BGE 77 II 58
15. Urteil der II. Zivilabteilung vom 8. Februar 1951 i. S.
Alpina-Versicherungs-Aktiengesellschaft gegen Schatzmann.
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Regeste:
Motorfahrzeughaftpflicht und Versicherung.
1. Schwarzfahrt:
a) «Personen, deren sich der Halter zum Betrieb des Fahrzeugs bedient» (Art.
37 Abs. 6 MFG);
b) Verschulden des Halters an der missbräuchlichen Verwendung (Abs. 5).
2. Deckungspflicht des Versicherers auf Grund der für den Wagen, aber auf den
Namen eines Dritten als Halters abgeschlossenen Versicherung.
3. Haftung des versicherten Pseudohalters und des Versicherers für denselben.
Circulation des véhicules à moteur; responsabilité civile et assurance.
1. Usage du véhicule par un tiers non autorisé:
a) «Personnes que le détenteur emploie au service du véhicule» (art. 37 a .
6).
b) Faute du détenteur quant à l'usage abusif du véhicule (al. 5).
2. Obligation de l'assureur de couvrir le dommage en vertu d'une assurance
contractée pour le véhicule mais au nom d'un tiers désigné comme détenteur.
3. Responsabilité du pseudo-détenteur assuré et responsabilité de l'assureur
pour ce dernier.
Circolazione degli autoveicoli; responsabilità civile e assicurazione.
1. Uso del veicolo da parte d'un terzo non autorizzato
a) «Persone di cui il detentore si serve per l'uso dell'autoveicolo» (art. 37
cp. 6).
b) Colpa del detentore per l'uso abusivo del veicolo (cp. 5).
2. Obbligo dell'assicuratore di coprire il danno in virtù d'un'assicurazione
conchiusa per il veicolo ma intestata al nome d'un terzo designato come
detentore.
3. Responsabilità del pseudodetentore anssicurato e responsabilità
dell'assicuratore per quest'ultimo.
A. - In der Nacht zum 31. August 1947 wurde der Kläger F. Schatzmann durch das
Personenauto AG 3710, Marke Studebaker, angefahren und schwer verletzt.
Eigentümer des Wagens war Hans Hammer sen., Führer dessen Sohn Hans Hammer,
der ohne Führerausweis fuhr, nachdem ihm dieser wegen eines früher von ihm
verursachten Unfalles entzogen worden war.
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Der Vater Hammer besitzt in Mellingen ein Restaurant und eine
Autoreparaturgarage, die er durch den Sohn, der gelernter Automechaniker ist,
betreiben liess. Um dem nicht fahrberechtigten, vielfach vorbestraften und
unzuverlässigen Sohne die Benützung des Wagens zu verunmöglichen, hatte der
Vater dessen Kontaktschlüssel selbst in Verwahrung; der Sohn hatte sich aber
einen zweiten anfertigen lassen. Am Abend des 30. August 1947 hatte der Vater
Hammer eine Fahrt mit einem Chauffeur gemacht; auf Weisung des Sohnes war der
Wagen nach der Rückkehr vor der Garage stehen gelassen worden.
Im Mai 1947 hatte Vater Hammer seine Halterhaftpflicht für ein Auto Marke Röhr
bei der «Alpina» versichern lassen. Durch Nachtrag vom 30. Juni 1947 war die
Police mit allen Rechten und Pflichten auf den Garageangestellten Anton Meyer
übertragen worden. Dieser war im Nachtrag als «Erwerber des deklarierten
Personenwagens Röhr» bezeichnet. Gleichzeitig wurde im Nachtrag erklärt, der
Wagen Röhr sei am 17. Juni von der Versicherung ausgeschieden, und es gelte ab
diesem Datum der Personenwagen Studebaker AG 3710 als versichert. Dieser war
auch bei der Motorfahrzeugkontrolle auf den Namen des Anton Meyer eingetragen.
In Wirklichkeit war aber Vater Hammer Eigentümer und Halter auch dieses
Wagens; er bezahlte alle Gebühren und Prämien der Wagen diente dem Betrieb der
Garage.
Vom Verunfallten Schatzmann auf Feststellung ihrer Schadendeckungspflicht
belangt, anerkannte die beklagte Versicherungsgesellschaft, dass Vater Hammer
im Zeitpunkt des Unfalles Eigentümer und Halter des Studebaker war, bestritt
jedoch ihre Haftpflicht mit den Einwendungen,
a) sie sei in diesem Streite gar nicht passivlegitimiert, weil der Halter,
Vater Hammer, im Zeitpunkt des Unfalles für seine Haftpflicht nicht bei ihr
versichert gewesen, nachdem die Versicherung durch den Nachtrag vom 30. Juni
1947 auf Anton Meyer übertragen worden sei; dieser aber
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sei nicht Halter gewesen, so dass die Beklagte auch nicht als dessen
Versicherer für die Unfallfolgen einzustehen habe;
b) wenn man indessen annehmen würde, die Versicherung habe die Haftpflicht des
Halters Hammer gedeckt, so könne dieser für den Unfall nicht verantwortlich
gemacht werden, weil es sich bei der Unglücksfahrt des Sohnes um eine vom
Vater in keiner Weise verschuldete Schwarzfahrt eines Dritten im Sinne von
Art. 37 Abs. 5 MFG handle, für deren Folgen nur die
Strolchenfahrtenversicherung in Anspruch genommen werden könne.
B. - Sowohl das Bezirksgericht Brugg als das Obergericht des Kantons Aargau
haben die Einwendungen der Beklagten «Alpina» verworfen und diese
grundsätzlich schadendeckungspflichtig erklärt.
C. - Mit der vorliegenden Berufung hält die Beklagte an ihrem Antrag auf
Abweisung der Klage fest. Der Kläger trägt auf Bestätigung des angefochtenen
Urteils an.
Das Bundesgericht zieht in Erwägung .
1.- Die Parteien sind darüber einig, dass das Auto Studebaker, mit dem der
Unfall verursacht wurde, trotz der gegenteiligen Angaben im Nachtrag zur
Police und im Fahrzeugausweis dem Vater Hammer gehörte und dass dieser als
Halter des Wagens anzusehen ist. Die Haftbarkeit des Vaters Hammer für den
Schaden ist mithin gegeben, sofern nicht Einwendungen erhoben werden können,
die sie aus bestimmten Gründen ausschliessen. Eine solche erhebt die Beklagte
mit der Behauptung, es habe sich bei der Unglücksfahrt um eine Schwarzfahrt
eines Dritten gehandelt, an der den Halter Vater Hammer kein Verschulden
treffe, so dass gemäss Art. 37 Abs. 5 MFG seine Haftbarkeit nicht platzgreife.
Dieser Befreiungsgrund setzt mithin voraus, dass der Sohn Hammer als «Dritter»
im Sinne der zitierten Bestimmung anzusehen ist und dass
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den Vater an der eigenmächtigen Verwendung des Wagens kein Verschulden trifft.
a) Als Dritte im Sinne des Art. 37 MFG, für deren eigenmächtige Verwendung des
Wagens der Halter ohne eigenes Verschulden nicht einzustehen hat, scheiden
nach Abs. 6 zum vornherein aus «Personen, deren sich der Halter zum Betriebe
des Motorfahrzeuges bedient oder die es mit seiner Einwilligung führen».
Was die letztere Alternativvoraussetzung betrifft, stellt die Vorinstanz fest,
dass Vater Hammer dem Sohne wegen des Entzugs der Fahrbewilligung generell das
Fahren ausserhalb des Garageareals verboten und durch die Wegnahme des
Kontaktschlüssels zu verunmöglichen versucht, und von diesem Verbot nicht etwa
für die fragliche Fahrt vom 30. August 1947 eine Ausnahme gemacht hatte.
Gestützt darauf nimmt die Vorinstanz mit Recht an, dass der Sohn Hammer beim
Unfall in Windisch den Wagen ohne Bewilligung des Halters führte.
Es ist daher nur die erstere Alternative zu untersuchen, ob Vater Hammer sich
des Sohnes, ungeachtet des ihm auferlegten generellen Verbotes des Fahrens
ausserhalb des Garagegebietes, zum Betrieb des Fahrzeuges bedient habe. Bei
der Auslegung dieser Bestimmung ist bei der Abweichung der Texte (französisch:
au service du véhicule, italienisch: per l'uso dell'autoveicolo) vom engern
deutschen Begriff des «Betriebes» auszugehen, wie er in Abs. 1 des Art. 37 MFG
verstanden ist, der die Voraussetzung für die Halter-Haftpflicht in dieser
Hinsicht umschreibt (vgl. STREBEL, Komm. zu Art. 37 N. 8, Busse SJK 908 N. 8).
Als im Betrieb befindlich kann das Fahrzeug nur bezeichnet werden, wenn es als
solches, also zur Fortbewegung mit eigener Kraft verwendet wird. Damit gesagt
werden kann, der Halter habe sich einer Person «zum Betriebe des Fahrzeugs»
bedient, ist mithin vorausgesetzt, dass diese beauftragt oder mindestens
ermächtigt war, das Fahrzeug selbst zu führen oder bei dessen Führung durch
einen andern mitzuwirken, was
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allerdings nicht am Lenkrad selbst zu sein braucht (BGE 65 II 188). Die blosse
Tatsache allein, dass eine Person im Garagebetrieb angestellt ist, genügt
nicht; denn beim Betriebsbegriff des Art. 37 handelt es sich nicht um den
Garagebetrieb, sondern um den Betrieb des Fahrzeuges.
Was nun das Verhältnis des Sohnes Hammer zu dem Studebaker betrifft, steht
nach dem Gesagten allerdings fest, dass Vater Hammer den Sohn weder beauftragt
noch ermächtigt, vielmehr ihm ausdrücklich untersagt hatte, das Auto im
öffentlichen Verkehr zu führen, welchem Verbot er zudem durch die Verwahrung
des Kontaktschlüssels Nachachtung zu verschaffen versucht hatte. Anderseits
erklärt die Vorinstanz, der Wagen habe dem Sohne «zur Verfügung gestanden»,
welche Erklärung dieser immerhin mit der Einschränkung verbunden hatte, «für
die Garage, wo ich ihn unbedingt brauchte». Die Vorinstanz führt weiter aus,
der Sohn habe den Wagen wiederholt auf dem Garageareal gefahren, und zwar auch
in Gegenwart des Vaters. Eine Feststellung, dass Vater Hammer den Sohn auch
zum Betriebe des Wagens ausserhalb des Garageareals verwendet hätte, liegt
nicht vor und wird durch das erwähnte generelle Verbot ausgeschlossen. Es
fragt sich mithin, ob diese auf das Garagegebiet beschränkte, sich nicht auf
den Verkehr auf öffentlicher Strasse erstreckende Verwendung des Sohnes zum
Betrieb des Wagens genügt, damit schlechthin gesagt werden kann, der Vater
Hammer habe sich des Sohnes» zum Betriebe des Fahrzeuges bedient». Da es sich
bei dieser Frage um eine besondere Seite der Halterhaftpflicht handelt, muss,
wie bereits bemerkt, unter Betrieb in Art. 37 Abs. 6 das gleiche verstanden
werden wie in Abs. 1. Nach letzterem aber gilt die Haftbarkeit des Halters
allerdings nur beim Betrieb eines für den öffentlichen Verkehr bestimmten
Motorfahrzeuges, bei diesem aber auch dann, wenn der Betrieb sich im Moment
des Unfalles nicht im öffentlichen Verkehr abspielte, z. B. in einer Garage,
auf einem Privatweg usw. (STREBEL, Komm. zu Art. 37 N. 1 und 130, OFTINGER II
S. 803; Protokoll
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der Expertenkommission S. 39, Botschaft BBl 1930 11 868; Frage offen gelassen
in BGE 65 il 187; Busse SJK 906 N. 17, 909 N. 12). War also der Sohn Hammer,
technischer Chef und einziger Fachmann der Garage, welcher der Studebaker
diente, vom Halter ermächtigt, jenen auf dem Garageareal in Betrieb zu setzen
und zu führen, so stand er zu dem Wagen in einer Beziehung, die nach der dem
Art. 37 MFG zugrunde liegenden ratio legis verbietet, ihn als Dritten im Sinne
dieser Bestimmung anzusehen.
b) Wollte man aber entgegen dieser Auffassung angesichts des dem Sohne Hammer
auferlegten Fahrverbotes mit Vorenthaltung des Kontaktschlüssels seine
Verwendung «zum Betrieb des Fahrzeuges» verneinen und ihn damit als Dritten
gelten lassen, so würde die Haftpflicht des Vaters als Halter doch
platzgreifen, weil er am Missbrauch des Wagens zu der verhängnisvollen
Schwarzfahrt nicht schuldlos ist. Das Verschulden des Halters im Sinne des
Art. 37 Abs. 5 MFG besteht in der Unterlassung objektiv notwendiger und
genügender Vorkehren zur Verhinderung eigenmächtiger Verwendung des Fahrzeugs
durch Dritte. Der Halter kann nur dann als schuldlos betrachtet werden, wenn
er alles getan hat, was ein erfahrener, gewissenhafter Halter unter
Berücksichtigung aller gegebenen Umstände zu diesem Zwecke in concreto
vorgekehrt hätte. Jedes, auch leichtes Verschulden genügt zur
Aufrechterhaltung der Haftpflicht.
Dass bei dem moralisch minderwertigen, 19 mal, wovon 8 mal wegen
Motorfahrzeugvergehens, vorbestraften Sohne Hammer, dem der Führerausweis auf
unbestimmte Zeit entzogen worden war, die Gefahr der Übertretung des
Fahrverbotes bestand, lag auf der Hand; sie war umso grösser, weil er als
Automechaniker und Hauptangestellter der Garage alle Möglichkeiten dazu
besass. Dass Vater Hammer sich des Risikos bewusst war, erhellt daraus, dass
er jenem seinerseits das Fahren mit seinem Wagen verbot und den
Kontaktschlüssel bei sich behielt. Mag ein väterliches Fahrverbot, zur
Verstärkung eines behördlichen ausgesprochen,
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bei einem charakterfesten und verantwortungsbewussten Sohne Erfolg haben, so
konnte es bei den seinem Vater bekannten Charaktereigenschaften eines Hammer
Junior nicht als wirksam angesehen werden. Der Hinweis der Beklagten auf BGE
61 11 87 ist unbehelflich. Der dort streitige Unfall hatte sich vor
Inkrafttreten des MFG ereignet und war nach den allgemeinen
Verantwortlichkeitsvorschriften zu beurteilen; durch Art. 37 Abs. 5 und 6 MFG
ist die Rechtslage eine andere geworden. Wenn übrigens das Bundesgericht es in
jenem Falle dem Vater zum Verschulden angerechnet hat, dass er dem Sohne die
Benutzung des Fahrzeugs nicht (wenigstens) ausdrücklich verboten habe, so ist
damit keineswegs gesagt, dass ein solches Verbot für den Ausschluss der
Haftbarkeit des Halters für Schwarzfahrten unter allen Umständen genüge. Im
vorliegenden Falle sah denn auch Vater Hammer selber das Verbot nicht als
ausreichend an und begnügte sich auch nicht damit, sondern nahm den
Kontaktschlüssel an sich. Allein einem gelernten Automechaniker gegenüber, der
ohne Schlüssel auf einfachste Weise den Kontakt für die Zündung herstellen
kann, war auch diese Massnahme unwirksam, zumal der Sohn bei den immer
wiederkehren den Anlässen, wo ihm der Vater den Kontaktschlüssel aushändigte,
sich einen zweiten Schlüssel anfertigen lassen konnte, wie er es denn auch
getan hat. Dass der unzuverlässige Sohn nicht die geringsten Hemmungen haben
werde, zu solchen Mitteln zu greifen, um nach Belieben fahren zu können,
musste sich auch der Vater sagen er war daher verpflichtet, zu wirksamern
Massnahmen zu greifen. Eine zusätzliche kausale Nachlässigkeit des Vaters
bestand darin, dass er am fraglichen Abend, nachdem er mit dem Chauffeur von
seiner Fahrt zurückgekehrt war, nicht einmal darauf beharrte, dass der Wagen
in die Garage gebracht werde, womit er dem Sohne dessen Verwendung zu der
Spritzfahrt erleichterte. Unter diesen Umständen kann dahingestellt bleiben,
ob bei der schwer belasteten automobilistischen Vergangenheit und den
Charakterschwächen des
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Sohnes Hammer ein Verschulden des Vaters im Sinne des Art. 37 Abs. 5 MFG nicht
schon darin erblickt werden müsste, dass er jenen überhaupt im Autogewerbe und
als Leiter seiner Garage beschäftigte, wo für ihn die Versuchung und die
Möglichkeit zu neuem Delinquieren am grössten war.
Die Einrede der Beklagten, es handle sich um eine vom Halter nicht
verschuldete Schwarzfahrt eines Dritten, ist mithin zu verwerfen.
2.- Ist demnach die Haftbarkeit des Vaters Hammer als Halters gegeben, so
fragt sich weiter, ob sie durch die bestehende Haftpflichtversicherung bei der
Beklagten gedeckt ist.
a) Die für den Wagen Röhr ausgestellte Police lautete auf Vater Hammer als
Halter und Versicherungsnehmer. im Juni 1947 wurde der Röhr durch den
Studebaker ersetzt und formell der Garageangestellte Meyer als dessen Halter
bei der Motorfahrzeugkontrolle eingetragen, dementsprechend auch die
Versicherung durch Nachtrag vom 30. Juni 1947 auf Meyer übertragen und damit
dessen Halterhaftpflicht versichert. in Tat und Wahrheit aber war Vater Hammer
Halter auch dieses Wagens und Meyer nur vorgeschobener Strohmann. Warum man
auf dieses Scheinverhältnis verfiel, ist nicht abgeklärt; die Vermutung liegt
nahe, dass es geschah, um einen Halter zu bezeichnen, der die Fahrbewilligung
hatte, was weder beim Vater noch beim Sohn Hammer der Fall war. Hinsichtlich
der Uebertragung der Versicherung von Hammer auf Meyer steht fest, dass die
bezügliche Abrede mit dem Generalagenten Zimmermann nicht von Meyer, der doch
als neuer Versicherungsnehmer unterzeichnen musste, sondern von den beiden
Hammer getroffen wurde, und dass die Police nach wie vor in Händen des Vaters
Hammer blieb, der auch die Prämien bezahlte. Weiter müssen die Feststellungen
der Vorinstanz dahin verstanden werden, dass der Generalagent Zimmermann bei
dieser formellen Aenderung am Versicherungsverhältnis nicht im Zweifel sein
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konnte, dass nach wie vor der Vater Hammer verantwortlicher Halter des
Studebaker war und für die Versicherung aufkommen wollte. Es musste dem
Agenten daher klar sein, dass Vater Hammer beim Abschluss des Vertrages auf
den Namen Meyers entweder von der Annahme ausging, er versichere dadurch nicht
(oder doch nicht nur) die Haftpflicht Meyers, sondern seine eigene als des
effektiven Halters, oder aber er könne durch die Versicherung Meyers diesen
auch rechtlich zum verantwortlichen Halter machen. obwohl er es tatsächlich
nicht war. Andernfalls hätte Vater Hammer an der Versicherung gar kein
Interesse gehabt denn nur um die Prämien zu bezahlen und Im Haftungsfalle
ungedeckt zu sein, schloss er sie nicht ab. In Kenntnis der Unrichtigkeit
dieser alternativen Voraussetzungen in der Vorstellung des Vaters Hammer hatte
nun der Agent als Sachverständiger die Pflicht, jenen darüber aufzuklären. Er
durfte ihn nicht im Irrtum belassen, den Antrag entgegennehmen und seiner
Gesellschaft den Abschluss des Vertrages so empfehlen, wie er in Aussieht
genommen war. Wenn er das doch tat und seine Pflicht in dieser Hinsicht nicht
erfüllte, so hat das nicht der Versicherungsnehmer zu vertreten, sondern der
Versicherer, dessen Beauftragter der Agent in erster Linie war.
Zu Unrecht wendet die Beklagte unter Hinweis auf ROELLI, Komm. zu Art. 34 Abs.
2
SR 221.229.1 Loi fédérale du 2 avril 1908 sur le contrat d'assurance (Loi sur le contrat d'assurance, LCA) - Loi sur le contrat d'assurance LCA Art. 34 - À l'égard du preneur d'assurance, l'entreprise d'assurance répond des actes de son intermédiaire comme de ses propres actes. |
und nicht ermächtigt gewesen, einen Versicherungsvertrag abzuschliessen,
dessen Wortlaut mit den wirklichen Verhältnissen nicht übereinstimmte; sein
Wissen könne da her dem Versicherer nicht angerechnet werden, dieser habe die
Versicherung nur so gelten zu lassen, wie sie von ihm geschlossen worden sei,
zur Deckung der Haftpflicht Meyers. Es handelte sich hier nicht um eine
Aenderung in den Versicherungsbedingungen im Sinne von Art. 34 Abs. 2
SR 221.229.1 Loi fédérale du 2 avril 1908 sur le contrat d'assurance (Loi sur le contrat d'assurance, LCA) - Loi sur le contrat d'assurance LCA Art. 34 - À l'égard du preneur d'assurance, l'entreprise d'assurance répond des actes de son intermédiaire comme de ses propres actes. |
ebensowenig um die Beantwortung von Fragen über Gefahrtatsachen, für deren
Beantwortung der Antragsteller
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grundsätzlich selber verantwortlich ist (BGE 73 II 54 ff.). Zu den Handlungen,
zu deren Vornahme im Namen des Versicherers der Agent gemäss Art. 34 Abs. 1
SR 221.229.1 Loi fédérale du 2 avril 1908 sur le contrat d'assurance (Loi sur le contrat d'assurance, LCA) - Loi sur le contrat d'assurance LCA Art. 34 - À l'égard du preneur d'assurance, l'entreprise d'assurance répond des actes de son intermédiaire comme de ses propres actes. |
VVG ermächtigt ist, gehört auch die Beratung des Versicherungsnehmers und die
Aufklärung von Irrtümern, die bei diesem über die Tragweite der Bedingungen
und den Vertragsinhalt bestehen (BGE 4,5 II 223 Erw. 2, 73 II 54, welche
Tätigkeit des Agenten beim Vertragsschluss im Vordergrund steht (ROELLI,
a.a.O. S. 425). Es kann zudem kein Zweifel darüber bestehen, dass es in casu
der Versicherungsgesellschaft völlig gleichgültig war, ob sie die Haftpflicht
Meyers oder Hammers für das Auto Studebaker versicherte; hatte sie doch den
Vater Hammer vorher bereits versichert und dann bloss dessen Versicherung auf
Meyer übertragen.
b) Müsste aber angenommen werden, dass es beim Vertragsabschluss seitens des
Agenten nicht die Meinung gehabt habe, dass die Haftung des wirklichen Halters
Hammer - sei es allein oder neben der des vorgeblichen Halters Meyer - gedeckt
sein sollte, so wäre der Fall dem gleichzuhalten, wo ein Versicherer die
Bescheinigung ausstellt, dass die Versicherung bestehe, und damit die
Voraussetzung für die Inverkehrsetzung des Motorfahrzeuges schafft und sich
daher nachträglich nicht darauf berufen kann, dass trotzdem eine Versicherung
nicht bestehe (BGE 69 II 169, STREBEL, Komm. zu Art. 48 N. 21).
c) Noch ein weiterer Gesichtspunkt spricht für die Bejahung der
Deckungspflicht der Beklagten: Als Meyer als Halter vorgeschoben und formell
dessen Haftpflicht versichert wurde, war er Garageangestellter des Vaters
Hammer. Nur weil er das war, nahm man die Versicherung auf seinen Namen. Als
der Unfall passierte, war er nicht mehr Angestellter. Hätte man wirklich seine
Haftpflicht und nicht diejenige Hammers versichern wollen, d. h. wäre er
wirklich Halter gewesen, so wäre mit seinem Ausscheiden aus dem Dienst Hammers
die Haltereigenschaft am Wagen, der nicht Meyer, sondern der Garage Hammer zu
dienen hatte, jedenfalls auf Hammer übergegangen. Der
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Fahrzeugausweis, der auf den Namen des Halters zu lauten hat (Art. 7 MFG).
hätte somit auf Hammer übertragen werden müssen, nachdem Meyer ja nachher mit
der Garage und mit dem Wagen überhaupt nichts mehr zu tun hatte. Dann wäre
aber gemäss Art. 48 Abs. 2 MFG die Versicherung auch formell automatisch auf
Hammer sen. übergegangen, und es darf als ausgeschlossen betrachtet werden,
dass die Beklagte den früher schon bei ihr versicherten Hammer als
Versicherungsnehmer abgelehnt hätte. Wenn sie es aber getan hätte und keine
neue Versicherung abgeschlossen worden wäre, so hätte der Wagen aus dem
Verkehr zurückgezogen werden müssen, und der Unfall hätte nicht passieren
können. Auch so angesehen erscheint die Ablehnung der Haftung durch die
Beklagte als Versuch, sich einer Pflicht zu entschlagen, die sie nach Treu und
Glauben und nach der Strenge, die hinsichtlich der obligatorischen
Automobilhaftpflichtversicherung gegenüber dem Versicherer walten muss,
rechtlich nicht ablehnen kann.
3.- Wollte man indessen entgegen allen vorstehenden Erwägungen die Beklagte
nicht schon deshalb für den Unfall als haftbar erachten, weil sie für die
Haftpflicht Hammers einzutreten hat, so wäre ihre Deckungspflicht aus einem
andern Grunde zu bejahen. Könnte nämlich Hammer nicht als versicherungsgedeckt
angesehen werden, weil die Police nicht auf seinen Namen lautet, so müsste die
Lösung in einer Konstruktion der rechtlichen Situation in dem Sinne gefunden
werden, dass Meyer als Halter und die Beklagte als Versicherer Meyers
einzustehen haben. Der Wagen durfte nur in Verkehr gebracht werden, weil eine
Person sich als haftpflichtversicherter Halter präsentierte. Gibt sich ein
Nichthalter als Halter aus und lässt er auf Grund der Versicherung seiner
Haftpflicht ein Auto in Verkehr bringen, so kann ihm nach einem Unfall nicht
gestattet werden, sich darauf zu berufen, dass er in Wirklichkeit gar nicht
Halter sei. Es ist ihm die Einrede, er sei in Wirklichkeit gar nicht Halter
gewesen, jedenfalls
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solange zu versagen, als hinter dem wirklichen Halter nicht ein Versicherer
steht, der für die Unfallfolgen eintritt. Eine andere Beurteilung eines
derartigen Falles würde dazu führen, die vom Gesetze in strengster Weise
aufgestellte und geordnete Versicherungspflicht für solche durchaus mögliche,
den Behörden gar nicht erkennbare Fälle illusorisch zu machen. Die
Voraussetzung einer Versicherung für die Inverkehrsetzung eines
Motorfahrzeuges ist nach dem Gesetz eine absolute. Wer diese durch die
Behauptung veranlasst, er sei Halter, und nachweist, dass er eine Versicherung
abgeschlossen habe, kann sich der daraus folgenden Haftung nicht entschlagen
(STREBEL, Komm. zu Art. 37 N. 52); und der Versicherer, der den Pseudohalter
versichert und damit die Inverkehrbringung des Fahrzeuges erst möglich gemacht
hat, darf sich auch seinerseits der Verantwortlichkeit für die Haftung des
Pseudohalters nicht entschlagen können. Könnte daher die Beklagte nicht als
Versicherer des wirklichen Halters Hammer direkt belangt werden, so müsste
Meyer haftpflichtig und die Beklagte als Haftpflichtversicherer Meyers
belangbar erklärt werden. Es läge dann ein ähnliches Verhältnis vor wie beim
Halterwechsel, wo der alte Halter, obwohl er diese Eigenschaft nicht mehr hat,
bis zur amtlichen Uebertragung des Fahrzeugausweises auf den neuen Halter
neben diesem weiterhaftet (Art. 40 MFG). Meyer als Halter könnte noch weniger
als Vater Hammer die Haftpflicht für die Schwarzfahrt des Sohnes mit der
Bestreitung eines Verschuldens an deren Zustandekommen ablehnen, hatte er doch
zur Zeit des Unfalls, da nicht mehr in der Garage Hammer angestellt, keinerlei
Kontakt mit «seinem» Wagen mehr.
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Berufung wird abgewiesen und das Urteil des Obergerichts des Kantons
Aargau vom 13. Oktober 1950 bestätigt.