S. 131 / Nr. 22 Bundesrechtliche Abgaben (d)

BGE 71 I 131

22. Urteil vom 23. März 1945 i. S. K. gegen Wehrsteuer-Rekurskommission des
Kantons Aargau.

Regeste:
Ermessenseinschätzung. Wer eine behauptete Vermögensveränderung nicht
nachweist, darf erst nach Ermessen eingeschätzt werden, nachdem er von der
Veranlagungsbehörde zu näheren Auskünften über die Veränderung (Verminderung)
aufgefordert und bei Ungenügen derselben auf die Folgen seines Verhaltens
aufmerksam gemacht worden ist.
Taxation par appréciation. Lorsqu'un contribuable allègue une modification
intervenue dans l'état de sa fortune, mais n'en apporte pas la preuve,
l'autorité fiscale ne peut le taxer par appréciation qu'après l'avoir invité à
fournir des renseignements précis sur cette modification (diminution); dans le
cas où les renseignements fournis sont insuffisants, elle doit en outre le
rendre attentif aux conséquences qui en découlent pour lui.
Tassazione in via d'apprezzamento. Quando il contribuente alleghi una
modificazione delle sue condizioni patrimoniali senza addurne la prova,
l'autorità fiscale può procedere alla tassazione in via d'apprezzamento solo
dopo aver invitato l'interressato a fornire precisi ragguagli sull'asserta
diminuzione. Nel caso in cui le informazioni siano insufficienti, il
contribuente deve inoltre essere avvertito delle conseguenze del suo
atteggiamento.

A. ­ Der Beschwerdeführer hat sein Kapitalvermögen für das Wehropfer mit Fr.
47,700.­ und für die Wehrsteuer I. Periode mit Fr. 37,270.­ angegeben. Er
wurde beide Male mit Fr. 51,000.­ eingeschätzt, ohne dass er hiegegen
Einsprache erhoben hätte. Für die Wehrsteuer II. Periode hat er das
steuerpflichtige Kapitalvermögen mit Fr. 35,780.­ deklariert. Als die
Veranlagungsbehörde es auf Fr. 40,000.­ festsetzte, erhob der Pflichtige
Einsprache und machte geltend, er habe bei der Wehrsteuer I. Periode die
Erhöhung in der Veranlagung übersehen. Das Vermögen sei infolge von
Zuwendungen an einen

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studierenden Sohn zurückgegangen. Der Einsprecher wurde zu einer Verhandlung
vorgeladen, an der er sich vertreten liess. Da dazu die Unterlagen, aus denen
die Vermögensveränderung ersichtlich gewesen wäre, nicht beigebracht wurden,
wurde dem Pflichtigen nochmals Gelegenheit gegeben, sich schriftlich zu
äussern. Er hat daraufhin nachgewiesen, dass er sich im Jahre 1935 ein
Darlehen von Fr. 2200.­ und in diesem sowie im folgenden Jahre aus einem
Sparheft Fr. 4400.­ hatte zurückzahlen lassen, ferner, dass er 1941 einem Sohn
Fr. 7500.­ und einer Tochter Fr. 2000.­ auf Anrechnung an deren Erbteile
zugewendet hat.
Die Einsprache wurde abgewiesen, mit der Begründung die beiden Rückzahlungen
vermöchten die behauptete Vermögensverminderung für die Wehrsteuer angesichts
der Wehropfer- und der Wehrsteuererklärung I. Periode nicht darzutun. Vielmehr
sei davon auszugehen, dass der Pflichtige am 1. Januar 1941 noch Fr. 51,000.­
besessen habe, und dass das steuerpflichtige Vermögen bei Berücksichtigung der
Zuwendungen an die beiden Kinder noch Fr. 41,500.­ betragen müsse. Eine
Beschwerde hiegegen hat die aargauische Rekurskommission mit Entscheid vom 29.
September 1944 abgewiesen.
B. ­ Mit rechtzeitiger verwaltungsgerichtlicher Beschwerde beantragt der
Pflichtige, den Entscheid der Rekurskommission aufzuheben und das
wehrsteuerpflichtige Kapitalvermögen auf Fr. 35,780.­ festzusetzen. Die
Veranlagungen zum Wehropfer und zur Wehrsteuer I. Periode seien um etwa Fr.
4000.­ übersetzt gewesen, weil der Pflichtige aus Unbeholfenheit eine
Einsprache unterlassen habe. Doch könne auf jene Einschätzungen deshalb nicht
abgestellt werden, weil die Veranlagung für die II. Periode der Wehrsteuer
selbständig zu erfolgen habe. Nachdem der Beschwerdeführer die Wertschriften
richtig angegeben habe, dürfe er nicht nach Ermessen eingeschätzt werden.
Das Bundesgericht hat die Beschwerde in dem Sinne

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gutgeheissen, dass es die Sache zu neuer Behandlung und Entscheidung an die
kantonalen Instanzen zurückgewiesen hat.
Aus den Erwägungen:
1. ­ Der Umstand, dass ein Pflichtiger unterlassen hat, die Einschätzungen zum
Wehropfer und zur Wehrsteuer I. Periode, die beide über der Selbsteinschätzung
lagen, anzufechten, ist ein gewisses Indiz dafür, dass er das damals als
steuerpflichtig erklärte Vermögen besessen hat, und, solange er nicht
nachweist, dass er es inzwischen teilweise aufgebraucht oder anderswie darüber
verfügt hat, noch am 1. Januar 1943 besass. Jedenfalls ist die
Veranlagungsbehörde diesfalls befugt, bis zur Erbringung dieses Nachweises die
Richtigkeit der neuen Selbsteinschätzung, die unter den früheren liegt, in
Zweifel zu ziehen. Sache des Pflichtigen ist es dann, die Richtigkeit der
Selbsttaxation darzutun. Zwar darf ihm nicht der Beweis dafür auferlegt
werden, dass er das Vermögen, für das er veranlagt werden soll, nicht bezw.
nicht in dem von der Behörde behaupteten Umfang besitzt (Archiv Bd. 7 S. 244;
BLUMENSTEIN, Steuerrecht Bd. II S. 586; PERRET in Archiv Bd. 5 S. 177; J.
BLUMENSTEIN, Die allgemeine eidg. Wehrsteuer S. 234 Note 32 und S. 251).
Dagegen darf von ihm Auskunft verlangt werden über alle Tatsachen, die nach
der Auffassung der Steuerbehörde für den Umfang des steuerpflichtigen
Vermögens von Bedeutung sind. Sie kann den Pflichtigen, je nach den Umständen
des Einzelfalls insbesondere verhalten, über die Herkunft des Vermögens
Aufschluss zu geben und die Beweismittel namhaft zu machen, sich über die Höhe
ihm allfällig zugefallener Zuwendungen wie Erbschaften usw. und über alle
übrigen Veränderungen des Vermögens (Einzug von Guthaben, Rückzüge aus
Sparheften und die Verwendung der bezüglichen Eingänge) auszuweisen (Urteile
vom 9. Februar 1945 i. S. Buchs und vom 2. März 1945 i. S. Righetti). Legt
daraufhin der Pflichtige

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bestimmte Ausweise vor, die sich jedoch für den zu erbringenden Beweis als
untauglich oder ungenügend erweisen, etwa, weil sie einen Zeitpunkt betreffen,
der im Hinblick auf spätere Steuererklärungen ausser Betracht fällt, sodass
weitere Beweise nötig sind, so hat die Behörde den Pflichtigen zu weitern
Auskünften anzuhalten und ihn auf die Folgen weiterhin ungenügender
Aufschlüsse hinzuweisen (das erw. Urteil i. S. Buchs), überhaupt diejenigen
Anordnungen zu treffen, die der objektiv richtigen Feststellung des Vermögens
dienen können. Bevor das geschehen ist und dem Pflichtigen eröffnet wurde,
dass er bei weiterhin ungenügenden Auskünften nach Ermessen eingeschätzt
würde, darf beim Fehlen anderer Anhaltspunkte für die Unrichtigkeit der
Selbsteinschätzung nicht zur ermessensweisen Veranlagung geschritten werden.
2.- ......
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 71 I 131
Datum : 01. Januar 1945
Publiziert : 23. März 1945
Quelle : Bundesgericht
Status : 71 I 131
Sachgebiet : BGE - Verwaltungsrecht und internationales öffentliches Recht
Gegenstand : Ermessenseinschätzung. Wer eine behauptete Vermögensveränderung nicht nachweist, darf erst nach...


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71-I-131
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