S. 189 / Nr. 37 Verfahren (d)

BGE 77 II 189

37. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 26. Juni 1951 i. S. SEBA
Nationalunternehmen gegen Weill.


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Regeste:
Berufung, Zulässigkeit, Art. 43 00. Internationales Privatrecht. Verrechnung,
Zulässigkeit: Massgebend ist das Recht der zu tilgenden Forderung.
Kauf, Bestimmung des anwendbaren Rechts.
Unzuständigkeit des Bundesgerichts zur Überprüfung als blosses Ersatzrecht
angewendeten schweiz. Rechts.
Recours en réforme, recevabilité, art. 43 OJ. Droit international privé.
Compensation. admissibilité: fait règle la loi qui s'applique à la créance que
la compensation aura pour effet d'éteindre.
Vente, détermination du droit applicable.
Incompétence du Tribunal fédéral pour contrôler l'application du droit suisse
appliqué uniquement comme succédané du droit étranger applicable.
Ricorso per riforma. ricevibilità (art. 43 00). Diritto internazionale
privato. Compensazione. ammissibilità: determinante è la legge del credito che
sarà estinto per compensazione.
Vendita, determinazione del diritto applicabile.
Incompetenza del Tribunale federale per sindacare l'applicazione del diritto
svizzero applicato unicamente come succedaneo del diritto estero applicabile.

Aus dem Tatbestand:
Der Beklagte Weill schuldete der Klägerin SEBA, einem nationalisierten
Unternehmen in der Tschechoslowakei, aus der Lieferung von Textilien rund Fr.
134000.-. Auf Bezahlung belangt, erhob er die Einrede der Verrechnung mit
höheren Gegenforderungen. Das Handelsgericht Bern schützte die
Verrechnungseinrede und wies die Klage ab. Das Bundesgericht tritt auf die
Berufung der Klägerin nicht ein, aus folgenden
Erwägungen:
Da nach Art. 43 OG das Bundesgericht lediglich über die richtige Anwendung des
schweizerischen Rechtes zu wachen hat, ist in erster Linie von Amtes wegen die
Frage

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zu prüfen, nach welchem Recht sich Zulässigkeit und Voraussetzungen der vom
Beklagten geltendgemachten Verrechnung bestimmen.
Nach allgemein anerkannter Auffassung ist zunächst auf das Recht abzustellen,
dem die Forderung untersteht, die durch Verrechnung zum Erlöschen gebracht
werden soll. Streitig ist dann aber, ob daneben auch noch das Recht der zur
Verrechnung gestellten Gegenforderung zu berücksichtigen sei. Nach der
Rechtsprechung des Bundesgerichts ist diese Frage zu verneinen; massgebend ist
danach ausschliesslich das Recht, von dem die zu tilgende Verpflichtung
beherrscht wird (BGE 63 II 384). In der Literatur wird demgegenüber die
Auffassung vertreten, dass wenigstens unter gewissen Voraussetzungen
entsprechend dem sog. «Koppelungsprinzip» auch noch das Recht der zur
Verrechnung gestellten Gegenforderung mit herangezogen werden müsse (so
SCHNITZER, Handbuch des internationalen Privatrechts, 3. Aufl. Bd. II S. 586
f., und vor ihm schon ZITELMANN, Internationales Privatrecht Bd. II S. 397,
sowie DÖLLE, Rheinische Zeitschrift Bd. 13 S. 32 ff.). Die herrschende Meinung
steht indessen nach wie vor auf dem Boden der vom Bundesgericht vertretenen
Auffassung; so neuerdings mit besonderem Nachdruck RAAPE (Internationales
Privatrecht 3. Aufl. S. 319), der dazu mit Recht bemerkt: «Dass die zur
Aufrechnung benutzte Gegenforderung erlischt, wird sich aus ihrem Statut auch
dann ableiten lassen, wenn dieses im gegebenen Fall, wäre er ein
innerrechtlicher, die Aufrechnung nicht zulassen würde, (gleich WOLFF, Das
internationale Privatrecht Deutschlands, 2. Aufl. S. 128; LEWALD, Das deutsche
internationale Privatrecht S. 282 f., u.a.m.). Mit Recht weist LEWALD darauf
hin, dass sich ja bezüglich der zur Aufrechnung verwendeten Gegenforderung im
wesentlichen nur die Frage stellt, ob nach diesem Statut der Schuldner frei
werde, wenn sich der Gläubiger im Wege der Verrechnung Befriedigung verschafft
habe, und dass diese Frage wohl nur dann mit Sicherheit zu verneinen sei, wenn
das Statut

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der Gegenforderung das Institut der Aufrechnung überhaupt nicht kenne. Er fügt
dann zutreffend bei: «Für einen solchen abnormen Fall bliebe allerdings die
Gegenforderung nach ihrem Recht weiterbestehen. Wollte sie aber der Gläubiger
(der sie zur Aufrechnung verwendet hat) geltend machen, so wäre im Rahmen
dieses Statuts Abhilfe zu schaffen... Es würde der Gesichtspunkt der
Bereicherung oder des venire contra factum proprium (exceptio doli) eingreifen
können.»
Besteht somit kein Anlass, von der bisherigen Rechtsprechung abzugehen, so ist
im weiteren zu prüfen, welchem Recht die Forderung der Klägerin untersteht,
der gegenüber der Beklagte die Einrede der Verrechnung erhebt.
Die Klägerin leitet ihre Forderung aus dem Verkauf von Textilien ab, die vom
Ausland in die Schweiz zu liefern waren. Den Akten sind weder eine
ausdrückliche Parteivereinbarung, noch sonst irgendwelche Anhaltspunkte dafür
zu entnehmen, dass die Parteien beim Vertragsschluss übereinstimmend ein
bestimmtes Recht als anwendbar unterstellten. Daher ist als massgebendes Recht
dasjenige des Ortes zu betrachten, mit dem das streitige Rechtsverhältnis den
engsten räumlichen Zusammenhang aufweist. Unter diesem Gesichtspunkt kommt dem
Erfüllungsort der für die betreffende Vertragsart charakteristischen Leistung
überwiegende Bedeutung zu. Deshalb ist in der Regel das dort geltende Recht
als massgebend zu betrachten, es sei denn, dass die Umstände des Falles die
Beziehungen zu einem andern Lande als noch enger erscheinen lassen (vgl. BGE
72 II 411, sowie das nicht veröffentlichte Urteil vom 7. März 1951 i. S.
Häusermann c. Mowag). Beim Kauf ist die charakteristische Leistung diejenige
des Verkäufers. Da dieser in der Tschechoslowakei domiziliert ist und dort zu
erfüllen hatte, untersteht mithin die Kaufpreisforderung der Klägerin
ausländischem Recht, und dieses ist daher auch massgebend für die Frage der
Zulässigkeit sowie die Voraussetzungen der Verrechnung.
Die Vorinstanz hat zu der Frage des auf die Verrechnung

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anwendbaren Rechts nicht Stellung genommen; sie scheint ohne weiteres auf
schweizerisches Recht abgestellt zu haben. Von einer Rückweisung kann jedoch
gestützt auf Art. 60 Abs. 1 lit. c OG gleichwohl Umgang genommen werden. Denn
in anderem Zusammenhang hat die Vorinstanz ausgeführt: «Auch wenn
grundsätzlich tschechisches Recht anwendbar wäre, so müsste doch auf das
schweizerische Obligationenrecht als Ersatzrecht abgestellt werden, da dem
Gericht der gegenwärtige Rechtszustand hinter dem eisernen Vorhang, namentlich
auf dein Gebiete des Vertragsrechts, völlig unbekannt ist, und von der
Klägerin auch nur der Versuch, diesbezüglich irgendwelche Unterlagen
beizubringen, nicht gemacht wird.» Die Handhabung schweizerischen Rechtes als
blosses Ersatzrecht für das anwendbare ausländische Recht ist aber vom
Bundesgericht gemäss ständiger Rechtsprechung nicht nachzuprüfen (BGE 67 II
181
, 218 und dort erwähnte Entscheide).
Das Bundesgericht hat deshalb davon auszugehen, dass die Verrechnung im
vorliegenden Fall grundsätzlich zulässig ist und deren Voraussetzungen erfüllt
sind. Dies aber natürlich nur unter der Voraussetzung, dass dem Beklagten die
von ihm behaupteten Gegenforderungen auch wirklich zustehen...
Decision information   •   DEFRITEN
Document : 77 II 189
Date : 01. Januar 1951
Published : 26. Juni 1951
Source : Bundesgericht
Status : 77 II 189
Subject area : BGE - Zivilrecht
Subject : Berufung, Zulässigkeit, Art. 43 00. Internationales Privatrecht. Verrechnung, Zulässigkeit...


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OG: 43  60
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63-II-383 • 67-II-179 • 72-II-405 • 77-II-189
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