsätze an steuerfreien Waren (Brot, Brötchen) mit Fr. 124,240.-
und die steuerbaren Umsätze mit Fr. 69,630.- deklariert. Demnach hätte er auf
den Brotumsätzen einen überdurchschnittlichen Bruttogewinn erzielt, auf den
Lieferungen der übrigen Waren dagegen überhaupt keinen. Erfahrungsgemäss
übersteige aber der Bruttogewinn auf Kleingebäck und Patisserie durchweg
denjenigen auf Brot.
Nach den statistischen Erhebungen der EStV betrage im Bäckerei- und
Konditoreigewerbe der Anteil der steuerbaren Lieferungen am Gesamtumsatz
durchschnittlich um 60 0/o; er unterliege erfahrungsgemäss nur unbedeutenden
Schwankungen. Die Deklarationen des Beschwerdeführers für die Zeit vom 1.
April 1946 bis zum 31. März 1947 hätten diesem Verhältnis denn auch
entsprochen. Dagegen wäre nach den späteren Deklarationen jener Anteil im
Geschäftsjahr 1947/48 auf 40%, im Geschäftsjahr 1948/49 auf 35% und im
Geschäftsjahr 1949;50 gar auf 30% gesunken. Eine solche Strukturänderung sei
an und für sich schon unwahrscheinlich im vorliegenden Fall sei sie angesichts
der Aufteilung der eingekauften Waren (Mehl einerseits und übrige Rohstoffe
sowie Handelswaren anderseits) geradezu unmöglich.
b) Nach den eigenen Ausführungen des Beschwerdeführers sei der für
Handelswaren wie Schokolade, Konfiseriewaren und dergleichen in Rechnung
gestellte Verkaufszuschlag von 25 % nicht übersetzt. Wohl werfe der Verkauf
von Weissmehl und Krüsch nur einen bescheidenen Ertrag ab diese Waren seien
aber in die Umsatz- und Steuerberechnung der EStV gar nicht einbezogen worden
die Lieferung von Weissmehl sei ja steuerfrei.
Nach der Darstellung der Beschwerde hätte der Verkaufszuschlag für Kleingebäck
und Patisserie immerhin 40% (entsprechend Bruttogewinn von knapp

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29%) betragen. Würde diese Behauptung - welche den eigenen Aufzeichnungen des
Beschwerdeführers widerspreche - zutreffen, so hätte er auf diesen Waren nur
einen um Weniges höheren Bruttogewinn erzielt als auf den Handelswaren und
sogar einen geringeren als auf dem Halbweissbrot, so dass es ihm gar nicht
möglich gewesen wäre, die von ihm in den Jahresabschlüssen ausgewiesenen
durchschnittlichen Bruttogewinne auf dem gesamten Umsatz von Brot, Kleinback-,
Konfiserie- und Handelswaren (1947/48: 35,7%, 1948/49: 30,5%, 1949/50: 38,2%,
1950/51: 44,2%) zu erzielen.
Das Bundesgericht zieht in Erwägung':
1.- Nach Art. 34 Abs. 1 WUStB hat der Steuerpflichtige seine Geschäftsbücher
so einzurichten, dass sich daraus die Tatsachen, welche zur Feststellung des
Umfanges der Steuerpflicht von Bedeutung sind, leicht und zuverlässig
ermitteln lassen. Stellt sich bei einer Kontrolle (Art. 35) heraus, dass
überhaupt keine oder keine zuverlässigen buchmässigen Aufzeichnungen vorhanden
sind, so darf die EStV die vom Steuerpflichtigen nach Art. 25 abgelieferten
Abrechnungen berichtigen und die für den Umfang der Steuerpflicht massgebenden
Umsätze nach pflichtgemässem Ermessen selbst festsetzen. Dies ergibt sich aus
den Vorschriften über Buchführung und Kontrolle und aus Art. 5, wonach die
EStV eine Entscheidung z. B. dann treffen kann, wenn der Steuerpflichtige die
im Abrechnungs- oder Kontrollverfahren erfolgenden Beanstandungen nicht
anerkennt (BGE 72 I 120). Die EStV darf auch von einer formell einwandfrei
geführten Buchhaltung abweichen, wenn die daraus hervorgehenden Umsätze in
auffallendem Widerspruch zu den Erfahrungstatsachen stehen, ohne dass
besondere Umstände, welche dies hinreichend erklären würden, dargetan wären.
In solchen Fällen ist es zulässig, auf Erfahrungszahlen abzustellen, unter der
Voraussetzung, dass auf die besonderen Verhältnisse des in Frage stehenden
Betriebes soweit

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als möglich Rücksicht genommen wird (nicht veröffentlichtes Urteil vom 8. Juni
1951 i. S. Bühler, betreffend Wehrsteuer).
2.- Die Buchhaltung des Beschwerdeführers hat in formeller Beziehung zu keinen
Beanstandungen Anlass gegeben. Aber die EStV hat in überzeugender Weise
dargetan, dass die steuerbaren Umsätze, welche er in seinen Abrechnungen über
die in Frage stehenden Steuerperioden gestützt auf seine Bücher und Belege
angegeben hat, derart weit unter den nach Massgabe branchenüblicher
Verkaufszuschläge ermittelten Zahlen liegen, dass sie der wahren Sachlage
nicht entsprechen können. Gegen die Ausführungen, welche hierüber im
angefochtenen Entscheide gemacht werden, hat der Beschwerdeführer nichts
Triftiges vorgebracht. Die von der EStV zum Vergleich herangezogenen
Erfahrungszahlen sind das Ergebnis statistischer Erhebungen das Bundesgericht
hat keine Veranlassung, ihre Zuverlässigkeit in Zweifel zu ziehen. Nach den
Aufzeichnungen des Beschwerdeführers hätte der durchschnittliche
Verkaufszuschlag auf den steuerbaren Waren in den Geschäftsjahren 1947, 48,
1948 49 und 1949/50 nicht einmal 5 % betragen, wie sich aus der
Gegenüberstellung auf S. 4 des Einspracheentscheides ergibt. In der Eingabe an
das Bundesgericht sagt der Beschwerdeführer indessen, dass beim Kleingebäck
und bei der Patisserie mit einem Zuschlag bis zu 40 und bei den Handelswaren
mit einem solchen bis zu 25 0,/O gerechnet werden könne. Er bestätigt damit
selbst, dass auf seine Steuerabrechnungen kein Verlass ist. Es ist daher nicht
zu beanstanden, dass die EStV die steuerbaren Umsätze nach Ermessen geschätzt
hat.
3.- Die Richtigkeit der getroffenen Schätzung kann der Gerichtshof nur
beschränkt überprüfen. Er könnte nur einschreiten, wenn der Verwaltung
offensichtliche Fehler oder Irrtümer unterlaufen wären (Art. 104 Abs. 2 OG).
Es liegen aber keine Anhaltspunkte da für vor, dass diese Voraussetzung
erfüllt ist. Nichts lässt in der

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Tat darauf schliessen, dass die EStV bei der Schätzung erwägenswerte
Gesichtspunkte übergangen oder unrichtig gewürdigt habe. Sie. hat der
Berechnung des auf die steuerbaren Umsätze entfallenden Warenaufwandes die
buchmässigen Aufzeichnungen des Beschwerdeführers zugrunde gelegt. Bei der
Ermittlung der Verkaufszuschläge aber durfte und musste sie Erfahrungszahlen
heranziehen. Aus den Erwägungen des Einspracheentscheides ergibt sich, dass
sie die Schwierigkeiten berücksichtigt hat, mit welchen in der in Rede
stehenden Zeitspanne das Bäckerei- und Konditoreigewerbe im allgemeinen und
der Beschwerdeführer im besonderen zu kämpfen hatte. Dass dies in einem
offensichtlich unzureichenden Ausmasse geschehen sei, ist in keiner Weise
dargetan. In der Beschwerdeschrift werden, was die Höhe der Schätzung anlangt,
im wesentlichen bloss die Einwendungen erneuert, welche bereits in der
Begründung des angefochtenen Entscheides widerlegt worden sind. Was neu
vorgebracht wird, ist ebenfalls nicht stichhaltig, wie aus den Darlegungen in
der Vernehmlassung der EStV ohne weiteres hervorgeht.
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Beschwerde wird abgewiesen.
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 78 I 72
Datum : 01. Januar 1952
Publiziert : 05. April 1952
Quelle : Bundesgericht
Status : 78 I 72
Sachgebiet : BGE - Verfassungsrecht
Gegenstand : Warenumatzsteuer Ermittlung der steuerbaren Umsätze einer Bäckerei und Konditorei. Schätzung nach...


Gesetzesregister
OG: 104
BGE Register
72-I-117 • 78-I-72
Stichwortregister
Sortiert nach Häufigkeit oder Alphabet
umsatz • schokolade • bundesgericht • einspracheentscheid • lieferung • ermessen • brot • frage • berechnung • richtigkeit • rohstoff • statistik • diebstahl • warenumsatzsteuer • konfiserie • zahl • backware • mehl • angabe • ware
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