S. 153 / Nr. 21 Bundesrechtliche Abgaben (d)

BGE 78 I 153

21. Urteil vom 5. April 1952 i. S. Wehrsteuer- und Wehropferverwaltung des
Kantons Luzern gegen B. und Steuer-Rekurskommission des Kantons Luzern.

Regeste:
Wehrsteuer:
1. Die Ausübung des gesetzlichen Beschwerderechts wird dadurch nicht berührt,
dass der Steuerpflichtige eine Steuerleistung vor Ablauf der Beschwerdefrist
erbringt oder dass die Verwaltung vorzeitig über provisorische Steuerzahlungen
abrechnet.
2. Gegenstand der Wehrsteuerbeschwerde ist die behördliche Veranlagung, nicht
die mutmassliche Zuverlässigkeit einer Angabe in der Steuererklärung.

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Impôt pour la défense nationale:
1. Ne porte en rien atteinte au droit de recours légal le paiement fait par un
contribuable, au titre de l'impôt, avant l'expiration du délai de recours, pas
plus que l'établissement prématuré, par l'a l'administration, d'un décompte
des paiements anticipés faits au titre de l'impôt.
2. C'est la taxation faite par l'autorité qui constitue l'objet du recours en
matière d'impôt pour la défense nationale et non pas la valeur présumable
d'une indication fournie par la déclaration du contribuable.
Imposta per la difesa nazionale:
1. Il diritto di ricorrere contro la tassazione non ô pregiudicato pel fatto
che il contribuente ha pagato l'imposta prima che scadesse il termine di
ricorso o che l'amministrazione fiscale ha allestito prematuramente un
rendiconto dei pagamenti provvisori del contribuente.
2. Oggetto del ricorso in materia d'imposta per la difesa nazionale è la
tassazione ufficiale e non l'attendibilità presunta di un'indicazione fornita
dal contribuente nella sua dichiarazione (l'imposta.

A. - Der Beschwerdegegner ist Rechtsanwalt, er führt ferner das Sekretariat
eines Berufsverbandes und ist Mitglied des Verwaltungsrat es einiger
Aktiengesellschaften. Er hat in seiner Erklärung für die Staats- und
Gemeindesteuern 1949, 50 und die Wehrsteuer V neben andern Einkünften
Arbeitseinkommen aus selbständiger Berufsausübung, aus der Anstellung bei
jenem Berufsverband und aus seiner Teilnahme an der Verwaltung juristischer
Personen deklariert und darüber im Fragebogen für Freierwerbende Einzelangaben
nach Vordruck gemacht.
Die Veranlagungsbehörde fand, das angegebene Einkommen aus der
Anwaltstätigkeit sei ungenügend, und nahm, da die Luzerner Anwälte die Vorlage
ihrer Bücher verweigern, eine Ermessenseinschätzung vor. Die kantonale
Rekurskommission hat die Einschätzung auf Beschwerde hin aufgehoben und das
steuerbare Einkommen auf den Betrag herabgesetzt, der in der Steuererklärung
angegeben worden war. Sie führt zur Begründung aus, eine Ermessenseinschätzung
sei immer dann zulässig, wenn die Einschätzungsbehörde bei pflichtgemässer
Prüfung der Verhältnisse findet, dass die Angaben des Steuerpflichtigen
ungenügend seien, und keine Ausweise für

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deren Richtigkeit beigebracht werden (BGE 72 I 42). Da der Rekurskommission
die gleiche Überprüfungspflicht obliege wie der Veranlagungsbehörde, so sei
vorab zu prüfen, ob hier genügend Anhaltspunkte die Annahme rechtfertigen, das
in der Steuererklärung deklarierte Berufseinkommen sei unvollständig. Auf
Grund einer Überprüfung der von der Veranlagungsbehörde herangezogenen
Indizien erklärt die Rekurskommission, es beständen keine genügenden
Anhaltspunkte für die Annahme, dass die Angaben des Rekurrenten in der
Steuererklärung ungenügend seien. Die Voraussetzungen für eine ermessensweise
Höherschätzung des Einkommens seien daher nicht gegeben; dieses sei daher
entsprechend der Steuererklärung festzusetzen.
B. - Die Wehrsteuerverwaltung des Kantons Luzern erhebt die
Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit dem Antrage, die von der Veranlagungsbehörde
vorgenommene Einschätzung wieder herzustellen, eventuell die Sache an die
Vorinstanz zurückzuweisen zur Durchführung einer Bücheruntersuchung. Zur
Begründung wird im wesentlichen geltend gemacht, der angefochtene Entscheid
beruhe offensichtlich auf einer unrichtigen Anwendung des der Rekurskommission
zustehenden Ermessens. Der Steuerpflichtige habe einen Ausweis für sein
Berufseinkommen als Rechtsanwalt mit Hinweis auf das Anwaltsgeheimnis
verweigert und sei deswegen nach Ermessen eingeschätzt worden. Unter diesen
Umständen hätte die Rekurskommission prüfen sollen, ob die von der
Veranlagungsbehörde vorgenommene Einschätzung unrichtig sei, und nicht, ob
genügend Anhaltspunkte für eine Unvollständigkeit des Berufseinkommens laut
Selbstdeklaration vorhanden seien. Übrigens seien die Zweifel in die
Selbstdeklaration begründet.
C. - Die Steuerrekurskommission beantragt Abweisung der Beschwerde. Sie
verweist im wesentlichen auf die Begründung ihres Entscheides. Der
Beschwerdegegner beantragt Nichteintreten, eventuell Abweisung der

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Beschwerde, unter Kostenfolge. Er macht in erster Linie geltend, das
Beschwerderecht sei verwirkt. Die kantonale Wehrsteuerverwaltung habe den
angefochtenen Entscheid dadurch anerkannt, dass sie nach Empfang und auf Grund
des Entscheides endgültige Wehrsteuernoten ausgestellt und über die früher auf
Grund provisorischer Steuerberechnungen geleisteten Zahlungen abgerechnet
habe. Unter diesen Umständen sei die Verwaltung nicht mehr berechtigt, den
Entscheid mit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde anzufechten, und der
Steuerpflichtige brauche sich auf die Beschwerde nicht einzulassen. Materiell
sei die Beschwerde unbegründet. Die Rekurskommission habe die Verhältnisse des
Beschwerdegegners richtig gewürdigt, die Wehrsteuerverwaltung unrichtig.
Die eidg. Steuerverwaltung beantragt Aufhebung des angefochtenen Entscheides
betreffend die Wehrst euer und Rückweisung der Sache an die Vorinstanz zu
neuer Beurteilung.
Das Bundesgericht hat den angefochtenen Entscheid aufgehoben
in Erwägung:
1.- Der Beschwerdegegner wendet in erster Linie ein, die beschwerdeführende
Behörde habe den angefochtenen Entscheid anerkannt und dadurch das
Beschwerderecht verwirkt. Die Wehrsteuerverwaltung Luzern hat, nachdem der
Rekursentscheid zugestellt worden war, dem Beschwerdegegner Wehrsteuernoten
zugestellt, die sie als definitiv bezeichnete, und auf Grund dieser Noten über
die Zahlungen abgerechnet, die der Beschwerdegegner vorher, auf Grund
provisorischer Steuerrechnungen, erbracht hatte. Nach dem Wortlaute des
Begleitschreibens beruht die Abrechnung offenbar auf der Annahme, dass die
Steuerfestsetzung durch den Rekursentscheid erledigt sei. Die Stelle der
Wehrsteuerverwaltung, von der Rechnungen ausgegangen sind, hat wohl nicht mit
der Möglichkeit einer Verwaltungsgerichtsbeschwerde durch die

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Verwaltung gerechnet. Die scheinbar widerspruchsvolle Haltung der kantonalen
Wehrsteuerverwaltung wäre demnach auf ein Versagen der Koordination in der
Amtsführung innerhalb der Behörde zurückzuführen.
Nach Art. 114 , Abs. 4 WStB wird über auf Grund provisorischer Steuerrechnungen
bezogene Steuerbeträge abgerechnet, wenn die Veranlagung endgültig geworden
ist. Das war hier nicht der Fall. Die Abrechnung war, entgegen der Auffassung,
die der Stellungnahme der eidg. Steuerverwaltung zu Grunde liegt, verfrüht.
Darüber, welche Auswirkung einer derart verfrühten Abrechnung über
provisorische Steuerzahlungen im Hinblick auf das Beschwerderecht beizumessen
ist, kann der in Art. 114 , Abs. 4 WStB aufgestellten Regelung nichts entnommen
werden.
Indessen enthalten die Vorschriften über die eidgenössische Wehrsteuer keine
Bestimmung, wonach die Steuerzahlung einerseits und die Abrechnung über
Steuerleistungen anderseits als Anerkennung einer Steuerberechnung zu gelten
hätten. Es ist auch von jeher feststehende Praxis, dass bei den
eidgenössischen Steuern Zahlungen, die vor endgültiger Festsetzung des
Steuerbetrages erbracht werden, die Ausübung des gesetzlichen Rekursrechtes
nicht berühren. Sie gelten stets als unter Vorbehalt der Bereinigung der
Steuerbemessung erbracht in der Meinung, dass Mehr- und Minderbeträge, die
sich dabei ergeben, auszugleichen seien. Die Praxis hat sich damit von allem
Anfang an bewusst von der Übung entfernt, die in einzelnen Kantonen herrschte
und wonach Rekurse als gegenstandslos behandelt werden, wenn der
Steuerpflichtige die Steuerleistung, die er im Rekurs an ficht, erbringt, ohne
seiner Zahlung einen ausdrücklichen Vorbehalt beizufügen (vgl. z. B. I.
BLUMENSTEIN, Kommentar zum bern. Steuergesetz, S. 448 und Zitate,
Monatsschrift für bern. Verwaltungsrecht, 30 S. 148 ff.). Nach der bei
eidgenössischen Steuern geltenden Praxis bedarf es bei Zahlungen keines
besonderen Vorbehalt es, wenn von dem gesetzlichen Rekursrecht innert der
Beschwerdefrist und

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in richtiger Form Gebrauch gemacht wird. Soweit ein Vorbehalt überhaupt
erforderlich wäre, ist er mit der Ausübung des Beschwerderechts genügend zum
Ausdruck gebracht. Es besteht kein Grund, von dieser Praxis abzugehen. Sie
entspricht dem Grundsatz rechtsstaatlicher Verwaltung. Was für Zahlungen gilt,
muss auch für eine Abrechnung der Verwaltung über Steuerzahlungen gelten. Die
vor Ablauf der Beschwerdefrist, also auf Grund einer noch nicht
rechtskräftigen Veranlagung, vorgenommene Abrechnung stand demnach unter dem
Vorbehalt der endgültigen Festsetzung des Steuerbetrages im gesetzlichen
Verfahren und damit unter dem Vorbehalt der Ausübung des Beschwerderechts,
auch desjenigen der Verwaltung, von der die Abrechnung ausging. Die Einrede,
das Beschwerderecht sei verwirkt, ist daher unbegründet.
2.- Nach feststehender Praxis kann die Einschätzungsbehörde eine
Ermessenseinschätzung vornehmen, wenn sie bei Prüfung der Verhältnisse findet,
dass die Angaben des Steuerpflichtigen in der Steuererklärung ungenügend sind,
und keine Ausweise für deren Richtigkeit beigebracht wurden. Die
Steuererklärung dient der Orientierung der Behörden über die Verhältnisse des
Steuerpflichtigen. Sie ist ein Hilfsmittel für die Einschätzung neben anderem
Material, wie einerseits den Kenntnissen, die aus den besonderen Erhebungen im
einzelnen Falle gewonnen werden, zu denen das Gesetz die Einschätzungsbehörde
ermächtigt (Art. 89 ff . WStB vgl. BGE 71 I 133 f. und Zitate), und anderseits
den Kenntnissen und Erfahrungen, die die mit der Veranlagung betrauten
Behörden sowohl aus eigener Beobachtung wie auch aus andern Quellen schöpfen.
Art. 88 Abs. 1 , Satz 2 WStB knüpft Abweichungen von der Steuererklärung an
keine besonderen Voraussetzungen. Er geht davon aus, dass sich bei der
Steuereinschätzung solche Abweichungen ergeben, und er schreibt zur Sicherung
der Interessen des Steuerpflichtigen lediglich vor, dass sie im
Einschätzungsprotokoll begründet werden (BGE 72 I 45 f.).

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Ist aber bei unbelegten Posten der Steuererklärung die Ermessenstaxation an
keine besonderen Voraussetzungen geknüpft, so hat die Rekursbehörde im Falle
der Anfechtung der Einschätzung nicht zu prüfen, ob genügend Anhaltspunkte die
Annahme rechtfertigen, dass die Angaben in der Steuererklärung unvollständig
sind, sondern ob die angefochtene Einschätzung richtig oder unrichtig ist (BGE
72 I 47 f., Erw. 3, Abs. 2). Gegenstand der Wehrsteuerbeschwerde ist die
behördliche Veranlagung, nicht die unbelegt gebliebene Angabe in der
Steuererklärung.
Hier hat die kantonale Rekursinstanz auf die bei ihr erhobene Beschwerde hin
untersucht, ob «genügend Anhaltspunkte die Annahme rechtfertigen, das in der
Steuererklärung deklarierte Berufseinkommen sei unvollständig». Sie hat die
bei ihr angefochtene Veranlagung aufgehoben und das steuerbare Einkommen auf
den in der Steuererklärung angegebenen Betrag festgesetzt, weil sie jene Frage
verneinte. Sie hat damit der Steuererklärung eine Bedeutung beigemessen, die
ihr, soweit sie nicht belegt ist, nach der Ordnung des Wehrsteuerbeschlusses
nicht zukommen kann. Beruht aber der kantonale Rekursentscheid auf einer
grundsätzlich unrichtigen Fragestellung, so ist er aufzuheben und die Sache zu
neuer Untersuchung und Beurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Zu der
Einschätzung selbst und den dazu von den Parteien vorgetragenen Erörterungen
ist unter diesen Umständen hier nicht Stellung zu nehmen.
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 78 I 153
Datum : 01. Januar 1952
Publiziert : 05. April 1952
Quelle : Bundesgericht
Status : 78 I 153
Sachgebiet : BGE - Verfassungsrecht
Gegenstand : Wehrsteuer:1. Die Ausübung des gesetzlichen Beschwerderechts wird dadurch nicht berührt, dass der...


Gesetzesregister
WStB: 88  89  114
BGE Register
71-I-131 • 72-I-42 • 78-I-153
Stichwortregister
Sortiert nach Häufigkeit oder Alphabet
beschwerdegegner • richtigkeit • beschwerdefrist • vorinstanz • steuermass • zitat • ermessen • berufsverband • rechtsanwalt • berechnung • entscheid • ermessensveranlagung • steuerbehörde • kantonales rechtsmittel • begründung des entscheids • veranlagungsverfügung • beurteilung • abrechnung • staatsorganisation und verwaltung • empfang
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