BGE 77 III 30
9. Entscheid vom 12. Februar 1951 i. S. Ruck.
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Regeste:
Grundpfandverwertung. Wer mit dem Schuldner gemeinschaftlicher Eigentümer des
Pfandgrundstückes ist, muss als Dritteigentümer in die gegen jenen angehobene
Betreibung einbezogen werden, selbst wenn eine besondere Betreibung gegen ihn
als Mitschuldner hängig ist.
Art. 1532 SchKG, 88 und 100 VZG.
Réalisation d'un gage immobilier. Celui qui est propriétaire en main commune
avec le débiteur doit être englobé en qualité de tiers propriétaire dans la
poursuite dirigée contre le premier, et cela même s'il a fait l'objet d'une
poursuite distincte en qualité de codébiteur.
Art. 153 al. 2 LP, 88 et 100 ORI.
Realizzazione di un pegno immobiliare. Quando il fondo gravato da pegno
immobiliare è proprietà comune del debitore escusso e di un terzo, costui
dev'essere trattato nell'esecuzione diretta contro il debitore quale terzo
proprietario, e ciò anche se è già stata promossa contro (li lui, quale
condebitore, un'esecuzione separata.
Art. 153 cp. 2 LEF, 88 e 100 RRF.
A. - Im Grundbuch von Erlenbach (Grundbuchamt Niedersimmental) sind die Nr.
1382 und 1383 (Baureclite) als Eigentum von Ruck und Flury, einzigen
Gesellschaftern der einfachen Gesellschaft Stockenseewerk, eingetragen. Auf
beiden Grundstücken lastet ein Bauhandwerkerpfandrecht im Betrage von Fr.
220000.- zu Gunsten der Bauunternehmer Bettler und Lörtscher.
B. - Bettler und Lörtscher hoben gegen Ruck die Betreibung Nr. 471 und gegen
Flury die Betreibung Nr. 524 je auf Grundpfandverwertung für Fr. 220000.-
nebst Zins und Kosten an. In dem (einzig bei den Akten liegenden)
Zahlungsbefehl gegen Ruck ist dieser als Solidarschuldner bezeichnet. In
beiden Betreibungen wurde Recht vorgeschlagen, doch erlangten die Gläubiger
provisorische Rechtsöffnung, wobei es Flury bewenden liess, während Ruck
appellierte, mit dem Erfolge, dass der Appellationshof des Kantons Bern ihm
gegenüber die Rechtsöffnung ablehnte.
C. - Am 27. September 1950 stellten die Gläubiger in der Betreibung gegen
Flury das Verwertungsbegehren. Am 7. November folgte die
Steigerungspublikation. Ruck hatte
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die Anwendung des Verfahrens nach der Verordnung vom 17. Januar 1923 über die
Pfändung und Verwertung von Anteilen an Gemeinschaftsvermögen verlangt. Er
beschwerte sich mit dahingehendem Antrag bei der kantonalen Aufsichtsbehörde.
Doch wurde die Beschwerde mit Entscheid vom 6. Januar 1951 abgewiesen, aus
folgenden Gründen: Die Verordnung vom 17. Januar 1923 gilt nur im
Pfändungsverfahren sowie im Konkurse, wo eben Gläubiger ohne Pfandsicherheit
nur Zugriff auf den Liquidationsanteil des Schuldners an solchem
Gemeinschaftsvermögen haben. Verpfändet werden kann aber ein im Gesamteigentum
stehendes Grundstück nach Art. 800 Abs. 2
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 800 - 1 Steht ein Grundstück in Miteigentum, so kann jeder Eigentümer seinen Anteil verpfänden. |
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1 | Steht ein Grundstück in Miteigentum, so kann jeder Eigentümer seinen Anteil verpfänden. |
2 | Steht ein Grundstück in Gesamteigentum, so kann es nur insgesamt und im Namen aller Eigentümer verpfändet werden. |
Eigentümer. Demgemäss ist Gegenstand der vorliegenden Grundpfandbetreibungen
das Grundstück selbst. «Der Umstand, dass von zwei Gesellschaftern bloss der
eine persönlich belangt werden kann, nicht aber auch der andere, weil der von
ihm erhobene Rechtsvorschlag nicht beseitigt worden ist, vermag daran nichts
zu ändern. Es ist dies eine Auswirkung der Solidarhaftung, die es dem
Gläubiger erlaubt, bloss einen von mehreren Solidarschuldnern in Anspruch zu
nehmen.
D. - Mit vorliegendem Rekurs hält Ruck an seiner Beschwerde fest. Er hält die
Verwertung des Grundstückes für unzulässig, solange nicht gegen beide
Pfandbesteller rechtskräftige Zahlungsbefehle bestehen.
Die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer zieht in Erwägung:
1.- Die Anteilsverwertungsverordnung vom 17. Januar 1923 bezieht sich nur auf
das Pfändungs- und das Konkursverfahren. Wie der vorinstanzliche Entscheid
zutreffend bemerkt, kann ein in Gesamteigentum stehendes Grundstück überhaupt
nur insgesamt verpfändet werden (Art. 800 Abs. 2
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 800 - 1 Steht ein Grundstück in Miteigentum, so kann jeder Eigentümer seinen Anteil verpfänden. |
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1 | Steht ein Grundstück in Miteigentum, so kann jeder Eigentümer seinen Anteil verpfänden. |
2 | Steht ein Grundstück in Gesamteigentum, so kann es nur insgesamt und im Namen aller Eigentümer verpfändet werden. |
vorliegenden Betreibungen eben auf Verwertung der Pfandgrundstücke selbst.
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2.- Darin kann aber der kantonalen Aufsichtsbehörde nicht beigestimmt werden,
dass zufolge der in der Betreibung gegen Flury als den einen Schuldner
ausgesprochenen und definitiv gewordenen Rechtsöffnung nun ohne weiteres die
Verwertung der Pfandgrundstücke in der betreffenden Betreibung zulässig sei.
Der angefochtene Entscheid weist auf die (als feststehend oder unbestritten
angenommene) Solidarhaftung der beiden Gesellschafter hin (die unter gewissen
Voraussetzungen nach Art. 544 Abs. 3
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag OR Art. 544 - 1 Sachen, dingliche Rechte oder Forderungen, die an die Gesellschaft übertragen oder für sie erworben sind, gehören den Gesellschaftern gemeinschaftlich nach Massgabe des Gesellschaftsvertrages. |
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1 | Sachen, dingliche Rechte oder Forderungen, die an die Gesellschaft übertragen oder für sie erworben sind, gehören den Gesellschaftern gemeinschaftlich nach Massgabe des Gesellschaftsvertrages. |
2 | Die Gläubiger eines Gesellschafters können, wo aus dem Gesellschaftsvertrage nichts anderes hervorgeht, zu ihrer Befriedigung nur den Liquidationsanteil ihres Schuldners in Anspruch nehmen. |
3 | Haben die Gesellschafter gemeinschaftlich oder durch Stellvertretung einem Dritten gegenüber Verpflichtungen eingegangen, so haften sie ihm solidarisch, unter Vorbehalt anderer Vereinbarung. |
nur, dass jeder der beiden Gesellschafter für den ganzen Forderungsbetrag
betrieben werden kann. Indessen handelt es sich um Betreibungen auf Verwertung
eines den beiden Gesellschaftern gemeinsam gehörenden Pfandes. Deshalb muss in
jeder der beiden Betreibungen dem andern Gesellschafter die Rolle eines
Dritteigentümers des Pfandes zukommen. Dass bei gemeinschaftlichem Eigentum
des Schuldners und eines Dritten am Pfandgrundstück dieser als
«Dritteigentümer des Pfandes» mitzubetreiben ist, steht ausser Zweifel,
seitdem Art. 153 Abs. 2
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG) SchKG Art. 153 - 1 Die Ausfertigung des Zahlungsbefehls erfolgt gemäss Artikel 70. |
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1 | Die Ausfertigung des Zahlungsbefehls erfolgt gemäss Artikel 70. |
2 | Das Betreibungsamt stellt auch folgenden Personen einen Zahlungsbefehl zu: |
a | dem Dritten, der das Pfand bestellt oder den Pfandgegenstand zu Eigentum erworben hat; |
b | dem Ehegatten, der eingetragenen Partnerin oder dem eingetragenen Partner des Schuldners oder des Dritten, falls das verpfändete Grundstück als Familienwohnung (Art. 169 ZGB304) oder als gemeinsame Wohnung (Art. 14 des Partnerschaftsgesetzes vom 18. Juni 2004305) dient. |
2bis | Die in Absatz 2 genannten Personen können Rechtsvorschlag erheben wie der Schuldner.307 |
3 | Hat der Dritte das Ablösungsverfahren eingeleitet (Art. 828 und 829 ZGB), so kann das Grundstück nur verwertet werden, wenn der betreibende Gläubiger nach Beendigung dieses Verfahrens dem Betreibungsamt nachweist, dass ihm für die in Betreibung gesetzte Forderung noch ein Pfandrecht am Grundstück zusteht.308 |
4 | Im Übrigen finden mit Bezug auf Zahlungsbefehl und Rechtsvorschlag die Bestimmungen der Artikel 71-86 Anwendung.309 |
SR 281.42 Verordnung des Bundesgerichts vom 23. April 1920 über die Zwangsverwertung von Grundstücken (VZG) VZG Art. 88 - 1 Wird vom betreibenden Gläubiger, sei es im Betreibungsbegehren, sei es im Verlaufe der Betreibung, das Pfand als im Eigentum eines Dritten stehend oder als Familienwohnung dienend bezeichnet, oder ergibt sich dies erst im Verwertungsverfahren, so ist dem Dritten oder dem Ehegatten des Schuldners oder des Dritten durch Zustellung eines Zahlungsbefehls die Möglichkeit zu verschaffen, Rechtsvorschlag zu erheben.136 |
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1 | Wird vom betreibenden Gläubiger, sei es im Betreibungsbegehren, sei es im Verlaufe der Betreibung, das Pfand als im Eigentum eines Dritten stehend oder als Familienwohnung dienend bezeichnet, oder ergibt sich dies erst im Verwertungsverfahren, so ist dem Dritten oder dem Ehegatten des Schuldners oder des Dritten durch Zustellung eines Zahlungsbefehls die Möglichkeit zu verschaffen, Rechtsvorschlag zu erheben.136 |
2 | Dieses Recht kann jedoch derjenige Dritteigentümer, der das Grundstück erst nach der Vormerkung einer Verfügungsbeschränkung im Grundbuch gemäss den Artikeln 90 und 97 hiernach erworben hat, nicht für sich beanspruchen. |
3 | Im Übrigen kann das Betreibungsverfahren gegen ihn nur fortgeführt werden, soweit es auch gegen den persönlichen Schuldner möglich ist, und es sind auf dasselbe die Vorschriften der Artikel 57-62, 297 SchKG, 586 ZGB137 anwendbar. Die Betreibung gegen den persönlichen Schuldner wird unter Vorbehalt der Artikel 98 und 100 dieser Verordnung von derjenigen gegen den Dritteigentümer nicht berührt.138 |
4 | Diese Bestimmungen sind sinngemäss anwendbar, wenn das Pfandgrundstück im Mit- oder Gesamteigentum des Schuldners und eines Dritten steht.139 |
SR 281.42 Verordnung des Bundesgerichts vom 23. April 1920 über die Zwangsverwertung von Grundstücken (VZG) VZG Art. 100 - 1 Ergibt sich erst nach der Stellung des Verwertungsbegehrens, dass das verpfändete Grundstück Eigentum eines Dritten ist oder als Familienwohnung dient, so ist diesem oder dem Ehegatten des Schuldners oder des Dritten nachträglich ein Zahlungsbefehl zuzustellen. Die Verwertung darf erst vorgenommen werden, wenn der letztere rechtskräftig und die sechsmonatige Frist seit dessen Zustellung abgelaufen ist.161 |
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1 | Ergibt sich erst nach der Stellung des Verwertungsbegehrens, dass das verpfändete Grundstück Eigentum eines Dritten ist oder als Familienwohnung dient, so ist diesem oder dem Ehegatten des Schuldners oder des Dritten nachträglich ein Zahlungsbefehl zuzustellen. Die Verwertung darf erst vorgenommen werden, wenn der letztere rechtskräftig und die sechsmonatige Frist seit dessen Zustellung abgelaufen ist.161 |
2 | Diese Vorschriften finden jedoch keine Anwendung, wenn im Zeitpunkt des Eigentumserwerbs durch den Dritten eine Verfügungsbeschränkung nach Artikel 90 oder 97 hiervor im Grundbuch vorgemerkt war. |
3 | Ergibt sich erst aus dem Grundbuchauszug, dass für die in Betreibung gesetzte Forderung mehrere Grundstücke verschiedener Eigentümer haften, und ist nicht gegen alle Betreibung angehoben, so ist der Gläubiger aufzufordern, binnen einer kurzen Frist den Kostenvorschuss für die nachträgliche Zustellung des Zahlungsbefehls zu leisten, unter der Androhung, dass sonst die Betreibung als dahingefallen betrachtet werde. |
verallgemeinert worden ist, dass ein Zahlungsbefehl auf Grundpfandverwertung
nicht nur dem Schuldner, sondern auch dem Dritten zuzustellen ist, "in dessen
Eigentum das Pfand steht". Diese Ordnung soll ausschliessen, dass ein
Grundpfandgläubiger ein seinem Schuldner fremdes Pfand in Anspruch nehmen
könne bloss auf Grund eines gegen den Schuldner erlangten
Vollstreckungstitels. Dieser Grund und Zweck der erwähnten Rechtsnorm trifft
ohne weiteres immer zu, sobald der Schuldner nur nicht Alleineigentümer des
Pfandes ist (vgl. BGE 42 III 6, 67 III 107).
Daraus folgt, dass in der gegen Flury angehobenen und ihm gegenüber zu
definitiver Rechtsöffnung gediehenen Betreibung Nr. 524 die Verwertung zur
Zeit nicht zulässig ist, sondern nur und erst zulässig sein wird, wenn gegen
Ruck als mitzubetreibenden Dritteigentümer gleichfalls ein Vollstreckungstitel
vorliegen sollte. Diese Betreibung
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muss also vorerst durch Zustellung eines Doppels des (mit gleicher Nummer
versehenen) Zahlungsbefehls an Ruck als Dritteigentümer ergänzt und das
Schicksal dieser Nebenbetreibung abgewartet werden.
3.- Nun ist Ruck allerdings auch bereits betrieben, aber nur selbständig als
Schuldner mit dem Zahlungsbefehl Nr. 471. Das macht seine Einbeziehung als
Dritteigentümer in die Betreibung Nr. 524 gegen Flury nicht überflüssig. In
jener ersten Betreibung konnte er wohl seine eigene Schuld und das dafür in
Anspruch genommene Pfandrecht bestreiten. In der Betreibung gegen Flury muss
er aber als Dritteigentümer Gelegenheit haben, das Pfandrecht für die Schuld
Flurys und diese Schuld selbst als Grundlage des Pfandrechtes zu bestreiten -
wie denn solches Auseinanderfallen von Schuld und Haftung auch bei
Solidarschuldverhältnissen denkbar ist.
4.- Der Umstand, dass der Gläubiger eine Gesellschaftsschuld behauptet, tut
der gegenseitigen Unabhängigkeit der Betreibungen gegen die beiden
Gesellschafter keinen Abbruch. Sollte Ruck behaupten wollen, die Forderungen
gegen die beiden Gesellschafter seien nur miteinander vollstreckbar, die
Verwertung dürfe daher nur stattfinden, wenn für beide Forderungen
Vollstreckungstitel bestehen (vgl. die - indessen nicht wohl auf
Pfandhaftungen zu beziehenden - Ausführungen von BECKER, zu Art. 544
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag OR Art. 544 - 1 Sachen, dingliche Rechte oder Forderungen, die an die Gesellschaft übertragen oder für sie erworben sind, gehören den Gesellschaftern gemeinschaftlich nach Massgabe des Gesellschaftsvertrages. |
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1 | Sachen, dingliche Rechte oder Forderungen, die an die Gesellschaft übertragen oder für sie erworben sind, gehören den Gesellschaftern gemeinschaftlich nach Massgabe des Gesellschaftsvertrages. |
2 | Die Gläubiger eines Gesellschafters können, wo aus dem Gesellschaftsvertrage nichts anderes hervorgeht, zu ihrer Befriedigung nur den Liquidationsanteil ihres Schuldners in Anspruch nehmen. |
3 | Haben die Gesellschafter gemeinschaftlich oder durch Stellvertretung einem Dritten gegenüber Verpflichtungen eingegangen, so haften sie ihm solidarisch, unter Vorbehalt anderer Vereinbarung. |
so wäre dies ein Einwand gegen die Vollstreckbarkeit der einzelnen Forderung.
Das könnte Ruck als Pfandeigentümer in der Betreibung gegen Flury eben durch
Rechtsvorschlag geltend machen. Steht doch in der Pfandbetreibung der
Rechtsvorschlag dem Dritteigentümer uneingeschränkt wie dem Schuldner zu, also
auch hinsichtlich der Bestreitung des Rechtes, die Forderung auf dem
Betreibungswege geltend zu machen (sei es überhaupt, sei es für sich allein
usw.). Das ist im Text der Zahlungsbefehlsformulare Nr. 37 und 38 ausdrücklich
vorgesehen.
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Demnach erkennt die Schuldbetr. - u. Konkurskammer:
Der Rekurs wird im Sinne der Erwägungen begründet erklärt, der angefochtene
Entscheid aufgehoben und die Verwertung zur Zeit abgelehnt.